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Rat und Verwaltung im Prozeß kommunalpolitischer Willensbildung | APuZ 4/1976 | bpb.de

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APuZ 4/1976 Artikel 1 Rat und Verwaltung im Prozeß kommunalpolitischer Willensbildung

Rat und Verwaltung im Prozeß kommunalpolitischer Willensbildung

Wolfgang Holler /Karl-Heinz Naßmacher

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Zusammenfassung

Der Beitrag konfrontiert die Intentionen des Gemeindeverfassungsrechts mit dem Wirklichkeitsbefund des kommunalpolitischen Entscheidungsprozesses. Die empirische Analyse deckt vor allem „informelle" Kommunikationsfelder zwischen Rat und Verwaltung auf und macht den „strategischen" Einfluß der Informationsverarbeitungskapazität für die Stellung der am Willensbildungsprozeß Beteiligten sichtbar. Dieser Ansatz impliziert sowohl eine Normenkritik anhand von Fakten als auch eine Praxiskritik anhand der geltenden Normen. Die kommunalpolitische Wirklichkeit zeigt eine doppelte Abweichung von den gemeindeverfassungsrechtlichen Normen: der Rat handelt — unter Zugrundelegung eines bestimmten Politikbegriffs — weniger politisch als verwaltend; die kommunale „Administration" agiert in einem weitergespannten Politikbereich, als die Gemeindeordnungen ihr zugestehen. Hauptanliegen der Analyse ist es, diagnostische Ansätze zum Funktionsverlust der Kommunalpolitik zu liefern und daraus „therapeutische" Möglichkeiten zur Stärkung der kommunalen Vertretungskörperschaften abzuleiten. Untersucht wird der Willensbildungsprozeß im Binnenraum der kommunalen Selbstverwaltung. Ausgeklammert bleiben (die an anderer Stelle behandelten) Fragen der „Politikverflechtung" zwischen Kommunen und Staat sowie der kommunalen Abhängigkeit von gesamtgesellschaftlich-ökonomischen Strukturen. Innerhalb des kommunalen Binnenraums ist wiederum der (ebenfalls an anderer Stelle behandelte) Bereich der lokalen Öffentlichkeit weitgehend ausgeblendet. Bei den kommunalpolitischen Institutionen werden die Aufgaben des Gemeinderates und seiner Ausschüsse sowie das Zusammenwirken der Fraktionen mit den örtlichen Partei-organisationen behandelt. Auf der administrativen Seite geht es vor allem um den Willensbildungsprozeß im Bereich der Verwaltungsbehörde. Im Mittelpunkt der Darstellung steht der Interaktionsprozeß zwischen „politischen" und „administrativen" Institutionen. Kommunale Neuordnung und Bezirksverfassung werden als wichtige institutioneile Neuerungen jüngsten Datums ebenso erörtert wie Vorschläge zur Stärkung der Vertretungskörperschaften in der kommunalen Selbstverwaltung.

I. Die Aufgaben der kommunalen Mandatsträger

Abbildung 1

In der konkreten Alltagsarbeit erstreckt sich die Tätigkeit jedes Mitgliedes einer kommunalen Vertretungskörperschaft (Gemeinderat, Kreistag, Stadtrat, Stadtverordnetenversammlung) auf drei verschiedene Handlungsfelder. Diese Handlungsfelder sind bestimmt durch: — Aufgabengruppen (Ausschüsse), — politische Zielvorstellungen (Fraktionen) und — regionale Schwerpunkte (Ortsteile, z. B. Wahlbezirke).

Diese dreifache Aufteilung der Arbeit nach Ausschüssen, Fraktionen und Ortsteilen erfordert eine sorgsame Koordination und Abstimmung der politischen Arbeit mit der jeweiligen Parteiorganisation Im Mittelpunkt steht dabei neben der Arbeitsfähigkeit der Vertretungskörperschaft vor allem die Aufgabe der Ratsmitglieder (ehrenamtlich tätiger Inhaber eines kommunalen Mandats), in der Gemeinde einen Informationsfluß zwischen „Regierenden" und „Regierten" herzustellen.

Ein Duisburger Beigeordneter hat das so formuliert: „Die Notwendigkeit, am Ende der Wahlperiode Leistungen in Form politisch tragfähiger Problemlösungen nachzuweisen und den Grad seiner Zielerreichung an dem von ihm mitgetragenen politischen Programm messen lassen zu müssen, zwingt den Ratsvertreter, ständig alle Rückkoppelungschancen zur Öffentlichkeit zu nutzen."

Rückkoppelung zur Öffentlichkeit heißt lebendige Verbindung zwischen Bevölkerung und Verwaltung.

