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Mehr Kinder in Kitas und Kindertagespflege | Bildung | bpb.de

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Interaktive Grafik: Arbeitslosigkeitrisiko Infografik: Bevölkerungsstruktur in Deutschland Infografik: Wie veränderten sich die Geburtenzahlen in den Bundesländern? (1990-2012) Infografik: Arbeitnehmer im Inland nach Wirtschaftssektoren (1950-2012) Glossar Redaktion Digitalisierung und Bildung Stimmt's? “Am Anfang wollte ich einfach nur Mathe schwänzen”

Mehr Kinder in Kitas und Kindertagespflege Zur aktuellen Beteiligung in der frühen Bildung und Betreuung in Deutschland und Europa

Nicole Klinkhammer Katharina C. Erhard

/ 11 Minuten zu lesen

In Deutschland und in Europa wird die Nutzung frühkindliche Bildungs- und Betreuungsangebote immer mehr zur Regel. Dabei gibt es jedoch sowohl innerhalb Deutschlands als auch europaweit große regionale Unterschiede. Trotz des breiten Ausbaus der Betreuungsplätze hängt die Bildungsbeteiligung der Kinder dabei noch immer deutlich vom sozialen Hintergrund der Eltern ab.

Regal mit Gummistiefeln in einer Kita. Trotz des breiten Ausbaus der Betreuungsplätze hängt die Bildungsbeteiligung der Kinder dabei noch immer deutlich vom sozialen Hintergrund der Eltern ab. (© picture-alliance)

Zunehmende Bildungsbeteiligung in Europa

Im Zuge anhaltender Debatten und politischer Reforminitiativen haben die frühkindliche Bildung und die gezielte Förderung der Erwerbstätigkeit von Müttern in den letzten Jahren europaweit an Bedeutung gewonnen. Mit der Verabschiedung der Barcelona-Ziele im Jahr 2002 (siehe Infobox) haben die Länder Europas begonnen, entweder frühkindliche Bildungs- und Betreuungsangebote neu zu schaffen, insbesondere für Kinder unter drei Jahren, oder bestehende Angebote auszubauen, insbesondere für Kinder über drei Jahren Interner Link: (Mehr dazu in diesem Beitrag). Dieser ab Mitte der 2000er Jahre einsetzende Ausbautrend ist somit europaweit eine länderübergreifende Entwicklung, wenngleich in einzelnen Ländern wie Griechenland, Zypern, Rumänien und der Slowakei später die Beteiligung an frühkindlicher Bildung wieder zurückging.

Schlussfolgerungen des Vorsitzes Europäischer Rat (Barcelona)

15. und 16. März 2002

Die Barcelona-Ziele wurden vom Europäischen Rat im Jahre 2002 festgelegt. Diese gaben erstmals auf europäischer Ebene Zielsetzungen – sogenannte Benchmarks – für den Ausbau von Angeboten vor: "Die Mitgliedstaaten sollten Hemmnisse beseitigen, die Frauen von der Beteiligung am Erwerbsleben abhalten, und bestrebt sein, nach Maßgabe der Nachfrage nach Kinderbetreuungseinrichtungen und im Einklang mit den einzelstaatlichen Vorgaben für das Versorgungsangebot bis 2010 für mindestens 90 % der Kinder zwischen drei Jahren und dem Schulpflichtalter und für mindestens 33 % der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen" (vgl. Europäischer Rat 2002, S. 13). Im Rahmen der europäischen Berichterstattung wird der Erfolg des Ausbaus in den Ländern weiterhin an diesen Benchmarks gemessen.

Der Beschluss ist online abrufbar unter: Externer Link: http://europa.eu/rapid/press-release_PRES-02-930_de.htm

Unterschiedliche Ausgangsbedingungen für den Ausbau

Die Bedingungen für den Ausbau frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsangebote unterscheiden sich europaweit teils deutlich voneinander. So waren in manchen Ländern frühkindliche Bildungs- und Betreuungsangebote auch vorher schon gut ausgebaut, andere Länder stehen noch am Anfang. In einigen Ländern müssen Eltern beträchtliche Geldsummen für die Betreuung zahlen, in anderen ist sie eher günstig oder gar kostenfrei. Auch die Nutzungsmöglichkeiten der Angebote variieren von Land zu Land. Dies gilt insbesondere für die täglichen Öffnungszeiten von Einrichtungen bzw. den zur Verfügung gestellten Betreuungszeiten einer Kindertagespflegeperson. Die zeitlichen Nutzungsmöglichkeiten bestimmen ganz wesentlich, unter welchen Voraussetzungen Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stemmen können.

