Über Jahrtausende hinweg wurden schwere Verbrechen vielerorts mit dem Tode bestraft. In einigen Ländern ist dies auch heute noch der Fall, obwohl diese Art der Strafe unvereinbar mit den Interner Link: Menschenrechte ist.
Zahlreiche Staaten und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) setzen sich für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ein. Um diesem Anliegen Nachdruck zu verleihen, erklärte die Externer Link: „World Coalition Against the Death Penalty“ (Weltkoalition gegen die Todesstrafe) – ein internationaler Zusammenschluss von NGOs – im Jahr 2003 den 10. Oktober zum Internationalen Tag gegen die Todesstrafe. Seither ist dieser Tag Anlass für Kampagnen, die eine weltweite Abschaffung der Todesstrafe fordern. 2025 will das Bündnis den Tag wieder vor allem dazu nutzen, um auf die weit verbreitete Annahme einzugehen, die Todesstrafe trage zu mehr Sicherheit bei – und diese kritisch zu hinterfragen.
Der 10. Oktober ist zugleich auch der Europäische Tag gegen die Todesstrafe. Die EU und der Interner Link: Europarat haben den Tag 2007 ins Leben gerufen.
Zahl der Hinrichtungen steigt
Laut Interner Link: Amnesty International ist die Zahl der erfassten Hinrichtungen zwischen 2020 und 2024 vier Mal in Folge gestiegen. In den vergangenen 10 Jahren lag die Zahl nur in einem Jahr höher. Den Angaben der Nichtregierungsorganisation zufolge wurden im vergangenen Jahr in 15 Ländern insgesamt mindestens 1.518 Menschen hingerichtet. Die Zahl der bekannten Hinrichtungen war demnach ein knappes Drittel höher als noch 2023. Hinzu kommen Amnesty-Schätzungen zufolge Tausende Hingerichtete in China sowie weitere in Nordkorea und Vietnam. Zuverlässige Aussagen sind jedoch schwierig zu treffen, denn alle drei Staaten veröffentlichen keine Zahlen über die vollstreckten Todesstrafen. Auch für Krisenregionen wie Syrien oder die Palästinensischen Gebiete existieren keine anerkannten Angaben.
Weltweit waren Amnesty International zufolge Ende 2024 mindestens 28.085 Menschen von der Vollstreckung der Todesstrafe bedroht. 2024 wurden demnach mindestens 2.087 neue Todesurteile in 46 Ländern verhängt. Dies ist ein Rückgang von 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
In mindestens 15 Staaten wird die Todesstrafe vollzogen
Amnesty hat 2024 Hinrichtungen in 15 Staaten dokumentiert. China ist mit weitem Abstand das Land mit den meisten Hinrichtungen. Dahinter folgen der Iran, mit mindestens 972 und Saudi-Arabien mit mindestens 345 vollstreckten Todesstrafen, der Irak kommt auf mindestens 63 und Jemen auf mindestens 38. Obwohl die Zahl der Hinrichtungen steigt, geht die Zahl der Länder, die Todesurteile vollstrecken, zurück. 2023 hatten noch 15 Staaten Hinrichtungen vollzogen, 2019 noch mindestens 20, Interner Link: 2015 sogar 25.
Laut Amnesty hatten Ende vergangenen Jahres weltweit 113 Länder die Todesstrafe vollständig aus ihrem Strafkatalog gestrichen. Weitere hatten die Todesstrafe für gewöhnliche Straftaten abgeschafft – Ausnahmen gelten theoretisch etwa für die Militärgerichtsbarkeit. 23 Länder haben die Todesstrafe in der Praxis abgeschafft. 54 halten weiterhin an ihr fest.
Drei Staaten verhängten dem im April erschienen Externer Link: Amnesty-Bericht zufolge nach einer Unterbrechung wieder Todesurteile: Uganda, Südsudan und Sudan. Belarus ist nach wie vor das einzige Land in Europa, das die Todesstrafe anwendet. Im vergangenen Jahr wurde in dem osteuropäischem Staat ein Deutscher zum Tode verurteilt, in der Folge jedoch begnadigt. Im Irak hat sich die Zahl der verzeichneten Hinrichtungen 2024 laut des Berichts im Vergleich zum Vorjahr mehr als vervierfacht. Simbabwe hatte die Abschaffung der Todesstrafe im vergangenen Jahr abschließend in die Wege geleitet – und diesen Schritt im Januar 2025 vollzogen. Sambia hat die Todessstrafe derweil im vergangenen Jahr komplett aufgegeben.
Todesstrafe oft für Drogendelikte
42 Prozent der bekannt gewordenen Hinrichtungen weltweit erfolgten laut Amnesty aufgrund von Drogendelikten in vier Ländern – China, Iran, Singapur und Saudi-Arabien. Im Iran war dies den Angaben zufolge bei mehr als der Hälfte der vollstreckten Hinrichtungen der Fall, in Singapur sogar bei fast allen. Wirtschafts- und Korruptionsdelikte spielen für die Verhängung der Todesstrafe in China und Vietnam eine maßgebliche Rolle, in Pakistan kann Blasphemie mit dem Tod bestraft werden, im Jemen Sex in einer außerehelichen Beziehung. In anderen Ländern wie Indien und Bangladesch droht für Vergewaltigung die Todesstrafe. Mehrere Länder, darunter auch Iran, verhängten jedoch auch gegen Oppositionelle die Todesstrafe.
