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Einleitung: Inklusion und politische Bildung | inklusiv politisch bilden | bpb.de

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Einleitung: Inklusion und politische Bildung

Wolfram Hilpert

/ 4 Minuten zu lesen

Inklusion ist mit dem Anspruch verbunden, die Ausgrenzung Benachteiligter zu überwinden. Die Aufgabe inklusiver politischer Bildung ist nicht nur auf Menschen mit Behinderungen beschränkt. Sich dieser umfassenden Aufgabe zu nähern, bedarf einer Fokussetzung. „Inklusiv politisch bilden“ legt den Fokus auf der Förderung der Politikkompetenz von Menschen mit Lernschwierigkeiten.

Politische Bildung soll die Fähigkeit und Bereitschaft von Bürgerinnen und Bürgern stärken, am politisch-gesellschaftlichen Leben gestaltend teilzuhaben. Denn Demokratie braucht eine lebendige und streitbare Zivilgesellschaft. Exklusion, der Ausschluss von Gruppen der Gesellschaft aus dem politischen und gesellschaftlichen Leben, gefährdet deshalb die Demokratie. Die Angebote der politischen Bildung erreichen aber insbesondere jene Bürgerinnen und Bürger kaum, die von der Teilhabe am politischen Diskussions- und Gestaltungsprozess faktisch ausgeschlossen sind oder sich ausgeschlossen fühlen.

Unter dem Stichwort "Inklusive politische Bildung" werden im Dossier "inklusiv politisch bilden" Beiträge veröffentlich, die didaktische Fragen diskutieren: Wie kann politische Bildung so geplant und gestaltet werden, dass auch Menschen, die bisher kaum die Möglichkeit der gesellschaftlich-politischen Teilhabe hatten, erreicht werden. Unterschiedliche didaktische Ansätze und Positionen, die in der Publikation Interner Link: Didaktik der inklusiven politischen Bildung formuliert wurden, werden vorgestellt. Politischen Bildung ist "von Hause aus" eine inklusive Aufgabe. "Inklusive politische Bildung" schenkt dieser Aufgabe "Inklusion" aber eine besondere Beachtung.

Inklusion ist mit dem Anspruch verbunden, die Ausgrenzung von Menschen benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen Menschen (Menschen mit formal geringen Bildungsniveau, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderung etc.) zu überwinden. Inklusiv politisch zu bilden ist somit eine umfassende Aufgabe, die sich nicht nur auf Menschen mit Behinderungen beschränkt.

Kongress "Inklusiv politisch bilden" 2015 (© bpb, Swen Rudolph)

Fokus auf Menschen mit Lernschwierigkeiten

Sich der umfassenden Aufgabe "inklusiv politisch bilden" zu nähern, bedarf einer Fokussetzung. Der Fokus liegt hier auf der Förderung der Politikkompetenz von Menschen mit Lernschwierigkeiten, so die Selbstbezeichnung von Menschen mit geistigen Behinderungen. Warum wurde der Fokus auf Menschen mit Lernschwierigkeiten gesetzt?

Menschen mit Lernschwierigkeiten: bisher unbeachtet von der politischen Bildung

Menschen mit Lernschwierigkeiten leben zumeist in für sie geschaffenen Strukturen (Werkstätten, Heime etc.) oder werden auch als Erwachsene familiär betreut. Die sozialstaatliche Intervention und die familiäre Fürsorge schaffen für sie zwar Orte, die sie in einer wettbewerbsorientierten Gesellschaft schützen. Aber diese Strukturen haben auch zur Folge, dass sie wie kaum eine andere Gruppe gesellschaftlich separiert sind. Zudem erschwert das weit verbreitete Vorurteil, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten keinerlei politische Bildungs- und Urteilsfähigkeit besitzen, ihre Teilnahme am politisch-gesellschaftlichen Diskurs. Deshalb sind Bestrebungen, die Menschen mit Lernschwierigkeiten unterstützen, am politisch-gesellschaftlichen Geschehen teilzunehmen, nur spärlich vorhanden. Mittlerweile hat jedoch eine Diskussion über die Ausgrenzung von Menschen mit Lernschwierigkeiten aus dem politischen Geschehen begonnen. Unter Bezugnahme auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, im Folgenden als UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) bezeichnet, üben z. B. namhaften Personen aus Politik und Gesellschaft deutliche Kritik an § 13 Nr. 2 des Bundeswahlgesetztes, im dem bestimmt ist, dass Menschen, für deren sämtliche Angelegenheiten ein Betreuer bzw. eine Betreuerin bestellt ist, vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.

