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Ausbau der Kinderbetreuung

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Ab August 2013 haben Eltern einen gesetzlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz für ihre Kinder unter drei Jahren. 220.000 Betreuungsplätze müssten dafür noch geschaffen werden. Der Präsident des Deutschen Städtetages hält dieses Ziel nicht für erreichbar und sieht den Bund in der Mitverantwortung.

Kindergartenkinder bei einem Ausflug. (© AP)

Dass trotz großer Anstrengungen der Rechtsanspruch nicht überall zu erfüllen ist, sagte am Mittwoch der Präsident des Deutschen Städtetages Christian Ude, nach Sitzungen von Präsidium und Hauptausschuss in Saarbrücken. Gleichzeitig lobte Ude die Anstrengungen der Kommunen und nahm den Bund in die Pflicht: "Die Städte werden den Ausbau weiterhin intensiv fortsetzen. Sie haben konkrete Vorschläge und Forderungen, um den Ausbau in nächster Zeit zu erleichtern. Sie erwarten aber auch, dass Bund und Länder gemeinsam mit den Kommunen Lösungen für eine Übergangszeit suchen, bis der volle Bedarf gedeckt werden kann."

Konkret fordert der Städtetag das Vergaberecht für den Bau von Kitas übergangsweise zu lockern und die den Bau und Betrieb betreffenden Standards flexibel anzuwenden: Beispielsweise sollten für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren keine zu großen Außenflächen verlangt werden, da sie die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten in Innenstädten unnötig erschweren.

220.000 Betreuungsplätze fehlen

Insgesamt soll die Zahl der Betreuungsplätze in einer Kindertageseinrichtung oder der Kindertagespflege bis August 2013 auf 780.000 erhöht werden. Dies entspricht dem Bedarf, den Bund und Länder errechnet haben, um den gesetzlich verankerten Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr zu erfüllen. Derzeit werden laut Statistischem Bundesamt rund 558.000 Kinder unter drei Jahren in einer Kindertageseinrichtung oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut (Stand: 1. März 2012). Das sind 44.000 Kinder mehr als im Vorjahr. Ziel ist es, die Betreuungsquote bis August 2013 auf bundesweit etwa 38 Prozent zu erhöhen. Seit dem Beschluss, die Kita-Plätze auszubauen, ist diese Quote bei unter Dreijährigen um mehr als 10 Prozentpunkte von 15,5 (März 2007) auf 27,6 Prozent (März 2012) gestiegen. Regional fallen die Quoten jedoch sehr unterschiedlich aus: Die höchsten Betreuungsquoten weisen die neuen Bundesländer und Berlin auf, angeführt von Sachsen-Anhalt mit 57,5 Prozent. Bei den alten Ländern führt Hamburg mit 35,8 Prozent die Statistik an.

Trotz gestiegener Quoten müssen in den kommenden neun Monaten noch etwa 220.000 neue Betreuungsplätze geschaffen werden, um die gesetzten Ziele zu erreichen: "Der Zuwachs muss […] damit stärker ausfallen als in den letzten vier Jahren insgesamt", sagte Karl Müller, Direktor beim Statistischen Bundesamt. Zwischen 2006 und 2011 wurden laut dem Nachrichtenmagazin Spiegel Online insgesamt 230.000 Plätze geschaffen. Ursprünglich war die Bundesregierung bei Einführung des Kinderförderungsgesetzes davon ausgegangen, dass bis 2013 750.000 Plätze nötig seien. Die Schätzungen wurden dann um weitere 30.000 Plätze nach oben korrigiert.

Den beschleunigten Ausbau sehen vor allem die Länder und Kommunen kritisch, in deren Händen Betrieb und Ausbau der Betreuungsplätze liegen. "Die Städte werden in den nächsten Monaten alles daran setzen, noch mehr Plätze bereitzustellen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus. Dennoch würden trotz aller Anstrengungen in manchen Ballungsräumen Lücken bleiben: "Gerade in großen Städten werden weitaus mehr Plätze benötigt als auf dem Land, und der Bedarf wächst ständig weiter", so Articus.