Ebenso unterschiedlich sind die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit Blick auf Elternzeitregelungen und Erwerbsmöglichkeiten und -bedingungen für Mütter und Väter (vgl. Bettio/Plantenga 2004). So verfolgen etwa die skandinavischen Länder Dänemark, Schweden und Norwegen eine fortschrittliche und vereinbarkeitsorientierte Interner Link: Familienpolitik, die eine einjährige, einkommensbasierte Elternzeitregelung sowie ein daran anschließendes umfassendes Betreuungsangebot garantiert. Länder wie Großbritannien, Italien oder lange Zeit auch Deutschland haben auf eine konservative und damit zumeist primär an Geldleistungen ausgerichtete Familienpolitik gesetzt. Dabei prägte das Leitbild der traditionellen "Ernährerfamilie" die Förderprogrammatik, so dass die Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Ausbau von Betreuungsangeboten eher vernachlässigt wurde. Insbesondere die Betreuung von Kindern unter drei Jahren fällt hier traditionell den Müttern zu, die damit häufig keiner oder allenfalls einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen.

Nachholbedarf beim Angebot für unter dreijährige Kinder

Diese Länderunterschiede spiegeln sich auch in der Nutzung frühkindlicher Betreuungsangebote wider, vor allem bei jüngeren Kindern unter drei Jahren. So besucht ein hoher Anteil der unter Dreijährigen insbesondere in jenen Ländern eine Kindertagesbetreuung, die bereits eine längere Tradition außerfamiliärer Betreuung haben und über ein entsprechend gut ausgebautes Angebot verfügen (vgl. Abb. 1).

Viele europäische Länder lagen im Jahr 2016 noch weit unter dem politisch vereinbarten Barcelona-Ziel einer Bildungsbeteiligung von 33 Prozent der Kinder unter drei Jahren. Lediglich die skandinavischen Länder, sowie die Niederlande, Frankreich, Luxemburg oder Belgien erreichen bereits 2016 eine Beteiligungsquote über dieser Zielmarke, wobei allein Dänemark mit 70 Prozent an außerfamiliär betreuten Kindern dieser Altersgruppe weit herausragt (vgl. Abb.1). Europaweit stieg deren durchschnittliche Beteiligungsquote auf 32,9 Prozent an, jedoch verbergen sich hinter diesem Durchschnittswert teils erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern Externer Link: (Eurostat/EU-SILC 2016). Trotz einer generellen Zunahme an Angeboten erreichten viele Länder das angestrebte EU-Ziel bisher nicht.

Abb.1: Wie viele unter Dreijährige besuchen in den EU-Ländern eine Kita? Interner Link: Mehr dazu Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Dass sich hinter den unterschiedlichen Beteiligungsquoten verschiedene Traditionen frühkindlicher Betreuung verbergen, wird auch deutlich, wenn man sich den zeitlichen Umfang der Betreuung ansieht. Während in Dänemark, Norwegen oder Slowenien eine wöchentliche Betreuungszeit von 30 Stunden und mehr die Regel ist, verbringen Kinder unter drei Jahren in den Niederlanden, Großbritannien oder Österreich deutlich weniger Zeit in der Kindertagesbetreuung. Darüber hinaus werden in einigen europäischen Ländern unter Dreijährige häufig in "informellen" Settings, also entweder in einer privat organisierten Kindertagespflege oder von Verwandten (z.B. Großeltern), betreut. Wenig überraschend ist diese Art der Betreuung vor allem in jenen Ländern zu finden, in denen der Ausbau von Kindertageseinrichtungen bislang noch nicht fortgeschritten ist, etwa in Italien, Österreich oder der Tschechischen Republik.

Hohe Besuchsquoten von Kindertageseinrichtungen bei Kindern ab drei Jahren

Ein ganz anderes Bild ergibt sich für Kinder ab dem dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt. Deren Betreuung in Kindertageseinrichtungen lag im Jahr 2016 auf einem deutlich höheren Niveau; der angestrebten Beteiligung von 90 Prozent der Kinder kam immerhin fast die Hälfte Länder nahe oder erreichte sie (vgl. Abb. 2). In Belgien (98 Prozent), Schweden (97 Prozent) und Dänemark (96 Prozent) nahmen sogar fast alle Kinder dieses Alters an der Tagesbetreuung teil, im europäischen Durchschnitt immerhin 87 Prozent. Damit gehören in den meisten Ländern Europas frühkindliche Bildungs- und Betreuungsangebote selbstverständlich zum Aufwachsen von Kindern dazu. Dies gilt auch dort, wo eine geringe Beteiligungsquote für Kinder unter drei Jahren zu beobachten ist, wie beispielsweise in Polen (61%), in Kroatien (51%) oder in der Slowakei (77%) (Externer Link: vgl. Eurostat/EU-SILC 2016).

