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50 Jahre Atomwaffensperrvertrag: Ende des nuklearen Wettrüstens? | Hintergrund aktuell | bpb.de

50 Jahre Atomwaffensperrvertrag: Ende des nuklearen Wettrüstens?

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Anfang März 1970 trat der Atomwaffensperrvertrag in Kraft. Er sollte die Weiterverbreitung von Kernwaffen beenden, die Abrüstung vorantreiben und für mehr globale Sicherheit sorgen. In den vergangenen Jahren geriet die langjährige Erfolgsgeschichte jedoch ins Stocken.

Die Internationale Atomenergie-Organisation wacht über die Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags. Gegründet wurde sie bereits im Jahr 1957. (© dpa)

Mitten im Kalten Krieg und dem Wettrüsten der beiden Führungsmächte USA und Sowjetunion trat am 5. März 1970 der auch Atomwaffensperrvertrag genannte "Vertrag über die Nichtverbreitung von Interner Link: Atomwaffen" in Kraft. Irland hatte der Interner Link: UN-Generalversammlung bereits 1961 vorgeschlagen, die Weiterverbreitung von Nukleartechnik zu verbieten. US-Präsident John F. Kennedy erklärte im selben Jahr ebenfalls vor den Vereinten Nationen: "Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind lebt unter einem nuklearen Damoklesschwert, das an einem seidenen Faden hängt, der jederzeit zerschnitten werden kann durch Zufall, Fehlkalkulation oder Wahnsinn."

Die Doktrin der nuklearen Abschreckung hatte offenbar an Glaubwürdigkeit verloren. Sie besagt, dass es nicht zu einem atomaren Angriff kommen werde, solange die Gegenseite mit einem mindestens ebenso zerstörerischen Gegenschlag rechnen müsse. Bislang hatten die USA und die Sowjetunion durch beidseitige Aufrüstung auf ein Gleichgewicht des Schreckens abgezielt. Seit Beginn des Atomzeitalters bestand zudem die Gefahr, dass Kernwaffen in den Besitz weiterer Staaten oder gar nichtstaatlicher Akteure gelangen könnten.

Vorläufer Atomteststoppabkommen

Das erste Rüstungskontrollabkommen des Kalten Krieges unterzeichneten die Atommächte USA, Sowjetunion und Großbritannien 1963: Im Interner Link: Moskauer Atomteststoppabkommen verpflichteten sich diese Staaten, dass Kernexplosionen zu Testzwecken nur noch unterirdisch und nicht mehr in der Atmosphäre, unter Wasser oder im Weltraum durchgeführt werden durften.

1965 nahm die internationale Gemeinschaft weitergehende Verhandlungen auf, an deren Ende der Atomwaffensperrvertrag (englisch: Externer Link: "Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons") stand. Am 1. Juli 1968 unterzeichneten ihn die ersten Regierungsvertreter, darunter die der USA, der Sowjetunion und Großbritanniens – ihre Unterschriften sowie die von vierzig weiteren Staaten waren nötig, damit der Vertrag 1970 in Kraft treten konnte. Deutschland unterzeichnete im November 1969.

1992 kamen die Atommächte China und Frankreich hinzu. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR erkannten auch die Nachfolge-Staaten der Sowjetunion die Vereinbarung an. Bis heute haben 191 Staaten den Vertrag unterzeichnet – der Großteil davon hat ihn auch ratifiziert.

Vier Atomwaffen-Staaten haben den Vertrag nicht unterzeichnet: der Südsudan, Indien, Pakistan und Israel. Nordkorea ist 2003 ausgestiegen. Während der Südsudan nicht über Atomwaffen verfügt, zählen Indien und Pakistan zu den Atommächten. Auch Israel soll Nuklearwaffen besitzen, hat dies aber bis heute nicht bestätigt.

Ein Vertrag, drei Säulen

Der Externer Link: Vertrag baut auf drei Säulen auf: Erstens verpflichten sich Staaten mit Atomwaffen, diese nicht an andere Länder weiterzugeben, während Staaten ohne Atomwaffen garantieren, dass sie keine Versuche unternehmen, in ihren Besitz zu gelangen (Artikel 1 und 2). Zweitens bekennen sich die Atomstaaten zu einem vollständigen Abbau ihrer Arsenale (Artikel 6). Drittens vereinbaren die Staaten eine Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung der Atomtechnologie etwa für die Energiegewinnung (Artikel 4).

