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Front im Regionalkonflikt | Jemen | bpb.de

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Front im Regionalkonflikt Der Jemen zwischen Iran und Saudi-Arabien

Guido Steinberg

/ 18 Minuten zu lesen

Der Krieg im Jemen ist auch ein Konflikt zwischen den Regionalmächten Saudi-Arabien und Iran. Riad intervenierte 2015, um ein Erstarken der schiitischen Huthi-Rebellen zu verhindern. Iran baute gleichzeitig seine militärische Hilfe an die Aufständischen aus.

Am 14. September 2019 schlugen 19 Drohnen und Marschflugkörper metergenau in Lagertanks und Verteilertürme der saudi-arabischen Ölanlagen von Abqaiq und Khurais nahe der Küste des Persischen Golfs ein. Sofort brachen Feuer aus, die die beiden Anlagen zusätzlich beschädigten und die Ölproduktion Saudi-Arabiens für einige Wochen auf etwas weniger als die Hälfte verringerten. Getroffen wurden nicht nur zwei der wichtigsten Einrichtungen der saudi-arabischen Ölindustrie, sondern auch das Herz der weltweiten Ölversorgung, die mit einem Schlag um rund fünf Prozent zurückging.

Die Huthi-Rebellen aus dem Jemen bekannten sich noch am selben Tag zu dem Angriff, doch wurden rasch Zweifel an dem Bekenntnis laut. Zu anspruchsvoll schien der Angriff, als dass die jemenitische Miliz tatsächlich dafür verantwortlich sein konnte. US-Nachrichtendienste stellten außerdem rasch fest, dass die Drohnen und Cruise Missiles von iranischem Territorium gestartet waren. Neben der Tatsache, dass es sich bei dem Angriff um den vorläufigen Höhepunkt einer dramatischen Eskalation im Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien handelte, zeigte der Ablauf der Ereignisse aber doch, wie eng die Huthis 2019 mit den Iranern kooperierten. Sie bekannten sich zu einem Aufsehen erregenden Angriff, der ohne Weiteres einen US-amerikanischen Militärschlag hätte provozieren können – wahrscheinlich, weil sie es Iran ermöglichen wollten, die Urheberschaft des Anschlags abzustreiten. Dies zeigte, dass die Huthis zu einem willigen Instrument iranischer Politik geworden waren.

Saudi-Arabien hatte gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten im März 2015 einen Krieg begonnen, um das Entstehen einer "jemenitischen Hisbollah" an seiner Südgrenze zu verhindern, wie es Politiker und Diplomaten beider Länder seitdem gebetsmühlenartig wiederholen. Doch gelang es ihnen nie auch nur annähernd, die Rebellengruppe zu zerschlagen: Vielmehr schossen die Huthis im Laufe der Jahre Hunderte ballistische Raketen auf saudi-arabisches Territorium ab. Als diese 2018 immer häufiger abgefangen wurden, setzten die Aufständischen auf iranische Drohnen und Marschflugkörper, die schwerer aufzuhalten sind. Die Rebellen, deren Beziehungen zu Iran bis 2014 eher oberflächlich geblieben waren, waren im Laufe des Krieges zu der Bedrohung geworden, die anfänglich das wichtigste Argument für den Krieg gewesen war.

Huthis ergreifen die Macht

Die Huthis und ihr heutiger Anführer Abd al-Malik al-Huthi präsentieren sich als die Vertreter aller nordjemenitischen Zaiditen. Diese stellen zwischen 30 und 40 Prozent der jemenitischen Bevölkerung, und ihre Imam genannten Herrscher regierten den Jemen vom späten 9. Jahrhundert bis 1962. Die Zaiditen sind zwar Schiiten, stehen dem Sunnitentum allerdings weitaus näher als die anderen schiitischen Glaubensrichtungen. Neben sozioökonomischen Verbesserungen und mehr politischer Partizipation forderten sie bereits ab den 1980er Jahren vor allem kulturelle und religiöse Rechte ein, die sie durch die Politik der Zentralregierung gefährdet sahen. Der Grund hierfür waren Missionierungsversuche einiger von Saudi-Arabien unterstützter salafistischer Prediger und Gruppen in den zaiditischen Regionen im Norden. Die Regierung in Sanaa förderte die Salafisten, weil sie befürchtete, ihr könnte in Gestalt der führenden zaiditischen Familien politische Konkurrenz erwachsen.