Bund beteiligt sich mit rund einem Drittel der Kosten am Kita-Ausbau

Vor allem fürchten die Kommunen Klagewellen auf Schadensersatz und die daraus resultierenden Kosten, sollten die Kita-Plätze nicht wie geplant zur Verfügung stehen. "Der Deutsche Städtetag sieht Bund und Länder in der Mitverantwortung, wenn es mit Inkrafttreten des Rechtsanspruchs zu Klagen gegen die Kommunen kommen sollte. Dann wird es notwendig werden, dass diese Mitverantwortung auch beim Ausgleich möglicher Schadenersatzforderungen zum Ausdruck kommt", bekräftigte Christian Ude die Forderung des Städtetages. Damit es gar nicht erst soweit kommt, fordern die Kommunen weitere Hilfen vom Bund, der sich derzeit mit rund einem Drittel an den Kosten des Ausbaus beteiligt: Von den insgesamt 12 Milliarden Euro, die für den Ausbau benötigt werden, übernimmt der Bund 4,6 Milliarden Euro. Rund 2,7 Milliarden Euro davon stehen in einem speziellen Sondervermögen für den Bau und die Einrichtung neuer Betreuungsplätze zur Verfügung, auf das die Länder anteilig zugreifen dürfen. Ab 2014 beteiligt sich der Bund dann dauerhaft mit jährlich 770 Millionen an den laufenden Kosten.

Zuletzt hat der Bund den Ländern und Kommunen weitere 580 Millionen Euro für den Kita-Ausbau zugesagt – als Gegenleistung für deren Zustimmung zum Fiskalpakt. Mit dem Geld sollen die 30.000 zusätzlichen Plätze geschaffen werden, die aufgrund der neueren Schätzungen nötig geworden waren. Einige Länder kritisieren jedoch die Bedingungen, die mit dem finanziellen Zuschuss verbunden sind. Dies betrifft unter anderem die geforderte Pflicht zur Kofinanzierung: Um das neue Geld investieren zu können, sollen die Länder zusätzlich einen fast genauso hohen Betrag aus eigenen Mitteln beisteuern. Hinzu kommt eine stärkere Berichts- und Kontrollpflicht gegenüber dem Bund: Die Länder sollen künftig alle drei Monate – anstatt wie bisher nur einmal jährlich – Bericht erstatten über Fortschritte und die verwendeten Mittel. Hintergrund sind unter anderem Befürchtungen des Familienministeriums, die Länder könnten das Geld zur Haushaltssanierung verwenden, anstatt es in den Ausbau der Kindertagesstätten zu investieren. Der nun ausgehandelte Kompromiss muss noch vom Bundesrat angenommen werden.

Umstritten: Das Betreuungsgeld

Ein weiterer Streitpunkt ist das jüngst beschlossene Betreuungsgeld, das im Kinderförderungsgesetz als Absichtserklärung festgehalten ist: Eltern, die ihr Kind nicht in eine öffentliche Kita geben, sollen finanzielle Unterstützung erhalten. Seit dem 9. November ist die umstrittene Maßnahme beschlossene Sache: Ab Januar 2013 wird Betreuungsgeld zunächst in Höhe von 100 Euro monatlich für Kinder im zweiten Lebensjahr gezahlt. Ab Januar 2014 gibt es das Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro monatlich für Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr. Die Kosten belaufen sich nach Schätzungen im ersten Jahr auf 300 Millionen Euro, 2014 auf 1,1 Milliarden Euro und ab 2015 schätzungsweise auf 1,23 Milliarden Euro jährlich - Geld, das beim Ausbau der Kinderbetreuung fehlt, bemängeln Kritiker: "Das Betreuungsgeld darf nicht dazu führen, dass die Anstrengungen in diesem Bereich verringert werden", sagte EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Andere Kritiker befürchten, dass vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien von der frühkindlichen Bildung in den Kitas ferngehalten werden. Außerdem wird kritisiert, dass insbesondere Frauen von der Erwerbstätigkeit abgehalten werden.

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