Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Die Ergebnisse des 21. Parteikongresses der Kommunistischen Partei der Sowjetunion | APuZ 19/1959 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 19/1959 Die Ergebnisse des 21. Parteikongresses der Kommunistischen Partei der Sowjetunion

Die Ergebnisse des 21. Parteikongresses der Kommunistischen Partei der Sowjetunion

BORIS MEISSNER

Diese sowie die nächste Ausgabe der Beilage sind der Auseinandersetzung mit dem 21. Parteitag der KPdSU gewidmet. Durch zwei Grundsatzreferate: Boris Meissner „Die Ergebnisse des 21. Parteikongresses der Kommunistischen Partei der Sowjetunion“ und Rudolf H. Brandt „Die Generallinie des XXL Partei-tages der KPdSU" soll dem Leser die Möglichkeit gegeben werden, sich über Standort und Entwicklungstendenzen der Politik der Sowjetunion eine eigene Meinung zu bilden. Die vorliegende Abhandlung von Boris Meissner gibt Teile einer umfassenderen Darstellung wieder, die in Buchform unter dem Titel „Rußland unter Chruschtschow. Die Sowjetunion auf dem Wege vom 20. zum 21. Parteikongreß der KPdSU" demnächst in der vom Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik herausgegebenen Dokumentenbandreihe im R. Oldenbourg Verlag, München, erscheinen soll.

A. Das Vorspiel zum 21. Parteitag der KPdSU

1. Bulganin (Vorsitzender) 2. Kaganowitsch (1. Stellv Vor-

sitzender)

3. Mikojan (1. Stellv Vor-

sitzender)

4. Molotow (1. Stellv Vor-

sitzender)

5. Perwuchin (1. Stellv Vor-

sitzender)

6. Saburow (1. Stellv, Vor-

sitzender)

7. Malenkow 8. Malyschew 9. Tewossjan 10. Kossygin 11. Sawenjagin 12. Chrunitschew 13. Mazkewitsch 14. Kutscherenko 1. Bulganin 2. Chruschtschow 3. Kaganowitsch 4. Mikojan 5. Molotow 6. Perwuchin 7. Saburow 8. Malenkow 9. Susslow 10. Woroschilow (Vorsi

Der 20. Parteikongreß der KPdSU im Februar 1956, dessen Höhepunkt die posthume Entthronung Stalins bildete, ließ deutlich erkennen, daß die Sowjetunion in ihrer Entwicklung an einem Wendepunkt angelangt war. Es war zu jener Zeit nur ungewiß, ob letzten Endes der Weg der Revolution, Restauration oder Reform für die zukünftige Entwicklung des Sowjetimperiums bestimmend sein würde Die Entscheidung darüber, welcher von diesen Wegen beschritten werden würde, hing entscheidend davon ab, ob es Chruschtschow, der im Verlauf des 20. Parteikongresses zur dominierenden Figur im „Führerkollektiv“

Stahl (Mill, t) Walzgut (Mill, t)

Gas (Mrd. cbm) Erdöl (Mill, t)

Elektroenergie (Mrd. kWh) 1955 45, 3 35, 3 10, 4 70, 8 170, 2 1956 48, 6 37, 8 13, 7 83, 8 192 1957 51, 0 40, 2 20, 2 98, 3 209, 5 1958 54, 9 42, 9 29. 8 113, 0 233 Plan 1960 68, 3 52, 7 40, 0 135, 0 320 Plan 1965 86— 91 65— 70 150 2 30— 240 500— 520 Plan 1972 100— 120 270— 320 350— 400 800— 900 (Fortsetzung von Seite 211)

aufgestiegen war, gelingen würde, seine Machtstellung gegenüber den restaurativen und reformistischen Kräften, gegen die er bereits damals seine Angriffe richtete, zu behaupten.

Zeitabschnitt 191 8 — 1928 (ohne IV Quartal 1928)

Erster Fünfjahresplan (1929— 32 + IV. Quartal 1928) Zweiter Fünfjahresplan (1933— 1937)

Dritter Fünfjahresplan — 3 1/2 Jahre (1938— 1. 7. 1941)

1. 7. 1941 — 1. 1. 1946 Vierter Fünfjahresplan (1946— 1950)

Fünfter Fünfjahresplan (1951— 1955)

2 Jahre des Sechsten Fünfjahresplans (1956, 1957) Insgesamt 1918 bis 1957 Kapitalinvestierungen (ohne Kolchose) Gesamtsumme In Mrd. Rubel (in Preisen vom 1. 7. 1955) 16, 5 64, 9 147, 6 145, 3 140, 5 338

Die Entwicklung seit dem 20. Parteikongreß ist daher einerseits durch einen Machtkampf, andererseits durch eine Politik gekennzeichnet, die nur zu Teilzugeständnissen an die Realität bereit war, ohne die Struktur des von Stalin übernommenen totalitären Herrschaftssystems in seine Substanz anzutasten. Der Machtkampf ist nach wechselvollem Verlauf zugunsten des Ersten Parteisekretärs ausgegangen, obgleich er sich nicht nur mit der Präsidiumsmehrheit und den hinter ihr stehenden starken innenpolitischen Kräften, sondern auch mit einer im ganzen Volk so populären Persönlichkeit wie Marschall Shukow auseinanderzusetzen hatte.

Wirtschaftszweig Industrie insgesamt davon Gruppe „A“

Gruppe „B“ Landwirtschaft Verkehrs-und Nachrichtenwesen Wohnungsbau sowie Bau von Handels-, Kommunal-, Bildungs-, Kultur-und Sanitätseinrichtungen Gesamtsumme der Investitionen 1918-1957 (In Mrd. Rubel)

(Preise vom 1. 7. 199) 919, 4 814, 9 104, 5 165, 2 252, 8 566, 7 1904, 1 prozentualer Anteil 48, 3 42, 8 5, 5 8, 7 13, 3 29, 7 100 1959-1965 (in Mrd. Rubel) 1129— 1149 1049— 1064 80— 85 150 209— 214 452— 457 1940— 1970

Dieser Sieg Chruschtschows ist vor allem durch folgende Gründe bestimmt worden:

Industriezweig Eisenmetallurgie.......................... : . s . Chemische Industrie........................................... Erdöl-und Gasindustrie........................... ..... Kohlenindustrie............................... . , , Elektrizitätswerke und Leitungen . . . . , Holz-, Papier-und Holzverarbeitung . . --Bauwirtschaft und Baustoffindustrie .... Maschinenbau...................................................... Sonstige Produktionszweige Produktionsmittelindustrie insgesamt .... In Mrd.

R

1. Er vertrat die Interessen des Parteiapparats und stützte sich in der Auseinandersetzung mit der Präsidiumsmehrheit auf das Parteisekretariat und die Parteikontrollkommission. Seine Gegner verließen sich dagegen zu sehr auf den im Partei-und Regierungspräsidium verkörperten Mechanismus der kollektiven Führung und überschätzten das Eigengewicht des Regierungsapparats, der Wirtschaftsbürokratie und der sowjetischen Wehrmachtsführung;

RSFSR insgesamt .

davon europäischer Teil ....

Ural, Sibirien, Ferner Osten . s , Ukrainische SSR . Weißrussische SSR .... Moldauische SSR .

Estnische SSR . . , , . , f Lettische SSR . . • S S 8 w Litauische SSR . , , , , Armenische SSR . • s • • • . . , , . Georgische SSR Aserbaidshanische SSR ... . Kasachische SSR . ..... Turkmenische SSR ...................... Usbekische SSR . ..... Kirgisische SSR .... * Tadshikische SSR . ..... . , (Mrd. Rubel) 1410— 1431 820— 837 590— 594 214— 219 32 8, 8

Er identifizierte sich mit einer propagandistisch geschickt herausgestellten, wenn auch letzten Endes revolutionär gemeinten Reform-Politik, die ihm in Verbindung mit der Milderung des polizeistaatlichen Terrors das Vertrauen breiter Volksschichten gewann.

Europäischer Teil (einschl. Transkaukasus) Asiatischer Teil („Ostgebiete“) .... davon Ural, Sibirien, Fernost ....

Kasachstan, Zentralasien .... Mrd. Rubel 1 164— 1 186 776— 784 590— 594 186— 190 prozentualer Anteil 60 V. H. 40 V. H. Verteilung der Investitionen nach größeren geographischen Gruppen 1940— 1970 100 V. H.

Ohne seine ständigen persönlichen Bemühungen um die Gefolgschaftstreue der örtlichen Parteiorganisationen und die Gunst der Massen wäre es ihm wohl kaum gelungen, die Koalition so gewiegter Politiker wie Malenkow, Molotow, Kaganowitsch und Bulganin in entscheidender Stunde zu überspielen.

Erster Fünfjahresplan (1929— 1932) Zweiter Fünfjahresplan (1933— 1937) Dritter Fünfjahresplan (Drei Jahre 1938— 1940) Vierter Fünfjahresplan (1946— 1950) Fünfter Fünfjahresplan (1951— 1955) Sechster Fünfjahresplan (1956— 1960)

1956 (Ist)

1957 (Ist)

1958 (Plan)

1958 (Ist) Siebenjahresplan (1959— 1965) Gesamtproduktion 19, 2 17, 1 13, 2 13, 6 13, 2 10, 0 11, 0 10, 0 7, 6 10, 0 8, 6 Produktionsmittel-

produktion (Gruppe „A") 28, 5 19, 0 15, 3 12, 8 13, 8 11, 0 11, 4 11, 0 8, 3 11, 0 9, 3 Ko

3. Er war als einziger in der Lage, dank der Dynamik seiner Persönlichkeit und der für ihn typischen Verbindung von Pragmatismus und Gläubigkeit jenes Vakuum auszufüllen, das durch den Fortfall der Autorität Stalins entstanden war. Die Furcht vor den Folgen dieses Vakums, weniger für das Regime als den Bestand des Imperiums, gewann ihm die Unterstützung manchen Intelligenzlers, der ihm persönlich reserviert gegenüberstand, und nicht nur des Mannes auf der Straße.

Baumwollgewebe (Mrd. m) Wollgewebe (Mill, m) Leinengewebe (Mill, m) Seidengewebe einschl. Kunstseide (Mill, m) Kunstfaser (Mill, m) Trikotagen-Unterbekleidung (Mill. Stück) 5, 0 190, 5 256, 5 224, 6 Trikotagen-Oberbekleidung (Mill. Stück)

Strümpfe (Mill. Paar)

Lederschuhe (Mill. Paar) 237, 7 Uhren (Mill. Stück) 10, 5 aller Art Photoapparate (Mill. Stück) 0, 5 Rundfunkempfänger (Mill. Stüde) 1, 2 Fernsehgeräte (Mrd. Stück) 0, 04 Staubsauger (Tausend Stück) 22, 5 Kühlschränke (Tausend Stück)

31, 1

Die einzelnen Etappen der innenpolitischen Entwicklung zwischen dem 20. und 21. Parteikongreß, die sich auf dem Hintergrund der Auswirkungen der Entstalinisierung innerhalb und außerhalb der Sowjetunion vollzogen hat, sind durch die insgesamt zwölf Plenartagungen des Zentralkomitees und den Regierungswechsel nach den Neuwahlen zum Obersten Sowjet der LIdSSR im März 1958 bestimmt worden 2).

Baumwollgewebe (in Mrd. m) . . Wollgewebe (in Mill, m) . . . . Kunstfaser (in Mill, m) . . . . Lederschuhe (in Mill. Paar) . . . Uhren aller Art................................ Fotoapparate................................ . Rundfunkempfänger ..... Fernsehgeräte................................. Kühlschränke ....... Waschmaschinen........................... Nähmaschinen................................ Motorräder...................................... Fahrräder und Mopeds .... Bundesrepublik 2, 3 156, 9 0, 24 7

Diese Entwicklung wird durch zwei Momente charakterisiert:

Fleischerzeugung (ohne Kolchose u Haushaltungen) (Mill, t) . . . . Wurstwaren (Mill, t)................................ Fischfang (Mill, t)..................................... Vollmilcherzeugnisse (Mill, t) . . . .

Butter (ohne Kolchos-und Hauserzeugung) Mill, t)...................... Zucker (Mill, t)........................................... Teigwaren (Mill, t)................................ Pflanzenfett (ohne Kolchos-

u. Hauserzeugung) (Mill, t) . . . Konserven (Mrd. Dosen)......................

a) den Kampf Chruschtschows um die Führung und seine Bemühungen, seine persönliche Machtstellung und diejenige des Parteiapparats auszubauen und zu festigen;

Fleisch (Mill, t) 12, 2 2, 5 Butter (Mill, t) 0, 66 0, 46 Pflanzenfett (Mill, t)

2, 76 1, 16 Zucker (Mill, t) 2, 1 3, 4 Der Fischfang machte pro Kopf der Bevölkerung 19 5 5 in der Sowjetunion 13 kg, in den Vereinigten Staaten dagegen 16 kg aus.

In diesem Zusammenhang erscheint es reizvoll, die in der Sowjetunion erzielte Pro-Kopf-Produktion an Lebensmitteln 19 5 5 den in der Bundesrepublik pro Kopf verzehrten Lebensmittelmengen gegenüberzustellen 85). Vergleich einiger Lebensmittelindustriezweige d

b) die revolutionäre Reformpolitik Chruschtschows und seine Bemühungen, das wirtschaftliche und militärische Potential der Sowjetunion zu stärken, ohne sich der Notwendigkeit, den Lebensstandard zu heben, wie seinerzeit Stalin, zu verschließen.

Fleischwaren Fisch Butter Pflanzenfett Zucker UdSSR (Pro-Kopf-Produktion) In kg 10, 3 12, 4 1, 6 (1950)

5, 2 28, 4 Bundesrepublik (Pro-Kopf-Verbrauch) In kg 45, 4 12, 1 6, 9 13, 2 26, 3

Zu den wichtigsten Ereignissen des Kampfes um die Führung gehörten:

Bevölkerung (Mill.) .... Landwirt. Nutzfläche (Mill, ha) .

ha pro Kopf........................... Fleischproduktion (Mill, t) « .

kg pro Kopf........................... Milchproduktion (Mill, t) . .

kg je Kopf............................... j kg je Kuh................................ Butterproduktion (Mill, t) . .

kg je Kopf........................... Westdeutschland

(elnschl. Berlin [West]) 1955/54 52, 5 14, 3 0, 27 2, 6 49, 5 17, 1 326 3005 0, 33 6, 3 USA 1956 168, 1 361 2, 1 17, 2 102

1. Die Ausschaltung von Malenkow, Molotow, Kaganowitsch und Schepilow als Folge des Juni-Plenums 1957; 2 . Der Sturz Marschall Shukows als Folge des Oktober-Plenums 1957;

Fleisch (Mill, t) Milch (Mill, t) 5, 0 5, 6 6, 0 6, 1 6, 5 7, 4 7, 9 13, 0 16, 0 35, 6 36, 2 38, 0 42, 0 49, 0 54, 7 57, 8 98, 0 100— 105 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1960 (Plan) 1965 (Plan)

3 . Die Vereinigung der Ämter eines Regierungs-und Parteichefs in der Hand Chruschtschows nach der Absetzung Bulganins im März 1953;

Brutto-Sozialprodukt Exporte-und Dienstleistungen . Brutto-Kapital-Investitionen .... Öffentlicher Verbrauch Bergbau und Industrie Landwirtschaft, Fischerei, Forstwesen .... Brutto-Sozialprodukt Exporte und Dienstleistungen . Brutto-Kapital-investitionen .... Öffentlicher Verbrauch Bergbau und Industrie Landwirtschaft, Fischerei, Forstwesen .... Bergbau und Industrie Landwirtschaft, Fischerei, Forstwesen .... EWG 138, 4 27, 5 25, 1 17, 4 47, 0 16, 5 845 168 153 106 290 100 2265 920 Davon Westdeutschland 51,

4 Die Entfernung Bulganins aus dem Parteipräsidium auf dem September-Plenum 1958 und seine Einbeziehung in die „AntiparteiGruppe“ auf dem Dezember-Plenum 195 8;

Europa (ohne Ostblockstaaten) davon Westdeutschland . . .

Frankreich ....

Großbritannien . . .

Vereinigte Staaten . .

Sowjetunion .... 44, 8 v. H.

7, 9 v. H.

5, 6 v. H.

9, 9 v. H.

16, 9 v. H. 3, 5— 3, 6 v. H. Anteil der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten und der westeuropäischen Länder am Gesamtumsatz des Welthandels 1957 94)

5 Die Ablösung Sjerows als Leiter des sowjetischen Staatssicherheitsdienstes durch den früheren langjährigen Komsomolführer Schelepin.

I. Phase (Vollsozialisierung) 1. Verteilung von Konsumgütern auf Grund begrenzter Produk. tion nach Leistung durch Waren-und Geldzirkulation 2. Arbeitspflicht 3. Gegensätze zwischen und körperlicher Arbeit II. Phase geistiger 4. Gegensätze zwischen Stadt und Land auf Grund Unterschiede zwischen Staats-und Genossenschaftseigentum 5. Klassenunterschiede (Arbeiter, Bauern, Intelligenz) (Vollkommunisierung) 1. Verteilung von Konsumgütern auf Grund Produktionsüberflusses nach Bedürfnissen ohne Waren-und Geldzirk

In institutioneller Hinsicht war diese Entwicklung in der Führungsspitze mit einer Schwächunng der Machtstellung des Präsidiums des Ministerrats der UdSSR, und gleichzeitig innerhalb der Parteiexekutive An wichtigsten Reformmaßnahmen Chruschtschows wären zu nennen:

1. Die Reform der Industrie-und Bauverwaltung als Folge des Februar-Plenums 19 57. Mit der Reform war eine Umgestaltung des Planungssystems und eine Auflösung der meisten Bundesministerien in Verbindung mit der Errichtung regionaler Volkswirtschaftsräte (Sownarchosy) verbunden;

2. Die Abschaffung der Ablieferungspflicht vom privaten bäuerlichen Hofland als Folge des Juni-Plenums 1957; mit einer Stärkung des Gewichts des Sekretariats gegenüber dem Präsidium des Zentralkomitees verbunden.

Das MR-Präsidium. das bereits nach dem Dezember-Plenum 1957 verkleinert worden war, wurde nach dem Juni-Plenum 1957 personell weiter verringert. Das ZK-Präsidium und insbesondere das ZK-Sekretariat wurden dagegen vergrößert sowie mit Anhängern und Verbündeten Chruschtschows aufgefüllt. Letzteres geschah auch mit der Partei-kontrollkommission, die seit dem Juni-Plenum 1957 wesentlich an Bedeutung gewonnen hat. Gleichzeitig wurden die Verwaltungsabteilungen des Zentralkomitees und das auf dem 20. Parteikongreß geschaffene ZK-Büro für die RSFSR erheblich ausgebaut. 3. Die Reform der Agrarverwaltung als Folge des Februar-Plenums 195 8. Mit der Reform war eine Umgestaltung der Motor-Traktoren-Stationen (MTS) in Reparatur-Technische Stationen (RTS) und die Übergabe des Maschinenparks der MTS an die Kolchose verbunden; 4. Die Reform des landwirtschaftlichen Erfassungssystems als Folge des Juni-Plenums 195 8. Durch die Reform wurde der einheitliche Aufkauf der Kolchosprodukte durch den Staat geregelt; 5. Die Reform des Erziehungswesens, die von Chruschtschow auf dem Komsomolkongreß im April 19 58 angeregt und auf der Dezember-Tagung des Obersten Sowjets der UdSSR auf Grund der im November verkündeten „Thesen“ gesetzlich festgele Die Reform des Erziehungswesens, die von Chruschtschow auf dem Komsomolkongreß im April 19 58 angeregt und auf der Dezember-Tagung des Obersten Sowjets der UdSSR auf Grund der im November verkündeten „Thesen“ gesetzlich festgelegt wurde;

Auf diese radikalen Reformmaßnahmen, insbesondere die Erziehungs-und Bildungsreform, sowie einige weitere Schritte, die vom Streben nach wirtschaftlicher Rationalität bestimmt waren, wird im Zusammenhang mit dem Siebenjahresplan noch näher einzugehen sein.

Diese Maßnahmen haben teils in der Auseinandersetzung mit der sog.

„Anti-Partei-Gruppe" eine wesentliche Rolle gespielt, teils sind sie überhaupt erst durch die Ausschaltung der Parteiopposition möglich geworden.

Es ist verständlich, daß es Chruschtschow, der sich auf dem entscheidenden Juni-Plenum 1957 der Präsidiumsmehrheit nicht gefügt hatte, daran gelegen war, die Ergebnisse des Machtkampfes und der von ihm gegen den Willen des „Führerkollektivs“ durchgesetzten Politik nach der Billigung durch das Zentralkomitee auch von dem höchsten Parteiorgan, dem Parteikongreß, sanktionieren zu lassen

Hinzu kam die aus innen-und außenpolitischen Erwägungen resultierende Notwendigkeit, in der geistig-ideologischen Auseinandersetzung mit den restaurativen und reformistischen Strömungen eine Klärung des ideologischen Standorts der im Grunde „zentristischen“ Führung der bolschewistischen Staatspartei herbeizuführen.

Die Folge dieser Überlegungen war der vom Zentralkomitee der KPdSU am 5. September 1957 gefaßte Beschluß, einen 21. außerordentlichen Parteikongreß vorfristig zu Ende Januar 1959 einzuberufen. Als einziger Tagungsordnungspunkt wurden die „Kontrollziffern für die Entwicklung der Volkswirtschaft derUdSSR 1959-1965“ bezeichnet. Als alleiniger Berichterstatter wurde Chruschtschow vorgesehen. Der Einberufungs beschluß wurde am 7. September in der Sowjetpresse veröffentlicht, d. h. am gleichen Tage, an de September in der Sowjetpresse veröffentlicht, d. h. am gleichen Tage, an dem genau vor fünf Jahren Nikita Sergejewitsch Chruschtschow zum ersten Parteisekretär ernannt worden war. Mit dieser Ernennung war ihm formell jenes Amt übertragen worden, das er faktisch seit dem 14. März 19 5 3 innehatte und von dem aus bereits Stalin der Sprung zur Alleinmacht geglückt war.

B. Der Parteitag der „Erbauer des Kommunismus“

1. Chruschtschow (Vorsitzender) 2. Mikojan (1. Stellv. Vorsitzender) 3. Koslow (1. Stellv. Vorsitzender) 4. Kossygin 5. Kusmin 6. Ustinow 7. Sassjadko 1. Chruschtschow 2. Mikojan 3. Koslow 4. Susslow 5. Kiritschenko 6. Ignatow 7. Aristow 8. Breshnjow 9. Furzewa 10. Muchitdinow 11. Kuusinen 12. Woroschilow (Vorsitzender des OS-Präsidiums) 13. Schwernik (Vorsitzender des Parteikontrollkomitees) 14. Beljajew 15. Kossygin 16. Pospelow 17. Podgornyj 1 8. Poljanskij 19. Korottschenko 20. Kirilenko 21. Masurow 22.

I. Der Verlauf des 21. Parteikongresses der KPdSU

Unionsrepublik RSFSR Ukrainische SSR Weißrussische SSR Moldauische SSR Estnische SSR Lettische SSR Litauische SSR Armenische SSR Georgische SSR Aserbaidshanische SSR Kasachische SSR Turkmenische SSR Usbekische SSR Kirgisische SSR Tadshikische SSR UdSSR insgesamt 1. 1 1956 Delegierte (mit beschlie-ßender Stimme) 911 191 33 8 7 12 8 13 38 26 50 9 30 11 8 1355 Partelangehörige 4 957 675 1 018 728 145 000 39 499 3 5 000 60 000 38 087 69 263 185 224 119 774 257 055 4 5 000 150 200 5 5 000 40 000 7 215 505 1. 1 1﾿?

Der 21. Parteikongreß der bolschewistischen Staatspartei fand vom 27. Januar bis 5. Februar 1959 unter der Bezeichnung „Parteitag der Erbauer des Kommunismus" in Moskau statt 3). Es handelte sich um einen außerordentlichen Parteikongreß, da ein ordentlicher Parteitag gemäß dem Parteistatut frühestens zum Februar 1960 hätte einberufen werden können.

An dem Kongreß nahmen insgesamt 1269 Delegierte mit Stimmrecht und 106 in beratender Eigenschaft teil, die insgesamt 2 Millionen Mitglieder und Kandidaten vertraten. Die Parteitagsdelegierten waren von den außerordentlichen Parteikongressen der Kommunistischen Parteien der 14 nichtgroßrussischen Unionsrepubliken und den regionalen Parteikonferenzen der RSFSR, der Ukrainischen und der Weißrussischen SSR, die durchweg im Januar 1959 stattfanden, nominiert worden. Siebzig ausländische Kommunistische Parteien hatten Delegationen entsandt, an deren Spitze die chinesische Abordnung unter der Führung Tschou En-lais stand. Zu den weiteren prominenten Vertretern der kommunistischen Weltbewegung gehörten Ulbricht („DDR), Gomulka (Polen), Novotny (CSR), Togliatti (Italien), Duclos (Frankreich) und Bagdasch (VAR-Syrien). Der Bund der Kommunisten Jugoslawiens war als einzige kommunistische Partei nicht eingeladen worden.

Im Mittelpunkt des Parteitages stand die fast siebenstündige Rede Chruschtschows über die Kontrollziffern für die Entwicklung der Volkswirtschaft der UdSSR in den Jahren 1959 bis 1965 vom 27. Januar 3), deren Hauptteil dem Siebenjahresplan (und der Bildungsreform), außen-politischen und ideologischen Fragen sowie den zukünftigen Aufgaben der Partei gewidmet waren. 4)

Die Tage vom 28. Januar bis 5. Februar waren ausgefüllt mit den Diskussionsbeiträgen zur Rede Chruschtschows, die von der „Prawda“ als „eines der größten Werke des Marxismus-Leninismus“ gepriesen wurde. Die Diskussion wies, verglichen mit dem 20. Parteikongreß, ein niedrigeres Niveau auf. Damals bildeten die Reden Schepilows, Mikojans und Susslows 5), die sich fast unmittelbar an den Rechenschaftsbericht Chruschtschows anschlossen, einen der Höhepunkte des Partei-tages. Diesmal waren es die jüngeren Parteiführer Podgornyj, Poljanskij, Ustinow, die den Reigen der Diskussionsredner eröffneten. Unter diesen fielen unter Mikojan in gewisser Hinsicht auch Susslow und Kossygin 6) durch eine eigene Note auf. Aus den übrigen Beiträgen ragte die Diskussionsrede I. G. Ignatows weniger wegen ihrer Originalität als der in ihr spürbaren Kraft der Persönlichkeit des Redners hervor. Ignatow dürfte bereits heute in machtpolitischer Hinsicht keine geringere Bedeutung zufallen als Kiritschenko und Koslow. Die Rede Marschall Malinowskijs 7) war um vieles militanter als diejenige Marschall Shukows 8) auf dem 20. Parteikongreß. Aus den Äußerungen Nesmejanows, Lawrentjews und Kurtschatows ergaben sich interessante Aufschlüsse über die sowjetische Schwerpunktbildung auf dem Gebiet der Wissenschaftlichen Forschung und die wichtigsten wissenschaftlich-technischen Vorhaben des Siebenjahresplans.

Die Beiträge stimmten fast alle in drei Punkten überein:

a) Volle Billigung der Ausführungen Chruschtschows und Hervorhebung seiner Verdienste, insbesondere auch auf ideologischem Gebiet;

b) Verurteilung der „Anti-Partei-Gruppe“ und der von ihren Angehörigen vertretenen Auffassungen;

c) Ablehnung des Revisionismus, gekoppelt mit Angriffen gegen Tito-Jugoslawien. Die „Diskussion" wurde am 5. Februar mit einem Schlußwort Chruschtschows abgeschlossen, in dem er hauptsächlich auf außenpolitische Fragen einging. Im Anschluß daran erfolgte die einstimmige Annahme von zwei Resolutionen. Die eine Entschließung betraf das Referat Chruschtschows die andere die endgültige Formulierung der Kontrollziffern des Siebenjahresplans die von Susslow unterbreitet wurde. Auf Vorschlag von Chruschtschow wurde ferner einstimmig beschlossen, den ordentlichen 22. Parteikongreß im Jahre 1961 einzuberufen.

Es wird somit bereits in zwei Jahren erneut einen Parteitag der KPdSU geben, der es dem sowjetischen Partei-und Regierungschef ermöglichen würde, die Entscheidungen nachzuholen, die aus mancherlei Gründen auf diesem Parteitag noch nicht erzielt werden konnten.

Zweifellos war der 21. Parteikongreß eine Demonstration der gefestigten Machtstellung Chruschtschows. Andererseits fehlte ihm der triumphale Charakter, den man nach den bisherigen Erfolgen der Partei-und Regierungschefs hätte erwarten können. Wie bei dem Dezember-Plenum des Zentralkomitees das als Generalprobe zum 21. Parteikongreß gelten konnte, gewann man den Eindruck, daß sich viele Redner aus bestimmten Gründen in ihrer Meinungsäußerung zurückhielten. Diese Zurückhaltung dürfte in innenpolitischer Hinsicht vor allem auf drei Gründe zurückzuführen sein:

1. Zunehmende Kritik am GOSSPLAN, der sich in erster Linie gegen die Tätigkeit der obersten Planbehörde richtete, letzten Endes aber auch gegen die utopische Planpolitik Chruschtschows gerichtet war.