Ab Ende der 1990er Jahre begannen die Huthis mit dem Aufbau einer politischen Bewegung mit eigenen Milizkräften. Zwischen 2004 und 2010 führten diese Einheiten einen Guerillakrieg gegen die Truppen des Regimes und mit ihnen verbündete Stammesmilizen, der unentschieden endete, aber den Norden des Jemen verwüstete. Das Regime von Ali Abdullah Salih, der von 1978 bis 2012 regierte, stellte die Huthi-Rebellen von Beginn an als Terroristen und – mit Verweis auf ihre "schiitische" Identität – als Agenten des schiitischen Iran dar. So falsch diese Behauptung damals auch war, gelang es dem jemenitischen Präsidenten, die saudi-arabische Führung von ihrer Richtigkeit zu überzeugen. Riad intervenierte im November 2009 sogar aufseiten der Regierung, es gelang aber nicht, die Huthis entscheidend zu schwächen und den Schmuggel von Waffen in ihr Gebiet zu verhindern.

2011 erreichten die Proteste des Arabischen Frühlings auch den Jemen, in deren Folge Präsident Salih im November abtreten musste. Nachdem die Golfstaaten unter Führung Saudi-Arabiens vermittelnd eingegriffen hatten, machte Salih einer Übergangsregierung unter der Führung seines vorherigen Stellvertreters Abd Rabbuh Mansur Hadi Platz. Gleichzeitig begann im März 2012 die Nationale Dialogkonferenz, die innerhalb von zwei Jahren eine neue Verfassung ausarbeiten sollte. Zwar waren auch die Huthis beteiligt, doch zogen sie sich im Januar 2014 aus den Beratungen zurück. Sie hatten bereits die vorangegangenen zwei Jahre genutzt, um ihre Positionen in ihrer Heimatprovinz Saada zu konsolidieren und in umliegenden Gegenden auszubauen. 2014 gingen sie in die Offensive, indem sie zunächst die Provinz Amran einnahmen und im September auch in Sanaa einmarschierten und die Hauptstadt unter ihre Kontrolle brachten.

Die Regierung Hadi war zu diesem Zeitpunkt so stark geschwächt, dass sie sich den Huthis nicht entgegenstellen konnte. Zum einen hatte sie mit der Rücknahme von Subventionen für Treibstoff bereits im August 2014 Proteste ausgelöst, die die Huthis zur Vorbereitung der Einnahme von Sanaa nutzten. Zum anderen hatte sie kaum Kontrolle über die Sicherheitskräfte, die teilweise dem ehemaligen Präsidenten Salih gegenüber loyal geblieben waren. Dieser und die Huthis begruben 2014 ihre lange Feindschaft, sodass sich die Sicherheitskräfte den Rebellen bei der Einnahme der Stadt nicht entgegenstellten. In der Folge verbündeten sich die beiden Seiten sogar und rückten gemeinsam nach Süden vor, wo sie versuchten, Aden einzunehmen. Beide vereinte die Feindschaft gegenüber Saudi-Arabien, die bei den Huthis zur Ideologie gehört, bei Salih aber vor allem entstand, weil er Riad für seinen Machtverlust 2011 mitverantwortlich machte. Die neue Allianz zeigte beträchtliche Stärke, denn ihre damals rund 20.000 Kämpfer vereinten die kampferprobten und hoch motivierten Guerillatruppen der Huthis mit der gut ausgerüsteten und ausgebildeten Republikanischen Garde, die Salih gegenüber loyal blieb.