Da 20 bis 40 Ratsmitglieder (Ratsherren) einer Partei in den Großstädten nicht den Kontakt zu 100 000 bis 800 000 Bürgern aufrechterhalten können, liegt darin schon prinzipiell eine Überforderung. Es erscheint deshalb notwendig, die Aufgabenstellung „lebendige Verbindung zwischen Bevölkerung und Kommunal-verwaltung" als Gesamtaufgabe von Ratsmitgliedem und Parteiorganisationen zu sehen. Dabei kann es allerdings weniger darum gehen, wie manchmal in parteiinternen Diskussionen anklingt, „Leistungen zu verkaufen", sondern vor allem darum, Teilhabe an Entscheidungen zu ermöglichen. Nicht Werbung für die eigene Arbeit, sondern kontinuierlicher Informationsaustausch und damit wechselseitige Meinungsund Willensbildung zwischen Kommunalpolitikern und Bevölkerung ist anzustreben

Wenn diese Aufgabe von der kommunalpolitisch interessierten Öffentlichkeit in erster Linie den kommunalen Mandatsträgern zugewiesen wird, dann kann damit keine „Alleinzuständigkeit" gemeint sein, sondern nur die Rolle des ehrenamtlichen Kommunalpolitikers als „Anlaufstelle“ für die Anliegen der Bevölkerung und „Nachrichtenquelle" für die Absichten und Maßnahmen der Gemeindeverwaltung. Diese beiden Aspekte des Informations-flusses stehen bei öffentlichen Auftritten von Mandatsträgern und bei Kontakten zwischen Bevölkerung und Ratsvertretern immer wieder im Mittelpunkt.

Formal besteht die Hauptaufgabe von Ratsmitgliedern darin, an Rats-und Ausschuß-Sitzungen teilzunehmen. Hier ereignet sich vorrangig, was die jeweilige Gemeindeordnung kommunale Selbstverwaltung nennt. Wer als Beobachter an diesem Schauspiel (im besten Sinne) teilnimmt, wird feststellen, daß dieser „Parlamentarismus" seinen eigentlichen Sinn verloren hat, nämlich politische Konflikte in der Öffentlichkeit darzustellen, um deutlich zu machen, daß es politische Meinungsverschiedenheiten zu kommunalpolitischen Fragen gibt, wo sie begründet liegen und wie die einzelnen Parteien sich zu diesen Konflikten stellen

Wer das von einer kommunalen Vertretungskörperschaft erwartet, wird enttäuscht. Dort geschieht nur, was auch in Bonn zum parlamentarischen Alltag gehört, allerdings nicht vom Fernsehen übertragen wird: der Ablauf einer Maschinerie, die Verwaltungsentscheidungen ratifiziert. Meist stimmt das „Kommunalparlament" dem zu, was die Verwaltung (in Vorabstimmung mit den Fachausschüssen oder einzelnen Mitgliedern der Vertretungskörperschaft) soweit vorbereitet hat, daß Gemeinderat, Kreistag oder Stadtrat es eigentlich nicht mehr ablehnen können. Dessen ungeachtet ist diese Arbeit für die kommunalen Mandatsträger mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden.

II. Das Zeitbudget als Handlungsrestriktion

Abb. 1: Elemente kommunaler Selbstverwaltung

Die persönliche Arbeitsleistung des kommunalen Mandatsträgers läßt sich einschätzen, indem man versucht, den durchschnittlichen Zeitbedarf eines Ratsvertreters für die verschiedenen Aspekte seiner kommunalpolitischen Tätigkeit zu ermitteln. Sicherlich sind dabei besondere Verhältnisse der einzelnen Gemeinden und auch forschungsmethodische Schwierigkeiten zu beachten. An Hand von Ergebnissen einer Umfrage zur Selbsteinschätzung der Stadtverordneten und von (auf die gleiche Stadt bezogenen) Angaben der Verwaltungsseite läßt sich dennoch allgemein zusammenstellen, welche zeitliche Belastung im Monat auf das Ratsmitglied einer Großstadt zukommt.

Für Gemeinderäte in kreisangehörigen Gemeinden sind die nachfolgend genannten Zahlenwerte auch in der Größenordnung sicherlich zu hoch angesetzt. Allerdings ist zu beachten, daß hier zumindest für einzelne Gemeinderäte der zusätzliche Zeitaufwand für die Wahrnehmung des „natürlichen" Doppelmandats auf der Kreisebene zu berücksichtigen ist.

