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Editorial | Jugendkultur | bpb.de

Jugendkultur Editorial Beunruhigende Normalisierung: Zum Wandel von Jugendkulturen in der Bundesrepublik Deutschland Jugendgenerationen im Vergleich: Konjunkturen des (Non-)Konformismus Jugendsprache und Jugendkultur Globalisierungsprozesse und Jugendkulturen "Ich muss mein Leben selber meistern!"

Editorial

Katharina Belwe

/ 3 Minuten zu lesen

Was bedeutet eigentlich "Jugendkultur"? "Jugend" zum Beispiel umfasst ja inzwischen eine Zeitspanne, die von acht bis achtunddreißig reichen kann - oder darüber hinaus.

Einleitung

"Jugendkultur" lautet das Thema dieser Ausgabe. "Jugend" umfasst inzwischen eine Zeitspanne, die von acht bis achtunddreißig reichen kann - oder darüber hinaus. Die "Kultur" oder - besser - die "Kulturen" dieser sozialstrukturellen Gruppe unserer Gesellschaft werden vor einem gesellschaftlichen und zeitgeschichtlichen Hintergrund dargestellt, problematisiert sowie von Begriffen wie Sub-, Pop- und Gegenkultur abgegrenzt. Dabei spielen Medien, Mode, Konsum, Lebens- und Freizeitstile ebenso eine Rolle wie die Sprache der Jugendlichen.

Im Gegensatz zu früheren Jahren ist die Existenz von Jugendkulturen heute etwas ganz Normales. Dieter Rink erklärt dies in seinem Essay damit, dass moderne westliche Gesellschaften keine institutionalisierten, formalisierten bzw. ritualisierten Übergänge von der Welt der Jugendlichen in die der Erwachsenen mehr bereithielten. In diese Lücke seien die Jugendkulturen mit ihren vielfältigen Angeboten gestoßen.

Um eine zeithistorische Betrachtung von Jugendgenerationen geht es im Beitrag von Thomas Köhler. Den Autor interessiert die Veränderung von "Erfahrungsräumen" und "Erwartungshorizonten" von Jugendlichen der fünfziger bis neunziger Jahre. Beide Kategorien können mit positiven oder negativen Konnotationen verbunden sein. Letzteres gilt nach Köhler für die neunziger Jahre. Die Annahme, die heutige Jugendgeneration sei in einen kulturell reichhaltigen Erfahrungsraum und einen weit geöffneten Erwartungshorizont hineingewachsen, ist nach seiner Auffassung zu revidieren. Der Erwartungshorizont junger Menschen sei auf eine Identität durch Arbeit ausgerichtet, für die es in der Praxis immer weniger eine Entsprechung gebe. Damit wachse das Gefühl eines Zukunftsentzugs mit gefährlichen Folgen.

Über die Kenntnis der Sprache Jugendlicher zu diesen einen Zugang zu bekommen ist nach Peter Schlobinski ein Trugschluss. Der Autor erklärt dies damit, dass Jugendsprache von den Medien bewusst eingesetzt wird. Die Ressourcen, aus denen Jugendliche schöpften, entstammten in zunehmendem Maße den Medien, welche die kommerzialisierten jugendlichen Gruppenstile bedienten. Jugendliches Spiel mit Sprache hat daher nach Schlobinski heute weniger die Funktion, Protest auszudrücken. Es sei vielmehr Teil einer durch die Medien geprägten Spaßkultur.

Roland Roth zufolge unterliegen Jugendkulturen heute einerseits einem starken Veränderungsdruck seitens der Globalisierung. Andererseits versuchen sie - bzw. deren Träger - zunehmend selbst Einfluss auf die Globalisierungsprozesse zu nehmen, sie eigensinnig zu nutzen, zu gestalten oder zurückzudrängen. Sie treten nach Roth häufig auf erstens als Avantgarde von Globalisierungsprozessen, zweitens als lokale Gegenkulturen, die sich demonstrativ gegen die kulturelle Vereinheitlichung durch Globalisierungsprozesse wenden (wozu auch rechtsextremistische Strömungen zählen), und drittens als progressive Globalisierungskritiker.

Die Möglichkeitsräume haben sich enorm erweitert. Das gilt generell. Damit sind auch die Jugendlichen in der Lage bzw. stehen vor der Aufgabe, ihr Leben selbstständig zu planen. Aus einer Vielzahl von Möglichkeiten müssen sie - bei einer kaum kalkulierbaren gesellschaftlichen Entwicklung - für sich die richtige wählen. "Sich als Person zu finden und zu erfinden" - so beschreiben Iris Eisenbürger und Waldemar Vogelgesang die Aufgabe junger Menschen und damit zugleich das Anliegen ihres Beitrages, in dem sie einen Stadt-Land-Vergleich vornehmen. Sie präsentieren dazu empirische Befunde zu den Bereichen (Aus-)Bildung und Beruf, Freizeit und Medien.