Iran expandiert

Als die Huthi-Salih-Allianz Sanaa einnahm, war die Lage im Nahen und Mittleren Osten von starken Spannungen zwischen den regionalen Großmächten Iran und Saudi-Arabien geprägt. Ihr Konflikt bestimmt die Politik im Nahen und Mittleren Osten seit der Islamischen Revolution von 1979 in Iran und hat sich seit 2011 nicht nur massiv verschärft, sondern wirkt auch immer stärker auf die gesamte Region ein. Die Auseinandersetzung ist erstens machtpolitischer Natur, denn Iran tritt seit vier Jahrzehnten als revisionistische Macht auf, die auf eine Hegemonie am Persischen Golf und im Nahen Osten hinarbeitet, während Saudi-Arabien versucht, den Status quo zu wahren. Zweitens liegt auch eine weltanschauliche Frontstellung vor, denn Iran vertritt eine schiitisch-islamistische, republikanische und revolutionäre Staatsideologie, während die saudi-arabische Gesellschaftsidee sunnitisch-islamisch, monarchisch und sehr konservativ geprägt ist. Die wichtigste Ursache für die Verschärfung und Internationalisierung dieses Konflikts ab 2011 war eine Änderung in der Politik Teherans, das die Unruhen und die darauf folgende Instabilität nutzte, um seine Präsenz in der Region auszubauen.

Bis 2011 war es Revolutionsführer Ali Khamenei und dem von ihm angeführten militärisch-geheimdienstlichen Komplex in der iranischen Politik vor allem darum gegangen, einem möglichen Angriff auf Iran seitens der USA, Israels und regionaler Verbündeter durch Abschreckung zuvorzukommen. Zu diesem Zweck entwickelten die Revolutionsgarden ballistische Raketen unterschiedlicher Reichweite, die Regionalstaaten wie Saudi-Arabien oder Israel erreichen konnten. Im Persischen Golf und an der Straße von Hormus bereitete sich die Marine der Revolutionsgarden auf eine Art "Guerillakrieg zur See" gegen US-Verbände und die zivile Schifffahrt vor. Jenseits der eigenen Grenzen hatte Iran die "Achse des Widerstands" aufgebaut, ein Bündnis, dem Syrien, die libanesische Hisbollah, schiitische Milizen im Irak, die palästinensische Hamas und der "Islamische Dschihad" in Gaza angehörten. Als in Syrien 2011 ein Bürgerkrieg begann, in dessen Folge mit dem Assad-Regime der einzige staatliche Verbündete Teherans unter Druck geriet, ging die iranische Führung in die Offensive.

Zur Unterstützung Assads entsandte Teheran ein Expeditionskorps, das dabei helfen sollte, die Personalnot der syrischen Truppen auszugleichen. Der wichtigste Bestandteil waren Einheiten der libanesischen Hisbollah, die ihre Präsenz in Syrien ab 2011 stetig ausweiteten. Hinzu kamen schiitische Milizionäre aus dem Irak, Afghanistan und sogar Pakistan, die unter dem Kommando des Jerusalem-Korps der iranischen Revolutionsgarden kämpften. Ihr größter Erfolg war die Einnahme von Ost-Aleppo im Dezember 2016, die den Sieg des Regimes über die Aufständischen einleitete. Parallel dazu bemühten sich die Iraner um den Aufbau einer militärischen Infrastruktur, die – nach dem Vorbild des Südlibanon – eine zweite Front gegen Israel bilden sollte.

Ganz ähnlich ging das Jerusalem-Korps im Irak vor, wo sein Einfluss bereits seit Jahren stark war. Im Juni 2014 brachen dort die staatlichen Sicherheitskräfte im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) zusammen. Es bildete sich ein Bündnis schiitischer Milizen namens "Volksmobilisierung", in dem irantreue Organisationen wie Badr, Kataib Hisbollah und Asaib Ahl al-Haqq dominierten. Sie übernahmen eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Dschihadisten, der im Juli 2017 mit der Wiedereroberung von Mossul endete. In den Folgejahren gelang es der irakischen Regierung nicht, die Kontrolle über die Milizen zu gewinnen; vielmehr weiteten die Iraner ihren Einfluss auf Politik und Militär im Irak aus. Viele Iraker sahen in Qasem Soleimani, dem mächtigen Kommandeur des Jerusalem-Korps, den eigentlichen Herrscher des Irak.