In einer (kreisfreien) Großstadt ist der Zeitbedarf eines Mandatsträgers für die Teilnahme an Ratssitzungen (mit An-und Abreise) in der Größenordnung von 5 Stunden im Monat anzusetzen. Hinzu kommen die Fraktionssitzungen; auf der Basis einer Fraktionssitzung in der Woche mit einer Dauer von 3— 3, 5 Stunden, also insgesamt 15 Stunden monatlich. Bei den Ausschüssen kann man die Erfahrung zugrunde legen, daß Ausschüsse einen unterschiedlichen Zeitbedarf aufweisen: Ausschüsse, die sehr häufig tagen, wie etwa Schulausschuß, Bauausschuß oder Personalausschuß, erfordern mehr Zeit als solche, die weniger häufig tagen, wie etwa eine Bachschaukommission. Geht man davon aus, daß ein Mandatsträger in durchschnittlich drei Ausschüssen tätig ist, von denen einer relativ häufig tagt und einer weniger häufig, dann ergibt sich für die Ausschuß-Sitzungen ein ungefährer Zeitbedarf von insgesamt 15 Stunden monatlich. Allein die Teilnahme an den routinemäßigen Sitzungen des Stadtrats und seiner funktionalen Untergliederungen kostet den Stadtverordneten einer Großstadt 30 Stunden im Monat

Zur Vorbereitung dieser Sitzungen, aber auch zur Wahrnehmung der wichtigsten Informati-onsaufgaben ist sowohl die „Bearbeitung" der Verwaltungsvorlagen als auch eine Vielzahl von persönlichen Gesprächen erforderlich. Die „Bearbeitung" der Vorlagen beginnt mit dem Offnen der regelmäßigen Postsendungen aus dem Rathaus und umfaßt sowohl das Sichten und Archivieren als auch das kritisch-distanzierte Lesen zumindest einzelner Vorlagen Ein monatlicher Zeitaufwand von 10 Stunden dürfte eher zu niedrig als zu hoch angesetzt sein.

Da die Information durch Vorlagen allein nicht ausreicht, müssen zusätzliche Gespräche geführt werden. Dazu gehören einmal Gespräche, in denen sich ein einzelner Bürger oder Verein an einen Ratsvertreter wendet, zum anderen aber auch persönliche Informationsgespräche im Rathaus, bei denen ein Ratsmitglied sich näher über die Inhalte der Vorlagen zu informieren sucht. Wenn man den monatlichen Zeitaufwand für solche Gespräche zwischen 0 und 20 Stunden ansetzt, dann ist das sicherlich für die maßgeblichen Vertreter der einzelnen Fraktionen noch keineswegs ausreichend.

Allein die zeitliche Bedeutung der unbedingt notwendigen Aufgaben zeigt, daß auf jeden Ratsvertreter aus der Wahrnehmung seines kommunalen Mandats ein zusätzlicher Zeitbedarf zukommt, der im Monat zwischen 60 und 80 Stunden, d. h. in der Woche bei 15— 20 Stunden liegt. Dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, daß kommunale Mandatsträger oft auch örtliche Parteifunktionen bekleiden und es aus der Sicht der Parteiorganisation wünschenswert ist, Ratsvertreter in stärkerem Maße in der Öffentlichkeitsarbeit einzusetzen. Schließlich ist auch nicht berücksichtigt, daß bestimmte Gruppen von Ratsmitgliedern, die sachlich zuständig sind, öffentliche Sprechstunden für ganz bestimmte Problembereiche durchführen können. Dies alles würde den Zeitbedarf für die wirkungsvolle Wahrnehmung des kommunalen Mandats entsprechend erhöhen.

Angesichts dieser Anforderungen an die zeitlichen Möglichkeiten der Mandatsträger stellt sich immer stärker die Frage, ob Ratsmitglieder ihre Aufgaben ehrenamtlich, also zumindest zum Teil neben ihrer regulären Berufstätigkeit wahrnehmen können. Sieht man sich die Ratsfraktionen der Großstädte daraufhin an, dann erweisen sich die ausgesprochenen „Feierabendpolitiker" als keineswegs zahl-reich vertreten. Meist handelt es sich durchaus um Personen, die auch schon dann politische Aufgaben wahrnehmen, wenn andere noch im Beruf arbeiten müssen. Zur Abwicklung der Selbstverwaltungsaufgaben geht es auch einfach gar nicht mehr anders. Im besonderen Maße ist dies bei den führenden Mitgliedern der Gemeinderäte (Ratsvorsitzende, Fraktionsvorsitzende, Vorsitzende bzw. Sprecher wichtiger Ausschüsse) der Fall