Diese Kritik hat nach dem 21. Parteikongreß zur Ablösung I. I. Kusmins als Planungschef durch Kossygin geführt. Damit ist der unter Chruschtschow groß gewordene Parteiorganisator durch einen fähigen Parteitechnokraten ersetzt worden, der seit seiner Leningrader Zeit zu dem engeren Mitarbeiterkreis Shdanows gehört hatte.

2. Unterschiedliche Auffassungen über die Behandlung der Mitglieder der „Anti-Partei-Gruppe".

Auf diese wird im folgenden Abschnitt noch näher einzugehen sein.

3. Unterschiedliche Einstellung zu den bereits seit einiger Zeit feststellbaren Bemühungen, den auf dem 20. Parteikongreß verdammten Personenkult in Verbindung mit der Person Chruschtschows allmählich wiederherzustellen.

Diese unterschiedliche Einstellung machte sich vor allem in der Art und Weise bemerkbar wie in den einzelnen Diskussionsreden zu der Person Chruschtschows Stellung bezogen wurde.

Es ergaben sich dabei drei Richtungen:

a) Diskussionsredner, die bei der Erwähnung Chruschtschows die gleichen Formeln benutzten, die seinerzeit auf Stalin angewandt worden waren, wie das „Zentralkomitee mit dem Genossen N S. Chruschtschow an der Spitze" und „das Zentralkomitee unter Führung des Genossen N. S. Chruschtschow". Mit der Wiederbelebung dieser Forleln wurde dem Partei-und Regierungschef als „Rukowoditelj" (Leiter) der Vorrang gegenüber dem Zentralkomitee ebenso zugesprochen wie einst Stalin als „Woshdj" (Führer). Bei den Vertretern dieser Richtung handelte es sich um eine Minderheit. Ihr gehörten außer dem 1. Sekretär der Leningrader Gebietsorganisation Spiridonow einige der treuesten Gefolgsleute Chruschtschows unter den Präsidiumsangehörigen, wie Muchitdinow Podgornyj, Kirilenko sowie der Gewerkschaftsführer Grischin und der ehemalige Staatssicherheitschef Ignatjew an Letzterer hatte in der Affäre der Kreml-Ärzte Anfang 1953, die bis heute nicht-aufgeklärt worden ist, eine äußerst fragwürdige Rolle gespielt.

b) Diskussionsredner, die mit dem Gebruauch der Formel „auf Veranlassung bzw. unter Führung des Zentralkomitees und des Genossen N. S. Chruschtschow persönlich" auf die Erhaltung eines gewissen Gleichgewichts zwischen dem monokratischen und oligokratischen Element in der Führungsspitze achteten. Diese Richtung wurde von einigen Präsidiumsangehörigen aus dem engeren Mitarbeiterstab Chruschtschows (Kiritschenko, Beljajew, Kuusinen, Pospelow), dem Planungschef Kusmin, dem Verteidigungsminister Malinowskij, dem neuen Staatssicherheitschef Schelepin, dem Außenminister Gromyko, dem Partei-ideologen Pospelow und einer Reihe anderer führender Funktionäre aus dem parteilichen und staatlichen Bereich vertreten.

c) Diskussionsredner die sich auf Chruschtschow als Autor des Referats beschränkten bzw.seine Erfolge auf einzelnen Sachgebieten hervorhoben, ohne sich zu seiner Führerstellung näher zu äußern. Diese Methode wurde von der überwiegenden Mehrheit des ZK-Präsidiums, (Mikojan, Susslow, Koslow, Ignatow, Aristow, Breshnjow, Furzewa, Schwernik, Kossygin, Poljanskij, Masurow, Kalnberzins, Mshawanadse, dem nach dem Parteikongreß abgesetzten ersten Sekretär der Moskauer Gebietsorganisation Kapitonow, dem inzwischen abgelösten Komsomolführer Semitschastnyj und zahlreichen Parteifunktionären angewandt. Es mag dahingestellt bleiben, ob aus dieser Verhaltensweise auf das Bemühen einer bestimmten Gruppierung in der Parteiführung geschlossen werden kann, einer Beseitigung des kollektiven Führungsprinzip zu widerstehen.

Das kollektive Führungsprinzip selbst, das auf dem 20. Parteikongreß bei der Auseinandersetzung mit dem Personenkult im Mittelpunkt aller Reden gestanden hätte, wurde diesmal nur gelegentlich am Rande erwähnt.

Bis zum Juni-Plenum 1957 war dieses Prinzip der Ausdruck einer Direktorialverfassung, die auf der Schlüsselstellung des ZK-Präsidiums im Rahmen der Parteiexekutive und auf dem Dualismus von Partei und Staat beruhte.

Mit dem Appell an das Zentralkomitee gegen die Präsidiumsmehrheit hat Chruschtschow im Juni 1957 diese Direktorialverfassung durchbrochen. Er hat sich gleichzeitig zugunsten des Parteiapparats über das bisherige Gleichgewicht zwischen Partei und Staat hinweggesetzt, wie es in der Duumvirats-Konstruktion (Malenkow-Chruschtschow: Bulganin-Chruschtschow) seit 19 53 symbolisch zum Ausdruck kam.

Diese Entwicklung, die in ihren verfassungspolitischen Auswirkungen einem Staatsstreich gleichzusetzen war, hat der 21. Parteikongreß nachträglich legalisiert. Er hat auch die ersten Anfänge eines Personenkults der diesmal Chruschtschow und nicht Stalin gilt, geduldet und damit zu einer weiteren Aushöhlung des kollektiven Führungsprinzipes beigetragen. Andererseits hat sich der Parteitag zu einer weiteren Schwächung des oligokratischen Elements, die der völligen Aufgabe des kollektiven Führungsprinzips gleichkommen würde, offenbar nicht bereit gefunden.

Bei dieser Sachlage wäre es verfrüht, heute bereits Pronosen für den 22. Parteikongreß im Jahre 1961 zu stellen. Vorläufig ist es noch keineswegs sicher, daß sich die Kräfte, die für ein absolutes Übergewicht des monokratischen Elements in der Führungsspitze eintreten, in zwei Jahren so stark erweisen werden, daß sie mit der Führer-Titulatur Chruschtschow jene „Krone" übertragen können, die dieser posthum Stalin in seiner berühmten, bisher aber in der Sowjetunion noch nicht veröffentlichen „Geheimrede“ auf dem 20. Parteikongreß entwunden hatte.

Eine solche Entwicklung würde nämlich eine weitere Änderung der Machtverhältnisses zugunsten Chruschtschows voraussetzen. Dies dürfte auch der Hauptgrund sein, der die gegenwärtige Parteiführung veranlaßt hat, von einer Neuwahl des Zentralkomitees, das seit den Juni-Ereignissen an Gewicht gewonnen hat, zunächst abzusehen. Die andere Deutung, daß ein außerordentlicher Parteikongreß zur Wahl einer neuen Parteiexekutive überhaupt nicht befugt sei, dürfte kaum zwingend erscheinen. Hat doch der 21. Parteitag keine Hemmungen gehabt, das Referat Chruschtschows, obgleich es keinen formalen Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees darstellte, zur Generallinie der Partei und damit zur Richtschnur für die zukünftige Innen-und Außenpolitik des Sowjetstaates zu erheben.

II Der verschärfte Kampf mit der „Anti Partei-Gruppe”

Region Moskau Stadt Land Stadt Leningrad Land (Gebiet) Swerdlowsk (Gebiet) Rostow (Gebiet) Krasnodar (Gau) Kuibyschew (Gebiet) Tscheljabinsk (Gebiet) Saratow (Gebiet)

Baschkirien (ASSR) Tatarien (ASSR) Molotow (Gebiet) Kemerowo (Gebiet) 1. 1. 1956 Delegierte 150 66 21 26 ---— 20 19 — 17 17 16 16 1 Partel-angehörige 750 000 330 000 105 000 119 784 — — 100 000 91 550 — 8 5 000 8 5 000 80 000 80 000 Delegierte 86 46 58 25 25 21 21 18 18 18 — — — — 1. 1. 1959 1 Partel, angehörige 516 000 276 000 398 000 150﾿?

Die Auseinandersetzung mit der sogenannten „Anti-Partei-Gruppe“, die seit dem Herbst 1958 wieder aufgelebt ist, durchzog wie ein roter Faden die Verhandlungen des Parteitages. Die Angehörigen der partei-feindlichen Gruppe wurden durchweg in der Reihenfolge:

Malenkow-Kaganowitsch-Molotow-Bulganin-Schepilow aufgeführt. Die Polen pflegen diese Reihenfolge mit Molotow und nicht Malenkow einzuleiten.

Auch vor dem Parteikongreß wurde an der Fiktion festgehalten, daß es sich bei den „Parteifeinden“ um Anhänger ein und derselben Richtung gehandelt habe, die sich nach Chruschtschow des Fraktionskampfes und des Versuches schuldig gemacht hätten, die Einheit der Partei zu sprengen, um sie von der Linie des 20. Parteikongresses abzubringen. In Wirklichkeit handelte es sich bei der parteifendlichen Gruppe, der mit Perwuchin und Saburow die Mehrheit des „Führerkollektivs" angehörte, um die Exponenten sehr unterschiedlicher Strömungen, die abwechselnd verschiedenen Gruppierungen in der Führungsspitze angehört haben. Es ist teilweise persönlicher Haß, teilweise begründete sach-liche Kritik, welche diese Männer, von denen fast jeder eine Zeit lang mit Chruschtschow mehr oder weniger eng verbunden gewesen ist, im Frühjahr 1957 in dem Willen zusammengeführt hat, den Ersten Parteisekietär zu entmachten und die von ihm verfolgte Politik, insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet, zu ändern

Die Verschiedenartigkeit der Motive ist im Verlauf der Diskussion, in der die Angriffe gegen die parteifeindliche Gruppe teilweise verschärft und konkretisiert wurden, sehr deutlich geworden. Die einzelnen Beiträge haben auch zu einer gewissen Aufhellung der Vorgänge geführt, die sich im Juni 1957 im Kreml abgespielt haben.

Bezeichnenderweise wird die Person Marschall Shukows, dem bestenfalls „Revisionismus vorgeworfen wird, mit der „Anti-Partei-Gruppe“ nicht in Verbindung gebracht. Verteidigungsminister Malinowskij hat ihn vor dem Parteikongreß als „neugebackenen Bonaparte“ charakterisiert. Dieser angebliche Bonapartismus Shukows scheint nur begrenzter Natur gewesen zu sein, sonst hätte Chruschtschow wohl kaum so leicht die Juni-Krise gemeistert. Sehr viel mehr spricht dafür, daß es in erster Linie die Rückendeckung Shukows gewesen ist, die es Chruschtschow ermöglichte, die entscheidenden ersten Runden gegenüber dem alten Politbürokern zu überstehen, bis er sich mit Hilfe der Zentralkomitee-Mehrheit und der Parteikontrollkommission durchsetzen konnte.

Wichtig scheint die Feststellung, daß in der Frage des weiteren Schicksals der „Parteifeinde“ die Meinungen innerhalb der Parteiführung geteilt sind, wobei man wiederum drei Richtungen unterscheiden kann, deren Vertreter in personeller Hinsicht teilweise eine andere Zusammensetzung aufwiesen wie die Gruppierungen, die sich in der Frage des Chruschtschow-Kults herausgebildet hatten:

a) Diskussionsredner, welche sich in einer äußerst scharfen Form mit der „Anti-Partei-Gruppe“ auseinandersetzten und offenbar nicht nur ihren Ausschluß aus der Partei, sondern auch ihre strafrechtliche Verfolgung anstrebten. Sie kennzeichneten die Parteiopposition als „verbrecherisch" und „verräterisch“ und warfen ihr „verschwörerische Fraktionstätigkeit“ mit dem Ziel der Machtusurpation vor.

Auf der einen Seite waren es die Repräsentanten der Leningrader Gruppe, wie Spiridonow und Ignatow, auf der anderen Seite Parteigänger Chruschtschows, wie Beljajew, Podgornyj und Ignatjew, die diese Richtung vertraten. Auch die maßgebenden Repräsentanten der Moskauer Parteiorganisation, wie Ustinow und der inzwischen abgesetzte Kapitonow, so wie einige weitere regionale Parteiführer aus dem großrussischen Bereich (Denissow, Shegalin, Koluschtschinskij) fielen eben so wie der Vorsitzende der Parteikontrollkommission Schwernik, der Planungschef Kusmin, der neue Staatssicherheitschef Schelepin, der Parteiideologe Judin (Sowjetbotschafter in China) und der Komintern-veteran Kuusinen durch ihre scharfe Ausdrucksweise auf. Koslow war ein wenig zurückhaltender als Spiridonow und Ignatow, von denen der Hauptangriff gegen die „Anti-Partei-Gruppe“, die auf dem Parteitag in zwei Wellen vorangetragen wurde, ausgingen. Spiridonow war es auch, der ein Erscheinen der „Parteifeinde" vor dem Parteikongreß zwecks Ablegung eines Schuldbekenntnisses forderte und erstmalig die Verbindung der ehemaligen Planungschefs, Perwuchin und Saburow, mit der „Anti-Partei-Gruppe“ herstellte. Ignatow warf der antiparteilichen Gruppe pathetisch vor, ihre Hand gegen „ihre Mutter, die Partei"

erhoben zu haben.

b) Diskussionsredner, die sich mit der Feststellung begnügten, daß die „Anti-Partei-Gruppe" von der Partei „zerschlagen“ und „weggeworfen" worden sei.

Zu dieser Gruppe, die sich einer klaren Stellungnahme enthielt, und in der Frage der Parteiopposition offenbar eine Mittelstellung einnahm, gehörte die Mehrheit der Mitglieder und Kandidaten des ZK-Präsidiums (Susslow, Kiritschenko, Breshnjow, Furzewa, Muchitdinow, Kossygin, Poljanskij, Kirilenko, Masurow, Kalnberzins, Mshawanadse), der Verteidigungsminister Malinowskij und die Mehrheit der regionalen Parteifunktionäre. c) Diskussionsredner, die sich mit einer moralischen Verurteilung der „weggeworfenen" Anti-Partei-Gruppe begnügten, oder sich in dieser Frage ganz ausschwiegen. Der maßgebende Sprecher dieser gemäßigten Gruppe war Mikojan. Ihr gehörte erstaunlicher Weise aber auch der für die RSFSR zuständige ZK-Sekretär Aristow, der Parteiideologe Pospelow, der Vorsitzende der Sowjetgewerkschaften Grischin, der Komsomolführer Semitschastnyj und eine verhältnismäßig große Anzahl von regionalen Parteifunktionären an.

Auffallend war, daß sich die Parteiführer aus dem nicht großrussischen Bereich, darunter auch die meisten ukrainischen Gebietssekretäre in der Frage der „Anti-Partei-Gruppe" sehr zurückhielten. Eine Ausnahme bildete der 1. Sekretär der Tadshikischen SSR, Uljdshabajew, der sich für den Antrag Spiridonows aussprach und einen Ausschluß der Angehörigen der parteifeindlichen Gruppe aus der Partei befürwortete.

Von den „Parteifeinden" waren auf dem Parteitag nur Perwuchin und Saburow anwesend. Die von ihnen geübte Selbstkritik wurde von mehreren Rednern als ebenso unzureichend bezeichnet wie auf dem Dezember-Plenum 1958 das Schuldbekenntnis von Bulganin

Perwuchin wurde vom Planungschef Kusmin und außerdem von Gebietssekretären Denissow, Koluschtschinskij und Shegalin die den Antrag Spiridonows unterstützten, scharf angegriffen. Kuusinen setzte sich hauptsächlich mit Molotow auseinander, während Schwernik bemüht war, die Hauptschuld auf Malenkow zu wälzen. Der Vorsitzende des Parteikontrollkomitees war im übrigen der einzige, der die Partei-opposition als „Malenkow-Gruppe“ charakterisierte.

Mit einer strafrechtlichen Verfolgung der „Parteifeinde" dürfte bei dieser Kräfteverteilung zunächst kaum zu rechnen sein. Dagegen scheint die Ausschließung aus der Partei auf einer der nächsten Plenarsitzungen des Zentralkomitees durchaus möglich. Dies -könnte nämlich mittelbar aus einer Mitteilung Chruschtschows beim Abschluß des Parteitages entnommen werden, der davon sprach, daß Appellationen zu Beschlüssen über Parteiausschlüsse, über die Auferlegung von Parteidisziplinarstrafen und andere personelle Angelegenheiten beim Kongreß eingegangen seien. Daraufhin wurde das Zentralkomitee der KPdSU beauftragt, diese Appellationen zu erörtern.

Chruschtschow befindet sich in der Frage der „Anti-Partei-Gruppe“ zweifellos in einem Dilemma. Auf der anderen Seite will er denjenigen Teilen der Bürokratie und Intelligenz, die ihm mit einer deutlichen Reserve gegenüberstehen, seinen Willen aufzwingen, auf der anderen Seite fürchtet er durch etwaige Zwangsmaßnahmen die Initiative zu lähmen, die er im Apparat mit allen Mitteln zu wecken bestrebt ist.

C. Der Wandel in der sozialen Struktur der Partei und die neue Kaderpolitik Chruschtschows

Männer Frauen 1956 5 801 049 (80, 5 v. H.) 1 414 456 (19, 5 v. H.) 7 215 505 (100 v. H.) 222 Parteitagsdelegierte mit beschließender Stimme waren Frauen. 1959 6 633 327 (80, 5 v. H.) 1 605 804 (19, 5 v. H.) 8. 239 131 (100 V. H.) Nur unter den Parteitagsdelegierten ist der Anteil der Frauen weiter angestiegen. Der Prozentsatz hat sich von 9, 1 v. H. 1939, 12, 3 v. H. 1952 und 14, 2 v. H. 1956 auf 17, 5 v. H. erhöht.

I. Die strukturellen Veränderungen in der Gesamtpartei

Abgeschl. Hochschulbildung Nicht abgeschlossene Hochschulbildung Höhere Fachschulbildung Oberschulbildung Vollbildung (nach Aristow)

(nach Tschurajew) Nicht abgeschlossene Oberschulbildung Grundschulbildung und ohne Schulbildung Insgesamt Bildungsstufe 1956 Zahl der Partelangehörigen 801 384 256 856 819 533 773 972 2 651 745 2 648 506 2 127 862 2 435 898 7 215 505 Anteil in Prozenten 11, 1 3, 6 11, 3 10, 8 36, 8 29, 5 33, 7 100, 0 1959 Zahl der Partei-angehörigen -3 281 499 4 957 632 8 239 131 Anteil in﾿?

Der Bericht der Mandatskommission der diesmal vom Leiter der ZK-Abteilung für die Kader der RSFSR, Tschurajew, erstattet wurde, fiel durch seine Dürftigkeit auf. Verschiedene wesentliche Angaben über den Aufbau und die soziale Struktur der Partei, die selbst in den Mandatsberichten der späten Stalin-Periode enthalten waren, fehlten. So wurde z. B. weder über die Zahl der primären Parteiorganisationen, das heißt der Parteizellen Aufschluß gegeben, noch das „proletarische“ Element unter den Parteitagsdelegierten nach Arbeitern und Bauern aufgeschlüsselt.

I. Personalbestand der Partei Am 1. Januar 1956, d. h. am Vorabend des 20. Parteikongresses, betrug die Gesamtzahl der Parteiangehörigen 7 215 505 (6 795 896 Mitglieder, 419 609 Kandidaten). Die Partei hat sich in der Zwischenzeit auffallend stark vergrößert. Der Personalbestand der Partei weist heute 8 239 131 Parteiangehörige (7 622 OOOMitglieder, 616 775 Kandidaten) auf, d. h. um 1 023 620 mehr als 1956. Der Zuwachs der Partei machte in knappe drei Jahren dreimal soviel aus wie zwischen dem 19. und 20. Parteitag von 1952 und 1956 aus. Bei den Neu-aufnahmen scheint die Weisung Chruschtschows, den Anteil der Arbeiter und Bauern unter den Parteikommunisten zu vergrößern, nur im Jahre 1958 eingehalten worden zu sein 2. Volkszugehörigkeit und räumliche Verteilung der Parteiangehörigen Über die nationale Zusammensetzung der Gesamtpartei werden be-kanntlich seit 1930 keine Angaben veröffentlicht. Tschurajew begnügte sich mit der allgemeinen Feststellung, daß Angehörige von 5 2 Nationalitäten am Parteitag teilnehmen würden.

Einen gewissen Hinweis dafür, daß die KPdSU ihrem nationalen Charakter nach eine großrussische Partei geblieben ist, bei der nur noch das ukrainische Element ins Gewicht fällt, ist aus der folgenden Tabelle zu entnehmen. Diese Übersicht vermittelt auch eine gewisse Vorstellung über die regionale Verteilung der Parteiangehörigen.

Bemerkenswert ist, daß seit 1956 der Zuwachs der ukrainischen, weißrussischen, moldauischen, litauischen, aserbaidshanischen, kasachischen und usbekischen Parteiorganisationen den Unionsdurchschnitt (14, 2 v. H.) übertroffen und weit über der RSFSR (10, 8 v. H.) gelegen hat. Der absolute Zuwachs der ukrainischen Parteiorganisation betrug 263 804 Parteikommunisten gegenüber 5 36 147 der RSFSR. Den höchsten Prozentsatz (33, 8) dem eine absolute Zunahme von etwa 49 000 Parteiangehörigen entsprach, wies die weißrussische Parteiorganisation auf. Der Zuwachs bei den georgischen und armenischen Parteiorganisationen, die 19 56 noch den höchsten prozentualen Anteil an Parteikommunisten pro Kopf der Bevölkerung aufwiesen (Georgien 5, 28 v. H., Armenien 5, 00 v. H.) war nicht erheblich und lag unter demjenigen der RSFSR. Gering war der Zuwachs bei den kirgisischen und tadshikischen sowie den estnischen und lettischen Parteiorganisationen. Bei der turkmenischen Parteiorganisation war sogar eine beträchtliche Abnahme (— 9, 5 v. H.) zu verzeichnen, die teilweise mit der im Dezember 195 8 vollzogenen Säuberung Zusammenhängen mag.

Bemerkenswert sind auch die Veränderungen in der räumlichen Verteilung der Parteikommunisten im Bereich der RSFSR, die aus der folgenden Aufstellung hervorgeht.

Die räumliche Verteilung der Parteiangehörigen der regionalen Parteiorganisationen in der RSFSR

Der prozentuale Anteil der Parteikommunisten in den beiden Metropolen Moskau und Leningrad übersteigt um das doppelte den Unionsdurchschnitt. Besonders bemerkenswert ist der starke Zuwachs von Gorkij, das Swerdlowsk als größter Parteiorganisation der Provinz den Rang abgelaufen hat. 1. Stellung der Frau in der Partei Der Mitglieder-und Kandidatenbestand der Partei weist in der Gliederung nach dem Geschlecht, obgleich die Frauen gemäß Tschurajew heute bereits 46 v. H. aller Arbeiter und Angestellten ausmachen, erstaunlicherweise genau die gleiche Relation auf wie zur Zeit des 20. Parteikongresses. 4. Die soziale Zusammensetzung der Parteiangehörigen An dem Umstand, daß die KPdSU dem Berufs-und Bildungsstand nach nicht als eine Arbeiterpartei, sondern als eine Interessenvertretung der sowjetischen Staatsbourgeoisie anzusehen ist, hat sich auch in den Jahren seit dem 20. Parteikongreß nichts geändert. Hätten sich gewisse Änderungen in Richtung einer Reproletarisierung in der Gesamtpartei ergeben, so hätte sie Tschurajew sicher erwähnt. Tatsächlich hat die Entwicklung im Bereich der einzelnen Berufsgruppen in der entgegengesetzten Richtung weiter angehalten. Darauf weist sowohl die größere Zahl von Spezialisten unter den Parteimitgliedern (2, 3 Mill, gegen 1, 9 Mill 1956), als auch die Bemerkung Tschurajews hin, daß die Zahl der Vollgebildeten unter den Parteikommunisten um 632 993 zugenommen hat. Da er diesen Zuwachs mit 23, 9 v. H. beziffert, ergibt sich für die Gesamtpartei folgende Gliederung nach dem Bildungsstand. Die Manipulationen von Tschurajew, die in der folgenden Tabelle besonders deutlich werden, sind interessanter Weise darauf gerichtet, durch besondere Hervorhebungen der Vollbildung die soziale Zusammensetzung der Partei zu verschleiern. Unter Sowjetintelligenz wurden bisher nämlich nicht nur Sowjetbürger mit Vollbildung, sondern führende Kader allgemein verstanden, was eine Sieben-Klassen-Bildung, nicht aber unbedingt Abitur voraussetzte. Der prozentuale Anteil der Sowjetintelligenz in diesem weiteren Sinn betrug somit 1956 66, 3 v. H. Die entsprechende Prozentzahl für 1959 fehlt. Es ist anzunehmen, daß sie sich erheblich erhöht hat. Was den Kern dieser Kader anbetrifft, so ist die Zahl der „Spezialisten" in der Zwischenzeit auf insgesamt 7, 5 Mill, angestiegen. Davon sind 2, 3 Mill. (30, 7 v. H.) Parteiangehörige und 5, 2 Mill. (69, 3 v. H.) Nichtkommunisten.

Bei der Sowjetintelligenz im engeren Sinn, für deren Bestimmung der Grad der Vollbildung maßgebend ist, hat sich zunächst keine wesentliche Verschiebung ergeben, da sich die neue Erziehungs-und Bildungsreform auf die soziale Struktur der Partei noch nicht auswirken konnte.

Dies ist deutlich aus dem Bildungsgrad der Parteitagsdelegierten zu ersehen. Von den 930 Parteitagsdelegierten mit Vollbildung gehörten übe.'die Hälfte als „Spezialisten“ zu der eigentlichen tonangebenden Schicht der Sowjetintelligenz im engeren Sinn. Die Ingenieure als der tragende Typus dieser Oberschicht dominierten mit 287. Es folgten die Lehrer mit 85 und die Agronomen mit 81. Die anderen Spezialisten betrugen nur etwas über 30. Die Zahl der Juristen und auch Volkswirte, die im öffentlichen Leben der freien Welt eine so maßgebende Rolle spielen, dürfte minimal gewesen sein. Daß die Hinweise über den Bildungsgrad der Parteidelegierten genauere Vorstellungen über die tatsächliche soziale Struktur der Partei vermitteln als die Angaben über die soziale Zugehörigkeit, ist aus einer näheren Betrachtung der folgenden Tabelle zu ersehen.

Der prozentuale Anteil des proletarischen Elements von 31, 4 v. H., das ’ zeichnenderweise nicht in Arbeiter und Bauern aufgeschlüsselt worden ist, dürfte irreführend sein. Nach dem Bildungsstand gehören der Intelligenz nämlich 73, 3 v. H. und nicht 68, 6 v. H. an. Sicher ist der größte Teil der Industriebeschäftigten, obgleich sie nicht unmittelbar in der Produktion tätig sind, von Tschurajew zu „Arbeitern“ deklariert worden.

Bei Zugrundelegung des höchst fraglichen Prozentsatzes von 68, 6 v. H. bei der Intelligenz als Sozialstand gelangt man auf Grund der Angaben von Tschurajew zu folgender Aufschlüsselung:

Es fällt auf, daß sich die Zahl der Partei-und Staatsfunktionäre sowie der Militärs im Verhältnis zu 1956 nicht unwesentlich verringert hat, während die Zahl der Wirtschaftsfunktionäre zugenommen hat. Letztere ergibt sich, wenn man die Zahl der angeblichen Arbeiter und Bauern (399) von der Zahl der in der Wirtschaft Beschäftigten (530) abzieht. Von diesen 5 30 sind 3 5 5 (27, 9 v. H. aller Delegierten) in der Industrie, im Bauwesen und Verkehr sowie 175 (13, 8 v. H.) in der Landwirtschaft tätig. Daß die Zahl der Arbeiter und Bauern nicht stimmen kann, geht auch daraus hervor, daß einerseits der Prozentsatz des proletarischen Elements offiziell von 32, 3 v. H. auf 31, 4 v. H. abgesunken ist, während Tschurajew behauptet, die Zahl der Arbeiter und Bauern unter den Parteitagsdelegierten habe gegenüber 1956 um 78 Personen zugenommen. 5. Dauer der Parteizugehörigkeit Der Anteil der alten Bolschewiki unter den Parteitagsdelegierten hat, wie aus der folgenden Tabelle zu ersehen ist, weiter abgenommen Von der alten Garde Lenins sind nur noch acht Mann übriggeblieben. Nur 27 sind während des Bürgerkrieges der Partei beigetreten. Die übrigen stammen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, alle aus der Stalin-Ära, und zwar vorwiegend aus der spätstalinistischen Periode. Auffallend ist, daß der Anteil der Frontgeneration, der jetzt 3 5 bis 40 jährigen, nicht zugenommen hat, obgleich sich der Anteil der jungen Generation von 13, 4 auf 21, 1 v. H. vergrößert hat. Die führende Rolle spielen nach wie vor die älteren Jahrgänge der mittleren Generation, die der Partei vorwiegend in den dreißiger Jahren beigetreten sind. Die führende Rolle spielen nach wie vor die älteren Jahrgänge der mittleren Generation, die der Partei vorwiegend in den dreißiger Jahren beigetreten sind. Die 19, 9 v. H., die in den zwanziger Jahren Parteigenossen geworden sind, dürften heute bereits zur alten Generation zählen. Der 21. Parteikongreß wies unter den Gesichtspunkten jugendlicher Aktivität die ungünstigste Alterszusammensetzung aller bisherigen Parteitage auf. Noch niemals war fast ein Drittel der Parteitagsdelegierten über 50 Jahre alt.