Auch im Jemen – einem Land, an dem Iran lange kein Interesse gezeigt hatte – sahen die Revolutionsgarden eine Möglichkeit, ihren Einfluss auszuweiten. Zwar waren die Voraussetzungen hier schlechter, denn die Hisbollah und die irakischen Milizen stehen der Islamischen Republik religiös und ideologisch sehr viel näher als die Huthis. Aber die Huthis hatten außer dem Ex-Präsidenten Salih – der sie immerhin sechs Jahre brutal bekämpft hatte – keine Unterstützer, worin die Iraner eine Gelegenheit sahen.

Hier spielte auch der religiöse Konflikt eine Rolle, denn der althergebrachte Gegensatz zwischen Schiiten und Sunniten ist seit der Islamischen Revolution 1979 und verstärkt seit dem Irak-Krieg 2003 ein wichtiger politischer Faktor in der Region. Anlass für den Ausbruch von Feindseligkeiten ist meist der Zusammenbruch von Staaten und Gesellschaften, der die Menschen zwingt, Schutz bei ihren jeweiligen Ethnien oder Religionsgemeinschaften zu suchen. Die schiitische Islamische Republik sucht und findet ihre Verbündeten aufgrund dieser Konstellation unter den Schiiten in der Region, wie der Hisbollah oder irakischen Schiitenmilizen, oder bei Gruppen, die so isoliert sind, dass sie keine andere Schutzmacht finden, wie die palästinensische Hamas. Für die jemenitischen Huthis trifft beides zu, sodass Iran sie schon vor 2014 unterstützte.

Die Waffenlieferungen nahmen jedoch parallel zum Aufstieg der Huthis 2013 und 2014 zu, und nach der Einnahme Sanaas durch die Huthis bauten die iranischen Revolutionsgarden ihre Unterstützung weiter aus. Außerdem häuften sich Hinweise, dass Hisbollah-Ausbilder den Huthis halfen, eine noch schlagkräftigere Truppe zu formen. Iran lieferte auch immer mehr Raketen, mit denen die jemenitischen Rebellen begannen, Saudi-Arabien zu beschießen. Während sie in der Frühzeit vor allem Städte und Gebiete nahe der Grenze ins Visier nahmen, griffen sie ab Ende 2017 auch mehrfach die saudi-arabische Hauptstadt Riad an. Ab 2018 mehrten sich zudem Berichte über Angriffe mittels Drohnen und Cruise Missiles, die endgültig zeigten, dass Iran hinter den Huthis stand – allein weil die Huthis nicht in der Lage sind, diese Waffen herzustellen.

Saudi-Arabien interveniert

Die Feindschaft der Huthis gegenüber Saudi-Arabien hat – im Gegensatz zu deren Bündnis mit Iran – eine lange Vorgeschichte. Denn das Königreich hat das Ziel, potenzielle Gefahren für die eigene Sicherheit frühzeitig abzuwehren, und beeinflusst deshalb bereits seit Jahrzehnten die Politik des Jemen. Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass die Bevölkerung des saudi-arabischen Südwestens enge tribale, religiöse und kulturelle Beziehungen in den Nachbarstaat unterhält. Dass diese Gegend ein Teil des Königreiches wurde, war das Ergebnis einer Eroberungskampagne, die mit dem saudi-arabisch-jemenitischen Krieg von 1934 endete. Seitdem sind sich die Herrscher in Riad der Loyalität der Bewohner des "Südens", wie die Region im Jargon der Saudis heißt, nicht sicher und fürchten jemenitische Einflüsse.

