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Europäische Kommission | bpb.de

Europäische Kommission

M. W. Bauer/B. Heisserer

Die K. gehört neben dem Europäischen Parlament (EP) und dem (Minister-)Rat zu den wichtigsten Organen der EU. Sie wird häufig als der »Motor der europäischen Integration« beschrieben, weil Fortschritte der Integration oft auf ihre Initiativen zurückgehen. Sie ist vergleichbar mit dem Generalsekretariat einer internationalen Organisation und besetzt mit einer hoch qualifizierten Beamtenschaft aus den EU-Staaten. Die K. besitzt administrative, exekutive, richterähnliche und legislative Befugnisse. Besonders wichtig sind:

• das formelle Initiativrecht (Rat und EP können Gesetzgebungsmaßnahmen nur auf Vorschlag der K. hin beschließen);

• ihre Aufgaben bei der Verwaltung und Ausführung des EU-Haushalts sowie

• ihre Rolle als Hüterin der Gemeinschaftsverträge.

Die Kompetenzen der K. variieren von Politikfeld zu Politikfeld: In der Wettbewerbspolitik haben Entscheidungen der K. z. B. unmittelbare Auswirkungen auf Unternehmen – nicht selten auch außerhalb der EU (z. B. Klage gegen den US-Konzern Microsoft). In der Sozial- oder Kulturpolitik hingegen sind die Kompetenzen der K. schwach ausgeprägt. Die K. geht auf die Hohe Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) zurück. Nach der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft wurden die Exekutivorgane dieser 3 Organisationen 1967 zur K. der EG, wie wir sie heute kennen, durch den sog. Fusionsvertrag zusammengelegt. Die K. ist eine zweigeteilte Institution: Sie besteht aus einer »politischen« Ebene, nämlich dem Kollegium der Kommissare, das aus nationalen Politikern zusammengesetzt ist und die formalen Entscheidungen fällt (vergleichbar mit dem Kabinett einer nationalen Regierung). Es heißt deshalb Kollegium, weil alle Kommissare sämtliche Entscheidungen gemeinsam verantworten und nach außen einheitlich vertreten müssen. Das soll den Druck auf die einzelnen Mitglieder mindern und die Kommissare in ihrer Unabhängigkeit stärken. Die zweite Ebene besteht aus den Generaldirektionen und Diensten (vergleichbar mit nationalen Ministerien), in denen der technische Sachverstand versammelt ist bzw. die notwendige administrative Koordinierung und Unterstützung geleistet werden. In den Generaldirektionen werden die Entscheidungen der politischen Ebene vorbereitet, deren Umsetzung überwacht bzw. selbst ins Werk gesetzt. Das Kollegium der K. setzt sich (nach dem EU-Austritt Großbritanniens) aus 27 Kommissaren zusammen; es wird geführt von der Präsidentin, deren Rolle unlängst gestärkt wurde. Der Präsident bzw. die Präsidentin wird von den europ. Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen und am Ende vom EP gewählt. Die Präsidentin hat ein Mitspracherecht bei der Auswahl der anderen Kommissare und bestimmt ihren Verantwortungsbereich. Die Amtszeit einer K. beträgt 5 Jahre, sie beginnt 6 Monate nach der Wahl des EP. Dieses muss der Einsetzung eines neuen Kollegiums zustimmen und kann es – immer nur als Ganzes – zum Rücktritt zwingen. Momentan stellt noch jeder EU-Mitgliedstaat einen »eigenen« Kommissar. Laut Vertrag von Nizza (2000) muss die Zahl der Kommissare künftig aber verringert werden. Dann soll ein Rotationsprinzip gelten; diese Regelung wurde aber bislang nicht angewandt. Die Mitglieder der K. sind nur dem europ. Gemeinwohl verpflichtet und dürfen keine Weisungen nationaler Regierungen entgegennehmen. Das Kollegium tagt 1-mal wöchentlich. Das Kollegium entscheidet formal mit einfacher Mehrheit (bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag). In der Praxis hingegen werden Entscheidungen gewöhnlich im Konsens getroffen, tatsächliche Abstimmungen sind die Ausnahme. Jeder Kommissar verfügt über ein Kabinett, also einen kleinen Stab persönlicher Mitarbeiter, die verschiedenen Nationalitäten angehören müssen. Die Kabinette bilden wichtige »Scharniere« zwischen der politischen und der administrativen Ebene in der K. und koordinieren auch die Position der Kommissare zu den einzelnen Fachthemen. Jeder Kommissar hat einen bestimmten Zuständigkeitsbereich. Normalerweise entspricht dieser Zuständigkeitsbereich einer oder mehreren Generaldirektionen. Die 47 Generaldirektionen (z. B. Binnenmarkt, Handel, Nachbarschaft und Erweiterung) und Dienste (z. B. Juristischer Dienst, Gebäude, Logistik, Historisches Archiv) beschäftigen ca. 32.000 Beamte und Vertragsangestellte (Stand 2019). Die K. unterhält Repräsentationen in den Mitgliedstaaten der EU sowie Delegationen in aller Welt, in denen noch einmal mehrere 1.000 Mitarbeiter beschäftigt sind. Die Arbeitssprachen in der K. sind Engl., Frz. und Dt. Offizielle Dokumente müssen aber in alle (nach dem Ausscheiden Großbritanniens) 23 Amtssprachen der Europäischen Union übersetzt werden.

Die K. wird oft als regulierungswütige Bürokratie dargestellt, die einen europ. »Superstaat« herbeiführen will. Tatsächlich aber ist die K. bei der Vorbereitung, Formulierung sowie auch Koordination und Durchführung europ. Gesetzesvorhaben (»Komitologie«) eng mit den nationalstaatlichen Verwaltungen und Interessengruppen aus allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft vernetzt und greift i. d. R. nur solche Vorschläge auf, die auch die Unterstützung einer Mehrzahl der EU-Staaten finden.

Internet

Literatur

  • M. W. Bauer/B. Heisserer: Die Reform der Europäischen Kommission. Modernisierungskonzepte aus vier Jahrzehnten im Vergleich, in: integration, H. 1/2010, S. 21-35.

  • H. Kassim u. a.: The European Commission of the Twenty-First Century, Oxford 2013.

  • N. Nugent/M. Rhinard: The ›political‹ roles of the European Commission, in: Journal of European Integration, H. 2/2019, S. 203-220.

  • A. Schout/A. Nunes: The European Commission in balance? Ambition, organisation and power, Clingendael Report, Den Haag 2019 (Download: www.clingendael.org).

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: M. W. Bauer/B. Heisserer

Siehe auch:

Fussnoten

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