Kein internationales Verbot der Todesstrafe, aber Einschränkungen
Die Todesstrafe ist dem Völkerrecht zufolge nicht ausdrücklich verboten. Gemäß des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, dem sogenannten Zivilpakt, müssen sich Staaten, die die Todesstrafe anwenden, jedoch an verbindliche Mindeststandards halten. So ist deren Verhängung nur für „schwerste Verbrechen“ zulässig. Auch ist ein faires Verfahren zwingend. Gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige, Menschen mit einer geistigen Behinderung, psychisch schwer Kranke oder Schwangere darf die Todesstrafe nicht verhängt werden. Mit der Ratifizierung des zweiten Fakultativprotokolls zum Zivilpakt haben sich darüber hinaus Dutzende Länder verpflichtet, die Todesstrafe abzuschaffen.
Deutschland hat sich so wie alle EU-Staaten dazu verpflichtet, diese Form der Bestrafung nicht anzuwenden – wobei das Grundgesetz diese ohnehin untersagt. Interner Link: Das Zusatzprotokoll Nummer 13 zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) schreibt den Staaten des Europarats, die es ratifiziert haben, vor, die Todesstrafe vollständig abzuschaffen. 2007 forderte die Interner Link: Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) erstmals in einer Resolution die weltweite Aussetzung der Todesstrafe – weitere Resolutionen folgten. Im vergangenen Jahr votierten erstmals mehr als zwei Drittel aller Mitgliedsstaaten der UN zugunsten einer Resolution der Generalversammlung, die ein Moratorium, also das Aussetzen der Vollstreckung der Todesstrafe fordert.
Historische Entwicklung der Todesstrafe in Deutschland
Im Deutschen Reich wurden in der Kaiserzeit Menschen hingerichtet, ebenso in der Weimarer Republik. In der NS-Zeit stieg die Zahl der verhängten Todesstrafen extrem an – nicht nur gegen „gewöhnliche Straftäter“, sondern vor allem auch gegen Oppositionelle wegen „regimefeindlicher Taten“. Die Strafjustiz war eine tragende Säule des nationalsozialistischen Regimes. Zivile Strafgerichte sollen mehr als 16.000 Todesurteile gefällt haben, militärische Strafgerichte weit über 30.000.
In Westdeutschland wurde die Interner Link: Todesstrafe mit Inkrafttreten des Interner Link: Grundgesetzes am 24. Mai 1949 außer Kraft gesetzt. In der Verfassung der Bundesrepublik heißt es in Artikel 102 unmissverständlich: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“ Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten sich vor allem unter dem Eindruck der NS-Zeit eindeutig positioniert. Versuche, die Todesstrafe wieder einzuführen, scheiterten 1952. Der letzte zum Tode Verurteilte wurde kurz vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 11. Mai 1949 in West-Berlin wegen Mordes per Guillotine hingerichtet. Die letzten von den Militärgerichten der West-Alliierten verhängten Todesurteile gegen NS-Kriegsverbrecher wurden allerdings noch 1951 vollstreckt.
In der DDR wurde die Todesstrafe 1987 abgeschafft. Zum letzten Mal vollstreckt wurde sie dort 1981 per Genickschuss am wegen „schwerster Verbrechen gegen die Sicherheitsinteressen“ der DDR verurteilten Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit, Werner Teske. Bis dahin waren in der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) und der DDR nach den Erkenntnissen der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages Externer Link: „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit“ seit 1945 insgesamt 372 Todesstrafen verhängt worden, von denen 206 auch vollstreckt wurden.
Wurden in den ersten zwei Jahrzehnten neben NS-Verbrechern vor allem Mörder exekutiert, waren es in den 1970er-Jahren vor allem wegen angeblicher politischer Vergehen Verurteilte.
Keine stichhaltigen Belege für abschreckende Wirkung
Als Argument für die Todesstrafe wird neben dem Vergeltungsprinzip insbesondere deren angeblich abschreckende Wirkung vorgebracht. Doch gibt es diesen Effekt tatsächlich?
Zwar gibt es Studien, die einen solchen Effekt beschreiben. In einer aufwändigen Meta-Studie verglichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Institut für Kriminologie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der Technischen Universität Darmstadt 82 dieser empirischen Abschreckungsstudien. Aufgrund der Untersuchungen von Forschenden aus Kriminologie, Soziologie oder den Rechtswissenschaften wäre die Hypothese von der Abschreckungswirkung der Todesstrafe demnach nicht tragbar, so das Ergebnis der Metastudie. Untersuchungen, die von Ökonominnen und Ökonomen in wirtschaftswissenschaftlichen Zeitschriften publiziert wurden, würden dagegen den Forschern zufolge einen umgekehrten Schluss nahelegen. Die Resultate dieser Untersuchungen seien in erster Linie vom Forschungskontext der Wissenschaftler abhängig, so das Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg. „Wir wissen nicht, welche der gegenteiligen Ergebnisse zuverlässiger sind; somit fehlt der Todesstrafe die generalpräventive Rechtfertigung“, konstatierte der Heidelberger Professor Dieter Hermann im Jahr 2011.
26 der 82 untersuchten Studien beschrieben eine abschreckende Wirkung der Todessstrafe. Gerade die die Abschreckungswirkung bejahenden Untersuchungen wiesen der Metastudie zufolge jedoch erhebliche methodische Mängel auf. „Es fehlt an einem belastbaren Nachweis der Abschreckungswirkung der Todesstrafe“, so der Forscher Christian Folter in seiner Dissertation mit dem Titel „Die Abschreckungswirkung der Todesstrafe – Eine qualitative Metaanalyse“.
In der Praxis führte die Abschaffung der Todesstrafe in der Regel nicht zu einem Anstieg der Mordrate. Unbestritten ist: Justizirrtümer werden durch die Todesstrafe auf fatale Weise unumkehrbar.
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