Während sich das Schwergewicht in der Parteiführung von Jahr zu Jahr immer mehr von den älteren Jahrgängen der mittleren Generation zu den jungen Jahrgängen der alten Generation verlagert, was aus der Altersstruktur der Parteitagsdelegierten deutlich hervorgeht, wird der Druck der jungen Generation, die in der Gesamtpartei überwiegt, von Jahr zu Jahr stärker. Dieser soziologischen Tatsache sucht Chruschtschow mit seiner neuen Kaderpolitik Rechnung zu tragen, wobei es ihm besonders darauf ankommt, den Attentismus der Frontgeneration zu überwinden.

II. Der, Generationssprung" als Methode Chruschtschowscher Kaderpolitik

Vollbildung Hochschulbildung und höhere Fachschulbildung Oberschulbildung 7, 2 15, 7 22, 9 10, 0 31, 0 41, 0 31, 5 22, 5 54, 0 66, 5 18, 7 85, 2 64, 5 12 4 76, 9 61, 1 12, 2 73, 3 Anteil der neuen „Intelligenz“ an der Gesamtzahl der Parteitagsdelegierten 1930— 1959 (in Prozenten) Bildungsgrad 1930 1934 1939 1952 1956 1959

Bemerkenswert ist, daß der verschärfte Kampf mit der „Anti-ParteiGruppe“ auf dem 21. Parteikongreß mit der Ankündigung einer Verjüngung des Funktionärsapparates in allen Bereichen des öffentlichen Lehens verbunden worden ist. „Man muß die jungen Kader kühner als bisher fördern!“ forderte Chruschtschow und übte Kritik an jenen Parteiorganen, die behaupteten, „ein Mensch im Alter von 3 5 bis 40 Jahren sei noch nicht reif genug, um einen führenden Posten ausfüllen zu können.“ Chruschtschow erklärte eine solche Einstellung für grundfalsch und betonte, daß Funktionäre in diesem Alter „viel Energie“ aufwiesen. Führende Funktionen müßten von sachkundigen und entschlußkräftigen Menschen übernommen werden, „die den Geist revolutionären Elans, bolschewistischer Leidenschaftlichkeit und Prinzipientreue in die Arbeit hineintragen und das Gefühl für das Neue haben.“ Diejenigen aber, die auf Grund ihres Alters oder „aus anderen Gründen“ (!) nicht mehr energisch und aktiv genug seien, sollte man „nicht zurückhalten, wenn sie den Wunsch äußern, eine andere Arbeit zu übernehmen oder sich pensionieren zu lassen.“

Mit diesen Worten kündet sich eine neue Kaderpolitik an, die im Zeichen des Generationswechsels auf tiefgehende personelle Veränderungen innerhalb des gesamten Herrschaftsapparates, der allein im parteilichen Bereich Hunderttausende von Funktionären umfaßt, abzielt. Im Parteiapparat hängt dieser Wechsel offensichtlich mit der im Juni 1956 erfolgten Reorganisation der Parteischulen (Politschkoly) zusammen , die große Veränderungen im bisherigen Lehrplan durch stärkere Berücksichtigung praktisch-wirtschaftlicher Fächer im Einklang mit den entsprechenden Richtlinien des 20. Parteikongresses zur Folge hatte. In den Jahren 1960/61 werden Tausende von jungen Parteifunktionären, die meist der Kriegsgeneration angehören, nach vierjähriger Ausbildung diese neuen Eliteschulen verlassen. Ihre Sachkenntnis soll sie befähigen, das Management aus der Hand der Älteren zu übernehmen, deren aus der Erfahrung erwachsene Besonnenheit und Skepsis Chruschtschow nicht paßt, da er zur Erfüllung seiner weit gespannten Planziele die Wiederbelebung jener revolutionären Schwungkraft benötigt, welche für die Zeit der ersten Fünfjahrespläne bezeichnend ist. Chruschtschow greift auch hier auf das Vorbild Stalins zurück, der zweimal die junge Generation als Hebel benutzte, um die Entwicklung im revolutionären Sinn sprunghaft voranzutreiben Das erste Mal, als er den Kampf um die Macht aufnahm und die Generallinie durchsetzte, das zweite Mal, als er die große Säuberung in der Mitte der dreißiger Jahre durchführte und seine Alleinherrschaft stabilisierte. Die Anwendung dieser Methode des „Generationssprunges“ war in beiden Fällen mit einem Verschleiß von Führungskräften verbunden, den sich die Sowjetunion heute im gleichen Umfange nicht mehr leisten kann. Fraglich ist außerdem, ob die neuen jungen Kader, die über einen weit höheren Bildungsstand verfügen, sich dem vergleichsweise viel älteren und mit geringerer Autorität ausgestatteten Chruschtschow ebenso willig unterordnen werden, wie seinerzeit ihre älteren Kollegen Stalin. Nur so lassen sich nämlich die ernsteren Untertöne in der sonst von Selbstbewußtsein und Optimismus erfüllten Parteitagsrede Chruschtschows erklären, die nicht nur die Leistungsfähigkeit des Apparats, sondern auch das Verhältnis von Partei und Jugend allgemein betrafen.

D. Der Siebenjahresplan und die Wachstumsschwierigkeiten der Sowjetwirtschaft

Parteifunktionäre Staatsfunktionäre (einschließlich auswärtiger Dienst) Gewerkschaftsfunktionäre Komsomolfunktionäre Militärbefehlshaber Kulturfunktionäre und Literaten (einschließlich Gesundheitswesen) Wirtschaftsfunktionäre Gesamtzahl der Funktionäre 432 147 12 7 91 50 131 870 34, 0 11, 6 0, 9 0, 5 7, 2 3, 9 10, 4 68, 6 Funktionsbereich Absolute Zahl Prozentzahl

I. Die Zielsetzung des Siebenjahresplanes und das Problem des Wachstumstempos

Arbeiter Bauern Intelligenz 1930 71, 2 8, 7 22, 1 100, 0 1934 60, 0 8, 0 32, 0 100, 0 1952 7, 6 7, 8 84, 6 100, 0 1956 18, 5 13, 8 67, 7 100, 0 1959 31. 4 68. 6 100, 0 Soziale Zusammensetzung der Parteitagsdelegierten von 1930 bis 1959 (in Prozenten)

Seit 1928 hat es in der Sowjetunion im ganzen sechs Fünfjahrespläne gegeben, von denen der eine infolge des Krieges nicht vollendet werden konnte. Der sechste Fünfjahresplan (1956— 1960), der vom 20. Parteikongreß angenommen worden war, ist im September 19 57 aufgegeben worden. An seine Stelle sollte ein Siebenjahresplan (1959— 1965) treten, der seinerseits als Bestandteil eines weitergehenden Perspektivplans für die Zeit von 1958 bis 1972 gedacht war.

Die wichtigsten Daten aus diesem Fünfzehnjahresplan sind von Chruschtschow auf der Jubiläumssitzung des Obersten Sowjets der UdSSR anläßlich der 40-Jahrfeier der Oktoberrevolution am 6. November 1957 bekanntgegeben worden 21).

Die Kontrollziffern des Siebenjahresplanes sollten bis zum 1. Juli 1958 vorgelegt werden. Infolge interner Schwierigkeiten bei der endgültigen Fixierung der Planziele konnte der Termin nicht eingehalten werden. Aus Anlaß der vorfristigen Einberufung des 21. Parteikongresses im September 1958 wurde die Annahme des Siebenjahresplans als der Hauptzweck des bevorstehenden außerordentlichen Parteitages €--------------bezeichnet. Im November 195 8 wurden die Kontrollziffern in Gestalt von „Thesen“ zum Referat Chruschtschows veröffentlicht und vor der endgültigen Verabschiedung der üblichen gesteuerten Massendiskussion unterzogen

Im Referat Chruschtschows ist vor allem das Kapitel II (Die Hauptaufgaben des Siebenjahresplans für die Entwicklung der Volkswirtschaft der UdSSR) dem neuen Plan gewidmet, der gemäß Istwestija „die Welt erschüttern soll“.

Die Ausführungen Chruschtschows stimmen weitgehend mit den „Thesen“ überein. In der endgültigen Fassung sind die Kontrollziffern des Siebenjahresplanes am 8. Februar 1959 veröffentlicht worden, nachdem sie der Parteikongreß zusammen mit dem Chruschtschow-Bericht einstimmig gebilligt hatte.

Bei einem Vergleich der „Thesen“, des Referats Chruschtschows und der Schlußresolution des Parteitages zum Chruschtschow-Bericht ist eine gewisse Akzentverschiebung feststellbar. Bei den „Thesen“ stand die Erreichung eines höheren Lebensstandards für die Sowjetbevölkerung im Vordergrund. Bei Chruschtschow liegt die Betonung mehr auf den machtpolitischen Beweggründen.

Der Siebenjahresplan ist vor allem dazu bestimmt, das wirtschaftliche und militärische Potential der Sowjetunion zu vergrößern und durch Überflügelung des Westens in der Produktionskapazität das politische Übergewicht des Ostblocks herbeizuführen. Das Hauptziel des neuen Planes, die am weitesten entwickelten Industriemächte des Westens in der absoluten und pro Kopf-Produktion sowie in der Höhe des Lebensstandards einzuholen und zu überholen, soll im Falle der Vereinigten Staaten bis 1970, „möglicherweise aber auch früher“, erreicht werden. Die Erzielung eines „maximalen Zeitgewinns“ wird als Kernproblem des Siebenjahresplans bezeichnet. Die Schlußresolution übernimmt diese Voraussagen Chruschtschows mit gewissen Einschränkungen, wobei sie bemüht ist, dem Sowjetvolk bereits in den nächsten Jahren ein besseres Leben und einen höheren Lebensstandard in Aussicht zu stellen. Chruschtschow begründet die Aussicht, bis 1970 die Vereinigten Staaten einzuholen und zu überholen einerseits mit den bisher erzielten wirtschaftlichen Erfolgen der Sowjetunion, andererseits mit dem hohen Wachstumstempo der sowjetischen Industrie, das auch weiterhin anhalten würde.

In diesem Zusammenhang stellt er folgende Behauptungen auf: 1. Die sowjetische Industrieproduktion hätte im Jahre 195 8 die industrielle Erzeugung Großbritanniens, Frankreichs und Westdeutschlands zusammengenommen „bedeutend“ übertroffen; 2. Die gesamte sowjetische Industrieproduktion mache bereits jetzt etwa die Hälfte der amerikanischen aus; 3. In den letzten acht Jahren würde der absolute Zuwachs wichtiger Zweige der sowjetischen Grundindustrie insgesamt größer gewesen sein als derjenige der entsprechenden amerikanischen Industriezweige; 4. Das durchschnittliche Wachstumstempo der sowjetischen Industrie hätte in allen Jahren der Sowjetmacht dasjenige der führenden Industriemächte des Westens um das Drei-bis Fünffache übertroffen und würde die Vereinigten Staaten heute um das Vierfache übertreffen.

Diese Behauptungen Chruschtschows sind ebenso wie seine Angaben über die Zunahme der sowjetischen Industrieproduktion seit 1913 um das 36-fache, des Volkseinkommens um das 15-fache und der Arbeitsproduktivität um das 10-fache als höchst fragwürdig anzusehen. Im einzelnen kann dazu folgendes bemerkt werden: 1. Bei seinem Vergleich mit den westeuropäischen Ländern stützt sich Chruschtschow offensichtlich auf die Ergebnisse einiger Zweige der Grundindustrie wie Kohle, Stahl, Erdöl und elektrische Energie. Abgesehen vom Erdöl lag die Erzeugung Großbritanniens, Frankreichs und der Bundesrepublik auf diesen Gebieten im Jahre 1957 noch erheblich über derjenigen der Sowjetunion (bei Kohle einschließlich Braunkohle um 3 5, 2 Mill, t, bei Stahl um 9, 6 Mill, t und Elektroenergie um 29, 9 Mrd. kWh).

Die Angaben über die Stahlerzeugung und die Elektrizitätswirtschafr bieten für die vergleichsweise Beurteilung von Industrien verschiedener Länder den sichersten Maßstab. Die Entwicklung der Stahlerzeugung 1951 bis 1956 zeigt, daß die Europäische Montanunion eine größere absolute Zunahme aufzuweisen hatte als die Sowjetunion und daß sich der Abstand der westeuropäischen Länder (Montanunion und Großbritannien) vergrößert und nicht verringert hat. Nur der prozentuale Anteil an der Welterzeugung ist bei der Sowjetunion im Verhältnis zu den westeuropäischen Ländern geringfügig angestiegen, obgleich deren Anteil mit insgesamt 27, 5 v. H.den der Sowjetunion mit 17, 7 v. H. noch immer weit übersteigt. Bei der Stahlerzeugung pro Kopf der Be-I völkerung sieht es für die Sowjetunion noch ungünstiger aus. Die Bundesrepublik erzeugte 19 56 pro Kopf der Bevölkerung fast doppel 9 Mrd. kWh).

Die Angaben über die Stahlerzeugung und die Elektrizitätswirtschafr bieten für die vergleichsweise Beurteilung von Industrien verschiedener Länder den sichersten Maßstab. Die Entwicklung der Stahlerzeugung 1951 bis 1956 zeigt, daß die Europäische Montanunion eine größere absolute Zunahme aufzuweisen hatte als die Sowjetunion und daß sich der Abstand der westeuropäischen Länder (Montanunion und Großbritannien) vergrößert und nicht verringert hat. Nur der prozentuale Anteil an der Welterzeugung ist bei der Sowjetunion im Verhältnis zu den westeuropäischen Ländern geringfügig angestiegen, obgleich deren Anteil mit insgesamt 27, 5 v. H.den der Sowjetunion mit 17, 7 v. H. noch immer weit übersteigt. Bei der Stahlerzeugung pro Kopf der Be-I völkerung sieht es für die Sowjetunion noch ungünstiger aus. Die Bundesrepublik erzeugte 19 56 pro Kopf der Bevölkerung fast doppelt so viel Stahl wie die Sowjetunion. Die pro capita-Stahlproduktion der UdSSR betrug 1957 nach eigenen sowjetischen Angaben 52 v. H.der Bundesrepublik, 78 v. H. Frankreichs und 59 v. H. Großbritanniens 23).

In der Elektrizitätswirtschaft hat sich der Abstand der westeuropäischen Länder (ohne Großbritannien) 24) gegenüber der Sowjetunion von 1950 bis 1957 geringfügig verringert. Bei der Stromerzeugung pro Kopf der Bevölkerung sieht es weiter recht ungünstig für die Sowjetunion aus. 25) Die pro capita-EIektroenergieerzeugung betrug 19 57 nach eigenen sowjetischen Angaben 5 5 v. H.der Bundesrepublik, 73 v. H. Frankreichs und 50 v. H. Großbritanniens 26).

Noch ungünstiger sieht der Vergleich für die Sowjetunion aus, wenn man die wichtigsten Zweige der Fertigungsindustrie (Automobilherstellung, Konsumgüterindustrie usw. 27) heranzieht, vom tertiären Bereich des Dienstleistungsgewerbes ganz abgesehen, wo die Sowjetunion hoffnungslos nachhinkt. Die Bundesrepublik Deutschland produzierte 19 57 doppelt so viele Kraftfahrzeuge wie die Sowjetunion. Allein die Volkswagenproduktion ist drei mal so groß wie der gesamte Ausstoß von Personenkraftwagen in der Sowjetunion 1957 (395 211 gegenüber 113 600) 28). In Westdeutschland kam auf 125 Einwohner ein neuer Volkswagen, in der Sowjetunion auf 1 800 ein neuer Personenkraftwagen. Die Erzeugung an Motorrädern ist in der Sowjetunion ebenfalls sehr gering 29).

2. Ein exakter Vergleich der gesamten Industrieproduktion der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten ist schon aus dem Grunde nicht möglich, da die amerikanischen Angaben, ebenso wie die westeuropäischen, auf echten Knappheitspreisen, die sowjetischen dagegen auf manipulierten Preisen beruhen. Bei einem Vergleich der vorliegenden mengenmäßigen Produktionsziffern ergibt sich, daß die sowjetische Industrieproduktion im Gesamtvolumen höchstens 40 v. H der amerikanischen erreicht. Beim Volkseinkommen (Nettosozialprodukt zu Faktorkosten), d. h. bei der Gesamtheit aller erzeugten Güter und Dienst-leitungen nach Abzug der Abschreibungen und indirekten Steuern dürfte diese Prozentzahl noch wesentlich niedriger liegen, da die sowjetische Landwirtschaft im Verhältnis zur amerikanischen als rückständig und das sowjetische Dienstleistungsgewerbe, insbesondere der Handel, als unterentwickelt bezeichnet werden muß. Nach einer Berechnung, auf die später noch einzugehen sein wird, übertraf das amerikanische Bruttosozialprodukt 195 5 das sowjetische um fast das Vierfache (396, 5 Mrd. Dollar gegenüber 110,0)

3. Der große Abstand zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion hat sich, wie aus der nachstehenden Tabelle zu ersehen ist, in der Zeit von 1950 bis 19 56 auf dem Gebiete der Elektrizitätswirtschäft, der Erdöl-und Gaserzeugung nicht verringert, sondern erheblich vergrößert. Der Abstand auf dem Gebiete der Steinkohlenförderung ist noch immer beträchtlich. Das Zurückgehen der amerikanischen Kohlenförderung ist als Zeichen der Stärke und nicht der Schwäche zu werten, da sie durch den Übergang auf die rationelleren Energieträger Erdöl und Gas bedingt ist. Die Sowjetunion befindet sich erst im Anfangsstadium dieser Entwicklung. Die amerikanische Stahlproduktion betrug v. H der amerikanischen erreicht. Beim Volkseinkommen (Nettosozialprodukt zu Faktorkosten), d. h. bei der Gesamtheit aller erzeugten Güter und Dienst-leitungen nach Abzug der Abschreibungen und indirekten Steuern dürfte diese Prozentzahl noch wesentlich niedriger liegen, da die sowjetische Landwirtschaft im Verhältnis zur amerikanischen als rückständig und das sowjetische Dienstleistungsgewerbe, insbesondere der Handel, als unterentwickelt bezeichnet werden muß. Nach einer Berechnung, auf die später noch einzugehen sein wird, übertraf das amerikanische Bruttosozialprodukt 195 5 das sowjetische um fast das Vierfache (396, 5 Mrd. Dollar gegenüber 110,0) 30).

3. Der große Abstand zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion hat sich, wie aus der nachstehenden Tabelle zu ersehen ist, in der Zeit von 1950 bis 19 56 auf dem Gebiete der Elektrizitätswirtschäft, der Erdöl-und Gaserzeugung nicht verringert, sondern erheblich vergrößert. Der Abstand auf dem Gebiete der Steinkohlenförderung ist noch immer beträchtlich. Das Zurückgehen der amerikanischen Kohlenförderung ist als Zeichen der Stärke und nicht der Schwäche zu werten, da sie durch den Übergang auf die rationelleren Energieträger Erdöl und Gas bedingt ist. Die Sowjetunion befindet sich erst im Anfangsstadium dieser Entwicklung. Die amerikanische Stahlproduktion betrug 1957 genau das doppelte der sowjetischen (112, 7 gegen 51 Mill, t) 31). Durch ehe Recession hat sich der Abstand ein wenig zugunsten der Sowjetunion verschoben. 32)

Nach sowjetischen Angaben machte die absolute Produktion der Sowjetunion auf dem Gebiete der Grundstoffindustrie 1957 bei Elektroenergie 27 v. H., bei Erdöl 28 v. H„ bei Kohle 8 5 v. H. und bei Stahl 50 v. H.der amerikanischen aus 33).

Zwar hat das spezifische Gewicht der industriellen Produktion der Sowjetunion gegenüber den Vereinigten Staaten in den letzten Jahren bei Berücksichtigung sämtlicher Zweige der Grundstoff-und SchwerIndustrie zugenommen, doch erscheint es insbesondere im Hinblick auf die pro-Kopf-Produktion fast ausgeschlossen, daß die Sowjetunion die Vereinigten Staaten in absehbarer Zeit auf dem Gebiete der Energie-wirtschaft und der Stahlerzeugung einholen und überholen wird. Die Energieerzeugung pro Kopf der Bevölkerung betrug 19 56 umgerechnet in Kohleeinheiten in der Sowjetunion 2, 45, der Energieverbrauch in den Vereinigten Staaten und in Kanada dagegen 8, 58 und 8, 25 34) Die Stahl-erzeugung pro Kopf der Bevölkerung betrug 1956 (in kg) in der Sowjetunion 23 5, in den Vereinigten Staaten und in Kanada dagegen 600 und 399 35).

Die sowjetische pro Kopf-Produktion betrug 19 57 bei Elektroenergie 23 v. H„ bei Erdöl 23 v. H., bei Kohle 71 v. H. und bei Stahl 42 v. H.der amerikanischen. Die sowjetische Gaserzeugung machte 1956 nur 4 v. H.der amerikanischen aus 36).

Ein Vergleich mit der Fertigungsindustrie fällt noch unvorteilhafter für die Sowjetunion aus. Die für 1965 geplante sowjetische Produktion von 750— 856 000 Kraftfahrzeugen würde nur ein Zwölftel der amenkanischen Produktion von 195 5 ausmachen.

Die Automobilerzeugung der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion 1937 und 1955 37) 4. Auch die Behauptungen Chruschtschows, die das Wachstumstempo der sowjetischen Industrie betreffen, erweisen sich als irreführend. Die Gesamtzuwachsrate der sowjetischen Industrie hat sich, wie aus den folgenden sowjetischen Angaben über die durchschnittliche Steigerungsquote der einzelnen Fünfjahrespläne zu ersehen ist, vom Nachkriegs-aufbau abgesehen, laufend verringert und nicht vergrößert. 38)

Der sechste Fünfjahresplan, der 19 57 aufgegeben wurde, rechnete mit einer durchschnittlichen Zuwachsrate von 10 v. H., die 1957 und 1958 auch erreicht wurde. Im Siebenjahresplan ist dagegen nur eine von 8, 6 v. H. vorgesehen. Wenn von sowjetischer Seite in diesem Zusammenhang erklärt wird, daß auch bei den letzten Jahresplänen eine niedrigere Wachstumsrate (1957 — 7, 1 v. H.; 1958 — 7, 6 v. H.) eingeplant worden ist, während im Endergebnis eine solche von 10 v. H. erreicht wurde 39), so kann daraus nicht ohne weiteres der Schluß abgeleitet werden, daß eine solche Entwicklung während der gesamten bevorstehenden Planperiode erwartet werden kann. Es darf nicht übersehen werden, daß die sowjetische Industrie inzwischen eine Höhe erklommen hat. wo jeder Schritt nach oben einen weitaus größeren Aufwand an Investitionen erfordert als bisher. Außerdem zeigt eine Betrachtung der Zuwachsraten der einzelnen Zweige der Grundstoffindustrie, daß die Gesamt-Zuwachsrate wesentlich geringer sein dürfte als sie von den Sowjets angegeben wird 40). Daß sich die Entwicklung der Sowjetwirtschaft in den letzten Jahren wesentlich verlangsamt hat, geht aus der folgenden Übersicht deutlich hervor. Zuwachsrate der wichtigsten Zweige der Grundstoffindustrie

Eine Analyse dieser Zahlen bestätigt die durch die Entwicklung der Industrieländer des Westens erhärtete Erfahrung, daß das Wachstums-tempo einer Volkswirtschaft zunehmenden Schwankungen unterworfen ist und in dem Maße abnimmt, wie diese ein höheres Produktionsniveau erreicht. Von der Sowjetführung war stets in Anspruch genommen worden, daß die Sowjetwirtschaft auf Grund ihres „sozialistischen“ Charakters dieser Gesetzmäßigkeit nicht unterliegt. Die von ihr selbst genannten Zahlen, obgleich sie wesentlich überhöht sind, sprechen eine andere Sprache. Man braucht nur ein Beispiel, wie den Stahl — der für den Entwicklungsstand einer Wirtschaft immer besonders kennzeichnend ist — herauszugreifen, um zu erkennen, daß sich bei der Sowjetunion ähnliche Erscheinungen bemerkbar machen wie bei anderen Industrie-ländern, nachdem deren Wirtschaft einen bestimmten Reifegrad erreicht hat. Im übrigen brauchen die Industriemächte des Westens einen Vergleich mit der Sowjetunion auch auf dem Gebiet des Wachstumstempos nicht zu scheuen. Während die Sowjetunion nach ihren eigenen Angaben beim Wiederaufbau in der Nachkriegszeit 19 50 eine Gesamt-Zuwachsrate der Industrieproduktion von 23 v. H. erreichte, die inzwischen auf 10 v. H. abgefallen ist, wiesen die Bundesrepublik Deutschland und Japan, die teilweise beim Nullpunkt anfangen mußten, Zuwachsraten bis zu 14, 2 und 16, 2 v. H. auf Während Chruschtschow davon ausgeht, daß bei den Vereinigten Staaten in den nächsten Jahren nur mit einer Zuwachsrate von etwa 1— 2 v.

H. gerechnet werden kann, besaßen diese in den Jahren 1950 bis 1955 tatsächlich eine Steigerungsquote von 4, 4 v. H. gegenüber 12, 8 v. H.der Sowjetunion

Dabei ist zu bedenken, daß die Vereinigten Staaten, von einigen wenigen Rückschlägen abgesehen, eine sehr stetige langfristige Entwicklung aufzuweisen haben. Eine ähnliche Entwicklung schien sich auch in Ruß-land vor der Revolution anzubahnen. Eine amerikanische Untersuchung hat noch kürzlich nachgewiesen, daß die russische Industrieproduktion 19 5 5 einen Stand aufgewiesen hat, den sie auch erreicht hätte, wenn die von 1860 bis 1913 feststellbare Zuwachsrate beibehalten worden wäre Die langfristige Wachstumsrate der Wirtschaft der Sowjetunion ist weder größer als diejenige des Zarenreiches noch diejenige der Vereinigten Staaten. Die Sowjetunion hat bisher nur erstaunliche kurzfristige Expansionsraten aufgewiesen. Die absteigende Wachstums-kurve, auf der sich die sowjetische Industrie seit 1949/50 bewegt, ist in erster Linie auf Schwankungen im Zustrom neuer Investitionen und in geringerem Maße von Arbeitskräften, auf das unzulängliche technische Gesamtniveau, auf die unzureichende Energieversorgung, die Disproportionen der einzelnen Wirtschaftszweige, die Schwerfälligkeit des bürokratischen Befehlsapparates, die geringe Arbeitsproduktivität und Betriebsrentabilität zurückzuführen. Die Reformen, die Chruschtschow in die Wege geleitet hat, wobei er bemüht war, die Struktur der totalen Befehlswirtschaft nicht anzutasten, haben zwar gewisse Verbesserungen aber keinen grundlegenden Wandel in der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungstendenz bewirkt. Dies wird durch den folgenden Überblick über das Wachstumstempo der sowjetischen Stahl-erzeugung von 1929 bis 1957 sehr treffend illustriert

Aus diesem Beispiel ist deutlich zu ersehen, daß das Wachstum der Industrieproduktion in der Sowjetunion trotz des planökonomischen Systems nicht kontinuierlich ist. Schon lange vor dem Kriege kam es nicht nur zu Verlangsamungen des Wachstumstempos der Produktion, sondern bisweilen auch zu einem begrenzten Rückgang. Die zyklische Entwicklung ist teils auf Faktoren ökonomischer, teils aber auch nicht-ökonomischer Art, wie die Folgen der Zwangskollektivierung und des Massenterrors vor dem Kriege zurückzuführen.

H. Die Schwerpunkte des neuen Plans im Bereich der Grundstoff-und Schwerindustrie und das Problem der Standortverteilung

Beitritt vor der Revolution (1903— 1917)

Beitritt während des Bürgerkrieges (1917— 1920) Beitritt nach dem Bürgerkriege (1920— 1929'30) Beitritt nach 1929/30 22, 6 57, 4 17, 4 2. 6 100, 0 2, 4 17, 0 37, 6 43, 0 100, 0 1, 2 6, 2 36, 4 56, 2 100, 0 1, 6 4, 5 24, 9 69, 0 100, 0 0, 6 2, 9 19 9 76 6 100, 0 Dauer der Parteizugehörigkeit der Delegierten zu den Parteikongressen 1934 bis 19 59 (in Prozenten) 1934 1939 1952 1956 1959

Infolge des absinkenden Wachstumstempos erscheint es fraglich, ob es der Sowjetführung gelingen wird, das Produktionsniveau zu erreichen, das durch die absoluten Planziffern des Siebenjahresplans näher fixiert wird. Diese konkreten Planziele lassen deutlich die Absicht erkennen, nicht nur den Abstand zu den Vereinigten Staaten auf wesentlichen Gebieten der Grundstoff-und Schwerindustrie zu verringern, sondern auch jene Wirtschaftszweige zu entwickeln, die bisher vernachlässigt worden waren und deren Rückständigkeit sich negativ auf die gesamte Fortentwicklung der Sowjetwirtschaft auswirkte. Was die Grundstoffindustrie betrifft, so soll die Stahlproduktion, die 195 8 fast 5 5 Millionen Tonnen betrug, bis 1965 auf 86 bis 91 und bis 1972 auf 100 bis 120 Millionen Tonnen gesteigert werden. Da die amerikanische Stahl-Produktion19 5 8 infolge der Recession nur 80 Millionen Tonnen betrug, ist es verständlich, daß sich die Sowjets bemühen, die Amerikaner gerade auf diesem wichtigen Gebiet einzuholen und zu überholen, obgleich sie sich bei der nicht voll ausgenutzten großen Kapazität der amerikanischen Stahlindustrie eigentlich sagen müßten, daß die Vereinigten Staaten jederzeit in der Lage wären, die Stahlerzeugung wesentlich zu steigern. Auch auf dem Gebiete der Erdölförderung und Elektrizitätserzeugung ist nahezu eine Verdoppelung vorgesehen.