Zwei Gründe führten trotz dieser Interessenlage dazu, dass Riad die Huthis nicht frühzeitig und entschlossen bekämpfte: Erstens war ihre Priorität seit 2007 der Kampf gegen die jemenitische al-Qaida. Die Organisation nahm viele saudi-arabische Kämpfer auf, die vor allem darauf zielten, den bewaffneten Kampf in ihr Heimatland zu tragen. Infolge dieser Entwicklung befasste sich das für die Terrorismusbekämpfung zuständige saudi-arabische Innenministerium ab 2007 intensiver mit der Lage in dem Nachbarland. Das eigentlich federführende Ressort in der Jemen-Politik, das Verteidigungsministerium, das auf die Bekämpfung der Huthis drängte und 2009 den kurzen Krieg gegen sie verantwortete, verlor dagegen an Einfluss. Dies führte dazu, dass der Kampf gegen die Huthis nicht oberste Priorität hatte, wie es ab 2015 wieder der Fall war.

Der bürokratische Konflikt spiegelte zweitens ein grundlegenderes Problem in der saudi-arabischen Führung wider. Die Machtelite in Riad war aufgrund einer Thronfolgeregelung, der zufolge der jeweils älteste Sohn des Staatsgründers ibn Saud (1880–1953) auf seinen verstorbenen Bruder folgt, schon 2007 stark überaltert und mit den Regierungsgeschäften physisch und intellektuell überfordert. Die führenden rund ein Dutzend Prinzen suchten immer wieder nach Lösungen im Konsens, was die Politik des Landes weiter verlangsamte. Amtsträger aus Nachbarländern beschwerten sich bereits seit 2005 immer häufiger über die Lähmung der saudi-arabischen Politik.

Die Situation änderte sich erst 2011/12, als in rascher Folge der Innen- und der Verteidigungsminister, die beide auch hintereinander als Kronprinzen amtiert hatten, starben und der Arabische Frühling die saudi-arabische Führung zum Handeln zwang. Das Königreich führte die Gegenrevolution an, wurde zunächst aber vor allem dort aktiv, wo es befürchtete, dass Iran die Instabilität in der Region nutzen könnte, um seinen Einfluss auszudehnen. Im März 2011 schickte es gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten Truppen und Polizei nach Bahrain, die den Sicherheitskräften dort helfen sollten, die Proteste der schiitischen Bevölkerungsmehrheit niederzuschlagen. Riad, Abu Dhabi und Manama sahen in den Demonstrationen einen iranisch angeleiteten Umsturzversuch. In Syrien ging Saudi-Arabien sogar in die Offensive, indem es sunnitische Aufständische gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad unterstützte. Riad ging es vor allem darum, den einzigen staatlichen Verbündeten Irans zu stürzen und durch eine prosaudische Regierung zu ersetzen – ohne Erfolg, wie sich spätestens 2016 in Aleppo zeigte.

Ab 2015 wurde die saudi-arabische Politik noch entschlossener, aber auch impulsiver und aggressiver. Der wichtigste Grund war die schrittweise Machtübernahme durch Mohammed bin Salman al-Saud. Dessen Vater Salman bestieg im Januar 2015 den Thron und ernannte seinen Lieblingssohn zum Verteidigungsminister. Dieser nutzte die Gelegenheit, übernahm schrittweise die Regierungsgeschäfte und schaltete seine Konkurrenten aus, bis er im Juni 2017 zum Kronprinzen ernannt wurde. Seine erste wegweisende Entscheidung Anfang 2015 war die, gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten militärisch gegen die Huthis im Jemen zu intervenieren.

Krieg im Jemen

In der Nacht vom 25. auf den 26. März 2015 begannen Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Intervention gegen die Huthis im Jemen. Ihr Ziel war die Vertreibung der Rebellen aus der Hauptstadt Sanaa und die Wiedereinsetzung der international anerkannten Regierung von Präsident Hadi, der 2015 von Aden nach Riad geflohen war. Die Verbündeten sperrten den jemenitischen Luftraum und verhängten eine Seeblockade, um die Huthis zum Aufgeben zu zwingen.

