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Ein "guter" Populismus der Linken? Abschlussdiskussion mit Jan-Werner Müller und Thomas Krüger
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Zu Beginn der Gesprächsrunde fragte Krüger provozierend nach der Möglichkeit und den eventuellen Potentialen eines "guten“ oder vielleicht "linken“ Populismus. Folgt man Müllers Überlegungen, dass Populismus immer antipluralistisch sei, wird es schwierig, sich ein meinungsoffenes populistisches Pendant vorzustellen. Oft steht bei der Forderung eines linken Populismus eine andere Definition von Populismus im Hintergrund,. So ist damit etwa oft gemeint, dass es mehr Emotionen benötige oder, dass komplexe Inhalte einfacher vermittelt werden müssten. Dies habe allerdings, so Müller, nichts mit Populismus zu tun. Auch die Vorteile, die durch die Bemühung von "Volkssprech“ eventuell entstehen, seien sehr gering bzw. höchst zweifelhaft. Beispielhaft verwies er auf die Französische Präsidentschaftswahl 2017: Der linke Kandidat Jean-Luc Mélenchon hatte sich im Wahlkampf einer deutlich nationaleren Rhetorik bedient. Gleichzeitig konnte er im Vergleich zur Wahl im Jahre 2012 eindeutige Gewinne verbuchen. Der Zuwachs erklärte sich allerdings stärker durch die Wählerbewegung enttäuschter Sozialisten, als durch den neuen populistischen Kurs. Lediglich 2 % der Wähler/innen kamen vom "Front National“. Müller führte im Gespräch mit Krüger aus, dass populistische Diskurse immer eine Gefahr für die Demokratie seien. Statt sich jedoch auf die Debatte über einen guten Populismus zu fixieren, schien es ihm sinnvoller, konkrete Inhalte und politische Maßnahmen kontrovers zu erarbeiten.
Kulturkampf
Anschließend brachte Krüger die Bedeutung der kulturellen Auseinandersetzung für den Populismus zur Sprache. Der „Kulturkampf“, so Müller, sei zentral für rechtspopulistische Argumentationen. Hier komme wieder ihr – in seinem Vortrag beschriebenes – "Kerngeschäft“ zum Vorschein. Es werde permanent von der Einigung des einen Volkes gesprochen, während de facto versucht werde, eine Gesellschaft zu spalten. Ferner wies er daraufhin, dass die Mobilisierung von Gegenbewegungen verstärkende Effekte mit sich bringen könne. In den Augen der Populisten zeige sich durch die Mobilisierung, "wer der Feind ist.“ In diesem Sinne habe auch Steve Bannon, Chefstratege Trumps während der amerikanischen Präsidentschaftswahl, gesagt, "the resistance is our friend“. Eine solche Strategie greife etwa, wenn die Demonstranten gegen den "Muslime bans“ als globalistische Küsteneliten diffamiert werden. Auch wenn der ungarische Präsident Viktor Orban Demonstrierende, die gegen die Schließung der Central European University mobilisierten, als Netzwerk von George Soros bezeichne, bediene er sich der gleichen populistischen Argumentationsstruktur. Müller wollte damit nicht vom Demonstrieren abraten, sondern wies lediglich daraufhin, dass es wichtig sei, ein Gegennarrativ "bei der Hand“ zu haben.
Das Gespräch zwischen Müller und Krüger entwickelte sich dahingehend, dass sie auf das Stadt-Land-Gefälle zu sprechen kamen, das für populistische Politik eine entscheidende Determinante darstellt. Auch in den USA spiele dieses Gefälle eine entscheidende Rolle, meinte Müller. Die populistische Strategie bestehe darin, dieses Gefälle kulturell zu kodieren. In diesem Sinne stünde die "wahre“ Bevölkerung auf dem Land den kosmopolitischen Eliten in der Stadt gegenüber. Nicht die grundsätzliche Polarisierung sei dabei das Problem, sondern die kulturelle Kodierung, die das beschrieben Gefälle als unveränderlich vorstellt. Ein interessantes Beispiel sei dabei die populistische Konzeption der Lage der Menschen in den Fly-Over-countries, die von den Eliten angeblich nicht respektiert würden. Es scheint fraglich zu sein, ob und wann sie diesen Nicht-Respekt konkret erleben. Viel eher scheint es eine Frage der wiederholten Artikulation durch Rechtspopulisten und Medien zu sein.
Gegenframing
Im Gespräch mit dem Publikum stellte Müller – in Bezug auf die anfangs angesprochene Vereinfachung von Inhalten – hervor, dass ein glaubhaftes, symbolisches Statement nicht verwerflich ist. Als problematisch erachtet er, wenn es die Form von Paternalismus annimmt. Der mangelnde Erfolg linker Politik könnte damit zusammenhängen, dass es ihr nicht gelingt, ein solches Statement glaubwürdig zu formulieren. Dem Bild jedoch, dass Rechtspopulisten überall Wahlen gewinnen und die westliche Welt wie eine Welle ergreifen, müsse vehement widersprochen werden. Die Gründe für ihre partiellen Erfolge hingen meistens mit der spezifischen nationalen Konstellation zusammen und seien sehr unterschiedlich. Es könne jedoch konstatiert werden, dass ein populistischer Akteur noch nie alleine aus eigener Kraft gewonnen hat. Dies gelinge erst mit der Hilfe der konservativen etablierten Kräfte. Daher sei auch die opportunistische Anpassung von Mitte-Rechts-Parteien die eigentliche Gefahr, da sie den Diskurs zugunsten der Populisten verschiebe. Besteht also die Gegenstrategie in der De-Thematisierung? Dies sei offenkundig sehr diffizil, da man nicht den Eindruck erwecken sollte, ablenken zu wollen. Allerdings könnte ein plausibles Gegenframing erfolgreich sein. Nach der Klärung einiger Verständnisfragen erklärte Müller abschließend, dass auch technokratische Politik antipluralistisch sei, da sie behaupte, dass es nur eine rationale Lösung gebe und Alternativen als irrational diffamiere.
von Simon Clemens