Produktion der wichtigsten Zweige der Grundstoffindustrie Der Umfang der sowjetischen Industrieproduktion hat in den letzten Jahren ständig zugenommen, aber nicht in einem Maße, daß die für 1960 vorgesehenen Planziele annähernd hätten erreicht werden können. Die absoluten Planziffern des Siebenjahresplans dürften nicht wesentlich realistischer sein als diejenigen des letzten Fünfjahresplans, da ihre Erfüllung aus Gründen, auf die später noch einzugehen sein wird, unwahrscheinlich erscheint.

Die vorgesehene, teilweise gewaltige Produktionszunahme in der Grund-und Schwerindustrie wird einerseits durch die Erschließung neuer Rohstoff-und Energievorkommen sowie Errichtung neuer Werke, andererseits durch den Ausbau und die Modernisierung der vorhandenen Anlagen angestrebt.

Da sich der größte Teil der noch unerschlossenen Rohstoff-und Energiereserven der Sowjetunion sich östlich des Urals befindet, ist die weitere wirtschaftliche Erschließung der Ostgebiete eines der Hauptanliegen des Siebenjahresplans Bis 1965 soll der Anteil der Ostgebiete an der Kohlenförderung bis zu 50 v. H., der Stahlproduktion bis zu v. H., der Erzeugung von raffiniertem Kupfer bis zu 88 v. H., Aluminium bis zu 71 v. H., Zement bis zu 42 v. H., Elektroenergie bis zu 46 v. H., Abfuhr von Nutzholz bis zu 5 2 v. H. und Papiererzeugurig bis zu 32 v H. anwachsen.

* Im Vordergrund der Pläne steht die Schaffung einer „dritten metallurgischen Basis“ in Sibirien und Kasachstan, die ihren Mittelpunkt im Raum zwischen Krassnojarsk und Irkutsk haben soll. Ostsibirien bietet nämlich mit der billigen Kohle, die teilweise im Tagebau gewonnen werden kann, und den beiden Flüssen Jenissej und Angara, die zu den energiereichsten der Sowjetunion gehören, besonders günstige Voraussetzungen für die Energieerzeugung.

Mit der Entwicklung der Produktivkräfte Ostsibiriens befaßte sich im August 1958 eine Konferenz in Irkutsk, die von Wissenschaftlern, Wirtschaftsführern, Ingenieuren und Parteifunktionären besucht war. Gedacht ist vor allem an die Entwicklung energieintensiver Industriezweige, an die Herstellung von Elektrostahl und Ferrolegierungen sowie an die Erzeugung von Aluminium. Die Buntmetallurgie soll vor allem im Ural, in Kasachstan, Turkestan und im Baikal-Raum bevorzugt entwickelt werden. An die Seite der Erdöl-und Gasindustrie im Ural-Wolga-Raum soll die Gasgewinnung in Usbekistan treten. Bei Nowosibirsk, dem Zentrum Westsibiriens, soll die Errichtung der sog. „Wissenschaftsstadt abgeschlossen werden. Außer der forcierten Erschließung der asiatischen Teile der Sowjetunion, hinter der mit größter Wahrscheinlichkeit auch politische und militärisch-strategische Gesichtspunkte vermutet werden können, die bereits bei der Neuland-Aktion Chruschtschows eine Rolle gespielt haben dürften, läßt der Siebenjahresplan folgende Schwerpunkte erkennen 48): 1. Die Erhöhung der Produktion von Eisen-und Buntmetallen Für die nächsten sieben Jahre ist der Bau und die Inbetriebnahme folgender neuer Produktionskapazitäten vorgesehen: Roheisen 24— 30 Mill, t (1952— 58 = 16, 1 Mill, t) Stahl 28— 36 Mill, t (1952— 58 — 12, 4 Mill, t) Walzgut 23— 29 Mill, t (1952— 58 = 6, 9 Mill, t)

Der Ausstoß legierter und niedrig legierter Stahle soll bedeutend erweitert, die Stahlblecherzeugung bis 1965 verdoppelt, das Sortiment von Walzerzeugnissen und Röhren erweitert und der Umfang der Elektrostahlerzeugung bis 1965 um das 1, 7 bis 2-fache erweitert werden

Die Zunahme der metallurgischen Erzeugung um 50— 60 v. H. soll durch eine Verdoppelung der Erzförderung-und aufbereitung und durch eine beträchtliche Vergrößerung der Leistung der Aggregate pro Einheit erreicht werden. Es ist an den Bau der größten Hochöfen der Welt mit 2000 und 2286 Kubikmeter Fassungsvermögen, Martinöfen mit 500 und mehr Tonnen, Elektroofen mit 80 und 180 Tonnen sowie automatisierte Walzstraßen mit Leistungen von jährlich drei bis vier Millionen Tonnen und andere Aggregate gedacht. Die „Thesen" sahen eine jährliche Roherzförderung von 230— 245 Mill. t. (gegenüber 88, 8 Mill, t 1958) vor. Im Chruschtschow-Referat ist diese Zahl auf 170 Mill, t gesenkt worden. Die jährliche Zunahme der Erzaufbereitung soll 10, 8 Mill, t gegenüber durchschnittlich 6 Mill, t in den fahren 1951— 1957 betragen. Auf dem Gebiet der Buntmetallurgie sieht der Plan eine Vergrößerung der Aluminiumerzeugung um etwa das 2, 8-fache, von raffiniertem Kupfer um das 1, 9-fache vor 2. Der Ausbau der Chemischen Industrie Die bisher stark vernachlässigte Chemische Industrie, insbesondere die Organische Chemie, soll im Einklang mit dem ZK-Beschluß vom 9. Mai 1958 wesentlich ausgebaut und die Produktion bis 1965 verdreifacht werden. Vor allem soll die Erzeugung von Chemiefasern, Kunststoffen und synthetischen Teeren wesentlich gesteigert werden. Ferner ist die Verdreifachung der Mineraldüngerproduktion von 11, 7 Mill, t im Jahre 1957 auf etwa 30 Mill, t 1965 geplant worden. 3. Die Korrektur der Brennstoffbilanz Die rückständige Brennstoffbilanz soll durch eine bevorzugte Entwicklung der Erdöl-und Gasgewinnung, die auch für den Ausbau der Chemischen Industrie von besonderer Bedeutung ist, korrigiert werden. Der Anteil des Erdöls und des Gases an der Energieerzeugung soll auf Kosten der Kohle von gegenwärtig 31 v. H. auf 51 v. H. im Jahre 1965 ansteigen. Die jährliche Zunahme der Erdölförderung soll etwa 17, 5 Mill, t betragen gegenüber 12 Mill, t im alten Fünfjahresplan Bei der Gasgewinnung soll die Produktion jährlich um 19 Mrd. cbm. d. h. fast um die gesamte derzeitige Produktionsmenge vergrößert werden. Die Verarbeitungskapazitäten für Erdöl sollen wesentlich vergrößert werden. Ferner ist. an den Bau von etwa 26 000 km Ferngasleitungen und Zweigleitungen gedacht. Im Vergleich zum alten Fünfjahresplan soll die jährliche Zunahme der Kohlenförderung von 40 auf 20 Mill, t, d. h. um die Hälfte gekürzt werden. 4. Die beschleunigte Elektrifizierung des Landes Im Siebenjahresplan ist eine jährliche Steigerung von 43 Mrd kWh gegenüber 30 Mrd. kWh im alten Fünfjahresplan vorgesehen. Der Zuwachs soll im Einklang mit Chruschtschows Rede anläßlich der Einweihung des Kujbyschew-Wasserkraftwerkes vom 10. August 19 58 durch den Bau von Wärmekraftwerken erfolgen. Diese können schneller fertiggestellt werden und erfordern einen geringeren Kostenaufwand. Im alten Plan war das Verhältnis bei den Neubauten umgekehrt etwa 2: 3. Die Kapazität der Wärmekraftwerke zum Ende des Planungsabschnittes soll das 2, 3— 2, 4-fache des derzeitigen Standes erreichen, während der Bau der Wasserkraftwerke stark eingeschränkt werden soll. Unter den fünf Wasserkraftwerken, deren Bau in den nächsten sieben Jahren abgeschlossen werden soll, sind vor allem Stalingrad an der Wolga (2, 1 Mill. kW) und Bratsk an der Angara (3, 2 Mill. kW) zu nennen. Die Gesamtlänge der elektrifizierten Bahnlinien soll etwa verdreifacht werden. Unter anderem soll die Transsibirische Eisenbahn elektrifiziert werden. 5. Die Forcierung des Maschinenbaus und der Metallbearbeitung sowie die Förderung der Vollmechanisierung und Automation Der Maschinen-und Gerätebau und die Metallbearbeitung, zu der in der Sowjetunion auch die gesamte Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik sowie der Fahrzeugbau gehört, soll im Interesse einer weiteren Mechanisierung und Rationalisierung der Industrie, des Transportwesens und der Landwirtschaft wesentlich vorangetrieben werden.

Außerdem bedürfen große Teile der Maschinenausrüstung der sowjetischen Industrie einer umfassenden Erneuerung und Modernisierung. Mit Ausnahme der Werkzeugmaschinen-und Kraftfahrzeugproduktion sollen alle Produktionsarten mehr als verdoppelt werden. Der Elektromaschinenbau soll fast verdreifacht werden. Der Ausstoß von Rechenmaschinen und Ausrüstung für die Chemische Industrie soll in den nächsten Jahren das 3, 5-fache bis 4, 5-fache erreichen. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Anwendung neuer Technik bei der Entwicklung und Konstruktion neuer Maschinen (Radioelektronik, Ultraschall, radioaktive Isotope, Halbleiter und Kernenergie).

Die Herstellung von halb-und vollautomatisierten Linien soll bis 1965 auf das 1, 9 bis 2, 1-fache ansteigen. Bis dahin sollen mindestens 1300 automatische Linien (Transferstraßen) in Betrieb genommen werden.

Der Siebenjahresplan sieht wie der alte Fünfjahresplan den Über-gang von der Automatisierung einzelner Maschinen und Anlagen zur Automatisierung ganzer Abteilungen und Betriebe unter Anwendung der modernen Rechentechnik vor. In den nächsten Jahren sollen 50 vollautomatische Versuchsbetriebe errichtet werden, in denen die automatischen Schemata praktisch erprobt werden solle vollautomatische Versuchsbetriebe errichtet werden, in denen die automatischen Schemata praktisch erprobt werden sollen.

In der Schlußresolution heißt es:

„Der Parteitag ist der Ansicht, dafl die weitgehende Einführung neuer technischer Hilfsmittel, die Vollmedtanisierung und Automatisierung der Produktionsprozesse, die Spezialisierung und Kooperierung in allen Zweigen der Volkswirtschaft entsclteidende Voraussetzungen für die erfolgreiche Erfüllung des Siebenjahresplanes und für die Schaffung der materiell-technischen Basis des Kommunismus sind. Es wird die Aufgabe gestellt, durch Vollmechanisierung der Produktionsprozesse in Industrie und Landwirtschaft sowie im Bau-und Verkehrswesen die schwere körperliche Arbeit in den nächsten sieben Jahren zu beseitigen.“

Die in der Sowjetunion durchgeführten und im verstärkten Umfange geplanten Maßnahmen auf dem Gebiet der Vollmechanisierung und Automation sehen im Einklang mit den Erfahrungen der westlichen Industrieländer keine plötzliche Umwälzung, sondern einen langsamen Entwicklungsprozeß vor, der sich über Jahrzehnte hinziehen wird. Eine der wichtigsten Voraussetzungen der Automatisierung bedeutet die Bereitstellung von Spezialisten. Bei diesen handelt es sich nicht nur um Ingenieure, sondern auch qualifizierte Meister und Facharbeiter, die in der Sowjetunion Mangelware sind 49).

Eingehend werden im neuen Plan die Probleme der Spezialisierung der Produktion und Kooperation der Betriebe behandelt. Ihre Lösung soll durch allseitige Entwicklung der Wirtschaftsverwaltungsgebiete und durch bessere Ausnutzung der in diesen Gebieten vorhandenen Kapazitäten gefördert werden.

Der Siebenjahresplan läßt den Willen der Sowjetführung erkennen, sich in noch stärkerem Maße als bisher der komplexen Entwicklung der „Wirtschaftsgebiete“, d. h. großer wirtschafts-geographischer Bereiche die eine Vielzahl von Wirtschaftsverwaltungsgebieten mit ihren jeweils zuständigen Volkswirtschaftsräten (Sownarchosy) umfassen, zu widmen. Solche Wirtschaftsgebiete bilden z. B. das Baltikum, das zentrale Industriegebiet um Moskau, der Ural, der Transkaukasus, Turkestan („Zentralasien“), Sibirien. Die „Rayonierung" unter wirtschafts-und nicht zuletzt auch wehrgeographischen Gesichtspunkten und in Verbindung damit auch die Spezialisierung und Kooperation der großen Bereiche bildet nach wie vor eine der schwierigsten Aufgaben, welche die sowjetische Planung zu lösen hat 50) Sie muß im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Versuch gesehen werden, innerhalb des gesamten Ostblocks zu einer koordinierten Planung unter Berücksichtigung wirtschafts-und wehrgeographischer Gesichtspunkte zu gelangen

Es ist ein gewaltiges Aufbauprogramm, das auf dem Gebiet der Grundstoff-und Schwerindustrie im Siebenjahresplan entwickelt wird. Es könnte nur dann verwirklicht werden, wenn es der Sowjetführung gelingen würde, die Wachstumsschwierigkeiten, die der Sowjetwirtschaft von Jahr zu Jahr mehr zu schaffen machen zu überwinden. Diese Wachstumsschwierigkeiten sind weniger der Ausdruck einer Entwicklungs-als einer Strukturkrise, die ohne eine grundsätzliche Änderung der bisherigen Wirtschaftspolitik unlösbar erscheint.

Als Hauptursachen dieser Wachstumsschwierigkeiten sind anzusehen: 1. Die Kapitalknappheit 2. das unzulängliche Arbeitspotential 3. die Disproportionen der einzelnen Wirtschaftszweige Auf diese Kernprobleme der Sowjetwirtschaft, die zur Beurteilung der Erfolgsaussichten des Siebenjahresplanes von entscheidender Bedeutung sind, wird bei der Betrachtung des Investitions-und Produktivitätssteigerungsprogramms Chruschtschows und der Rolle der Konsumgüterindustrie und der Landwirtschaft im Siebenjahresplan noch näher einzugehen sein.

in. Die Frage der Investitionen im Siebenjahresplan und das Problem der Kapitalknappheit

Beitritt 1931 bis 1940 Beitritt 1941 bis 1945 Beitritt nach 1946 1952 36, 0 16, 1 4, 1 56, 2 1956 34, 0 21, 6 13, 4 69, 0 Anteil der aus der Stalin-Ära stammenden Parteitagsdelegierten auf den Parteikongressen der Nachkriegszeit (in Prozenten) 1959 33. 8 21, 7 21. 1 76, 6

Nirgends wird die Kluft zwischen Traum und Wirklichkeit so sichtbar wie in jenem Teil des Referats Chruschtschows, in dem er die Frage der Investitionen behandelt. Lim die Erfüllung des Siebenjahresplans zu gewährleisten, versprach der sowjetische Partei-und Regierungschef nahezu 3 Billionen, d. h. 3000 Milliarden Rubel im Laufe der nächsten sieben Jahre für Investitionszwecke bereitzustellen, von denen etwa 2000 Mrd. im Rahmen des einheitlichen Staatsbudgets, und 1000 Mrd. außerhalb des Budgets aufgebracht werden sollen.

An staatlichen Mitteln soll in den nächsten sieben Jahren in der Sowjetwirtschaft mehr investiert werden als in zwanzig Jahren bisheriger planökonomischer Entwicklung. Die 1940 bis 1970 Mrd. Rubel, die im Rahmen des Staatsbudgets bereitgestellt werden sollen, übertreffen die 1904, 1 Kapitalinvestierungen, die seitens des Staates und der Genossenschaften (ohne Kolchose) im Verlauf von 40 Jahren durchgeführt wurden. Kapitalinvestierungen in die Volkswirtschaft der UdSSR

Der aufgegebene sechste Fünfjahresplan rechnete bei 1170 Mrd. Rubel staatlichen Investitionen mit einem Jahresdurchschnitt von 234 Mrd. Dieser Jahresdurchschnitt wurde 1958, aber nicht 1956 und 1957 erreicht. Im Siebenjahresplan ist ein Jahresdurchschnitt von fast 280 Mrd. Rubel vorgesehen, dessen Realisierung unter den jetzigen Bedingungen höchst unwahrscheinlich ist. Ein Vergleich der Verteilung der staatlichen Investitionen 1959 bis 1965 auf die einzelnen Wirtschaftszweige mit den Kapitalinvestierungen des Staates und der Genossenschaften (ohne Kolchose) 1918 bis 1957 ergibt folgendes Bild

In den Jahren 1918-1957 entfielen auf den Wohnungsbau allein 267, 9 Mrd. Rubel (14, 1 v. H.). Im Siebenjahresplan sind für den Wohnungsbau und den Bau von Kommunaleinrichtungen zusammen 375 bis 380 Mrd. Rubel vorgesehen. 1049 bis 1064 Mrd. Rubel, d. h. über die Hälfte der Investitionen ist für die Produktionsmittelindustrie vorgesehen. (1918-1957 immerhin nur 42, 8 v. H.), die sich auf die einzelnen Industriezweige folgendermaßen verteilen:

Bei den „sonstigen Produktionszweigen" handelt es sich in erster Linie um die Rüstungsindustrie, für die auch ein Teil der Investitionen der Maschinenbauindustrie und einiger anderer Industriezweige bestimmt ist. 54a)

Die kostspielige Schwerpunktbildung des Siebenjahresplanes und die großen Ausgaben, die eine atomare Aufrüstung verursacht, erklären allein noch nicht die überaus hohe Beanspruchung der Kapitalakkumulation durch die Produktionsmittelindustrie. Diese steht, wenn man von den Kriegsjahren mit einem Prozentsatz von ebenfalls 54 v. H. absieht, in keinem Verhältnis zur bisherigen Entwicklung und auch nicht zur gegenwärtigen Relation der Grundstoff-und Schwerindustrie zur Konsumgüterindustrie, zur Landwirtschaft und zu anderen Wirtschaftszweigen. Abgesehen vom steigenden Kapitalkoeffizienten, auf den noch einzugehen sein wird, dürfte einer der Gründe dieses Phänomens darin zu sehen sein, daß dieses Mal ein wesentlich größerer Teil der Investitionen, bei denen es sich ja um Bruttoinvestitionen handelt, für die immer wieder hinausgeschobene Erneuerung des veralteten Anlagekapitals verwandt werden muß. Chruschtschow hat auf dieses Problem selber mit den Worten hingewiesen: „Um die dem Masdiinenbau gestellten gewaltigen Aufgaben erfolgreich zu lösen, ist es notwendig, in kürzester Zeit die Betriebe aller seiner Zweige durcl'i Austausch und Modernisierung der veralteten Werkzeugmascl'iinen, Schmiedepressen und Gießmaschinen neu auszurüsten“.

Die unzulänglichen Abschreibungen machen somit die längst fällige Amortisation auf Kosten der Akkumulation notwendig. Die Konsumgüterindustrie mit 80 — 85 Mrd. Rubel und die Landwirtschaft mit 150 Mrd. Rubel Investitionen stehen völlig im Schatten der Grundstoff-und Schwerindustrie. Im Vergleich zu den bisher in diesen Wirtschaftszweigen durchgeführten Investitionen ist allerdings eine leichte Besserung festzustellen. Im Bereich der Landwirtschaft sind insgesamt 500 Mrd. Rubel an Investitionen vorgesehen, wobei 250 Mrd. Rubel für Bau-zwecke und 9 5 Mrd. zur Anschaffung landwirtschaftlicher Maschinen aus den eigenen Mitteln der Kolchose aufgebracht werden sollen. Es ist eine ungeheure Leistung, die von den Kolchosen gefordert wird, wenn man bedenkt, daß die von ihnen von 1928 bis 1957, d. h. in 30 Jahren aufgebrachten Investitionen insgesamt nur 18 3, 9 Mrd. Rubel in Preisen vom 1. Juli 1955 ausgemacht haben

Die geographische Verteilung der Investitionen ist aus der folgenden Übersicht zu ersehen Auffällig ist der große Anteil der Großrussischen Unionsrepublik, auf die bei 56 v. H.der Bevölkerung 73 v. H.der Investitionen entfallen. Im Ural, in Sibirien und im Femen Osten leben 19 v. H.der Bevölkerung. Auf diese Gebiete entfallen etwa 30 v. H.der Investitionen. Wenn man Turkestan, d. h. Kasachstan und die zentralasiatischen Unionsrepubliken hinzurechnet, so fließen insgesamt 40 v. H.der Investitionen-mittel in die sogenannten „Ostgebiete".

Das schnelle Wachstum der sowjetischen Industrieproduktion ist bisher hauptsächlich durch hohe Investitionsraten ermöglicht worden. Diese wurden durch ein rigoroses Zwangssparen auf Kosten der Lebens-haltung der werktätigen Bevölkerung, insbesondere der Bauern, aber auch der Arbeiter und Angestellten, erreicht.

Obwohl die Zuwachsrate der sowjetischen Industrieproduktion in den letzten Jahren eine sinkende Tendenz aufweist, steigt der Kapitalkoeffizient, d. h.der Betrag an Investitionsmitteln, die pro Ertragseinheit aufgewandt werden müssen, um einen bestimmten Produktionszuwachs zu erbringen, ständig an.

Es zeigt sich auch in einer „sozialistischen“ Wirtschaft, daß die Realisierung einer Zuwachseinheit um so größere Investitionsmittel erfordert, je höher das Produktionsniveau wird. Die Folge ist die, daß die Sowjetführung, wenn sie die bisherige jährliche Investitionsrate von etwa 11 v. H. beibehalten will, wesentlich mehr Investitionsmittel aufbringen muß als bisher. Auch die weitere Entwicklung der verkehrsmäßig ungünstig gelegenen und menschenarmen Ostgebiete erfordert, trotzdem der Abbau der Bodenschätze teilweise wesentlich leichter durchzuführen ist als im europäischen Teil der Sowjetunion, am Anfang wesentlich höhere Investitionen.

Durch die Vollmechanisierung und Automatisierung, die von sowjetischer Seite angestrebt wird, werden ebenfalls die Investitionskosten wesentlich erhöht.

Die Schwierigkeiten finanzieller Art, die sich aus diesem steigenden Bedarf an Investitionsmitteln für die begrenzten Kapitalfonds der Sowjetunion ergeben, werden durch folgende Gründe noch vermehrt: a) Die steigende Rüstungslast, die mit der atomaren Ausrüstung (Kernwaffen, Raketen) verbunden ist.

Auf den hohen Anteil der Rüstungsindustrie an den Investitionen ist bereits hingewiesen worden. Die im Staatshaushaltsvoranschlag für 1959 vorgesehenen 96, 1 Mrd. Rubel für Verteidigung (1958 — 96, 3 Mrd. Rubel) erfassen nur einen Teil der tatsächlichen Aufwendungen für militärische Zwecke

b) die wachsenden Auslandsverpflichtungen.

Diese ergeben sich sowohl gegenüber den übrigen Ostblockstaaten, als auch gegenüber den afroasiatischen Entwicklungsländern. Auch wenn die Kreditzusagen in den letzten Jahren bestenfalls nur etwa 2 v. H.der jährlichen Investitionen ausmachten, so fielen sie doch in qualitativer Hinsicht durchaus ins Gewicht Bei der Begründung der Reform der Industrie-und Bauverwaltung wies Chruschtschow an einem Beispiel darauf hin, daß modernste Betriebsausrüstungen und Maschinen von der Sowjetunion nach China exportiert würden, während gleichzeitig die Erneuerung der eigenen veralteten Betriebsanlagen unterblieben wäre. c) die erhöhten sozialen Leistungen.

Im Siebenjahresplan ist eine Erhöhung nicht nur der unteren Lohngruppen, sondern auch der Mindestaltersrenten vorgesehen. Letztere sollen von 300 auf 400 Rubel monatlich in der Stadt und von 23 5 auf 340 Rubel auf dem Lande erhöht werden.

Allein auf Grund der sozialpolitischen Neuerungen im Jahre 1956 (Pensionsgesetz usw.) mußte die Sowjetunion nach Angaben Bulganins jährlich zusätzlich 3 5 Mrd. Rubel mehr aufbringen.

Im Rahmen des Siebenjahresplans ist eine Verbesserung der sozialen Dienstleistungen, insbesondere auf dem Gebiete der öffentlichen Ernährung vorgesehen.

Auch mit der Durchführung der Bildungsreform und dem Ausbau der Internatsschulen sind erhebliche Kosten verbunden. d) die Förderung des Massenkonsums auf Kosten der Kapitalinvestierungen. Eine wachsende Industrie läßt nicht nur mehr und neuen Bedarf an Produktionsmitteln, sondern auch mehr und neue Konsumsbedürfnisse entstehen. Die Nachfolger Stalins haben zwar, von der „Neuen Kurs" -Politik Malenkows abgesehen, an dem unbedingten Vorrang der Schwerindustrie festgehalten, sie haben aber andererseits, wie aus der folgenden Übersicht zu ersehen ist, den Massenkonsum im Verhältnis zu den Investitionen nicht unbeträchtlich gefördert Im Siebenjahresplan ist dagegen eine Verschiebung zugunsten der Investitionen feststellbar. Immerhin wird mit einer Steigerung des Realeinkommens in der Industrie um 40 v. H., in der Landwirtschaft um „mindestens 40 v. H." gerechnet.

Verhältnis der prozentualen Steigerung von Massenkonsum und Investitionen in der Sowjetunion 1940— 1957.

1940— 1957 1940— 1952 1952— 1957 1959— 1965 Einzelhandelsumsatz + 248 v. H. + 40 v. H. + 77 v. H. + 62 v. H. Kapitalinvestierungen + 396 v. H. + 163 v. H. + 49 v. H. + 80 v. H.

In mengenmäßiger Hinsicht hat sich der Einzelhandelsumsatz (Staatlicher und genossenschaftlicher Handel) in den letzten Jahren folgendermaßen entwickelt

1950 359, 6 Mrd. Rubel 1951 379, 8 Mrd. Rubel 1952 393, 6 Mrd. Rubel 1953 430, 7 Mrd. Rubel 1954 481, 9 Mrd. Rubel 1955 501, 5 Mrd. Rubel 1956 547, 4 Mrd. Rubel 1957 625, 0 Mrd. Rubel In dieser Entwicklung kommt eine Verstärkung der Massenkaufkraft zum Ausdruck, wobei der wachsenden Nachfrage, die durch einen hohen Geldüberhang bedingt ist, allmählich ein größeres Angebot an Verbrauchsgütern zur Verfügung steht. Dieses größere Angebot ist bei den landwirtschaftlichen Erzeugnissen wesentlich durch eine Senkung der Landwirtschaftsteuer und durch eine Erhöhung der Ablieferungspreise erzielt worden. Der damit verbundene finanzielle Verlust für den Staat als Lebensmittelgroßhändler ist durch die „steuerlichen" Einnahmen aus dem größeren Handelsumsatz nur teilweise wettgemacht worden.

Ein Verzicht auf die Einkommensteuer von den Kolchosen und Produktionsgenossenschaften ist in den nächsten Jahren geplant. Diese spielte im sowjetischen Finanz-und Steuersystem keine wesentliche Rolle, macht aber im Haushaltsvoranschlag 19 59 immerhin fast 20 Mrd. Rubel aus.

Eine weitere Erschwerung der Kapitalakkumulation bedeutete die bereits kurz behandelte Frage der Ersatzinvestitionen infolge unzulänglicher Abschreibungen.

Lim der zunehmenden Kapitalknappheit und ihren Folgen zu begegnen sind von der Sowjetführung seit 1957 folgende Maßnahmen ergriffen worden. 1. Rationalisierungs-und Modernisierungsmaßnahmen zwecks Produktionssteigerung und Kostensenkung:

a) die Reformen der Industrie-, Bau-und Agrarverwaltung sowie des Planungssystems in den Jahren 1957 und 1958;

b) Maßnahmen zur Hebung der Betriebsrentabilität;

c) Die Reformen der Energiewirtschaft durch bevorzugten Bau von Wärmekraftwerken und der Übergang von der Kohle auf die rationelleren Energieträger Erdöl und Gas.