Das größte Problem der Koalition war das Fehlen von Bodentruppen. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate verfügten nicht über ausreichende eigene Kontingente, die sie hätten einsetzen können. Saudi-Arabien hatte möglicherweise gehofft, dass Ägypten oder Pakistan Militär entsenden würden, um diese Schwäche auszugleichen. Pakistan ist finanziell stark von saudi-arabischer Unterstützung abhängig, die dem Militär des Landes den Aufbau eines eigenen Nuklearprogramms ermöglichte. Ägypten hingegen erhält mehr Geld aus den Emiraten, die das Regime des ägyptischen Präsidenten al-Sisi seit 2013 mehrfach vor dem Bankrott retteten. Trotzdem weigerten sich beide Staaten, Truppen zur Verfügung zu stellen, weshalb Riad und Abu Dhabi gezwungen waren, den Mangel an Personal notdürftig durch die Rekrutierung von Söldnern auszugleichen. So entsandten der Sudan und der Senegal reguläre Truppen, für die Saudi-Arabien bezahlte. Die Vereinigten Arabischen Emirate schickten darüber hinaus auch eine eigene Söldnertruppe ins Feld, die seit Jahren am Golf aufgebaut worden war. Außerdem gingen die beiden Militärs arbeitsteilig vor: Saudi-Arabien konzentrierte sich auf Luftangriffe im Norden, während die Emirate mit Bodentruppen mehr im Südosten und Süden des Landes aktiv waren. Insgesamt zeigte sich das emiratische Militär deutlich besser vorbereitet; seine Spezialkräfte waren beispielsweise für die Einnahme von Aden im Juli 2015 verantwortlich, während ihre saudi-arabischen Waffenbrüder keine ähnlichen Erfolge vorweisen konnten.

Eine Offensive gegen das von den Huthis beherrschte jemenitische Hochland war ohne eine Verstärkung der Truppen aussichtslos. Im Laufe des Krieges versuchte Riad, das Manko durch eine intensivierte Zusammenarbeit mit der jemenitischen Islah-Partei auszugleichen. Die Partei ist ein Bündnis von Islamisten, Stammesmilizen und einigen Salafisten und war von 2011 bis 2013 der wichtigste Gegenspieler der Huthis. Sie hatte 2013 jedoch die Unterstützung Riads verloren, das sich damals entschlossen hatte, den Aufstieg der Islamisten in der arabischen Welt insgesamt zu bekämpfen. Die Schwäche des innerjemenitischen Gegners war ein Grund für den Siegeszug der Huthis 2014/15. Die Neuorientierung der saudi-arabischen Jemen-Politik stieß jedoch auf den Widerstand Abu Dhabis, das seit 2012 auf eine radikal anti-islamistische Politik setzte und jegliche Kooperation mit al-Islah ablehnte. Stattdessen bauten die Vereinigten Arabischen Emirate auf ein Bündnis südjemenitischer Milizen.

Das Fehlen von Bodentruppen, strategische Divergenzen und die Stärke der Huthis verhinderten militärische Fortschritte. Schon Ende 2015 entwickelte sich deshalb ein militärisches Patt, das bis 2018 Bestand hatte. Die Luftangriffe verbunden mit der Seeblockade hatten vielmehr eine humanitäre Katastrophe zur Folge. Ein Grund dafür war, dass die saudi-arabische Luftwaffe ihre Ziele rasch von rein militärischen auf die gesamte Infrastruktur ausweitete, sodass Häfen, Elektrizitätswerke, Straßen und Brücken zerstört wurden. Hinzu kamen zahlreiche Angriffe auf Krankenhäuser und weitere zivile Ziele aller Art, wie etwa Lebensmittelfabriken. Ergebnis waren eine Versorgungskrise, Hunger und die Verbreitung von Epidemien wie vor allem Cholera.