Abb. 2: Wie viele über Dreijährige besuchen in den EU-Ländern eine Kita? Interner Link: Mehr dazu Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Dass eine Beteiligung für Kinder ab drei Jahren einen anderen Stellenwert hat als jene der jüngeren Kinder, wird auch anhand des zeitlichen Umfangs der Nutzung deutlich. So ist eine wöchentliche Beteiligung von 30 Stunden und mehr für Kinder in diesem Alter in der Mehrheit der Länder die Regel. Nicht nur in Ländern wie Dänemark und Slowenien betrifft dies einen hohen Anteil von Kindern, sondern ebenso in Estland, Italien oder Litauen. In den Niederlanden, in Österreich oder Irland ist hingegen mehrheitlich ein zeitlicher Betreuungsumfang von bis zu 29 Wochenstunden verbreitet (vgl. Eurostat/EU-SILC 2016). Somit lässt sich resümieren, dass länderübergreifend die Beteiligungsquote sowie die durchschnittliche Betreuungszeit mit dem Alter der Kinder kontinuierlich steigt: Je älter die Kinder werden, desto wahrscheinlicher und umfänglicher nehmen sie an Angeboten früher Bildung und Betreuung teil.

Bildungsbeteiligung im bundesdeutschen Kita-System

Interner Link: Im Zuge einer Reihe von Reforminitiativen sind in den vergangenen Jahren auch in Deutschland die Beteiligungsquoten von Kindern schrittweise angestiegen.

Bildungsbeteiligung der unter Dreijährigen

Vor allem für Kinder unter drei Jahren zeigt sich diese Tendenz. Deren Beteiligung hat sich zwischen 2007 und 2017 von 15 auf 33 Prozent mehr als verdoppelt (vgl. Abb. 3).

Abb. 3: Wie hat sich die Bildungsbeteiligung der unter Dreijährigen entwickelt? Interner Link: Mehr dazu Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Ebenso zeigen die Daten nachlassende, aber immer noch bestehende Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland: Die östlichen Bundesländer weisen eine fast doppelt so hohe Beteiligungsquote auf wie die westlichen Bundesländer. Dies hat nicht nur strukturelle Ursachen, wie der ungleiche Ausbaustand von Betreuungsplätzen. Bis heute spiegeln die Unterschiede bei den Beteiligungsquoten zugleich auch Unterschiede in den regionalen Interner Link: Betreuungstraditionen und den Betreuungswünschen der Eltern wider. Das Ost-West-Gefälle wird auch in Abbildung 4 noch einmal sichtbar, in der die Bundesländer einzeln betrachtet werden.

Wie groß ist der Betreuungsbedarf in den einzelnen Bundesländern? Interner Link: Abb. 4: Mehr dazu Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Während die Beteiligung der unter Dreijährigen in den meisten westdeutschen Bundesländern 30 Prozent nicht überschreitet, liegt sie in den ostdeutschen Bundesländern durchweg – und zum Teil sogar deutlich – über 50 Prozent. Die DJI-Kinderbetreuungsstudie u15 (siehe Infobox) hat diesen Beteiligungszahlen den Bedarf, d.h. die tatsächliche Nachfrage nach Betreuungsplätzen seitens der Eltern gegenübergestellt. Dabei zeigt sich, dass der Bedarf in allen Bundesländern das bestehende Angebot übersteigt (vgl. Abb.4). Das gilt insbesondere für die westdeutschen Bundesländer, wo der zusätzliche Bedarf (mit Ausnahme von Hamburg) durchweg im zweistelligen Bereich liegt. So äußerten z. B. 20 Prozent der befragten Eltern in Bremen und lediglich 6 Prozent der Befragten in Sachsen einen Betreuungsbedarf. Gemeint ist damit in der Regel, dass die befragten Eltern keinen Betreuungsplatz für ihr Kind finden konnten. Aber auch der Wunsch von Eltern, die zwar einen Betreuungsplatz hatten, aber gerne die Betreuungszeiten ausweiten würden, ist in den Bedarfszahlen enthalten.