Die Reform der Industrie-und Bauverwaltung hatte außer der Erschließung von Reserven und Freistellung von Arbeitskräften vor allem eine bessere Nutzung der vorhandenen Kapazitäten und eine Hebung der Betriebsrentabilität zum Ziel. Dies sollte einerseits durch eine Verbesserung der Betriebsorganisation und Produktionstechnik, andererseits durch eine Erweiterung der Befugnisse der Einzelbetriebe, durch eine Ausdehnung der wirtschaftlichen Rechnungsführung, durch den Ausbau des Gewinnanreizsystems und andere betriebswirtschaftliche Reformen erreicht werden -Ähnliche Ziele sollten auch durch die Reformen im agrarischen Bereich erreicht werden, wo der Kolchos in betriebswirtschaftlicher Hinsicht dem Sowchos angenähert und dem Prinzip des „materiellen Interesses“ in bezug auf die Kolchosbauern stärker Rechnung getragen wurde.

Durch alle diese Maßnahmen wurde eine Produktivitätssteigerung bei gleichzeitiger Kostensenkung bezweckt, die eine größere Gewinnabführung der Betriebe ermöglichen sollte. Im neuen Plan wird mit einer Senkung der Selbstkosten der Industrieproduktion in den nächsten sieben Jahren um mindestens 11, 5 v. H. und eine Senkung der Kosten der Bau-und Montagearbeiten um mindestens 6 v. H. gerechnet. Auf Grund der bisher getroffenen Rationalisierungs-und Modernisierungsmaßnahmen rechnet der sowjetische Finanzminister Swerjew im Haushaltsjahr 1959 mit „Gewinnen“ der Staatsbetriebe in Höhe von 219, 5 Mrd. Rubel (1958 — 196, 4 Mrd. Rubel Hiervon sollen 154, 9 Mrd. Rubel (1958 — 130, 3 Mrd. Rubel) an das Budget abgezweigtwerden, während der Rest zur Selbstfinanzierung der Betriebe verwandt werden soll.

Von der Umstellung von Kohle auf Erdöl und Gas erwartet die Sowjetführung Ersparnisse von insgesamt 125 Mrd. Rubel im Laufe der nächsten sieben Jahre. 2. Das Moratorium für die Verzinsung und Rückzahlung der Staatsanleihen Das Moratorium wurde von Chruschtschow in einer Rede am 8. April 1957 verkündet. Es betraf Staatsanleihen in Höhe von insgesamt 260 Mrd. R . bel, deren Verzinsung und Rückzahlung für 20 bis 25 Jahre zurückgestellt wurde Einen gewissen Ausgleich für die Bevölkerung bedeutete der Verzicht auf die Zeichnung weiterer Staatsanleihen ab 1958. 3. Die Inanspruchnahme der „unteilbaren Fonds“

Die „unteilbaren Fonds“ der Kolchose, deren Höhe 1957 102 Mrd. Rubel betrug sind im Zuge der Agrarverwaltungsreform zum Ankauf des MTS-Maschinenparks vom Staat in Anspruch genommen worden. Nach Swerjew sollen 5 5 000 oder 80 v. H.der Kolchose für 21 Mrd. Rubel Traktoren und andere landwirtschaftliche Maschinen von den aufgelösten MTS erworben haben. Dieser Betrag ist verhältnismäßig niedrig. Es darf aber nicht übersehen werden, daß mit der MTS-Reform auch die Betriebs-und Unterhaltungskosten für die Maschinen, die bisher der Staat zu tragen hatte, auf die Kolchose abgewältz worden sind, denen außerdem allgemeine Aufgaben, wie Wegebau und Bodenverbesserung aufgebürdet wurde. Im neuen Plan ist eine wesentliche Vergrößerung der „unteilbaren Fonds“ vorgesehen, um mit ihrer Hilfe die allmähliche Umgestaltung der Dorfkolchose in Kolchosstädte zu finanzieren. 4. Die Senkung der Spitzenlöhne Im Siebenjahresplan ist nicht nur eine Erhöhung der niederen Lohngruppen, sondern auch eine erhebliche Senkung der höheren Lohngruppen vorgesehen. Die weite Spanne, die zwischen den Spitzen-und Mindestlöhnen bisher bestand, soll wesentlich verringert werden. Die monatlichen Mindestlöhne sollen in sieben Jahren von 270 bis 3 50 Rubel auf 500 bis 600 Rubel erhöht werden. Die Spitzenlöhne wiederum sollen zukünftig höchstens das Doppelte der Mindestlöhne betragen was eine Senkung auf monatlich 1 200 Rubel bedeuten würde. Wie die endgültige Gewinn-und Verlustrechnung für den Fiskus aussehen wird, läßt sich im Moment schwer voraussehen. Jedenfalls dürfte die Senkung der Spitzenlöhne, ebenso wie der beabsichtigte Verzicht auf das Prämien-system, die Einsparung erheblicher Mittel zur Folge haben. 5. Die Senkung der Aufkaufpreise für Agrarprodukte Die Reform des landwirtschaftlichen Erfassungssystems auf Grund des ZK-Beschlusse vom 17. Juni 1958 dürfte als Vorbereitung dieser Maßnahme dienen, die am ehesten in der Lage wäre, die Staatseinnahmen zu steigern. Daß dieses bereits in nächster Zeit beabsichtigt ist, kann nicht nur aus einzelnen Äußerungen, sondern auch aus einer Erhöhung der Umsatzsteuer im Haushaltsvoranschlag 1959 von 301, 5 Mrd. Rubel auf 3 32, 4 Mrd. Rubel entnommen werden. Diese dürfte in den nächsten sieben Jahren auf Kosten der Lebenshaltung sowohl der Bauern, als auch der Arbeiter und Angestellten weiter anwachsen.

All diese Maßnahmen dürften kaum ausreichen, um das Problem der Kapitalknappheit zu lösen, zumal sich die Sowjetführung über die wachsenden Konsumwünsche der Sowjetbevölkerung nicht so leicht wie früher hinwegsetzen kann.

Im Haushaltsvoranschlag 1959 sind insgesamt 308, 7 Mrd. Rubel (1958 — 257, 2 Mrd. Rubel) für die Finanzierung der Staatsbetriebe vorgesehen Ihnen sollen ferner außerhalb des Staatsbudgets weitere 175, 6 Mrd. Rubel zur Verfügung gestellt werden, insgesamt also 484, 3 Mrd. Rubel oder um 71, 4 Mrd. Rubel mehr als im Jahre 1958. Die Zunahme von 51, 5 Mrd. Rubel (20 v. H.) auf der Ausgabenseite des Haushaltsvoranschlag 1959 gegenüber 1958 soll offenbar in erster Linie durch die Zunahme der „Gewinne“ um 24, 6 Mrd. Rubel und der „Umsatzsteuer“

um 30, 9 Mrd. Rubel auf der Einnahmenseite gedeckt werden.

Von den insgesamt 484, 3 Mrd. Rubel Finanzierungsmitteln für die Staatsbetriebe sollen laut Swerjew im Rahmen des bisher noch unveröffentlichten Jahresplans für 1959 231, 2 Mrd. Rubel oder 46, 4 v. H für Investitionen verwandt werden, davon 162, 1 Mrd. aus dem Budget und 69, 1 Mrd. aus betriebseigenen Mitteln. Auch wenn diese Zahl erreicht werden sollte, was aus den oben dargelegten Gründen äußerst fraglich erscheint, müßte sie in den nächsten Jahren wesentlich erhöht werden, wenn das Chruschtschowsche Investitionsprogramm, von dem das Schicksal des Siebenjahresplans weitgehend abhängt, erfüllt werden soll.

Dies scheint angesichts der angespannten Finanzlage der Sowjetunion, welche bereits die Erfüllung der Kapitalinvestitionspläne der letzten beiden Fünfjahrespläne nur in beschränktem Umfange möglich machte unwahrscheinlich zu sein. Bei einem ungenügenden Zustrom neuer Investitionen ist aber mit einem weiteren Absinken der Zuwachsraten der Industrieproduktion und damit mit einer weiteren Verlangsamung des Wachstumstempos der Sowjetwirtschaft zu rechnen.

IV. Die Frage der Arbeitsproduktivität im Siebenjahresplan und das Problem des unzulänglichen Arbeitspotentials

20 bis 29 30 bis 39 40 bis 50 über 50 27, 4 55, 2 15, 4 2, 0 100, 0 13, 8 62, 0 20, 0 4, 2 100, 0 10, 0 60, 0 25. 0 5 0 100, 0 81, 5 15, 5 3, 0 100, 0 23, 6 61, 1 15, 3 100, 0 20, 3 55, 7 24. 0 100, 0 21, 1 47, 8 31, 1 100, 0 Alterszusammensetzung der Parteitagsdelegierten 1924 bis 1956 (in Prozenten) Altersstufe 1924 1927 1930 1930 1952 1956 1959

Chruschtschow rechnet damit, daß drei Viertel des Zuwachses der Industrieproduktion durch Steigerung der Arbeitsproduktivität erreicht werden sollen. Die Arbeitsproduktivität soll in der Industrie je Arbeitenden um 45 bis 50 v. H., im Bauwesen um 60 bis 65 v. H., im Eisenbahnwesen um 34 bis 37 v. H„ in den Sowchosen um 60 bis 65 v. H. und in den Kolchosen um etwa 50 v. H. wachsen. Die sowjetische Behauptung, daß die Arbeitsproduktivität in der Industrie von 1950 bis 1957 um 64 v.

H. gestiegen sei erscheint fraglich, wenn man bedenkt, daß die Steigerung der industriellen Produktivität in der Bundesrepublik im gleichen Zeitabschnitt je Beschäftigten 37 v. H. und je Arbeitsstunde 50 v. H. betrug

Außerdem läßt sich aus den sowjetischen Angaben für die letzten Jahre entnehmen, daß auch die Arbeitsproduktivität eine abfallende Tendenz aufweist. Die jährliche Zunahme betrug 1954 7 v. H., 1956 — 7 v. H., 1957 — 6, 5 v. H., 1958 — 5, 6 v. H. Der Siebenjahresplan rechnet mit einer jährlichen Zunahme der Arbeitsproduktivität von 7 v. H.

e Von sowjetischen Wissenschaftlern wird zugegeben, daß die Arbeitsproduktivität der amerikanischen Industrie die sowjetische um das Zweieinhalbfache übertrifft

Bei Berücksichtigung der Landwirtschaft und des Dienstleistungsgewerbes dürfte der Abstand tatsächlich das Vier-bis Fünffache ausmachen. So ist die sowjetische Landwirtschaft, obwohl in ihr noch rund 45 v. H.der Gesamtbevölkerung tätig sind, bis heute nicht in der Lage, den Bedarf an allen Ernährungsgütern voll zu befriedigen. Dagegen schafft die amerikanische Landwirtschaft, in der nur rund 15 v. H.der Bevölkerung tätig sind, ein ständiges Überschußproblem. Die niedrige Arbeitsproduktivität ist in erster Linie auf die Unzulänglichkeiten des sowjetischen Arbeitspotentials und in weit geringerem Maße auf einen akuten Arbeitskräftemangel zurückzuführen. Ohne Zweifel gibt es Schwierigkeiten bei der Auffüllung des Arbeitspotentials. Diese Entwicklung ist hauptsächlich dadurch bedingt, daß die traditionelle Reservoirs für den industriellen Nachschub (Bauern, Handwerker, Frauen), wie Erik Boettcher erst kürzlich nachgewiesen hat erschöpft sind. Mit dem bisherigen Ausmaß der Beschäftigung der Frauen (46 v. H. aller Arbeiter und Angestellten dürfte der Bogen sowieso überspannt sein.

Hinzu kommt, daß der jährliche Zuwachs an sechzehnjährigen Arbeitskräften, also der Nachwuchs, von 19 57/58 bis 1963 infolge des Eintritts der schwachen Kriegsjahren in den Arbeitsprozeß, um etwa 20 Prozent zurückgeht.

Auf der anderen Seite fällt es auf, daß von 1956 bis 1958, d. h. in drei Jahren 6, 2 Mill. Arbeitnehmer neu eingestellt worden sind obgleich der aufgegebene sechste Fünfjahresplan insgesamt nur einen Zuwachs von 6, 5 Mill, vorsah. Diese hohe Zahl dürfte durch folgende Maßnahmen erreicht worden sein: 1. Erschließung von Arbeitskraftreserven durch die Dezentralisierung der Industrie und des Bauwesens und durch die Reform der Agrarverwaltung.

Diese Zahl dürfte im allgemeinen nicht sehr erheblich gewesen sein.

2. Verringerung der Stärke der Sowjetwehrmacht, insbesondere der Landstreitkräfte.

Es handelt sich um mehr als zwei Millionen, wobei sich die tatsächlichen Ausmaße der Demobilisierung nicht übersehen lassen. 3. Entlassungen aus den Zwangsarbeitslagern bzw.deren Umwandlung in Arbeitskolonien.

Nach Mitteilung des stellvertretenden Generalstaatsanwalts der UdSSR Kudrjawzew vom Mai 1957 sollen seit dem Tode Stalins 70 v. H. aller Häftlinge freigelassen und zwei Drittel aller Zwangsarbeitslager liquidiert worden sein Durch diese Maßnahmen sind Millionen von Menschen aus Zwangsarbeitern, d. h. Häftlingen, in mehr oder minder freie Arbeitnehmer verwandelt worden. Es sind also im Grunde genommen nicht neue Arbeitskräfte gewonnen worden, sondern sie sind lediglich aus der einen Kategorie in die andere Kategorie übertragen worden. Es handelt sich hier um den gleichen Trick, mit dem 195 3 erstmalig das 2 Millionen starke Traktorenpersonal der Kolchose in der nichtlandwirtschaftlichen Beschäftigtenzahl rechnerisch erfaßt wurde

Mit diesen Manipulationen ist es der Sowjetführung zunächst gelungen, das Arbeitskräfteproblem zumindest nach außen hin zu lösen.

Im Rahmen des Siebenjahresplans soll die Gesamtzahl der Arbeiter und Angestellten, die 195 8 54, 6 Millionen betrug, bis 1965 auf 66, 1 erhöht werden. Um dies zu erreichen mußte Chruschtschow, da die letzten Reserven nunmehr erschöpft waren, zu einem revolutionären Mittel greifen. Ohne Zweifel ist seine radikale Erziehungs -und Bildungsreform, die einen tiefgehenden Eingriff in die unter Stalin entstandene soziale Schichtung der Sowjetgesellschaft darstellt, in erster Linie vom politisch-soziologischen Moment bestimmt worden. Dies ist aus seiner scharfen Kritik an „ungesunden Erscheinungen“ innerhalb der Jugend und der damit verbundenen „herrschaftlich-verächtlichen Einstellung“ zur körperlichen Arbeit deutlich zu entnehmen Auf der anderen Seite kommt aber auch dem wirtschaftlichen Motiv eine entscheidende Bedeutung zu, denn sonst wären die „Thesen zur Bildungsreform wohl kaum gleichzeitig mit den „Thesen“ zum Siebenjahresplan veröffentlicht worden.

Die große Bildungsreform ist ein integrierender Bestandteil des neuen Plans, da sie eine enge Verbindung des Schul-und Hochschulunterrichts mit der praktischen Arbeit und damit eine wesentliche Ausweitung des vorhandenen Arbeitspotentials vorsieht.

* In der Sowjetunion bestand bisher eine Zehn-Klassen-Mittelschule. Die allgemeine Schulpflicht galt für sieben Klassen, aber nicht für die Oberstufe. Die Absolventen der Mittelschule hatten größtenteils die Chance, an die Hochschule zu kommen. Hier setzt die Reform Chruschtschows ein. An die Stelle der Zehn-Klassen-Mittelschule, die beseitigt wird, tritt eine obligatorische Acht-Klassen-Mittelschule.

Nach Abschluß dieser Schulbildung soll jeder Jugendliche „ohne Ausnahme“ in der „Produktion" arbeiten. Er hat die Möglichkeit, im Abend-, Schicht-und Fernstudium die Oberstufe von drei Klassen im Rahmen der sog. „Jugendschule“ zu absolvieren. Der Schulunterricht, für den 2— 3 Wochentage Arbeitsbefreiung gewährt werden, dürfte sich in der Praxis auf mehr als drei Jahre erstrecken, da der „Oberschüler" durch den Arbeitsprozeß in zu starkem Maße in Anspruch genommen sein wird. Wenn es den Jugendlichen gelingt, das Reifezeugnis zu erringen, das mit einem entsprechenden Arbeitsqualifikationszeugnis verbunden ist, das sie in eine entsprechende Arbeiter-Tarifgruppe einstuft, haben sie die Möglichkeit, sich um das Studium an einer Hochschule zu bewerben. Um zugelassen zu werden, müssen die Kandidaten zuerst einen besonderen Ausleseausschuß passieren, in dem die Partei ein entscheidendes Wort mitzureden hat. Die Auserwählten verbleiben an ihren Arbeitsplätzen und müssen in den ersten zwei Jahren ohne Arbeitsbefreiung im Abend-oder Fernstudium am Hochschulunterricht teilnehmen. Es folgt eine Zwischenperiode, in der die Studenten drei Wochentage Arbeitsbefreiung erhalten. Erst kurz vor ihrem Abschluß kommen sie für etwa zwei Jahre an die Hochschule und können sich nunmehr ganz ihrem Studium widmen. Diese Regelung bedeutet, daß man künftig in der Sowjetunion nicht mit 20 oder 21 Jahren die Hochschule abschließen wird, sondern mit 28 oder 29 Jahren, und daß nur ein geringer Teil von Abiturienten die Chance hat, Akademiker zu werden.

Die Verbindung des Schulunterrichts und des Hochschulstudiums mit der Betriebsarbeit führt zu einem Anschwellen des Arbeitskräftevolumens der Wirtschaft, wenn man bedenkt, daß der jährliche Anfall an Schulabsolventen allein 2-3, 5 Millionen beträgt. Mit dieser gewaltigen Vergrößerung des Arbeitspotentials sollen vor allem drei Ziele erreicht werden: 1. Ein Ausgleich für die schwachen Kriegsjahrgänge Die Durchführung der Schulreform ist innerhalb eines Zeitraumes von 4 bis 5 Jahren vorgesehen und wird daher etwa 1962/63 abgeschlossen sein, d. h. zu einem Zeitpunkt, wo bereits stärkere Geburtsjahr-gänge die schwachen Kriegsjahrgänge ablösen werden.

Die Schulreform dürfte somit dem Nachwuchsausfall nur teilweise abhelfen, wohl aber die Hochschulreform, da auf Grund der neuen Immatrikulationsbestimmungen vom August 1958 80 v. H.der Studienplätze nur an Kandidaten vergeben werden sollen, die zwei Jahre Betriebsarbeit nachweisen können Dies bedeutet praktisch bereits jetzt eine Studiensperre v. H.der Studienplätze nur an Kandidaten vergeben werden sollen, die zwei Jahre Betriebsarbeit nachweisen können Dies bedeutet praktisch bereits jetzt eine Studiensperre für mindestens zwei Abiturienten-Jahrgänge. 2. Die Beseitigung des Mangels an qualifizierten Facharbeitern Die große Masse der Arbeitnehmer in der Sowjetwirtschaft gehört zur Kategorie der ungelernten und angelernten Arbeiter mit geringer Schulbildung was ihre Ausbildung zu qualifizierten Facharbeitern erschwerte. Die überwiegende Mehrheit der Mittel-und Oberschüler strebte dagegen zum Fach-und Hochschulstudium. Dies führte mit der Zeit zu einer gewissen Überproduktion an Fachingenieuren und Diplomingenieuren. Zwischen diesen beiden Gruppen klaffte eine fühlbare Lücke an geschulten Kräften in mittleren Stellungen, wie Meistern und Obermeistern. Dabei ließ die allmähliche Umstellung der Sowjetunion auf ein wirtschaftsintensiveres Wachstum einen steigenden Bedarf an qualifizierten Facharbeitern in der Industrie entstehen 78). Die Erziehungs- und Bildungsreform soll daher einerseits die Heranbildung einer ausreichenden Anzahl von unteren und mittleren Kader gewährleisten, andererseits den Zugang zu den gehobenen Stellen, für die ein geringerer Bedarf vorliegt, erschweren. Der Mangel an qualifizierten mittleren Kräften macht sich vor allem bei der wirtschaftlichen Erschließung Sibiriens und der Neulandgebiete spürbar bemerkbar. 3. Ein Ausgleich für fehlendes Kapital Die Aufblähung des Arbeitspotentials ermöglicht es, insbesondere in den verkehrsmäßig ungünstig gelegenen und menschenarmen Gebieten ostwärts des Urals durch Einsatz billiger Arbeitskräfte, Kapital zu sparen.

Das Anschwellen des Arbeitskräftevolumens läßt ferner die im neuen Plan vorgesehene Verkürzung der Arbeitszeit zu. Mit der Einführung der 42-Stunden-Woche wird in einigen Industriezweigen der Über-gang von der Dreier-zur Viererschicht verbunden. Diese Entwicklung ermöglicht eine intensivere Nutzung des vorhandenen Anlagekapitals ohne Neuinvestitionen und stellt somit eine weitere Maßnahme der Sowjetführung zur Begegnung der Kapitalknappheit dar.

Dieser Vorgang bedeutet andererseits ein Zehren an der Substanz, da sich das Anlagekapital auf diese Weise noch schneller abnutzt. Dies macht wiederum die Frage der Ersatzinvestitionen, die immer wieder zugunsten der Neuinvestitionen auf die lange Bank geschoben wurde, akut. Damit ergeben sich zusätzliche Anforderungen an die beschränkten Kapitalfonds der Sowjetunion, die man gerade auf diesem Wege zu umgehen hoffte. Weitere Anforderungen ergeben sich daraus, daß auf Grund der Reform, in den Betrieben zusätzliche Arbeitsplätze für teilweise recht unproduktive Arbeitskräfte geschaffen werden müssen.

Zu den wirtschaftspolitischen Auswirkungen der Erziehungs-und Bildungsreform kann bemerkt werden, daß sie sicher dazu beitragen wird, bei einer allmählichen Verknappung der Arbeitskräfte untere und mittlere Positionen ausreichend zu besetzen. Es ist auch Boettcher bei-zustimmen,wenn er feststellt, daß die Betriebe und Behörden jetzt die Planung des Bedarfs selbst, d. h.dezentralisiert, durchführen können, indem sie zum Bewährungs-und Förderungsfilter für den weiteren beruflichen und gesellschaftlichen Aufstieg werden 79).

Andererseits sind mit der Reform die Gefahren eines Absinkens des allgemeinen Bildungsniveaus und einer Vernachlässigung der theoretischen Ausbildung an den Hochschulen verbunden. Außerdem erscheint es fraglich, ob die Reform in ihrem Endeffekt zu einer wesentlichen Steigerung der Arbeitsproduktivität, die für die Erfüllung des Siebenjahresplans von entscheidender Bedeutung ist, beitragen wird.

V. Die Rolle der Kosumgüterindustrie und der Landwirtschaft im Siebenjahresplan und das Problem der Disproportionen

Zunahme Zunahme Montanunion Westdeutschland Frankreich Großbritannien Sowjetunion Davon Westdeutsch-

land Frankreich Großbritannien Sowjetunion 417 276 380 235 Abstand

• Die Stahlerzeugung in den westeuropäischen Ländern und der Sowjetunion 1951 und 1956 24) Stahlerzeugung pro Kopf der Bevölkerung 1956 (in kg) 1951 1956 1951 1956 a) in Mill, 37, 7 56, 8 19, 1 t 13, 5 23, 1 9, 6 b) in Prozenten der 17, 9 6, 4 20, 1 8, 2 2, 2 1, 8 9, 8 13, 4 3, 6 0, 1 15, 9 20, 9 5, 0 Welterzeugung 4, 7 7, 5 4, 8 7,�⿸ڦࣸ

Eine wesentliche Hebung der Arbeitsproduktivität könnte ohne Zweifel durch eine entscheidende Verbesserung der Konsumgüterversorgung der Arbeitnehmer erreicht werden. Die Konsumgüterproduktion bleibt jedoch auch im neuen Plan ein Stiefkind der sowjetischen Wirtschaftspolitik. Die durchschnittliche Zuwachsrate für die Konsumgüterproduktion ist mit 7, 3 v. H. in bezug auf die Steigerungsquote der gesamten Industrieproduktion (8, 6 v. H.) und der Produktionsmittelindustrie (9, 3 v. H.) im Vergleich mit den vorausgegangenen Fünfjahresplänen weiter abgesunken. Nur im Verhältnis zu den letzten Jahresplänen ist eine gewisse Besserung eingetreten.

Das Verhältnis zwischen den durchschnittlichen Gesamt-Zuwachsraten der Produktionsmittel-und Konsumgüterindustrie 80)

Die Leichtindustrie ist einer der wenigen Produktionszweige dessen Zuwachs nicht über 50 v. H. liegt. Die Herstellung von Baumwollstoffen soll um 33 bis 38 v. H, von Wollstoffen um 65 v. H., von Seidenstoffen um 76 v. H. und von Lederschuhen um 45 v. H. gesteigert werden.

Es fällt auf, daß der Siebenjahresplan, wie aus der folgenden Tabelle zu ersehen ist, absolute Planziffern nur für die wichtigsten Erzeugnisse enthält. Die Entwicklung der sowjetischen Konsumgüterproduktion seit 19 52 läßt deutlich die positiven Auswirkungen zweier Impulse erkennen: der „Neuen Kurs“ -Politik Malenkows und des 20. Parteikongresses. Der eine Impuls wirkte sich in den Jahren 1954 und 1955.der zweite Impuls in den Jahren 1957 und 19 58 aus. Der in der Stalin-Ära angestaute Konsumbedarf einer 200 Millionen starken Bevölkerung ist bei dem großen Geldüberhang durch das bisherige Angebot an Konsumgütern nur in einem sehr begrenzten Maße befriedigt worden. Dieses gilt sowohl für den Umfang und das Sortiment, als auch für die Qualität des Warenangebots. Bei der Rückständigkeit der sowjetischen Konsumgüterindustrie, der Ausschaltung jeden eigenständigen Handwerks und der Unterentwicklung des sowjetischen Handels ist es außerordentlich schwer, einen Vergleich mit den führenden westlichen Industrie-ländern durchzuführen, die seit Jahrzehnten über die kontinuierliche Entwicklung einer Konsumgüterindustrie von sehr differenziertem Charakter und eine reiche handwerkliche und kaufmännische Tradition verfügen. Ein mengenmäßiger Vergleich, der sich bei der Verschiedenartigkeit der statistischen Ausgangspositionen nur für einige wenige Bereiche durchführen läßt, sagt daher auf dem Gebiete der Konsumgüterindustrie sehr viel weniger aus, als auf demjenigen der Grundstoff-und Schwerindustrie. Die folgende Tabelle zeigt, daß die Sowjetunion in quantitativer Hinsicht noch sehr viel leisten muß, um nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern teilweise auch die weitaus kleinere Bundesrepublik aufzuholen und zu überholen. In qualitativer Hinsicht dürfte ihr dies in absehbarer Zeit sowieso kaum glücken. 80a)

Vergleich zwischen einigen Konsumgüterproduktionszweigen der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik 1956 bzw. 1955 (mit Stern gekennzeichnet)

Auf den meisten Gebieten der Konsumgüterherstellung wird die sowjetische Produktion von der amerikanischen weit übertroffen. Die sowjetische Produktion betrug bei den Baumwollgeweben 1957 64 v. H., bei Lederschuhen 53 v. H.der amerikanischen. Bei der Pro-Kopf-Produktion war dieser Prozentsatz noch geringer (5 3 v. H. und 48 v. H.)

Nach Mitteilung des Stellv. Vorsitzenden des GOSSPLAN Sotow soll die Pro-Kopf-Produktion 1965 bei Wollgeweben 2, 2 m, Unterwäsche 3 Stück, Oberbekleidung 0, 7 Stück und Lederschuhen 2, 3 Paar betragen.

Bei der Lebensmittelindustrie ist mit etwa 70 v. H. eine höhere Zunahme vorgesehen als bei der Leichtindustrie. Die Erzeugung von Fleisch-und Milchproduktion soll auf das doppelte (2, 1 bzw. 2, 2-fache), von Butter um 58 v. H., von Zucker um 76 bis 90 v. H. sowie der Fischfang um 60 v. H. gesteigert werden.

Die absoluten Planziffern ergeben sich aus folgender Übersicht: Auch im Bereich der Lebensmittelindustrie sind die Vereinigten Staaten auf den meisten Gebieten der Sowjetunion weit überlegen. Dies geht aus der folgenden Tabelle, die auf Grund sowjetischer Angaben zusammengestellt worden ist, deutlich hervor:

Der Siebenjahresplan strebt einerseits eine Erhöhung der Produktion der Leicht-und Lebensmittelindustrie, andererseits eine wesentliche Verbesserung der Auswahl und Qualität ihrer Erzeugnisse an. Außerdem sollen, wie bereits erwähnt, die Dienstleistungen für die Bevölkerung, insbesondere auf dem Gebiet der öffentlichen Ernährung wesentlich verbessert werden. Die Kapazität der öffentlichen Ernährung soll um das Doppelte vergrößert werden.