Als diese Maßnahmen die Huthis nicht zum Aufgeben brachten, begannen Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate im Juni 2018 einen Angriff auf al‑Hudaidah. Der Hafen der Stadt ist die letzte große Verbindungslinie des jemenitischen Hochlands in die Außenwelt. Riad und Abu Dhabi könnten gehofft haben, die Huthis durch die Eroberung al‑Hudaidahs zu Verhandlungen zu zwingen. Es gelang den Verbündeten zwar, in die Außenbezirke der Stadt vorzudringen, doch wuchs der internationale Widerstand. Zu groß schien die Gefahr, dass die Einnahme zu einer weiteren Verschlechterung der ohnehin katastrophalen humanitären Situation im Norden des Jemen führen würde.

Die Vereinigten Arabischen Emirate ziehen ab

Es dürfte vor allem der Widerstand des US-Kongresses in Washington gewesen sein, der Riad und Abu Dhabi im Dezember 2018 bewog, einem Waffenstillstandsabkommen für die Provinz al‑Hudaidah zuzustimmen. Vermittelt wurde dieses durch den Sondergesandten der Vereinten Nationen, Martin Griffiths, bei Gesprächen in Stockholm. Zwar erwies sich die Implementierung zunächst als schwierig, im Mai 2019 kündigten die Huthis aber ihren Rückzug aus al‑Hudaidah an. Doch statt zu einer Beruhigung beizutragen, verschärfte sich der Konflikt erneut, als die Rebellen ihre Angriffe gegen Saudi-Arabien mit Raketen, Drohnen und Cruise Missiles wieder aufnahmen, die sie seit Ende 2018 weitgehend eingestellt hatten. Wie bedrohlich die Situation war, zeigte sich im Juni 2019, als die Huthis den zivilen Flughafen von Abha im saudi-arabischen Südwesten mit Cruise Missiles angriffen und 26 Menschen verletzten.

In dieser Situation kündigten die Vereinigten Arabischen Emirate im Juni 2019 den Rückzug ihrer Truppen aus dem Jemen an. Einige Beobachter interpretierten diesen Schritt als eine Reaktion auf die Situation rund um die Straße von Hormus, die sich im Mai und Juni – parallel zu den Luftangriffen der Huthis auf saudi-arabische Ziele – dramatisch verschärft hatte. Die iranischen Revolutionsgarden verübten Anschläge auf mehrere Öltanker in direkter Nähe zu den Vereinigten Arabischen Emiraten. Außerdem schoss das iranische Militär eine US-Überwachungsdrohne ab, woraufhin US-Präsident Donald Trump einen Vergeltungsschlag anordnete, kurz vor Beginn aber wieder absagte. Anhänger dieser Interpretation glaubten, dass Abu Dhabi die Truppen zurückzog, um sie im Falle einer Eskalation zum Schutz des Heimatlands einsetzen zu können.

Es ist sehr gut möglich, dass die Eskalation am Persischen Golf ein Motiv für den emiratischen Abzug war. Hinzu kam, dass die Emirate nicht nur – wie ihre saudi-arabischen Verbündeten – auf die Zerschlagung der Huthis, sondern auch auf die Kontrolle von Häfen hingearbeitet hatten. Nach der Einnahme von Aden 2015 hatte das emiratische Militär gemeinsam mit seinen jemenitischen Verbündeten alle wichtigen jemenitischen Häfen mit Ausnahme von al-Hudaidah besetzt. Die Vereinigten Arabischen Emirate übernahmen auch die strategisch wichtigen Inseln Perim – am Eingang des Roten Meeres – und Sokotra – an der Einfahrt in den Golf von Aden. Auf der gegenüberliegenden Küste hatten sie eine Luftwaffenbasis und den Hafen von Assab in Eritrea übernommen und ihre Präsenz in Berbera in Somaliland und Bosaso in Puntland ausgebaut. Abu Dhabi zielte ganz offenkundig auf die Kontrolle des Seewegs durch den Golf von Aden in das Rote Meer.