DJI-Kinderbetreuungsstudie u 15

Im Rahmen der DJI-Kinderbetreuungsstudie u15 wird der von den Eltern geäußerte Bedarf an Betreuungsangeboten für ihre Kinder erhoben. Dafür wurden im Jahr 2016 in allen Bundesländern ca. 19.000 Eltern von unter Sechsjährigen zur Inanspruchnahme von Kindertageseinrichtungen oder Kindertagespflege, zur Betreuungssituation und zu ihren Betreuungsbedarfen befragt. Außerdem gaben knapp 15.000 Eltern von schulpflichtigen Kindern Auskunft über die Inanspruchnahme von Ganztagsschulen, Horten, Übermittagsbetreuung oder anderen Betreuungsformen sowie über ihre Betreuungsbedarfe

Quelle: Alt et al. 2017, S.6f.

Insgesamt wird deutlich, wie hoch der Handlungsdruck in den einzelnen Bundesländern tatsächlich ist, neue Angebote in der Kindertagesbetreuung zu schaffen: Nach den aktuellen Prognosen aus dem Bildungsbericht 2018 werden bis zum Jahr 2025 weitere 300.000 Plätze nötig sein, um den Rechtsanspruch der unter Dreijährigen erfüllen zu können (Autorengruppe Bildungsbericht 2018, S.68). Entsprechend gilt es den Platzausbau weiter voranzutreiben, was angesichts der hierfür benötigten pädagogischen Fachkräfte sowie der notwendigen Raum- und Platzressourcen für die Inbetriebnahme einer Kita oder Kindertagespflegestelle eine große Herausforderung darstellt.

Bildungsbeteiligung von Kindern ab drei Jahren bis zum Schuleintritt

Bereits 1996 trat in Deutschland für Kinder ab drei Jahre bis zum Schuleintritt ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz in Kraft. Der Ausbau und der mit ihm einhergehende Anstieg der Nutzung haben wesentlich dazu beigetragen, dieses Angebot der frühkindlichen Bildung gesellschaftlich zu etablieren. Es wird mittlerweile fast als selbstverständlich vorausgesetzt, dass Kinder dieser Altersgruppe einen Kindergarten bzw. eine Kindertageseinrichtung besuchen.

Abb. 5: Wie hat sich die Bildungsbeteiligung der über Dreijährigen entwickelt? Interner Link: Mehr dazu Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Dies lässt sich auch an den Daten ablesen: Im Jahr 2017 lag die Betreuung der Drei- bis unter Sechsjährigen im Bundesdurchschnitt bei 94 Prozent (vgl. Abb. 5). Der leichte Rückgang zwischen 2015 und 2016 ist darauf zurückzuführen, dass die Zahl der Kinder durch die wachsende Geburtenrate und die erhöhte Zuwanderung von geflüchteten Menschen gestiegen ist. Dadurch konnten die vorhandenen Kapazitäten den Bedarf nicht vollständig decken.

Anders als bei den Unter-Drei-Jährigen bewegt sich hier die Differenz zwischen der Betreuungsquote und dem Betreuungsbedarf in allen Bundesländern lediglich im einstelligen Prozentbereich (vgl. Alt et al. 2017, S. 26). Damit ist die Versorgungslage für diese Altersgruppe vergleichsweise gut und erreicht die europäische Zielmarke von 90 Prozent, wenngleich auch hier noch nicht alle Elternwünsche nach Betreuungsplätzen abgedeckt sind.

Welche Faktoren beeinflussen, ob die Angebote auch genutzt werden?

Ob und wie Eltern die Angebote frühkindlicher Bildung und Betreuung in Anspruch nehmen, hängt zunächst wesentlich davon ab, dass diese überhaupt verfügbar sind. Fehlen Angebote oder gibt es nur wenige Betreuungsplätze, bleiben auch die Beteiligungsquoten niedrig.

Doch selbst wenn ein hinreichendes Angebot besteht, wird dieses nicht von allen Bevölkerungsgruppen gleichermaßen genutzt. So nehmen z.B. Kinder unter drei Jahren, deren Eltern einen niedrigeren Schulabschluss haben, seltener an frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten teil als Kinder von Eltern mit einem hohen Bildungsabschluss (vgl. Abb. 6).