Die Erreichung des ersten Zieles setzt eine weitere Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion insbesondere auf dem Gebiet der Viehzucht voraus.

Die Produktion von Fleisch und Milch hat sich von 1952 bis 1958 folgendermaßen gestaltet

Die absoluten Planziele des Siebenjahresplans sind äußerst gering, wenn man bedenkt, daß Chruschtschow im Mai 1957 die Parole ausgab, bis 1960/61 eine Produktion von 20, 6 Mill, t Fleisch und 70 Mill, t Milch zu erreichen

Damals überschüttete er die sowjetischen Wirtschaftswissenschaftler mit beißendem Spott, die dieses Unterfangen, das bis 1960/61 das Einholen und Überholen der Vereinigten Staaten ermöglichen sollte, als Phantasterei abtaten. Doch auch die weitaus geringeren Planziele für 1965 würden eine Verdoppelung der gegenwärtigen Fleisch-und Milcherzeugung bedeuten, die eine starke Vermehrung der Viehbestände und eine Vervielfachung der Fettgrundlage voraussetzt, die kaum zu erreichen sein wird. Schwierigkeiten dürfte es auch bereiten, die Gewinnung von Wolle, die 1958 0, 32 Mill, t ausmachte, um das 1, 9-fache zu vergrößern, sowie die Eierproduktion, die 1958 auf 23, 5 Mrd. Stück angestiegen war, um das 2, 3-fache zu steigern.

Otto Schiller gibt den folgenden instruktiven Vergleich über die Leistungen der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten und Westdeutschlands auf dem Gebiete der Viehwirtschaft im Jahre 1956

Das Planziel für die Getreideerzeugung von 163— 180 Mill, t im Jahre 1965 muß dagegen als bescheiden bezeichnet werden, da bereit« für 1960 ein Produktionsziel von 180 Mill, t festgesetzt worden war. Diese überraschend vorsichtige Planung läßt vermuten, daß die Ernte von 1958, die angeblich weit über dem bisherigen Rekordergebnis von 1956 in Höhe von rund 120 Mill, t liegen sollte, vor allem in den Neulandgebieten doch nicht so günstig gewesen ist, wie zunächst von sowjetischer Seite behauptet wurde. Chruschtschow hatte die Ernte in seinem Referat vor dem Dezember-Plenum des Zentralkomitees mit 139, 4 Mill, t angegeben. In demselben Referat hatte er Malenkow vorgeworfen, 1952 absichtlich falsche Angaben über den damaligen Stand der Getreideernte gemacht zu haben. Dieser habe mit der sog. „biologischen Ernte“ (Halmemte) operiert, obwohl jedermann wisse, daß die biologische Ernte bei weitem nicht identisch sei mit der realen Speicherernte. Die richtige Ernte habe 92 und nicht 131 Mill, t betragen, wie Malenkow behauptet hätte

Die „biologische Ernte“ wurde bekanntlich 193 und nicht 131 Mill, t betragen, wie Malenkow behauptet hätte 90).

Die „biologische Ernte“ wurde bekanntlich 1933 auf Beschluß der Sowjetregierung zur Grundlage der sowjetischen Getreidestatistik erhoben und ab 1937 auf alle anderen Feldfrüchte ausgedehnt. 1933 spielte Malenkow nur eine untergeordnete Rolle in der sowjetischen Politik. Die Erklärung Chruschtschows würde faktisch bedeuten, daß die sowjetische Agrarstatistik seit 1933 wissentlich gefälscht worden ist 91). Dabei nimmt es Chruschtschow selbst mit der Statistik nicht zu genau. Während er in seiner bekannten Rede vom 3. September 195 3 über die kritische Lage der sowjetischen Landwirtschaft bekanntgab, daß 1952/53 40, 4 Mill, t Getreide an den Staat abgeliefert worden seien, behauptete er jetzt nachträglich, daß die Getreidelieferung nur 34, 4 Mill, t betragen habe, d. h. rund 6, 0 Mill, t weniger.

Die Ausführungen Chruschtschows über den Stand und die Zukunftsaussichten der Sowjetwirtschaft im allgemeinen und der sowjetischen Landwirtschaft im besonderen müssen bei dieser Art mit statistischen Angaben umzuspringen nur mit allergrößter Vorsicht ausgenommen werden.

Westliche Schätzungen, daß die Getreideernte 1958 bei 115— 120 Mill, t gelegen habe, dürften der Wirklichkeit erheblich näher kommen. Das Planziel von 165 bis 180 Mill, t dürfte auf Grund der besonderen Struktur der sowjetischen Landwirtschaft auch diesmal kaum erreicht werden. Das Ziel wird durch eine Steigerung der Hektarerträge im Rahmen der gegebenen Getreideanbaufläche angestrebt, die 19 56 mit 128, 3 Mill, ha ihre bisher größte Ausdehnung hatte und sich seit dem um 3— 4 Mill, ha verringert hat 92). Auch die Steigerung die Kartoffelernte, die 1957 88 Mill, t betrug auf 147 Mill, t 1965 erscheint unwahrscheinlich. Auf dem Gebiete der Zuckerernte und damit der Zuckerproduktion sowie der Baumwollernte sind durch Erweiterung der Anbauflächen in den letzten Jahren durchaus beachtliche Erfolge erzielt worden. Es fragt sich allerdings, ob diese Methode allein ausreichen wird, um die Zuckerrübenernte, die 1957 39 Mill, t erreichte, und die Zuckerproduktion, die 1957 5, 0 Mill, t betrug, bis 1965 auf fast das Doppelte zu steigern (70— 78 Mill, t und 9— 10 Mill. t). Auch das Planziel von 5, 7 bis 6, 2 Mill, t für die Gewinnung von Rohbaumwolle, deren Ernte 19 5 8 4, 4 Mill, t ausmachte, erscheint reichlich hoch gegriffen. Allerdings ist die Erreichung dieses Planziels ebenso wie die für 1965 vorgesehene Flachserzeugung von 580 000 t, unter bestimmten Voraussetzungen denkbar.

Die geringen staatlichen Investitionen, die für die Konsumgüterindustrie und die Landwirtschaft vorgesehen sind, zeigen, daß die Sowjetführung nicht den Willen und wohl auch nicht die Kraft besitzt, um die hauptsächlichsten Disproportionen in der Sowjetwirtschaft, die einerseits zwischen der Produktionsmittel-und Konsumgüterindustrie, andererseits zwischen der Industrie in ihrer Gesamtheit und der Landwirtschaft bestehen, zu beseitigen. Diese Disproportionen, die durch den unterentwickelten Charakter des tertiären Bereichs des Dienstleistungsgewerbes noch verstärkt werden, zu denen die Disproportionen innerhalb der Produktionsmittelindustrie selbst hinzutreten, behindern die Fortentwicklung der Sowjetwirtschaft nicht weniger als die Kapital-knappheit und die Unzulänglichkeiten des Arbeitspotentials.

Eine beträchtliche Ausweitung der Konsumgüterindustrie auf Kosten der Produktionsmittelindustrie sowie eine entscheidende Modernisierung der Landwirtschaft und des Dienstleistungsgewerbes sind die Grundvoraussetzungen, um über eine Verminderung der bestehenden Disproportionen zu einer rationelleren Aufteilung des Brutto-Sozial

Produkts und damit zu einem größeren Anteil der Bevölkerung am Volkseinkommen (Netto-Sozialprodukt) zu gelangen.

Der gegenwärtige Stand der Dinge, wie er durch die folgende Tabelle illustriert wird, läßt deutlich die ökonomische Unterlegenheit der kopflastigen „funktionärskapitalistischen“ Schwerpunktwirtschaft der Sowjetunion gegenüber der marktorientierten Gleichgewichtswirtschaft der europäisch-amerikanischen Industriemächte erkennen.

Vergleich der wirtschaftlichen Strukturdaten der Sowjetunion, der westeuropäischen Länder und der Vereinigten Staaten 1955

Eine Verminderung der Disproportionen allein dürfte allerdings nicht ausreichend sein, um über eine allseitige Steigerung der Produktivität eine wesentliche Hebung des Lebensstandards zu erreichen. Hierzu gehört auch eine Dezentralisierung des Versorgungssystems und die Zulassung echter Marktpreise für die wichtigsten Erzeugnisse, insbesondere des Konsumsektors. Eine Reform des veralteten Preissystems wird zur Zeit in der Sowjetunion diskutiert, doch bestehen keine Anzeichen dafür, daß an die mögliche Einführung eines, wenn auch beschränkten Marktmechanismus gedacht ist. Eine solche Entwicklung würde eine tiefgehende Änderung der Struktur des von Stalin ererbten totalitären Herrschaftssystems, somit eine wirkliche Reform an Haupt und Gliedern voraussetzen, die von Chruschtschow nicht erwartet werden kann, da er nicht das kritische Vermögen und die geistige Unabhängigkeit besitzt, um sie von diesem System zu lösen und außerdem auch zu sehr im eschatologischen Glauben an die Möglichkeit der Verwirklichung der kommunistischen Utopie befangen ist.

VI. Die Rolle des Außenhandels im Siebenjahresplan und die Problematik der Planerfüllung

1950 1957 Zunahme EWG-Lünder 119, 9 219, 7 99, 8 Davon Westdeutschland 44, 0 90, 9 46, 9 Sowjetunion 91, 0 209, 7 118, 7 Abstand 28, 9 10, 0 Die Stromerzeugung in den westeuropäischen Ländern (ohne Großbritannien) und der Sowjetunion 1950 und 1957 (in Mrd. kwh) 27)

Die Sowjetwrtschatt ist heute an einem Wendepunkt ihrer Entwicklung angelangt, wo ein weiterer Produktionszuwachs nur noch in beschränktem Maße durch die extensive Methode der Ausweitung des Produktionsapparates erzielt werden kann. Da die derzeitige Sowjetführung offensichtlich zu einer grundlegenden Änderung ihrer bisherigen Wirtschaftspolitik nicht bereit ist, bleiben bei der beschränkten Finanzkraft der Sowjetunion nur drei Möglichkeiten, um den Planzielen näher-zukommen und gleichzeitig den Lebensstandard der Sowjetbevölkerung weiter anzuheben: 1. Eine Verminderung der Rüstungslast mittels der allgemeinen kontrollierten Abrüstung, die nur durch einen Verzicht auf die bisherige expansive Außenpolitik zu erreichen wäre:

2. die Aufnahme ausländischer Kredite, welche der Sowjetunion das fehlende Kapital für ihren Aufbau zur Verfügung stellen würden.

Auch dieser Weg setzt eine grundsätzliche Änderung der bisherigen sowjetischen Außenpolitik voraus.

3. eine Ausweitung des Außenhandels.

Auch diese hängt bei dem Bedarf der Sowjetunion an Investitionsgütern weitgehend von einer Änderung des außenpolitischen Klimas ab.

Das Volumen des sowjetischen Außenhandels hat sich von 1938 bis 1957 mehr als versechsfacht. Der sowjetische Anteil am Welthandel ist trotzdem, wie aus der folgenden tibersicht hervorgeht, gering geblieben.

Der Anteil der heute kommunistisch regierten Länder am sowje tischen Außenhandel ist dabei von 13 v. H. im Jahre 1938 auf 73, 7 v. H. im Jahre 1957 angestiegen, wobei innerhalb des Ostblocks 1957 die SBZ mit 19, 5 an Stelle der Volksrepublik China zum wichtigsten Handelspartner der Sowjetunion aufgestiegen ist.

Die immer enger werdende wirtschaftliche Verflechtung der Sowjetunion mit den übrigen Ostblockländern bedeutet für die Sowjetwirtschaft eine Entlastung, macht sie aber andererseits, wie die Entwicklung nach den Ereignissen in Polen und Ungarn 1956 gezeigt hat, für Krisenerscheinungen in diesem Bereich anfälliger, zumal der Außenhandel mit diesen Ländern auf Grund der Machtstruktur des Ostblocks nicht nur einen außen-, sondern auch binnenwirtschaftlichen Aspekt besitzt.

Der Anteil der Entwicklungsländer am sowjetischen Außenhandel ist von 1955 bis 1957 um 60, 7 v. H. gestiegen und hat sich damit auf 9, 8 v. H. vergrößert.

Der Anteil der westlichen Industrieländer, die mit ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten eine wesentliche Ergänzung für die noch nicht voll entwickelte sowjetische Großraumwirtschaft bilden könnten, ist nur geringfügig. Er beträgt insgesamt nur 16, 5 v. H., wobei 3, 8 v. H. allein auf Finnland entfallen. Es folgen Großbritannien mit 3, 6 v. H., Frankreich mit 1, 7 v. H. und die Bundesrepublik Deutschland mit 1, 6 v. H.

Der Anteil der Vereinigten Staaten und Kanadas beträgt nur 0, 5 v. H.

Auf Grund des Siebenjahresplanes ist keine wesentliche Änderung in dieser Aufteilung zu erwarten. Der gesamte Außenhandel mit den Ostblockländern soll 1965 einen Wert von 36— 38 Mrd. Rubel ausmachen, was der Hälfte des gesamten gegenwärtigen Außenhandels der Bundesrepublik entsprechen würde.

Sollte die Sowjetführung von den oben genannten Möglichkeiten keinen Gebrauch machen, so würde dies für die Sowjetbevölkerung neue Entbehrungen und den Verzicht auf eine baldige entscheidende Besserung ihrer Lebensbedingungen bedeuten. Die Opfer, die ihr in diesem Fall zugemutet würden, dürften nach der Lage der Dinge kaum ausreichen, um eine annähernde Erfüllung des neuen Plans sicherzustellen.

E. Die ideologische Seite des 21. Parteikongresses der KPdSU

Elektroenergie (Mrd. kWh) Erdöl (Mill, t)

Gas (Mrd. cbm) Steinkohle (Mill, t) Stahl (Mill, t) USA 389 267 214 505 88 1950 UdSSR 91 38 6 185 27 Abstand 298 229 208 320 61 USA 675 354 326 477 105 1956 UdSSR 192 84 14 304 49 Abstand 483 270 312 173 56 Die Produktion der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion auf dem Gebiete der Grundstoffindustrie 1950 und 1956 32)

I. Die Behandlung ideologischer Fragen auf dem 21 Parteikongreß

Erster Fünfjahresplan (1929— 1932) Zweiter Fünfjahresplan (1933— 1937) Dritter Fünfjahresplan (Drei Jahre 1938— 1940) Vierter Fünfjahresplan (1946— 1950) Fünfter Fünfjahresplan (1951— 1955) Sechster Fünfjahresplan (Drei Jahre 1956— 1958) 19, 2 v. H. 17, 1 v. H. 13, 2 v. H. 13, 6 v. H. 13, 2 v. H. 10, 0 v. H. Durchschnittliche Gesamt-Zuwachsrate der sowjetischen Industrie seit 1929 38)

Die ideologischen Fragen haben auf dem 21. Parteikongreß eine überaus große Rolle gespielt. Dies war zu erwarten gewesen, nachdem sich im Spätsommer 195 8 zum „Revisionismus“ Tito-Jugoslawien und zu dem in letzter Zeit besonders heftig bekämpften „Dogmatismus“ und „Sektierertum“ der Anti-Partei-Gruppe die in den „Volkskommunen“ zum Ausdruck kommende chinesische Abweichung vom sowjetischen Modell hinzugesellt hatte.

Es bedeutete daher keine Überraschung, daß einer der Hauptteile des Chruschtschow-Berichts ausschließlich ideologischen Fragen gewidmet war, wobei folgende Themen behandelt wurden:

1. Die niedere und höhere Phase des Kommunismus 2. Wirtschafts-und Staatstheoretische Probleme beim Aufbau des Kommunismus 3. Die Frage des besonderen Weges der einzelnen sozialistischen Länder Schon aus der Reihenfolge dieser Themen ist deutlich zu ersehen, daß der Reformkommunismus titoistischer Prägung, der von den meisten Diskussionsrednern auf dem Parteikongreß scharf angegriffen wurde, nicht der alleinige Grund gewesen ist, der Chruschtschow veranlaßte, in seinem Bericht über den neuen Wirtschaftsplan ideologischen Fragen so auffallend viel Raum zu widmen. Das Kapitel IV („Die neue Etappe des kommunistischen Aufbaus und Fragen der marxistisch-leninistischen Theorie“) ist keineswegs die einzige Stelle des Berichts, in dem Chruschtschow ideologische Fragen berührte. Er ist auf sie auch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Sieben-Jahresplan und insbesondere bei der Behandlung der Erziehungsreform eingegangen. Im außenpolitischen Teil ist die von ihm auf dem 20. Parteikongreß aufgestellte These von der Vermeidbarkeit von Kriegen weiter ausgebaut und modifiziert worden.

Chruschtschows ideologischer Beitrag, auf den im folgenden näher eingegangen werden soll, zeichnet sich weder durch Originalität, noch durch ein beachtliches geistiges Niveau aus, obgleich er von seinen Parteigängern als eine große Bereicherung der „Schatzkammer des Marxismus-Leninismus“ überschwänglich gepriesen worden ist. Die von ihm geäußerten Gedanken, die im wesentlichen auf der Stalinschen Interpretation Lenins aufbauen, sollen nach Mitteilung von Ignatow und Kuusinen in das n eue Parteiprogramm ausgenommen werden, dessen Abfassung bereits vom 18. Parteikongreß im März 1939 beschlossen, dann aber immer weiter von Kongreß zu Kongreß verschoben worden war. Als „großer Theoretiker“ des Marxismus-Leninismus, der sich mittelbar erlauben durfte, den „sehr großen Theoretiker“ Mao Tsetung über bestimmte Fragen der Ideologie zu belehren, erhält der Pragmatiker Chruschtschow die noch fehlende Weihe, der der charismatische Führer in einem Raum, in dem revolutionäre Theorie und Praxis eine unauflösliche Einheit bilden, bedarf. Die „Iswestija" ist in einem Kommentar sogar so weit gegangen, Chruschtschow als „Klassiker des Marxismus-Leninismus“ zu bezeichnen. Ein Rang, der bekanntlich Stalin auf dem 20. Parteikongreß aberkannt worden war. Der Name Stalins wurde von Chruschtschow nur eingangs einmal erwähnt, im übrigen aber von allen Diskussionsrednern vorsorglich verschwiegen. Diese Taktik ermöglichte es Chruschtschow, die Frage der Entstalinisierung, die den Kern des 20. Parteitages gebildet hatte, zu umgehen, und zugleich auf dem ideologischen Gebiet als „getreuer Schüler und Fort-setzer des großen Lenin“ in Erscheinung zu treten.

II. Die beiden Phasen des Kommunismus und der gegenwärtige Stand der „Verschiedene Wege”-Theorie

4, 8 0, 2 1937 1955 Zunahme (in Mill. Stück) USA 9, 2 4, 4 UdSSR 0, 46 0, 26 Abstand 4, 6 8, 74

Im Mittelpunkt der ideologischen Ausführungen Chruschtschows steht eine Darstellung der Unterschiede zwischen der niederen und höheren Phase des Kommunismus, die sowohl für die nähere Bestimmung des gegenwärtigen ideologischen Standortes der Sowjetunion als auch für die Auseinandersetzung mit der chinesischen Abweichung von Bedeutung ist.

Bisher wurden in der marxistisch-leninistischen Ideologie in der Entwicklung vom Kapitalismus zum Kommunismus eine sozialistische Vor-phase und eine kommunistische Endphase unterschieden. Beide Phasen wurden durch bestimmte Merkmale deutlich von einander abgegrenzt. Bestimmend für die erste, niedere Phase war das Prinzip: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung“, für die zweite, höhere Phase dagegen das Prinzip: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.“ Diese beiden Formeln, von denen auch Chruschtschow ausgeht, bildeten die übliche ideologische Umschreibung für die Unterscheidung zwischen dem „Sozialismus" und „Kommunismus“.

Im Anklang an Lenin und Stalin konnten bisher die einzelnen Merkmale der beiden Phasen in folgende fünf Gruppen zusammengefaßt werden:

Innerhalb der sozialistischen Vorphase wurden von sowjetischer Seite folgende Etappen unterschieden: 1. Die Errichtung des Fundaments bzw.der Grundlagen des Sozialismus. Diese Etappe, die 1928 mit dem ersten Fünfjahresplan begann, wurde 1932 gemäß dem Beschluß der 17. Parteikonferenz abgeschlossen. 2. Die Errichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung auf der Grundlage der obenerwähnten materiell-technischen Basis. Die Behauptungen Molotows (1935) und Stalins (1936) vom vollständigen Sieg des Sozialismus wurden auf dem 18. Parteikongreß 1939 dahingehend modifiziert, daß der Sozialismus in der Sowjetunion „im wesentlichen" aufgebaut ist. 3. Die Vollendung des Aufbaus des Sozialismus und der allmähliche Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus.

Diese Übergangsphase wurde durch den 18. Parteikongreß im März 1939 eingeleitet. In dem vom 19. Parteikongreß im Oktober 1952 angenommenen Parteistatut wurde festgestellt, daß die Partei „den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft gesichert hat“ und daß „die Hauptaufgaben der Kommunistischen Partei der Sowjetunion zur Stunde darin bestehen, durch den allmählichen Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus die kommunistische Gesellschaft aufzubauen.“

Gemäß Chruschtschow würde die Sowjetunion erst jetzt nach dem endgültigen und nicht nur vollständigen Sieg des Sozialismus in die Phase des entfalteten Aufbaus des Kommunismus eintreten. Wenn man sich die Merkmalsunterschiede zwischen dem „Sozialismus" und „Kommunismus" sowie die obenerwähnte Unterteilung der sozialistischen Vorphase vor Augen hält, wird man sich bewußt, wie sehr die Chinesen mit der ursprünglichen Fassung ihrer Volkskommunenkonzeption 9Ö) von dem Moskauer Vorbild abgewichen sind. Diese Abweichung, die durch die chinesische Feststellung, daß sich Rot-China noch im sozialistischen Durchgangsstadium befinden würde, nicht ausgeräumt wird, ist vor allem in folgenden Punkten zu erblicken: 1. Die Chinesen haben sich über die Unterteilung der sozialistischen Vorphase, die bei der Auseinandersetzung Chruschtschows mit Molotow 1955 eine so wesentliche Rolle gespielt hat, einfach hinweggesetzt.

Obgleich sie gemäß ihren offiziellen Erklärungen die ersten beiden Etappen beim entfalteten Aufbau des Sozialismus noch nicht zurückgelegt hatten, forderten sie bereits jetzt, eine aktive Benutzung der Volkskommunen, um „einen konkreten Weg für den Übergang zum Kommunismus zu erproben“.

Eine solche Erprobung konkreter Übergangswege zum Kommunismus wäre nach der sowjetischen Auslegung der marxistisch-leninistischen Ideologie frühestens beim Eintritt in die dritte Etappe des sozialistischen Aufbaus theoretisch überhaupt vorstellbar, praktisch jedoch erst dann möglich, nachdem dieser Aufbau vollendet und gesichert worden war.

Ohne in die dritte Etappe des sozialistischen Aufbaus eingetreten zu sein, deklarierten die Chinesen die Volkskommunen als „beste Organisationsform“ sowohl für die Verwirklichung des Sozialismus, als auch für den allmählichen Übergang zum Kommunismus. Im August-Beschluß des chinesischen Zentralkomitees wurden die Volkskommunen ausdrücklich als Mittel bezeichnet, um „den Aufbau des Sozialismus vorfristig zu vollenden und den allmählidten Übergang zum Kommunismus durchzuführen“.

2. Die Beschleunigung des Tempos des sozialistischen Aufbaus mit Hilfe der Volkskommunen war mit der im August-Beschluß enthaltenen Behauptung verbunden: „Die Verwirklichung des Kommunismus in China scheint keine Frage der fernen Zukunft mehr zu sein“. Im Beschluß wurde erklärt, daß praktisch im Kollektiveigentum der Volks-kommunen bereits einige Elemente des Volkseigentums enthalten seien, und daß der endgültige Übergang vom Kollektiveigentum zum Volks-eigentum ein Prozeß sei, „der in einigen Fällen weniger Zeit (etwa drei bis vier Jahre) in anderen Fällen mehr Zeit (vielleicht fünf oder sechs Jahre oder noch mehr) in Anspruch nehmen kann“.

Dabei hatte die Sowjetunion zehn Jahre gebraucht, um den Sozialismus „im wesentlichen“ aufzubauen. Seit zwanzig Jahren befand sie sich in der anschließenden Übergangsphase vom Sozialismus zum Kommunismus, ohne in die Phase des entfalteten Aufbaus des Kommunismus eingetreten zu sein. Jetzt kamen die Chinesen, die selber nur sechs „sozialistische" Aufbaujahre aufzuweisen hatten, und behaupteten, in den Volkskom-munen ein Wundermittel gefunden zu haben, um nicht nur den sozialistischen Aufbau in kürzester Frist zu vollenden, sondern in etwa sechs Jahren auch den kommunistischen Aufbau auf dem Lande im wesentfichen verwirklichen zu können.

3. Die Volkskommunen die von chinesischer Seite als „gesellschaftliche Grundeinheiten der künftigen kommunistischen Gesellschaft" präsentiert wurden, wiesen einige typische Merkmale der kommunistischen Endphase auf. Die Volkskommunen sollten nicht nur dazu dienen, vier von den fünf Voraussetzungen (Nr. 2 bis 5) mittels der Volks-kommunen in verhältnismäßig kurzer Zeit zu realisieren, sondern zugleich auch mit der Verwirklichung der Hauptvoraussetzung (Nr. 1) beginnen zu können.

Die sowjetische Parteipropaganda verhielt sich gegenüber dem chinesischen Experiment und dem mit ihm verbundenen Anspruch, es gäbe einen kürzeren Weg zum Kommunismus als den russischen, von vornherein äußerst zurückhaltend. Es wurde jedoch bald bekannt, daß Chruschtschow diesem von Mao Tse-tung bewußt gesetzten Akt „permanenter Revolution“, mit dem die Chinesen die Sowjets in ideologischer Hinsicht zu überflügeln drohten, ablehnend gegenüberstand. Dies ging aus seiner Unterredung mit dem amerikanischen Senator Humphrey und entsprechenden Äußerungen Mikojans während seiner AmerikaReise deutlich hervor Chruschtschow vermied es jedoch, sich über die Volkskommunen, die er gegenüber Humphrey als „altmodisch und rückschrittlich“ bezeichnete, öffentlich zu äußern. Dafür waren die sowjetischen Ideologen fieberhaft bemüht, eine Formel zu finden, um die ideologische Kluft, die sich zwischen Moskau und Peking aufgetan hatte, zu überbrücken. Besonderes Aufsehen erregte ein Aufsatz von Stepanjan im Oktoberheft der „Woprossy Filosofii (Fragen der Philosophie in dem er die ungleichmäßige Entwicklung des Sozialismus zugab und innerhalb des sozialistischen Weltsystems auf einmal eine besondere europäische und asiatische Gruppe unterschied, die jeweils getrennt, zum Kommunismus gelangen würden. Stepanjan behauptete dabei, daß die europäische Gruppe auf Grund ihres technischen Vorsprungs vor der asiatischen geschlossen als erste das kommunistische Endziel erreichen würde. Stepanjan schrieb „Wenn wir über die Zukunft der weiten Entfaltung der kotnmunistisdien Formation sprechen, so müssen wir eine neue Gesetzmäßigkeit der Entwidmung berüdzsiditigen: die allmähliche Überwindung der historisch entstandenen Ungleichmäßigkeit der Entwicklung innerhalb des Weltsystems des Sozialismus. Die ungleichmäßige Entwiddung der Länder und Völker, die historisch auf der Basis des Privatbesitzes entstanden ist und in der Periode des Imperialismus ihre weitestgehende Versdiärfung erfahren hat, beginnt auf der Basis des gesellschaftlichen Eigentums, im Verlauf der Entwiddung des sozialistischen Weltsystems sowie im Prozeß der gegenseitigen Hilfe und Zusammenarbeit aller Länder des Sozialismus allmählich zu verschwinden. Diese unter den Bedigungen der beginnenden wissenschaftlich-technischen Revolution auftretende neue Gesetzmäßigkeit gibt einer ganzen Gruppe von Ländern 'die Möglichkeit, offensichtlidt, nadh Wirtschaftszonen, fast zur gleichen Zeit in die Epoche des Kommunismus einzutreten. Es ist anzunehmen, daß die europäischen Länder des Sozialismus, die im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe vereint sind, eine besondere Wirtsdtaftszone bilden und als erste in den Kommunismus eintreten werden. Die asiatisdren Länder des Sozialismus, die in ihrer wirtsdiaftlichen und kulturellen Entwicklung vieles gemeinsam haben, werden eine zweite regionale Zone bilden und ebenfalls gemeinsam in den Kommunismus eintreten".

