Inhaltsbeschreibung
Die ideologische Durchdringung der Gesellschaft war erklärte Absicht der Nationalsozialisten. Auch die Universitäten, deren Rolle in diesem Prozess lange Zeit umstritten war, gelangten nachgerade geräuschlos und binnen kürzester Frist unter das Diktat des Regimes, wie Michael Grüttners quellengesättigte, differenzierte Studie zeigt. Vor allem Gelehrte und Studierende jüdischer Herkunft wurden seit 1933 Opfer massiver, auch aus den Universitäten heraus unterstützter Denunziationen und „Säuberungen“. Professoren übernahmen, teils widerstrebend, teils willfährig oder aus Überzeugung, Funktionen im verschachtelten und rivalisierenden NS-Machtapparat.
Grüttner erläutert die Lage der Hochschulen am Ende der Weimarer Zeit, zeichnet die NS-Hochschulpolitik nach und schildert die Indienstnahme von Disziplinen wie etwa Volkskunde, Altertumswissenschaften oder Medizin für kriegswichtige oder ideologische Interessen. Während als regimefeindlich erachtete Personen und Fachrichtungen marginalisiert wurden, erlangten bewährte NS-Gefolgsleute, oft jedem wissenschaftlich-universitären Ethos widersprechend, begehrte Posten als Rektoren oder Ordinarien, und mancher belastete Hochschullehrer konnte nach 1945 angesichts eines zunehmend pragmatischen Umgangs mit der Entnazifizierung wieder an die Universität zurückkehren. Grüttners tiefe Binnensicht des universitären Kosmos in der NS-Diktatur kann zugleich als Mahnung gelesen werden, wachsam gegenüber dem politischen Missbrauch von Forschung und Lehre zu bleiben.