Abb. 6: Welchen Einfluss hat das Bildungsniveau der Eltern auf die Kitanutzung? Interner Link: Mehr dazu Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Während im Jahr 2015 37,7 Prozent der unter Dreijährigen mit Eltern, die über die (Fach-)Hochschulreife verfügen, eine Tagesbetreuung nutzten, waren es lediglich 16,4 Prozent der Kinder von Eltern mit einem Hauptschulabschluss, also weniger als die Hälfte. Auch fällt wieder der markante Unterschied im Nutzungsverhalten ost- und westdeutscher Eltern auf: Die Daten zeigen eindrücklich, dass Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren in Ostdeutschland weit besser ausgebaut sind und ferner über alle Qualifikationsniveaus der Eltern hinweg eine hohe Akzeptanz haben.

Die statistische Chance, frühkindliche Bildung wahrzunehmen, hängt zudem, insbesondere für Kinder unter drei Jahren, wesentlich davon ab, ob ein Kind einen Migrationshintergrund hat oder nicht. (siehe folgende Grafik, Abb. 7).

Abb. 7: Wie unterscheidet sich die Kitanutzung von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund? Interner Link: Mehr dazu Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Wenngleich sich bei den über Dreijährigen der Unterschied von 7 auf 14 Prozent zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund verdoppelt hat, fällt er geringer aus als in der jüngeren Altersgruppe, wo er sich 2017 noch einmal auf 20 Prozent vergrößert hat. Kinder mit Migrationshintergrund besuchen also im Durchschnitt erst in höherem Alter die Angebote der frühkindlichen Bildung und Betreuung als jene ohne Migrationshintergrund und verbringen dort insgesamt weniger Jahre (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012, S. 58 ff.; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, S. 74f.). Verschiedene Studien belegen, dass die Ursachen für diese geringere Beteiligung ausgesprochen vielschichtig sind. Einige Faktoren sind direkt mit dem Migrationshintergrund verknüpft, etwa kulturelle und religiöse Vorbehalte oder sprachliche Barrieren. Wesentlich bedeutsamer sind aber Faktoren, die wie bei Familien ohne Migrationshintergrund auch, vor allem mit der sozialen Schichtzugehörigkeit zusammenhängen: etwa die ökonomische Lebenssituation der Familie, der Erwerbsstatus sowie der Bildungsabschluss der Mütter. Betrachtet man Familien mit Migrationshintergrund genauer, zeigt sich ein bekanntes Muster: Je höher der Bildungsabschluss und das Einkommen der Eltern, desto eher wird ein Angebot der frühkindlichen Bildung in Anspruch genommen (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 58; Geier/Riedel 2008, S. 23; Stichs/Rotermund 2017, S. 26 f.).

Zukünftig wird es spannend sein zu beobachten, ob im Zuge des weiteren Angebotsausbaus und der gesellschaftlichen Anerkennung von Angeboten früher Bildung die bestehenden Unterschiede in der Inanspruchnahme abnehmen werden.

Sozial ungleiche Bildungsbeteiligung in Europa

Eine solche sozial ungleiche Nutzung frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsangebote zeigt sich auch in anderen europäischen Ländern. So untermauert eine Studie von Heike Wirth (2013), den starken Einfluss des mütterlichen Bildungsniveaus auf die Bildungsbeteiligung der Kinder, vor allem der unter Dreijährigen: In allen untersuchten europäischen Ländern kehren hoch qualifizierte Mütter mit einer höheren Wahrscheinlichkeit und früher an ihren Arbeitsplatz zurück und nehmen Angebote der frühkindlichen Bildung eher in Anspruch als Mütter mit einem niedrigeren Bildungsabschluss. Allerdings ist diese Diskrepanz vor allem in solchen Ländern ausgeprägt, in denen die Angebote hauptsächlich privatwirtschaftlich organisiert sind (z.B. Großbritannien, Niederlande). Trotz staatlicher Unterstützung erscheinen die entstehenden Betreuungskosten in diesen Systemen immer noch so hoch, dass sie gering qualifizierte und damit meist auch gering verdienende Mütter eher von der Nutzung abhalten (vgl. Wirth 2013, S. 62).

Andere Studien belegen außerdem, dass besonders in jenen Ländern die sozial ungleiche Inanspruchnahme besonders ausgeprägt ist, in denen sich die Bildungsbeteiligung der Kinder insgesamt auf einem niedrigen Niveau bewegt. Dies zeigt sich u.a. in Polen, Bulgarien, Österreich und Irland (van Lancker/Ghysels 2016). Am Wenigsten nutzen dann insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund solche Angebote (vgl. Vandenbroeck/Lazzari 2014). Umgekehrt gelingt eine vergleichsweise höhere Integration gerade dieser Kinder vor allem in den Ländern, die über ein umfassend ausgebautes und universell zugängliches System frühkindlicher Bildung und Betreuung verfügen. In Ländern wie Schweden oder aber auch Deutschland, in denen für Kinder ein Rechtsanspruch auf Betreuung gilt, ist die ungleiche Bildungsbeteiligung – im Vergleich zu anderen Ländern – geringer ausgeprägt. Auch Maßnahmen, wie sie in Schweden mit der Begrenzung der maximalen Elternbeiträge zur Betreuung eingeführt wurden, tragen dazu bei, ungleiche Bildungsbeteiligung zu verringern (vgl. ebd., S. 329).