Diese „Verschiedene Zonen“ -These Stepanjans brauchte von Chruschtschow nicht ausgenommen zu werden, da die Chinesen inzwischen selbst infolge ihrer inneren Schwierigkeiten gezwungen waren, ihre Volkskommunen-Konzeption zu modifizieren und sie stärker als bisher der von den Sowjets vertretenen ideologischen Linie anzupassen. Dieses geschah in dem Beschluß des Zentralkomitees der chinesischen KP vom 10. Dezebmer 1958 Der Kernsatz dieses Beschlusses lautete: „Beim Übergang von Sozialismus zum Kommunismus . . . dürfen wir nicht dem utopischen Traum verfallen, daß es möglich sei, das Stadium des Sozialismus zu überspringen und direkt in den Kommunismus einzutreten“. Jeder übereilte Versuch, das Prinzip „Jedem nach seiner Leistung“ durch das Prinzip „Jeder nach seinen Bedürfnissen“ zu ersetzen, d. h. jeder unsere Kräfte übersteigende Versuch, unter nicht herangereiften Voraussetzungen zum Kommunismus zu gelangen, ist zweifellos eine Utopie, der kein Erfolg beschieden sein kann“. In ganz anderer Weise wie im August-Beschluß wird in der sog. Wuhan-Resolution immer wieder auf den allmählichen Charakter des Übergangs vom Sozialismus zum Kommunismus verwiesen.

Sie wendet sich in scharfer Form gegen die zahlreichen übereifrigen Parteimitglieder, die im August-Beschluß eine Anweisung zum beginnenden Aufbau des Kommunismus erblickt hatten, und erklärt:

„Sie glauben, daß der Aufbau einer hochentwickelten modernen Industrie usw., die vollständige Verwirklidtung des allgemeinen sozialistisdten Volkseigentums oder gar der Aufbau des Kommunismus sehr einfadt sind. Sie sind der Meinung, daß das Eigentum in den ländlidcen Volkskommunen schon fetzt allgemeines Volkseigentum sei und daß sie sehr bald oder gar sdwn fetzt das sozialistisdte Prinzip „Jedem nadt seiner Leistung“ aufgeben und das kommunistisdte Prinzip „Jedem nach seinen Bedürfnissen" anwenden zu können. Sie können die Tatsadte nicht begreifen, daß das sozialistische System noch sehr lange Zeit andauern wird. Diese Ansicht ist natürlich die Folge von Mißverständnissen, und jedes Mißverständnis muß geklärt werden".

An anderer Stelle heißt es:

„Dieser Übergang wird in Etappen und Gruppen vor sich gehen und auf nationaler Ebene erst nach einer beträditlidten Zeit erfolgen. Diejenigen, die dies nicht verstehen und überhastet versudten, das Kollektiveigentum auf dem Lande vor der Zeit abzuschaffen und überstürzt den Übergang zum allgemeinen Volkseigentum zu vollziehen, verwedtseln die Erridttung von Volkskommunen mit der Verwirklichung des allgemeinen Volkseigentums. Sie handeln falsch und können daher keinen Erfolg haben. Mehr noch der Übergang vom sozialistischen Kollektiveigentum zum sozialistischen allgemeinen Volkseigentum ist mit dem Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus nicht gleidtzusetzen. Noch weit weniger ist der Übergang von den landwirtsdtaftlichen Produktionsgenossensdiaften zu den Volkskommunen mit dem Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus gleichzusetzen. Der Übergang von Sozialismus zum Kommunismus wird weit mehr Zeit erfordern als der Übergang vom sozialistischen Kollektiveigentum zum sozialistischen allgemeinen Volkseigentum“.

Zusammenfassend heißt es:

„Jeder Marxist muß wissen, daß der Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus ein langer und komplizierter Entwicklungsprozeß ist und das während dieses ganzen Prozesses die Gesellschaft immer noch einen sozialistischen Charakter trägt“.

Zu der Dauer der Übergangsphase wird bemerkt:

„Dieser ganzer Prozeß wird sich noch auf etwa 15 bis 20 Jahre, ja vielleicht noch mehr Jahre erstredten“.

Wenn der Dezember-Beschluß den Sowjets auch in der Frage des Aufbautempos und der längeren Zeitdauer des etappenmäßigen Übergangs vom Sozialismus zum Kommunismus entgegenkam, so waren die Chinesen andererseits nicht bereit, den Kommunismus gänzlich in die ferne Zukunft zu verweisen und auf die Entwicklung der „Keime des Kommunismus" im Rahmen der Volkskommunen zu verzichten. Das Beharren auf dem ursprünglichen Standpunkt, den man nur in bestimmten Grenzen zu revidieren bereit war, geht aus dem folgenden Passus hervor: „Es stimmt, daß das System der freien Versorgung, das von den Volkskommunen angenommen wurde, einen Keim des kommunistischen Prinzips der Verteilung nach den Bedürfnissen in sich birgt. Das Prinzip der Volkskommunen, sowohl die Industrie als auch die Landwirtschaft zu entwickeln, eröffnet den Weg, um die Unterschiede zwischen Stadt und Land und zwischen Arbeitern und Bauern zu überwinden. Wenn die ländlichen Volkskommunen vom sozialistischen Kollektiveigentum zum allgemeinen sozialistischen Volkseigentum übergehen, werden diese Keime des Kommunismus weiter wachsen. All dies muß anerkannt werden. Darüber hinaus werden mit der dank der stetigen Entwicklung von Industrie und Landwirtsdiaft im ganzen Lande ständig steigenden Gesellsdtaftsproduktion, mit dem alimältlich immer größer werdenden Anteil der nach dem Verteilungssystem der 'Volkskommunen kostenlos zu verteilenden Produkte, mit der schrittweisen Anhebung der freien Belieferungsnormen, mit dem ständig steigenden politischen Bewußtsein des Volkes, mit dem steigenden Fortschritt im allgemeinen Volksbildungswesen, mit der allmählichen Verringerung des Unterschiedes zwischen geistiger und körperlicher Arbeit, mit dem schrittweisen Abbau der inneren Funktionen der Staatsmacht usw. Schritt für Schritt auch die Voraussetzungen für den Übergang zum Kommunismus heranreifen. Es ist natürlich nicht richtig, den Verlauf dieser Entwicklung zu ignorieren oder gar zu hemmen und den Kommunismus in die ferne Zukunft zu verweisen“ .

Der Dezember-Beschluß forderte, sich bei der Bildung von Volkskommunen in den Städten nicht zu übereilen, doch sollten einzelne Versuche fortgesetzt werden.

Der begrenzte Rückzug der Chinesen, der nicht nur in der Wuhan-Resolution, sondern auch in der Aussprache Tschou En-lais und in der Grußadresse Mao Tse-tungs zum Ausdruck kam, erleichtert die Aufgabe Chruschtschows, einen Kompromiß zwischen den divergierenden ideologischen Auffassungen der beiden kommunistischen Großmächte zu finden. Dieser Kompromiß kam einerseits in einer gewissen Neubelebung der „Verschiedene Wege“ -Theorie, die von Kiritschenko auf dem Prager Parteikongreß der tschechoslowakischen KP im Juni 1958 bei der Auseinandersetzung mit dem Titoismus über Bord geworfen worden war, und in der Feststellung zum Ausdruck, daß die niedere und höhere Phase des Kommunismus nicht scharf von einander getrennt werden könnten.

Der „Sozialismus“ (als Vorphase) würde in den „Kommunismus" (als Endphase) hinüberwachsen. Dagegen sei ein Hinüberwachsen des Kapitalismus in den Sozialismus, wie es vom Reformkommunismus behauptet würde, unmöglich.

Bei der Darstellung der Merkmale der beiden Phasen hat sich Chruschtschow im wesentlichen an das bisherige Schema gehalten. Im Rahmen dieses Schemas ging es ihm vor allem um den Nachweis, daß nur von einem bestimmten materiellen und geistigen Niveau aus der Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus vollzogen werden könne.

Die verstärkte Kritik an der ursprünglichen chinesischen Konzeption ist vor allem in jenen Teilen der Chruschtschow-Rede unverkennbar, in denen der sowjetische Partei-und Regierungschef in Kritik an denjenigen Kommunisten übte, die einen „gleichmacherischen“ Kommunismus in einem „überstürzten“ Tempo verwirklichen möchten. Auch die Anspielungen auf die überholten Experimente aus der Periode des „Kriegskommunismus"

und die abfällige Bemerkung über die „gleichmacherische Verteilung nach den Mündern" waren offensichtlich Peking und nicht irgendwelchen sowjetischen Parteigenossen zugedacht

Nach Chruschtschow darf das sozialistische Durchgangsstadium nicht übersprungen werden. Vom Kapitalismus könne man nicht gleich in den Kommunismus gelangen. Wörtlich heißt es: „Man darf nichts überstürzen und übereilt das einführen, was noch nicht herangereift ist. Das würde zu Entstellungen unserer Sache führen und sie kompromittieren“. An anderer Stelle findet sich der Satz: „Die Gleichmacherei (urawlinowka) würde nicht den Übergang zum Kommunismus, sondern seine Diskreditierung bedeuten. Triumphierend bezeichnet Chruschtschow die Sowjetunion als das erste kommunistisch regierte Land, das solche Höhen in seiner Entwicklung erklommen habe, die den Eintritt in die Periode des entfalteten Aufbaus der kommunistischen Gesellschaft ermöglichen würden.

Die These von der ungleichmäßigen Entwicklung des „sozialistischen Weltsystems“, zu der sich Stepanjan bekannte, wird von Chruschtschow als „revisionistisch“ verworfen. Für ihn ist das Gesetz der planmäßigen proportionalen Entwicklung bestimmend, das es angeblich allen übrigen Ostblockländern „mehr oder weniger gleichzeitig“ ermöglichen würde, ebenfalls von der niederen in die höhere Phase des Kommunismus eintreten

Chruschtschow erkennt an, daß sich aus der „großen Vielfalt der historischen Bedingungen“ und den nationalen Besonderheiten eine Verschiedenartigkeit der Methoden und Formen beim kommunistischen Aufbau ergibt. Er betont jedoch, „daß das Wichtigste, Bestimmende in der Entwicklung aller Länder auf dem Wege zum Kommunismus die für sie allgemein gültigen Gesetzmäßigkeiten und nicht ihre besonderen Erscheinungsformen sind.“ In diesem Sinne könne man zum Sozialismus nicht auf einem Wege gelangen, der abseits von dem vom Marxismus-Leninismus, d. h. von Moskau gewiesenen gemeinsamen Weg liegt.

Diese Bemerkungen bedeuten eine noch über Susslow hinausgehende einschränkende Auslegung der auf dem 20. Parteikongreß verkündeten Lehre von den „verschiedenen Wegen zum Sozialismus".

Diese enge Auslegung der „Verschiedene Wege“ -Theorie läßt es zwar zu, Volkskommunen oder Arbeiterräte, die Chruschtschow als jugoslawische Besonderheit ausdrücklich anerkannte, als innere Angelegenheiten anzusehen, fordert aber das Bekenntnis zum „Prinzip der internationalen proletarischen Solidarität“ und damit die vorbehaltlose Anerkennung der ideologischen Führung der Sowjetunion. Die Formel „das sozialistische Lager unter Führung der Sowjetunion“, die beim Treffen Chrustchschow—Mao Tse-tung Anfang August 1958 unter den Tisch gefallen war, wurde von Tschou En-lai in seiner Ansprache wieder hervorgeholt. So fiel es dem sowjetischen Partei-und Regierungschef nicht schwer, den Chinesen im Gegensatz zu den Jugoslawen ein „klassenmäßiges Herangehen an alle Probleme“ zu bescheinigen und jegliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Peking und Moskau zu leugnen.

iH. Der Ausbau der sowjetischen Wirtschaftslehre

Kohle Stahl Erdöl Elektroenergie 1951-55 8, 4 10, 6 13, 4 13, 5 1956 9, 7 7, 3 18, 4 12, 9 1957 7, 9 4, 9 17, 3 9, 1 1958 7, 0 7, 0 14, 7 11, 0 Sechster 15-5-Jahres-plan Jahres-plan

(1956— 60) (1959-65)

(1958-72) 8, 6 8, 5 13, 6 13, 5 3, 4 6, 9 10, 4 11, 8 2, 8 5, 3 9, 4 9, 7

Innerhalb der kommunistischen Endphase werden von Chruschtschow ebenso wie bei der sozialistischen Vorphase einzelne Etappen unterschieden. Die Hauptaufgabe der ersten Etappe, die bis 1970 zurückgelegt werden soll, ist die Schaffung der materiell-technischen Basis des Kommunismus und der entscheidende Tempogewinn im wirtschaftlichen Wettbewerb mit den Vereinigten Staaten. Erst nachdem die Grundlagen des Kommunismus gelegt sind, kann nach Chruschtschow mit dem umfassenden Aufbau der kommunistischen Gesellschaftsordnung begonnen werden.

Die wirtschaftstheoretischen Ausführungen Chruschtschows, die im wesentlichen auf Stalins „Ökonomischen Problemen des Sozialismus“ (1952) beruhen, gehen von den bereits erwähnten fünf Merkmalen des kommunistischen Endstadiums aus und lassen vor allem auf arbeitsund agrarpolitischem Gebiet deutlich die Richtung erkennen, die vom so-wjetischen Partei-und Regierungschef in nächster Zeit, verfolgt werden wird.

Folgende Fragen wurden von Chruschtschow behandelt: 1. Das Problem der Bedürfnisbefriedigung und Güterverteilung Stalin ist in seiner obenerwähnten Schrift davon ausgegangen, daß beim Übergang zum Kommunismus die Waren-und Geldzirkulation wegfallen würde. Über die technische Regelung der Verteilung hat er sich nicht weiter ausgelassen. Chruschtschow geht in sehr vorsichtiger Form auf die Frage der Bedürfnisbefriedigung und Güterverteilung ein. Er betont, daß die unbedingte Voraussetzung für die Versorgung der Bevölkerung nach den Bedürfnissen die Erzielung eines Überflusses an materiellen und geistigen Gütern sei, die für den Lebensunterhalt erfordert würden. Der Zwang zur Regulierung der Verteilung könne daher liebiger Höhe frei befriedigt werden. Nur für den „gesunden Bedarf eines kulturell entwickelten Menschen“ bestehe diese Möglichkeit.

Chruschtschow glaubt die ersten Anfänge einer solchen Entwicklung darin zu erblicken, daß bereits auf sozialpolitischem und kulturellen Gebiet in steigendem Maße staatliche Leistungen allen Kreisen der Bevölkerung ohne Rücksicht auf ihre Arbeitsleistung frei zur Verfügung gestellt würden. Als Beispiele wurden von ihm der kostenlose Schulunterricht, die unentgeltliche ärztliche Betreuung, der Aufenthalt in Sanatorien, die Unterhaltung von Kulturhäusern und Bibliotheken sowie die Zahlung von Pensionen und Renten an Alte und Arbeitsunfähige genannt. Die kommunistische Entwicklungstendenz soll in der ersten Etappe durch Heraufsetzung der Pensionen und Abschaffung der Einkommensteuer gefördert werden. Die unsozialen indirekten Steuern, die in Form der „Umsatzsteuer" und der Gewinnabführung der Betriebe auf allen Verbrauchsgütern in einer Höhe bis zum Neunfachen des Erzeugerpreises lasten, sollen dagegen nicht angetastet werden. 2. Die Angleichung von geistiger und körperlicher Arbeit bei veränderter Grundeinstellung zur Arbeit Chruschtschow ist bestrebt, dieses Ziel mit Hilfe zweier Methoden zu erreichen:

a) Durch eine Erleichterung der Arbeitsbedingungen mittels einer weitgehenden Mechanisierung und Automatisierung, die eine Verkürzung der Arbeitszeit ermöglicht.

b) Durch die Verbindung der theoretischen Ausbildung mit der praktischen Arbeit mittels der Polytechnisierung, wie sie in der Erziehungsund Bildungsreform zum Ausdruck gekommen ist.

Die auf diesem Wege angestrebte allmähliche Verwandlung der Arbeit aus einer Last in ein Hauptbedürfnis des Lebens soll nach Chruschtschow nicht mit einer Lockerung der Arbeitsdisziplin verbunden sein. Er fordert vielmehr eine Verschärfung der Disziplin, da die hochmechanisierte Industrie eine besonders strenge Unterordnung des Arbeitnehmers unter den Produktionsrythmus erfordert. 3. Die Überwindung de. Stadt-Land-Gegensatzes durch Umwandlung der Kolchosen in Agrostädte Die klassenlose Gesellschaft, die Chruschtschow als Endziel vorschwebt, setzt nicht nur die Angleichung der geistigen und körperlichen Arbeit, sondern auch der Lebens-und Arbeitsbedingungen zwischen Stadt und Land voraus.

Die Überwindung des Stadt-Land-Gegensatzes soll auf zwei Wegen erreicht werden:

a) Die genossenschaftliche Betriebs-und Eigentumsform der Kolchose soll durch Anpassung an die Sowchose allmählich der im industriellen Sektor allein maßgebenden staatlichen Betriebs-und Eigentumsform Platz machen.

Im Zuge dieses Angleichungsprozesses soll das Kolchoseigentum auf das Niveau des allgemeinen Volkseigentums gehoben werden.

Die ländliche Lebensform soll durch Umgestaltung der Kolchose in Agrarkommunen städtischen Typs allmählich in eine städtische umgewandelt werden.

Zur Verwirklichung dieser Zielsetzung schweben Chruschtschow folgende Maßnahmen vor: 1. Durch eine verstärkte Mechanisierung und Modernisierung soll eine erhebliche Produktionssteigerung erreicht werden. Diese soll für die Kolchosbauern in Verbindung mit dem Übergang zu einer festen geldlichen Entlohnung den Anreiz bilden, auf den verbliebenen Privatbesitz an Hofland und Vieh „freiwillig“ zugunsten der Kollektivwirtschaft zu verzichten.

2. Durch eine Erhöhung der „unteilbaren Fonds“ durch Einbehaltung eines größeren Anteils an den Kolchoseinnahmen soll die Möglichkeit geschaffen werden, diese in stärkerem Maße als bisher für öffentliche Aufgaben heranzuziehen. Damit würde die Umwandlung des Kolchoseigentums in das allgemeine Volkseigentum beschleunigt. 3. Durch die Bereitstellung erhöhter Investitionsmittel in Gestalt der „unteilbaren Fonds“ soll nicht nur die Schaffung von gemeinsamen Einrichtungen der jeweiligen Kollektivwirtschaft, sondern auch mehrerer Kolchose ermöglicht werden. Diese sollen in arbeitsteilige Beziehungen «treten und sich auch mit industrieller Tätigkeit befassen. Gedacht ist u. a. an die Errichtung von Kraftwerken, Bewässerungskanälen, Betrieben der Nahrungsmittel-und Baustoffindustrie und Straßenbauten.

Der Gedanke der Bildung von Kolchos-Föderationen ist von Chruschtschow nicht ausgenommen worden. Dafür ist er für die Vereinigung kollektivwirtschaftlicher Produktionsmittel mit staatlichen eingetreten, die es erlauben würde, die landwirtschaftliche Arbeit nach und nach in eine Abart der industriellen zu verwandeln.

Die Krönung aller obenerwähnten Maßnahmen soll die Schaffung von stadtähnlichen Siedlungen, von Kolchosstädten bilden, in denen die ländliche Bevölkerung zusammengefaßt werden soll. Es ist das alte Projekt der „Agrostädte“, das von Chruschtschow, nachdem er 1951 am Widerstand der Politbüromehrheit gescheitert war, wieder ausgenommen wird. Die chinesischen Volkskommunen mögen den sowjetischen Partei-und Regierungschef in diesem Vorhaben bestärkt haben.

Wörtlich heißt es im Chruschtschow-Bericht:

„Audi in der Zukunft stellt sich die Partei das Ziel, das Koldwsdorf in sdiwucke Ortsdiaften städtisdien Typs unter Ausnutzung aller Errungenschaften der modernen kommunalen, kulturellen und anderen Dienstleistungen zu verwandeln.“

Podgornyj machte im Anschluß an die Rede Chruschtschows die Mitteilung, daß in der Ukraine bereits in diesem Jahr mit der Schaffung von Kolchos-Städten begonnen werden wird. Sie sollen „als Vorbild für eine künftige Durchführung dieser Arbeit in breiteren Maßstäben dienen." 4. Das Problem der klassenlosen Gesellschaft Gegenüber den weitgespannten Plänen Chruschtschows war in dem Diskussionsbeitrag Susslows, der neben den Äußerungen Chruschtschows in ideologischer Hinsicht am interessantesten war, ein skeptischer Unterton unverkennbar. Er verwies im Einklang mit Stalins „Ökonomischen Problemen des Sozialismus“ nachdrücklich auf die Notwendigkeit einer Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Entwicklungsstand der Produktionskräfte und betonte, daß der Prozeß der sozialen Veränderungen langwierig sein würde. Mit der Aufhebung der Klassen-grenzen zwischen den Arbeitern und Bauern könne so bald nicht gerechnet werden. Indem Susslow die Intelligenz als „Klasse“ ausklammerte, hielt er an der Fiktion fest, daß bis zur Aufhebung der „wesentlichen" Klassenunterschiede der „Arbeiterklasse“ die führende Rolle im Staat Zufällen würde.

IV. Die Modifizierung der sowjetischen Staats-und Kriegslehre

1929 13, 9 1930 18, 4 1931 — 3, 5 1932 5, 3 1933 16, 9 -1934 40, 6 1935 29, 9 1936 30, 1 1937 7, 9 1938 2, 2 1939 — 2, 8 1940 3, 9 1946 8, 1 1947 9, 0 1948 28, 3 1949 25, 3 1950 17, 2 1951 15, 0 1952 9, 9 1953 10, 4 1954 1955 1956 1957 8, 7 9, 4 7, 3 4, 9

In der Frage der künftigen politisch-staatlichen Organisation in der Periode des „umfassenden“ Aufbaus des Kommunismus folgt Chruschtschow im wesentlichen Stalin und lehnt die reformkommunistische Deutung der Leninschen Lehre vom „absterbenden Staat" ab.

Nach Chruschtschow könne das Absterben des Staates „nicht mit dem Fallen der Blätter im Herbst“ verglichen werden. Dialektisch gesehen würde es sich um die Umwandlung der sozialistischen Staatlichkeit in eine kommunistische gesellschaftliche Selbstverwaltung handeln, wobei die führende Rolle der Partei nicht nur erhalten, sondern verstärkt werden müßte. Zunächst sei nur die Übertragung einzelner Funktionen des Staates an gesellschaftliche Organisationen denkbar. AIs Beispiel weiß Chruschtschow in diesem Zusammenhang allerdings nur die Verwaltung von Kurorten und den Sport zu nennen. Er verweist im übrigen auf die Möglichkeit, die Polizei in der weiteren Entwicklung mehr und mehr durch eine Volksmiliz und die Justiz durch „Kameradschaftsgerichte“ zu ergänzen. Die Möglichkeit einer „allseitigen Entwicklung der Demokratie", die durch diese Beispiele angedeutet wurde, begründete Chruschtschow damit, daß infolge der veränderten weltpolitischen Lage die „kapitalistische Einkreisung“ weggefallen sei.

Die Gefahren einer Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion sei nunmehr ausgeschlossen. Dies würde bedeuten, daß der Sozialismus in einem Lande „nicht nur vollständig, sondern auch endgültig gesiegt hat".

Die These von der „kapitalistischen Einkreisung“ wurde von Chruschtschow bereits am 19. März 1958 in einem Interview mit der französischen Zeitung „Le Figaro“ preisgegeben. Damals sagte er:

„Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf den Umstand lenken, daß gegenwärtig der Begriff der „kapitalistischen Einkreisung“ unseres Landes selbst einer ernsten Präzisierung bedarf. Mit der Bildung des Welt-systems des Sozialismus hat sich die Lage in der Welt grundlegend geändert. Und sie änderte sich — wie Ihnen bekannt ist — nicht zugunsten des Kapitalismus. Im Augenblick weiß man nicht, wer wen einkreist: ob die kapitalistischen Länder die sozialistischen Staaten einkreisen oder umgekehrt. Man kann die sozialistischen Länder unmöglidt als irgendeine Insel im wogenden kapitalistischen Ozean betrachten. In den sozialistischen Ländern lebt eine Milliarde Mensdten von zweieinhalb Milliarden der gesamten Erdbevölkerung. Und wieviel Menschen in den anderen Ländern stehen auf sozialistischen Positionen! Es kann also von einer kapitalistisdten Einkreisung in dem früher üblichen Sinn gegenwärtig keine Rede mehr sein.“

Trotz des Wegfalls der „kapitalistischen Einkreisung“ fordert Chruschtschow mit den gleichen Argumenten wie Stalin die weitere Stärkung der Sowjetwehrmacht und des sowjetischen Staatssicherheitsdienstes, so lange die Militärblöcke der Westmächte erhalten bleiben. Die Verteidigungsfunktionen des Sowjetstaates würden erst dann absterben, wenn die Gefahr eines Überfalls der westlichen Allianz auf die Sowjetunion oder ihre Verbündeten restlos beseitigt sein wird.

Diesen Überfall hält Chruschtschow auf Grund des sich zugunsten des Ostblocks verändernden Kräfteverhältnisses in der Welt für wenig wahrscheinlich und daher einen dritten Weltkrieg für vermeidbar.

Die Verwirklichung der laufenden Wirtschaftspläne der Sowjetunion und der übrigen Ostblockländer würde es mit dem damit erreichten Über-gewicht des „sozialistischen Lagers“ ermöglichen, den Krieg als Mittel zur Lösung internationaler Probleme bereits vor dem erstrebten Siege des Kommunismus im Weltumfange auszuschalten.

Chruschtschows Betrachtungen über den Krieg sind weniger allgemein gehalten als in seinem Rechenschaftsbericht vor dem 20. Parteikongreß. Sie beziehen sich eindeutig nur auf die Möglichkeit eines Weltkrieges. Diesen hält er im Einklang mit der auf dem 20. Parteikongreß aufgestellten These heute „mit noch größerem Recht" für vermeidbar, wenn auch nicht für gänzlich unmöglich. Auf die Problematik „begrenzter Kriege“ ist Chruschtschow ebensowenig eingegangen, wie auf die weiter gültige sowjetische Lehre vom „gerechten und ungerechten Krieg“, die praktisch jede Unterscheidung zwischen einer Angriffs-und Verteidigungshandlung illusorisch macht.

Die Befürchtungen, die sich aus diesem doppelten ideologischen Boden der sowjetischen Kriegslehre ergeben, können mit dem erneuten Bekenntnis Chruschtschows zur „Koexistenz“ nur bedingt ausgeräumt werden. Reeller dürfte seine Bemerkung sein, daß die Verwirklichung des Siebenjahres-Plans die Konzentration aller Kräfte der Sowjetunion auf den wirtschaftlichen Aufbau und damit eine Orientierung auf den Frieden und nicht den Krieg erfordert.

F. Übergangsperiode im Zeichen Chruschtschows

Kohle (Mill t) Roheisen (Mill, t) 391, 0 429, 0 463, 0 496, 0 593, 0 596— 609 650— 750 33, 3 35, 8 37, 0 39, 6 53, 0 65— 70 75— 85 (Fortsetzung auf Seite 212) 1955 1956 1957 1958 Plan 1960 Plan 1965 Plan 1972

Der Verlauf der Entwicklung zwischen dem 20. und 21. Parteikongreß und eine kritische Analyse der Ergebnisse des Parteitages der „Erbauer des Kommunismus" läßt den Schluß zu, daß für die Sowjetunion die Übergangsperiode, in der sie sich seit dem Tode Stalins befindet, noch lange nicht abgeschlossen ist.

Diese Übergangsperiode ist, wie wir bereits sahen, nicht nur durch Wachstumsschwierigkeiten, sondern auch durch eine Strukturkrise gekennzeichnet, die vor allem auf zwei Ursachen zurückgeht: a) Die Diskrepanz zwischen dem von Stalin ererbten totalitären Herrschaftssystem und den Realitäten des heutigen Rußland. Diese kommen in den Erfordernissen einer moderneren Wirtschaftsgestaltung und den Emanzipationsbestrebungen einzelner Schichten und Gruppen der Sowjetgesellschaft sowie der von Moskau abhängigen Völker zum Ausdruck. b) Die Diskrepanz zwischen der von Stalin ererbten Weltmachtstellung und der für die Bewahrung und den Ausbau dieser Stellung keineswegs ausreichenden wirtschaftlichen und geistig-moralischen Potenz. Nur auf dem militärischen Gebiet stellt die Sowjetunion eine den Vereinigten Staaten und den westeuropäischen Ländern in ihrer Gesamtheit ebenbürtigen Weltmacht dar.