UN-BRK: Politische Bildung ist gefordert, sich dem Thema anzunehmen

In der UN-BRK wird Menschen mit Behinderungen das Recht auf Bildung "ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit" zugesprochen. Als eines der Bildungsziele wird die Befähigung zur "wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft" genannt (Artikel 24 Absatz 1c). Politische Bildung wird in die Pflicht genommen, ihre Angebote für Menschen mit Behinderungen nutzbar zu machen und zum Empowerment von Menschen beizutragen, die bisher durch die gesellschaftliche Wirklichkeit an einer gleichberechtigten Teilhabe an politischen Prozessen gehindert wurden. Eine wesentliche Aufgabe besteht darin, Zugangsbarrieren abzubauen und Unterstützungsangebote zur selbstständigen Nutzung bereitzustellen. Dies kann aber nur zum Teil auf technisch-organisatorischem Weg erfolgen. Eine besondere didaktische Herausforderung stellt sich, wenn Inhalte und Vermittlungswege selbst zur Barriere werden etwa dann, wenn politische Bildung den Bildungserfordernissen von Menschen mit Lernschwierigkeiten gerecht werden will. Wege zu finden, wie Barrieren abgebaut werden können, ist die politische Bildung selbst gefordert.

Exemplarische Diskussion auf dem Weg zu einer inklusiven politischen Bildung

Die Suche nach Wegen, um Barrieren für Menschen mit Lernschwierigkeiten abzubauen, war -und ist es vielfach noch- eine ganz neue Aufgabe. Fragen, die in den Blick kommen, sind grundlegend und die Antworten helfen, Orientierung darüber zu finden, was unter einer inklusiven politischen Bildung zu verstehen ist.

(© bpb, Swen Rudolph)

Technische Interventionen und Übersetzungen (z.B. Untertitelung, Transkription in Braille-Schrift) können helfen, Barrieren für Menschen mit Behinderungen abzubauen. Ist dem entsprechend die Übersetzung "normaler" Angebote der politischen Bildung in Leichter Sprache der richtige Weg, Barrieren für Menschen mit Lernschwierigkeiten abzubauen? Diese Frage stellte sich, nachdem die UN-BRK die Aufgabe auch politische Bildungsangebote für Menschen mit Lernschwierigkeiten zu entwickeln, in den Blick politischer Bildner rückte. In dem mit dem Workshop Interner Link: Inklusive politische Bildung im März 2014 beginnenden Diskussionsprozess, zeigte sich aber, dass andere Wege notwendig sind: Ein politisches Bildungsangebot, das auch die Fokusgruppe Menschen mit Lernschwierigkeiten im Blick hat, sollte sich nicht an einem Angebot orientieren, dem man vermeintliche "Normalität" zuspricht. "Es kann […] nicht darum gehen, Menschen mit Behinderung in eine Gesellschaft zu inkludieren, sondern vielmehr muss es darum gehen, eine inklusive Gesellschaft zu entwickeln, in der auch Menschen mit Differenz zur erwarteten Normalität, so z. B. auch Menschen mit Behinderung, Anerkennung finden." (Ackermann 2015) Der Begriff der "Normalität" ist somit grundsätzlich in der inklusiven politischen Bildung zu hinterfragen, nicht nur für Menschen mit Lernschwierigkeiten.

Wenn vermeintliche "Normalität" nicht der Orientierungsrahmen sein kann und die politische Bildung den Bedarf der exkludierten Gruppe, in unserem Falle Menschen mit Lernschwierigkeiten, im Blick haben soll, so führt dies zu einer weiteren Frage, die diskutiert wurden: Ist die Orientierung an dem Bedarf der Zielgruppe nicht ein Widerspruch zur Inklusion? In der "Didaktik der inklusiven politischen Bildung" werden von unterschiedlichen Autoren unterschiedliche Wege aufgezeigt, wie Widersprüche oder vermeintliche Widersprüche überwunden oder versöhnt werden können. Im Kern aber besteht Übereinstimmung, dass unterschiedliche Bedarfe zwar im Blick sein, Menschen aber nicht stigmatisiert werden sollen: "Es geht "nicht darum, Spezialdidaktiken für spezifische Zielgruppen wie »Behinderte«, »Migranten«, »Politikferne«, »sozioökonomisch Benachteiligte« usw. zu entwickeln, es geht vielmehr darum, sich gezielt mit den Zugangsschwierigkeiten zu beschäftigen, […], und Angebote zu entwickeln, die diese Hindernisse abbauen." (Besand 2015)

Fussnoten