Im Frühjahr 2019 erreichten die Vereinigten Arabischen Emirate dieses Ziel und gaben ihre Kontrolle über die wichtigsten Häfen und Flugfelder trotz ihrer Rückzugsankündigung auch in den Folgemonaten nicht ab. Außerdem hat Abu Dhabi im Jemen starke Verbündete, die weiterhin unterstützt wurden. Die meisten von den Emiraten ab 2015 aufgebauten Milizen gehörten der südjemenitischen Separatistenbewegung an, die eine Abspaltung vom Norden wollen. Zu diesem Zweck bildeten sie im Mai 2017 den "Südübergangsrat", der in Kämpfen gegen Einheiten der Hadi-Regierung die Kontrolle über die Stadt Aden übernahm. Die Regierung verfügte aber nicht über die Mittel, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgestellten, ausgebildeten und ausgerüsteten Milizen des Übergangsrates aus dem Feld zu schlagen. So sorgten die Separatisten dafür, dass die Emirate auch weiterhin im Südjemen eine wichtige Rolle spielten. Außerdem zog Abu Dhabi nicht alle seine Truppen ab, sodass immer auch die Möglichkeit blieb, erneut in größerem Maßstab zu intervenieren.

Kein Ende des Krieges

Im Laufe des Jahres 2019 setzte Saudi-Arabien den Krieg gegen die Huthis ohne seine Verbündeten fort. Das größte Hindernis waren die stetigen Auseinandersetzungen zwischen Einheiten der Hadi-Regierung und den separatistischen Gegnern im Süden. In Absprache mit den Vereinigten Arabischen Emiraten gelang es Riad jedoch, die verfeindeten Jemeniten zu einem Friedensabkommen zu bewegen, das im November geschlossen wurde. Vor der Übereinkunft zog Abu Dhabi auch seine letzten Truppen aus Aden ab, woraufhin sich die Lage dort beruhigte.

Ohne die Unterstützung der emiratischen Truppen war ein Sieg für die Saudis aber vollkommen unmöglich geworden. Dabei wurden Erfolge aus Sicht der Führung in Riad dringend notwendig, denn die Huthis bedrohten nun tatsächlich die Sicherheit Saudi-Arabiens: Im fünften Jahr des Krieges zeigten die Angriffe auf den saudi-arabischen Süden, dass aus den Huthis tatsächlich eine Art "jemenitische Hisbollah" geworden war, vor der saudi-arabische und emiratische Offizielle immer wieder gewarnt hatten. Zudem waren die Attacken auf die Ölanlagen von Abqaiq und Khurais, die ihren Ausgang in Iran und nicht im Jemen genommen hatten, eine Machtdemonstration der Allianz zwischen Teheran und den Huthis. Sie führten Riad schmerzlich vor Augen, wie wenig die saudi-arabische Luftabwehr den Drohnen und Marschflugkörpern ihrer Gegner entgegenzusetzen hatte.

Vieles spricht dafür, dass 2019 einen Einschnitt im Jemen-Krieg bedeutete. Der Rückzug der emiratischen Truppen aus dem Krieg gegen die Huthis, die Schwäche der Saudis angesichts der Angriffe von Iranern und Huthis und das Fehlen eines ernsthaften innerjemenitischen Gegners für die Huthis zeigen, dass es auch in absehbarer Zeit keiner Seite möglich sein wird, den Krieg für sich zu entscheiden. Dies würde vor allem angesichts der katastrophalen Lage im Land für eine Verhandlungslösung sprechen. Die Konstellation im Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran erschwert jedoch eine solche Vereinbarung: Würde Riad den Jemen-Krieg heute beenden, käme dies einer schweren Niederlage in der großen regionalen Auseinandersetzung gleich. Es ist unklar, ob die saudi-arabische Führung bereit wäre, einen solch hohen Preis für eine Beruhigung der Lage zu bezahlen. Möglicherweise spekuliert Riad noch auf den Ausbruch des Konflikts zwischen den Vereinigten Staaten und Iran, der die Kräfteverhältnisse im Nahen und Mittleren Osten neu ordnen würde.

arbeitet als Islamwissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. E-Mail Link: guido.steinberg@swp-berlin.org