Die Politische Bildung erhebt den Anspruch, fast jegliche Altersstufen sowie alle Bildungsniveaus und gesellschaftlichen Schichten zu erreichen. Als Ausgangspunkt für Forderungen nach der Vertiefung politischer Bildung – sowohl in der Grundschule als auch im Erwachsenenbereich – wird häufig ein Zitat des Soziologen Oskar Negt angeführt: "Demokratie ist die einzige politisch verfasste Gesellschaftsordnung, die gelernt werden muss – immer wieder, tagtäglich und bis ins hohe Alter hinein". Die aktive Lernbarkeit des Politischen einer Demokratie wird insbesondere der Methode Planspiel zugeschrieben.
Politische Bildung differenziert sich in schulische politische Bildung (schulischer Politikunterricht, Demokratiebildung im Lernraum Schule) und außerschulische politische Bildung (Jugend- und Erwachsenenbildung). Entgegen mancher Einschätzung lassen sich Planspiele im Prinzip mit praktisch sämtlichen Zielgruppen einsetzen – auch in der Grundschulstufe. In der älteren Literatur wurde angenommen, dass die Methode auf Basis der mangelhaften Integrierbarkeit in den 45-Minuten-Rhythmus der Schule vor allem in der Erwachsenenbildung eingesetzt wird.
Gymnasien werden gut erreicht, andere Schulformen und der außerschulische Bereich kaum
Auf Basis eines Surveys, den der Autor im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung Anfang 2024 durchgeführt hat, ist dies aber (mittlerweile) nicht (mehr) der Fall. Die Komplexität der Methode hat ein plurales Feld von Anbietern entstehen lassen, die insbesondere Schulen oder andere Bildungsträger in der Durchführung der Methode unterstützen. Planspiele – in der Umfrage betrachtet jene, die von externen Anbietern durchgeführt werden – finden überwiegend in Schulen bzw. mit schulisch organisierten Gruppen am außerschulischen Lernort statt. Am besten erreicht werden Gymnasien (47 % Prozent der Planspiel-Veranstaltungen), insbesondere die gymnasiale Oberstufe (26 % der Veranstaltungen). Damit wird das Gymnasium – selbst unter Berücksichtigung seiner Rolle als meistbesuchte weiterführende Schulform in Deutschland – deutlich überproportional erreicht (siehe Abbildung). Insbesondere die Berufsschule, die vergleichbare Altersgruppen adressiert, ist diesbezüglich deutlich unterrepräsentiert.
Den zweiten Platz in dieser Differenzierung belegen die Jahrgangsstufen 8–10 der Gymnasien (19 %), während die Realschulen (14 %) und Haupt-/Mittelschulen (11 %) deutlich zurückliegen. Aufschlussreich ist auch die Binnendifferenzierung zwischen den Jahrgangsstufen aller Schularten: Nur 6 % der Planspielveranstaltungen finden mit Schülerinnen und Schülern der 5. bis 7. Jahrgangsstufe statt. In diesen Stufen unterscheiden sich die Schulformen kaum (jeweils rund 2 % der Gesamtveranstaltungen). 44 % aller durchgeführten Veranstaltungen entfallen auf die Jahrgangsstufen 8 bis 10. Rund vier Fünftel der Planspielanbieter haben innerhalb eines Jahres keinerlei Veranstaltungen für die Jahrgangsstufen 5 bis 7 angeboten. Allerdings ist hier zu beachten: Es findet nur verhältnismäßig wenig Politikunterricht in diesen Klassenstufen statt.
Auffällig ist, dass viele Planspielanbieter "Erwachsene" und die "außerschulische Jugendbildung" zwar als Zielgruppen ihrer Formate angeben, jedoch nur 6 % der Veranstaltungen tatsächlich mit diesen Zielgruppen durchgeführt werden. Viele Akteure (z. B. zahlreiche Landeszentralen oder die Bildungsangebote der Parlamente) richten ihre Planspielangebote aber gar nicht an Erwachsene. Immerhin 7 % der Planspielveranstaltungen finden mit Grundschulen statt, was zeigt, dass diese Altersstufe – entgegen früherer Annahmen – durchaus mit Planspielangeboten adressiert werden kann. Gleichwohl kann davon ausgegangen werden, dass unter den Angaben auch viele Kurzformate und Rollenspiele aufgeführt sind. Studien zu Planspielen in der Grundschule ermutigen zur Forderung, dass eine Ausweitung des Angebots für die Primarstufe wünschenswert wäre. Auch im Förderschulbereich lassen sich entsprechende Bestrebungen erkennen. So bietet die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Stand: April 2025) das Planspiel "Freie Fahrt für alle?" zur Landespolitik für Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen an.
Die vorliegenden Daten bestätigen andere Studien, die zeigen, dass Gymnasiasten und Gymnasiastinnen eine größere Chance haben, an Planspielen teilzunehmen. Der Titel der Arbeit von Achour und Wagner – "Wer hat, dem wird gegeben: Politische Bildung an Schulen" – lässt sich treffend auch auf den Einsatz der Planspielmethode übertragen. Um nicht-gymnasiale und jüngere Zielgruppen besser zu erreichen, sind Formate zu entwickeln, die textreduziert sind und stärker auf multimediale Elemente wie Bilder, Videos und Audios setzen. So können sich Teilnehmende des 2025 veröffentlichten Planspiels "Bürgerrat in Aktion" der bpb große Teile ihres Rollenprofils vorlesen lassen; das Spiel kommt zudem ohne textbasiertes Szenario aus. Auch digitalgestützte Tools können das Zielgruppenspektrum erweitern. Nicht zuletzt hängt die Nutzung von Planspielen auch vom Umfang des Politikunterrichts ab, der zumeist zulasten nicht-gymnasialer Schulformen ungleich verteilt ist. Die vorliegende Umfrage zeigt jedoch auch: Etwa die Hälfte der Planspielanbieter sieht selbst, dass insbesondere jüngere und nicht-gymnasiale Zielgruppen aktuell nicht angemessen durch Planspielangebote erreicht werden.