Fazit

In Deutschland und in den anderen Ländern Europas hat die Bildungsbeteiligung von Kleinkindern, insbesondere bei den unter Dreijährigen, seit einigen Jahren stetig zugenommen. Seit die Barcelona-Ziele auf europäischer Ebene verabschiedet wurden, sind die frühkindlichen Bildungs- und Betreuungssysteme in fast allen Ländern schrittweise ausgebaut und erweitert worden, wenn auch mit unterschiedlichem Tempo und teils sehr verschiedenen Ausgangsbedingungen. Anhand der Beteiligungsquoten im Ländervergleich wurde dies besonders sichtbar. Bei einer genaueren Betrachtung zeigt sich indes, dass insgesamt zwar mehr Kinder an früher Bildung teilhaben, es aber Ungleichheiten bei der Inanspruchnahme gibt. Insbesondere Kinder aus benachteiligten Lebensverhältnissen haben seltener Zugang zu frühpädagogischen Angeboten, wie ihre durchweg geringeren Beteiligungsquoten in Deutschland und Europa zeigen. Von dem dargestellten Ausbautrend in der frühkindlichen Bildung haben also noch nicht alle Kinder in gleicher Weise profitiert. Folglich bleibt es eine der zentralen Voraussetzungen für eine bessere Bildungsbeteiligung aller Kinder, dass neue, bedarfsgerechte Angebote geschaffen werden, in Deutschland wie in vielen Ländern Europas.

Quellen / Literatur

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van Lancker, W./Ghysels, J.(2016): Explaining patterns of inequality in childcare service use across 31 developed economies. A welfare state perspective. In: Intl Journal of Comparative Sociology 57 (5), S. 310–337. DOI: 10.1177/0020715216674252.

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Wirth, H. (2013): Kinderbetreuung in Europa - Soziale Differenzierung oder allgemeiner Zugang? Sachverständigenkommission 14. Kinder- und Jugendbericht (Hrsg.). Materialien zum 14. Kinder- und Jugendbericht. München: DJI. Online verfügbar unter: Externer Link: https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs/14-KJB-Expertise-Wirth-Bibs.pdf

Fussnoten

Fußnoten

  1. Dies sind die für den europäischen Vergleich aktuellsten verfügbaren Daten.

  2. Häufig beeinflussen Aspekte wie der mit der Berufsqualifikation einhergehende Erwerbsstatus, Abwägungen zu den entstehenden Kosten und dem Nutzen einer außerfamilialen Betreuung oder die generelle Einstellung zur außerfamilialen Kinderbetreuung über deren Inanspruchnahme. So konnten Boris Geier und Birgit Riedel in ihren Analysen u.a. zeigen, dass geringere Bildungsabschlüsse mit einer negativeren Einstellung zu Kindertageseinrichtungen und starken Familienorientierung einhergehen (ebd., 2008). Dies gilt vor allem bei Kindern unter drei Jahren.

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Nicole Klinkhammer

Dr., geb. 1978, ist wissenschaftliche Referentin im Internationalen Zentrum frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (ICEC) am Deutschen Jugendinstitut e.V. und Lehrbeauftragte an der Hochschule für angewandte Wissenschaften sowie der Katholischen Stiftungshochschule München. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören u.a. Fragen der Politik und der Governance von Qualitätsentwicklung sowie von Zugang und Teilhabe in frühkindlichen Bildungs- und Betreuungssystemen.

Katharina C. Erhard

Katharina C. Erhard, Dr., geb. 1985, ist Soziologin und war bis Ende 2018 als wissenschaftliche Referentin im Internationalen Zentrum frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (ICEC) am Deutschen Jugendinstitut in München tätig. Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen in der vergleichenden Sozialforschung u.a. in den Bereichen Zugang und Teilhabe in Systemen der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung, Theorie und Vergleich von Wohlfahrts- und Genderregimen und Educational Governance.