Die Unruhe, welche Polen, Ungarn und in geringerem Maße auch die übrigen ostmitteleuropäischen Volksdemokratien seit dem 20. Parteikongreß erfaßt hat, macht sich in einem begrenzten Umfange und in geringerer Intensität auch in der Sowjetunion bemerkbar. Sie hat vor allem die sowjetischen Intellektuellen, darunter insbesondere Teile der akademischen Jugend, aber auch Angehörige anderer Schichten der Sowjetbevölkerung erfaßt 104a). Zweifel an der Richtigkeit der marxistischleninistischen Ideologie und kritische Fragen machen sich, wenn auch in sehr vorsichtiger Form, bemerkbar. Diese geistige Unrast verbindet sich mit dem allgemeinen Streben der Sowjetbevölkerung nach persönlicher Sicherheit, einem höheren Lebensstandard und besseren Wohnverhältnissen. Die Sowjetführung ist infolge der inneren Spannungen und Wachstumsschwierigkeiten in stärkerem Maße als bisher gezwungen, auf die ersten Ansätze einer „öffentlichen Meinung" Rücksicht zu nehmen. Sie ist mit allen Mitteln bemüht, den Entstalinisierungsprozeß, der durch den 20. Parteikongreß mächtigen Auftrieb gewonnen hatte, im ökonomischen Bereich in bestimmten Grenzen zu halten und außerhalb desselben zu bremsen. Sie ist ferner bestrebt, die Unruhe innerhalb der Sowjetintelligenz und der Studentenschaft, die in zahlreichen literarischen Werken (Pasternak, Dudinzew, Almanach „Literaturnaja Moskwa" usw.) und in bestimmten Verhaltensweisen („Verschwörung des Schweigens „Stiljagi „Nebonetscho zum Ausdruck gekommen ist, durch verschiedenartige Maßnahmen zu bannen. Diese sind vorwiegend erziehungs-und kulturpolitischer Art (Bildungsreform, begrenzte Neubelebung der „Shdanowschtschina"). Sie weisen teilweise aber auch einen kriminalpolitischen Charakter auf (Hooliganismusund Parasitengesetze)

Die Hoffnung Chruschtschows durch die Zerstörung des Stalin-Mythos den Aufbau einer neuen gleichwertigen Autorität zu ermöglichen, und zugleich den Geist des Sowjetsystems zu erneuern, ohne seine totalitäre Substanz wesentlich zu vermindern, hat sich bis jetzt nicht erfüllt. Auch ist es ihm nicht geglückt, den revolutionären Elan wiederzubeleben, den er benötigt, um diesen Erneuerungsprozeß voranzutreiben. Chruschtschow ist es zwar gelungen, zum führenden Mann in der Kreml-Hierarchie aufzusteigen. Der Ausgang des Machtkampfes hat ihn aber andererseits in bestimmter Hinsicht exponiert und isoliert. Den mit dieser Entwicklung verbundenen Gefahren bemühte er sich in letzter Zeit durch einen Ausbau seines unmittelbaren Führungsstabes und durch die Auswechslung zahlreicher lokaler Führungskader zu begegnen. Der Führungswechsel im Moskauer Partei-und Sowjetapparat, in den zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Turkmenistan und Usbeki-stan sowie in der von Moskau weitgehend abhängigen Äußeren Mongolei, ist für diese Tendenz kennzeichnend, wenn auch diesen Vorgängen durchaus unterschiedliche Motive zugrunde gelegen haben mögen.

Das Verhalten des 21. Parteikongresses in der Frage der Führerstellung Chruschtschows und der „Anti-Partei-Gruppe“ sowie das sich an den Parteitag unmittelbar anschließende Revirement hat gezeigt, daß das Kräfteverhältnis in der Führungsspitze nach wie vor labil ist und daß Überraschungen personeller Art heute wesentlich leichter möglich sind als dies in den letzten Jahren Stalins der Fall war. Chruschtschow ist in der Position eines „Chojain“ (Hausherrn) wie Stalin 1930, aber nicht eines selbstherrlichen Woshdj (Führers) wie Stalin 1939.

Auch wenn Chruschtschow die Absicht haben sollte, den von Stalin vorgezeichneten Weg zum unumschränkten Alleinherrscher weiter zu gehen, erscheint es fraglich, ob er Erfolg haben wird, da er sich mit Faktoren auseinandersetzen müßte, die dem wesentlich jüngeren und brutaleren Stalin bedeutend weniger zu schaffen machten: a) Die Führungsgruppe um Stalin war wesentlich geschlossener, als es diejenige um Chruschtschow ist. Chruschtschow ist auf das Bündnis mit so eigenständigen Persönlichkeiten wie Susslow, Ignatow und Koslow angewiesen und kann auch nicht auf Mikojan als Repräsentanten des gemäßigten Flügels innerhalb des Parteipräsidiums verzichten, ohne das in der Führungsspitze herrschende Gleichgewicht zu gefährden. b) Chruschtschow hat es zwar wie Stalin verstanden, eine Machtquelle nach der anderen seiner Kontrolle zu unterwerfen. Diese Kontrolle weist jedoch noch viele undichte Stellen auf, da die Machtsäulen, auf denen neben der Partei die Diktatur ruht, heute ein weit größeres Eigengewicht besitzen als Anfang der dreißiger Jahre. Dies gilt trotz der Eliminierung Shukows besonders für die Sowjetwehrmacht. c) Stalin konnte im Machtkampf unterlegene Gegner physisch liquidieren und einen Massenterror entfesseln, weil er damit neuen sozialen Kräften den Weg bahnte. Heute ist die Wiederholung dieses revolutionären Vorganges schwer vorstellbar, weil die sowjetische Intelligenz, die aus der großen Säuberung als die führende soziale Schicht hervorgegangen ist, einer solchen Entwicklung Widerstand entgegensetzen würde.

Durch eine bessere Versorgung und eine begrenzte Lockerung des totalitären Regimes ist es Chruschtschow gelungen, eine gewisse Popularität in den breiten Bevölkerungsschichten zu gewinnen. Es war ihm aber nicht möglich, ein Vertrauensverhältnis zwischen der Sowjetführung und Sowjetgesellschaft, wie es sich nach dem 20. Parteikongreß anzubahnen schien, herzustellen. Große Teile der Intelligenz, der Bürokratie und wohl auch des höheren Offizierkorps stehen dem Partei-und Regierungschef, vor dessen Unberechenbarkeit sie ernste Befürchtungen hegen, mit innerer Reserve und teilweise sogar ablehnend gegenüber. Die Verwaltungsreformen Chruschtschows haben die Ministerialbürokratie sowie zahlreiche Betriebs-und MTS-Direktoren vor den Kopf gestoßen. Die Verschärfung der Parteikontrolle im wirtschaftlichen Bereich und die Erweiterung des Mitspracherechts der Gewerkschaften in den Betrieben dürften auch von denjenigen Wirtschaftsmanagern, welche die Dezentralisierung aus verschiedenen Motiven heraus begrüßt haben, bgelehnt werden.

Auf der anderen Seite wird ein Teil der Arbeiterschaft, der in den Genuß der erhöhten Sozialleistungen in den letzten Jahren gekommen ist, den Chruschtschow-Kurs bejahen. Er wird vermutlich auch dem Gedanken der „Arbeitsschule", der im Mittelpunkt der großen Bildungsreform Chruschtschows steht, positiv gegenüberstehen. Diese Reform wiederum wird die Zahl der Gegner Chruschtschows innerhalb der Intelligenz und insbesondere der jungen Generation, bei der sich neuerdings wie im 19. Jahrhundert ein nihilistischer Grundzug bemerkbar macht, weiter vermehren.

Bei dieser gesellschaftspolitischen Lage wird es wesentlich darauf ankommen, welchen Rückhalt Chruschtschow auf dem Lande finden wird. Von der Masse der Kolchosbauern dürfte die Umwandlung der MTS und die damit verbundene Übertragung des Maschinenparks an die Kolchose sowie die Abschaffung der Pflichtablieferungen vom privaten Hof-land begrüßt worden sein. Andererseits stehen die Bauern den weitergehenden agrarpolitischen Plänen Chruschtschows, die auf die Schaffung von Agrarkommunen und damit auf die Aufhebung des letzten Privat-besitzes an Hofland und Kleinvieh abzielen, mit größtem Mißtrauen gegenüber. Dieses Mißtrauen wird durch die Kunde über die Einführung der Volkskommunen in China noch verstärkt.

Chruschtschow dürfte sich dieser Widerstände durchaus bewußt sein, die er, wenn er nicht zum zweischneidigen Schwert des Massenterrors greifen will, nur mit Hilfe einer weiteren Lockerung des totalitären Regimes und einer weiteren Verbesserung der Lebens-und Arbeitsbedingungen der Volksmassen überwinden könnte. Die Durchführung einer solchen Politik setzt allerdings eine außenpolitische Entspannung voraus, die auch von sowjetischer Seite Zugeständnisse erfordert. Jede andere Politik würde in kurzer Zeit zu einem Konflikt mit der sich in einem Prozeß der Emanzipation befindlichen Sowjetgesellschaft und damit zu einer empfindlichen Erschütterung der mühsam aufgebauten Autorität Chruschtschows führen.

Es ist bereits heute deutlich erkennbar, daß das Wettrüsten und das Streben, die Vereinigten Staaten und die westeuropäischen Industrie-mächte in ihrer Gesamtheit einzuholen und zu überholen, in Verbindung mit dem außenpolitischen Engagement im ostmitteleuropäischen und afroasiatischen Bereich sowie der Notwendigkeit, im Innern den Lebensstandard zu heben, ungeheuere Anforderungen an die begrenzte Wirtschaftskraft der Sowjetunion stellt. Diese Politik zwingt der Sowjetführung im Zeichen der Atomkraft und der Automation ein Modernisierungs-und Rationalisierungsprogramm auf, das der Dezentralisierung und Individualisierung Vorschub leistet und damit letzten Endes jene gesellschaftlichen Kräfte stärkt, die eine tiefgehende Reform des bisherigen Systems anstreben, das sich immer mehr als ein Hemmnis für eine zeitgemäße Fortentwicklung Rußlands erweist.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Meissner, B.: Das Ende des Stalin-Mythos. Die Ergebnisse des 20. Parteikongresses der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Dokumente und Berichte des Europa-Archivs Bd. 13), Frankfurt/Main 1956, S. 57.

  2. Eine eingehende Darstellung der einzelnen Plenartagungen des Zen-tralkomitees und der damit verbundenen innenpolitischen Entwicklung findet sich im ersten Teil des Buches „Rußland unter Chruschtschow',

  3. Wortlaut: Meissner, Ende des Stalin-Mythos, a. a. O., S. 1-26— 153.

  4. Wiedergegeben im Anhang zu „Rußland unter Chruschtschow".

  5. Wortlaut: Meissner, Ende des Stalin-Mythos, a. a. O., S. 155— 158.

  6. Wiedergegeben im Anhang zu „Rußland unter Chruschtschow“.

  7. Russischer Urtext, Prawda vom 7. Februar 1959; deutsche Übersetzung im Anhang von „Rußland unter Chruschtschow".

  8. Wortlaut, Prawda vom 8. Februar 1959.

  9. Wortlaut (der vom State Department wiedergegebenen Version), Meissner, Ende des Stalin-Mythos, a. a. O., S. 175— 198.

  10. Eine eingehende Darstellung des Machtkampfes und der Anklagepun, 6 gegen die Angehörigen der Anti-Partei-Gruppe findet sich in „Rußland unter Chruschtschow“.

  11. Wortlaut: Plenum Zentraljnogo Komiteta Kommunistitscheskoj Partii Sowetskogo Sojusa 15— 19 dekabrja 1958 goda Stenografitscheskij Otschet (Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion 15. — 19. Dezember 1958. Stenographischer Bericht), Moskau 1958, S 337 bis 340. Die Selbstkritik Saburows ist im Auszug von Radio Moskau verbreitet, aber nicht in der „Prawda“ veröffentlicht worden.

  12. Wortlaut

  13. Dies geht aus einer früheren Mitteilung Tschurajews hervor, daß sich in den ersten zehn Monaten des Jahres 1955 unter den Neuaufgenommenen 55 v H Arbeiter befunden hatten In den Moskauer Gebietsorganisationen waren es im ersten Halbjahr 1958 63, v H Arbeiter und Bauern (gegenüber 55, 3 v. H. 1955). Tgl. Tschurajew, W.: Nekotoryje woprossy rosta rjadow KPSS (Einige Fragen des Wachstums der Reihen der KPdSU), Partijnaja Shisnj (Parteileben), 1958, Nr. 23, S. 18.

  14. Zusammengestellt auf Grund der Ergebnisse der Parteikongresse der Kommunistischen Parteien der einzelnen Unionsrepubliken 1956, 1958, 1959. Die Angaben für die RSFSR ergeben sich nach Abzug der Angaben für die nichtrussischen Unionsrepubliken von der für die Union bekannten Gesamtzahl. Da bei einzelnen Unionsrepubliken der Parteibestand sich nur auf Grund der Delegiertenquoten ausrechnen läßt, dürften die Angaben für die RSFSR nur annähernd den wirklichen Zahlen entsprechen. Nach Tschurajew (a. a. O., S. 18) hat sich die Parteiorganisation der RSFSR im Verlauf von 3 1/2 Jahren um über 450 000 Personen vergrößert.

  15. Zusammengestellt auf Grund der Ergebnisse der regionalen Parteikonferenzen in der RSFSR unter Zugrundelegung der Delegiertenquoten. Die Gesamtzahlen für die RSFSR sind nur Annäherungswerte.

  16. Vgl. Filtschenkow, M. F.: über die Geschichte der Parteischulungseinrichtungen, Woprossy Istorii KPSS, 1958, Nr. 1; ferner Leonhard, W.: Die junge Garde bootet alte Kämpfer aus, NRS vom 4. Feburar 1959

  17. Vgl. Meissner, Ende des Stalin-Mythos, a.a. O., S. 21.

  18. Wortlaut der »Thesen*, Prawda vom 14. November 1958.

  19. In der Bundesrepublik gab es am 1 Juli 1957 insgesamt 2, 3 MilL PKW (34, 9 v. H. im Besitz von Arbeitnehmern) und 2, 4 Mill. Motorräder (76, 2 V. H. im Besitz von Arbeitnehmern). Die entsprechenden Angaben werden in der Sowjetunion aus naheliegenden Gründen nicht bekannt-gegeben.

  20. Quelle: Taschenbuch für die Wirtschaft 1959, Tabelle 93.

  21. Vgl. die sich auf eingehende anglo-amerikanische Forschungen stützende Kritik an den sowjetischen statistischen Angaben bei Jasny, N.: The Soviet Statistical Handbook. A. Commentary, Michigan 1957, S. 53 77.

  22. Zusammengestellt auf Grund der sowjetamtlichen Zahlen. Zur Entwicklung von 1929 bis 1955 vgl. Ost-Probleme, 10. Jg., 1958, S. 223.

  23. Die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate der gesamten Industrieproduktion der Bundesrepublik betrug 1953 9 v. H. (UdSSR — 11, 5 v. H.), 1954 12 v. H. (UdSSR — 13, 8 v. H.), 1955 16, 6 v. H. (UdSSR 12, 1 v. H.), 1956 10 v. H. (UdSSR — 11 v. H.). Die entsprechenden Wachstumsraten der Montanunionsländer betrugen 1955: Frankreich 9, 9 v. H., Italien 8, 1 v. H., Belgien und Luxemburg 9, 2 v. H., Holland 12, 4 v. H.; Vgl. Hildebrandt-Böhme: Die Schwerindustrie der Sowjetunion. Entwicklung und Probleme, Bad Homburg v. d. H. 1957, S. 471.

  24. Der „Economic Adviser“ des amerikanischen Präsidenten, Gabriel Hauge, machte in einem Vortrag („Probleme der Wirtschaftsentwicklung und der Stabilität“), den er am 30. April 1958 auf einer Veranstaltung der deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer in West-Berlin hielt, die Mitteilung, daß die Gesamtzuwachsrate der amerikanischen Industrie nach dem zweiten Weltkriege etwa 4 v. H. gegenüber 3 v. H. vor dem Kriege betragen hätte. Dies würde die Verdoppelung der Produktion alle 18 Jahre bedeuten. Vor dem Kriege verdoppelte sich die Produktion alle 24 Jahre.

  25. Vgl. die Besprechung der Untersuchung des National Bureau of Economic Research in: Die Zeit vom 1. August 1958 (Erbe, R.: Wachstum vor und hinter dem Eisernen Vorhang).

  26. Angaben nach Ost-Probleme, 10. Jg., 1958, S. 223.

  27. Quelle: Die UdSSR in Zahlen, a. a. O., S. 47; Promyschlennostj SSSR, a. a. O., S. 40; Sapisnaja knishka 1958, a. a. O., S. 29; SSSR w ziffrach, a. a. O., S. 79; Planerfüllung 1958 (I), Der aktuelle Osten, 5. Jg., 1959, Nr. 4, S. 4. Zu der Nachkriegsentwicklung vgl. Sieger, A.: Stand und Entwicklung in der Grundstoffindustrie und die Energiebilanz der Sowjetunion in der Nachkriegszeit, Europa-Archiv, 7. Jg., 1952, S. 5296— 5303. Zahlen zur Entwicklung vor 1955 finden sich in „Die UdSSR in Zahlen", a. a. O., S. 47 ff, wiedergegeben in Osteuropa-Wirtschaft, 1. Jg., 1956/57, S. 151 ff.

  28. Zum Problem der Standortentwicklung der sowjetischen Industrie vgl. Klocke, H.: Die Wirtschaft und ihre Entwicklung in Koch, 'H. (Herausgeber), Sowjetbuch, 2. Ausl., Köln 1958, S. 155 ff.

  29. Vgl. Der neue Plan (I), Der aktuelle Osten, 4. Jg., 1958, Nr. 41, S. 7 ff.

  30. Vgl. Kostennikow, W.: Ob ekonomitscheskom rajonirowanii SSSR (Uber die wirtschaftliche Rayonierung der UdSSR), Moskau 1957; Taskin, Ju. A.: Ekonomitscheskoje rajonirowanije w SSSR (Die wirtschaftliche Rayonierung in der UdSSR), Westnik Instituta po isutscheniju SSSR (Mitteilungen des Instituts zur Erforschung der UdSSR), München, 1958, Nr. 3. S. 41— 60.

  31. Vgl. Thalheim, K. C.: Die Entwicklung der Wirtschaftsintegration im Ostblock, Osteuropa-Wirtschaft, 1. Jg., 1956, S. 3— 11; Dgl. Die langfristige Entwicklungsplanung in den europäischen Ostblockstaaten, Osteuropa-Wirtschaft, 2. Jg., 1957, S. 13— 25; Zotschew, Th.: Der „Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe" (Comecon) als Instrument für die wirtschaftliche Integration und weltwirtschaftliche Expansion der Ostblockländer, Sonderdruck aus Südosteuropa-Jahrbuch, München 1958. Glaser, H. -G.: Das Kornekon und die langfristigen Ziele der kommunistischen Großraumwirtschaft, Europa-Archiv, 14. Jg., 1959, S. 149— 158; Comecon im Zeichen der Plan-, koordinierung, Ost-Probleme, 11. Jg., 1959, S. 242 ff.

  32. SSSR W ziffrach, a. a. O., S. 254. Vgl. zur sowjetischen Investitionspolitik auch die Artikel von Chambre, H.: Les investissement en U. R. S. S., Revue de 1 action Populaire, Paris, Januar 1958 und Laurat, L.: La Progression industrielle se ralentit en U. R. S. S., Est & Quest, Paris, 1. bis 15. Februar 1958; deutsche Übersetzung, Ost-Probleme, 10. Jg., 1958, S. 205— 210.

  33. Vgl. Der neue Plan (I), a. a. O., S. 2.

  34. SSSR w ziffrach, a. a. O., S. 254. Zahl für Gruppe , A" (1959— 1965) = Differenz aus In »Thesen* aufgeführten Globalzahl für Bau von Produktionsbetrieben (Rbl. 1488— 1513) sowie Angaben Chruschtschows für Gruppe , B‘ (Rbl. 80— 85) und Landwirtschaft (RbL 150).

  35. SSSR w ziffrach, a. a. O., S. 254.

  36. Vgl. Der neue Plan (I) a. a. O., S. 4/5. Gesamtsumme 1939, 8 Rbl. ergibt aufgerundet 1940 Rbl.

  37. Vgl. Der Staatshaushalt der Sowjetunion für 1959, Der aktuelle Osten, 5. Jg., 1959, S. 8; Hildebrandt-Böhme, a. a. O., S. 19.

  38. Bis einschließlich 1955 hatte die Sowjetunion an die Ostblockstaaten Kredite in Höhe von insgesamt 21 Mrd. Rubel (= 5, 25 Mrd. $) vergeben. Vgl. Bräker, H.: Die sowjetische Wirtschaft in ihren Außenbeziehungen, Osteuropa-Wirtschaft, 1. Jg., 1956, S. 96. 1956/57 betrugen die Gesamt-zusagen etwa 2, 5 Mrd. $, davon 1, 0— 1, 2 Mrd. $an die Entwicklungsländer. Vgl. hierzu: Rubeldiplomatie für die Entwicklungsländer, Ost-Probleme, 10. Jg., 1958, S. 182 ff.

  39. Aufstellung nach „Massenkonsum und Rüstung" im Sowjetbudget, Die Gegenwart, 12. Jg., 1957, S. 348.

  40. Die UdSSR in Zahlen, a. a. O., S. 193; SSSR w ziffrach, a. a. O., S. 422, Die obengenannten Zahlen enthalten den Kommissionshandel des Zentrosojus, der 1956 6, 6 Mrd. Rubel und 1957 7, 7 Mrd Rubel ausmachte. Die absoluten Geldwerte des Einzelhandelsumsatzes und der Kapitalinvestierungen lassen sich nicht vergleichen, da der Konsumrubel nicht einmal so viel wert ist wie der Investierungsrubel.

  41. Vgl. Eggers, W.: Entwicklungsprobleme der Sowjetwirtschaft, Osteuropa-Wirtschaft, 3. Jg., 1958, S. 34.

  42. Vgl. Der Staatshaushalt der Sowjetunion 1959, S. 6.

  43. Vgl. Holzmann, F. H.: The Soviet Bond Hoax, Problems of Communism, 6. Jg., 1957, Nr. 5, S. 47— 49; deutsche Übersetzung Ost-Probleme, 10. Jg., 1958, S. 210 ff.

  44. SSSR w ziffrach, a. a. O., S. 198.

  45. Bei Gesamteinnahmen von 722, 7 Mrd. Rubel (1958 643, 0 Mrd. Rubel) Vgl. Der Staatshaushalt der Sowjetunion für 1959, a. a. O., S. 6.

  46. Vgl.den Abschnitt „Investment in Eastern Europe and the Soviet Union“ in der ECE-Zeitschrift „Economic Bulletin for Europe", 10. Jg., 1958. Nr, 3, S. 35 ff.

  47. SSSR W ziffrach, a. a. O., S. 31.

  48. Taschenbuch für die Wirtschaft 1958, Tabelle 29 a.

  49. Vgl. Der neue Plan (II), Der aktuelle Osten, 4. Jg., 1958, Nr. 42/43, Seite 6.

  50. Vgl. Kaz, A.: Proiswoditeljnostj truda w SSSR i w kapitalistitscheskich stranach (Die Arbeitsproduktivität in der UdSSR und den kapitalistischen Ländern), Sozialistitscheskij Trud, (Die sozialistische Arbeit) 1959, Nr. 1, S. 42— 55.

  51. Boettcher, E.: Nachwuchsbedarf in Staat und Wirtschaft der Sowjetunion, Ost-Europa, 1. Jg., 1959, S. 113— 120.

  52. Zahlenangabe im Mandatskommissionsbericht Tschurajews.

  53. Quelle: SSSR w ziffrach, a. a. O., S. 308; Der neue Plan (II), a. a. O., S. 6.

  54. Vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 21. Mai 1957.

  55. Vgl. Boettcher, a. a. O., S. 118.

  56. Vgl. Loeber, D.: Die sowjetische Erziehungsreform in ihrer politischen Bedeutung, Europa-Archiv, 14. Jg., 1959, S. 181 — 198.

  57. Wortlaut: Prawda vom 16. November 1958.

  58. Ekonomitscheskoje Sorewnowanije, a. a. O., 79; SSSR w ziffrach a. a. 0. S. 16/17; Hildebrand-Böhme, a. a. O., S. 472; Planerfüllung 1958, a. a. O., S. 2/3.

  59. Zahlenangaben aus: Statistical Yearbook 1956, New York 1957; Taschenbuch für die Wirtschaft 1959, Tabelle 27; Statistisches Bundesamt (Herausgeber) Statistisches Taschenbuch, Wiesbaden 1958, S. 49; Ekonomitscheskoje poloshenije kapitalisticeskich stran w 1956/57. (Die wirtschaftliche Lage der kapitalistischen Länder 1956/57), Moskau 1957, S. 23, 40, 75; Strany sozialisma i kapitalisma w ziffrach (Die Länder des Sozialismus und Kapitalismus in Zahlen), Moskau 1957, S. 72— 74.

  60. Nach Zahlen bei Kiesewetter. B., Können die Sowjets'Amerika überrunden?, Die Welt vom 7. März 1959.

  61. Quelle: Die UdSSR in Zahlen, a. a. O., S. 51, 81— 84; Promyschlennostj SSSR, a. a. O., S. 44, S. 371 ff; Sapisnaja knishka 1958, a. a. O., S. 32— 33; SSSR w ziffrach, a. a. O., S. 79, 125s Planerfüllung 1958, a. a. O., S. 6.

  62. Strany sozialisma i kapitalisma w ziffrach., a. a. O., S. 74— 76.

  63. Zahlen nach Anton, J: Nahrungsmittelindustrie, in: Koch, H.: Sowjet-buch, a. a. O., S. 250.

  64. Zahlenangaben nach Schiller, O.,: Die Leistungen der sowjetischen Viehwirtschaft, Agrarwirtschaft, 1958, S. 91.

  65. Schiller, a. a. O., S. 94. Vgl. hierzu den Wortlaut der Leningrader Rede Chruschtschows vom 22. Mai 1957, Prawda vom 24. Mai 1957.

  66. Schiller, a. a. O., S. 91.

  67. VgL den Wortlaut des Chruschtschow-Berichts, Stenografitscheskif otschet, a. a. O., S. 5 ff.

  68. Stenografitscheskij otschet, a. a. O., S. 13.

  69. Vgl. Der neue Plan (IV), Der aktuelle Osten, 4. Jg., 1958, Nr. 46/47, S. 2.

  70. Quelle: Wegmann, B.: Merkmale der volkswirtschaftlichen Struktur von EWG und FHZ im Vergleich mit USA und Sowjetunion, Europäische Wirtschafts-Gemeinschaft, 1958, S. 301.

  71. Quelle: Taschenbuch für die Wirtschaft 1959, Tabelle 99. Der Berechnung des prozentualen Anteils der Sowjetunion liegen die Angaben in dem vom Außenhandelsministerium der UdSSR herausgegebenen statistischen Sammelwerk „Wneschnaja Torgowlja SSSR sa 1956 god“ (Der Außenhandel der UdSSR für 1956), Moskau 1958 und der Anlagen zur Zeitschrift . Wneschnaja Torgowlja“ für den Außenhandel der Jahre 1956 und 1957, Moskau 1957 und 1958, zugrunde.

  72. Vgl. Resolution on the Establishment of People's Communes in the rural areas — Central Committee of the Chinese Communist Party, August 29, 1958, Peking Review vom 16. September 1958; deutsche Übersetzung, Ost-Probleme, 10. Jg., 1958, S. 695— 698 Wortlaut des Musterstatuts, New China News Agency, Peking, 5. September 1958, deutsche Übersetzung, Ost-Probleme, a. a. O., S. 698— 703.

  73. Vgl. Ost-Probleme, 11. Jg„ 1959, S. 83.

  74. Stepanjan, J. A.: Oktjabrskaja rewoljuzija i stanowlenije kommunisitscheskoj formazii (Die Oktoberrevolution und die Errichtung der kommunistischen Formation), Woprossy Filosofii, 1958, Nr. 10, S. 19— 36.

  75. Stepanjan, a. a. O., S. 34.

  76. Resolution on some questions concerning the People’s Communes, Peking Review vom 23. Dezember 1958; deutsche Übersetzung, Ost-Probleme, 11. Jg., 1959, S. 71— 81.

  77. Einige kleinere Experimente nach chinesischem Vorbild in den von der Sowjetunion besonders abhängigen Volksrepubliken Albanien und Bulgarien dürften Chruschtschow kaum wesentlich beunruhigt haben.

  78. Diese Feststellung Chruschtschows ist von Molotow in einer Ansprache anläßlich des 13. Jahrestages des sowjetisch-mongolischen Abkommens über wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit in Ulan Bator ausdrücklich gebilligt worden. Vgl. die mongolische Rundfunkmeldung vom 27. Februar 1959.

  79. Wortlaut: Meissner, B.: Die Kommunistische Partei der Sowjetunion vor und nach dem Tode Stalins (Dokumente und Berichte des Europa-Archivs Bd. 12), Frankfurt/Main 1954, S. 76— 90.

  80. Die Bezeichnung „Kameradschaftsgericht" oder „gesellschaftliches Schiedsgericht“ ist irreführend, da es sich nicht um ein Gericht im herkömmlichen Sinn, sondern um die öffentliche Anprangerung eines unliebsamen Betriebsangehörigen auf einer Betriebsversammlung handelt, die einer gesetzlichen Verfahrensregelung entbehrt.

  81. Ost-Probleme, 10. Jg., 1958, S. 359.

  82. Vgl. Burmeister, A.: Komplott des Schweigens der Sowjetliteraten, Ost-Probleme, 9. Jg„ 1957, S. 758— 762.

  83. Spitzname für die sowjetischen Teddy-Boys; bezeichnet nicht nur Halbstarke.

  84. Nebonetscho — Abkürzung für ne boga ne tschorta (weder Gottes, noch des Teufels). Spitzname für jugendliche Nihilisten.

  85. Vgl. Boitor, A.: Das neue sowjetische Gesetz gegen Parasiten, Osteuropa, 8. Jg., 1958, S. 10— 16.

Weitere Inhalte