Der Vertrag sieht außerdem die Schaffung von nuklearwaffenfreien Zonen vor (Artikel 7), wie sie später etwa im Südpazifik (1985), Afrika (1996) oder in Zentralasien (2006) geschaffen wurden. Über die Einhaltung aller Artikel wacht die 1957 gegründete Interner Link: Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) mit Sitz in Wien. Sie berichtet der Generalversammlung und dem Interner Link: Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Alle fünf Jahre diskutieren die Unterzeichnerstaaten den Stand der Umsetzung der Vertragsziele. Auch internationale Organisationen und zivilgesellschaftliche Akteure dürfen teilnehmen. Die Externer Link: nächste dieser Überprüfungskonferenzen findet von Ende April bis Ende Mai 2020 in New York statt.

Der Atomwaffensperrvertrag teilt die Weltgemeinschaft in drei Kategorien: Als offiziell anerkannte Atomwaffenstaaten gelten die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China. Die übrigen Unterzeichnerstaaten sind solche ohne Atomwaffen, aber mit dem Recht auf eine zivile Nutzung der Atomkraft. Die dritte Gruppe bilden die Staaten, die de facto Atomwaffen besitzen, den Vertrag aber nicht unterzeichnet haben (Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea).

Aktuelle Herausforderungen

Interner Link: Nordkorea, das laut der Internationalen Atomenergie-Organisation über Nuklearwaffen verfügt, hat 2003 seinen Ausstieg aus dem Vertrag erklärt. Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Diktator Kim Jong Un weckten zwar Hoffnungen auf eine atomare Abrüstung, führten jedoch nicht zu einer Einigung.

Dem Iran wurde 2003 vorgeworfen, eine militärische Nutzung der Nukleartechnik anzustreben. Mit dem Interner Link: Atomabkommen von 2015 gelang Russland, Deutschland, den USA, Frankreich und Großbritannien ein großer diplomatischer Erfolg. Der Iran stimmte zu, seine Nuklearaktivitäten deutlich zu reduzieren und umfassende Kontrollen durch die IAEO zu ermöglichen – im Gegenzug hoben UN, EU und USA ihre Wirtschaftssanktionen auf und boten Unterstützung für die zivile Nutzung von Atomenergie an. Obwohl es den Berichten der IAEO zufolge keine Belege für einen Verstoß des Iran gab, bestritt die US-Regierung dessen atomare Abrüstung. Die USA kündigten im Mai 2018 das Atomabkommen auf und verhängten neue Sanktionen. Der Iran kündigte daraufhin im Mai 2019 seinen schrittweisen Rückzug aus den Verpflichtungen des Abkommens an. Die Europäer haben kürzlich den vertraglich vorgesehenen Streitschlichtungsmechanismus ausgelöst, um den Iran wieder an den Verhandlungstisch zu holen. Daraus könnten weitere Sanktionen resultieren. Der Iran droht im Gegenzug mit Konsequenzen.

Nachdem der INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen im vergangenen Jahr von Russland und den USA aufgekündigt wurde, läuft 2021 mit dem "New START"-Abkommen ein weiterer wichtiger Abrüstungsvertrag zwischen den großen Atommächten aus.

Geschätzte Anzahl der Atomwaffen weltweit, Quelle: Externer Link: SIPRI 2019 (© dpa, Globus Steps 13269)

Von einer Welt ohne Atomwaffen ist die Menschheit ein halbes Jahrhundert nach dem Inkrafttreten des Atomwaffensperrvertrags weit entfernt. Nach Externer Link: Schätzungen des Internationalen Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI gab es Anfang 2019 weltweit 13.865 Atomwaffen – etwa 4 Prozent weniger als noch ein Jahr zuvor. Die Bestände der USA werden auf 6.185, die in Russland auf 6.500 geschätzt. Die USA und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion haben zwar nach dem Ende des Kalten Krieges ihre Arsenale verringert, von einer vollständigen nuklearen Abrüstung sind sie aber weit entfernt. Zudem modernisieren die Atommächte ihre Waffenarsenale oder planen, dies zu tun.

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