Darin kann kein persönlicher Vorwurf gegen irgend jemand liegen, wohl aber eine Kritik am gegenwärtig praktizierten System kommunaler Selbstverwaltung, das nicht genügend auf die Umsetzung seiner juristischen Postulate in gesellschaftliche Wirklichkeit achtet. Das gilt insbesondere, solange die Auswirkungen der zeitlichen Ansprüche an kommunale Mandatsträger auf das Ergebnis der Kandidatenaufstellung und die relativ hohe Fluktuation der Ratsvertreter vernachlässigt werden. An die Stelle des ehrenamtlichen Repräsentanten ist in den Großstädten, wo sich das „Parlamentarier-Berufsbild" der Gemeindeordnungen am deutlichsten als überholt erweist, längst der (Teilzeit-) Berufspolitiker getreten. Personen, die nicht durch eine genau festgelegte, fremdbestimmte Arbeitszeit gebunden sind und im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Techniken sozialer Kommunikation erlernt haben, verfügen bei der Auswahl des politischen Personals für kommunale Vertretungskörperschaften über entscheidende Startvorteile.

III. Die soziale Selektion der Mandatsträger

Abb. 2: Organisationsübersicht zur Dezernats- und Ämtergliederung

Zu den bevorzugten Personen gehören zunächst Angehörige solcher Gruppen, die überhaupt keiner Berufstätigkeit nachgehen. Das sind sowohl Rentner und Pensionäre, die aus Altersgründen aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden sind und in der Komunalpolitik ein Tätigkeitsfeld für ihren dritten Lebensabschnitt finden als auch Hausfrauen, wenn sie, in höherem Lebensalter stehend, nicht durch Kleinkinder und Kinder im schulpflichtigen Alter auf ihren häuslichen Tätigkeitsbereich beschränkt werden. Bei den Berufstätigen ist zwischen abhängig Beschäftigten und Selbständigen zu unterscheiden.

Bei den abhängig Beschäftigten steht der Ausübung eines kommunalen Mandats kein berufliches Hindernis im Wege, wenn die Art der Berufstätigkeit keine zeitliche Bindung an einen Arbeitsplatz mit sich bringt und der Arbeitgeber sich durch die Wahrnehmung eines kommunalen Mandats nicht betroffen fühlt, daraus also keine negativen Konsequenzen für die beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten resultieren. Das ist regelmäßig bei Personen, die ohnehin keinen beruflichen Aufstieg (mehr) erwarten können, sowie bei den Angehörigen der öffentlichen Verwaltung und beim Lehrpersonal aller Arten von Schulen, von der Grundschule bis zur Hochschule, der Fall Ähnliches gilt auch für Mitglieder von Betriebsräten, die zur Wahrnehmung ihrer Betriebsratsfunktion von ihrer ursprünglichen Arbeit freigestellt sind.

Eine weitere Teilgruppe der abhängig Beschäftigten, für die eine Übernahme kommunaler Mandate in Betracht kommt, sind solche Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber ein mittelbares oder unmittelbares Interesse am Mandat ihres Mitarbeiters haben. Dazu gehören sowohl leitende Angestellte größerer Unternehmen als auch die hauptamtlichen Mitarbeiter von Parteien, Gewerkschaften und anderen Verbänden. Die Beobachtung der mittelfristigen Entwicklung sozialer Strukturen von Kommunalparlamenten zeigt, daß diese drei Gruppen ihren Anteil an den kommunalen Mandatsträgern laufend vergrößert haben. An die Stelle der früheren Honoratiorenschicht sind — zumindest in den Großstädten — inzwischen Kommunalpolitiker getreten, die neben einer formal „abhängigen" Berufstätigkeit ein kommunales Mandat wahrnehmen

Bei den Selbständigen kommen heute als ehrenamtliche Kommunalpolitiker nur noch solche Personen in Betracht, deren Arbeitskraft im eigenen Betrieb oder Büro wenigstens zum Teil entbehrlich ist. Inhaber kleinerer Handelsbetriebe können ein kommunales Mandat nur in Ausnahmefällen übernehmen. Eigentümer mittlerer Unternehmen stoßen in dieser Hinsicht auf erheblich geringere Schwierigkeiten. Neben den Selbständigen, die ihrer Neigung entsprechend in der Kommunalpolitik mitarbeiten können, davon aber weder berufliche Nachteile noch Vorteile erwarten müssen, gibt es eine Gruppe von freiberuflich Tätigen, bei denen die Wahrnehmung eines kommunalen Mandats im beruflichen Interesse liegt. Die Architekten sind in diesem Zu-sammenhang mit Abstand das bemerkenswerteste Beispiel

Diese Tendenzen einer sozialen Selektion ehrenamtlichen Personals in der Kommunalpolitik haben sich verständlicherweise dort am weitesten durchgesetzt, wo die Anforderungen an diesen Personenkreis in sozialtechnischer, intellektueller und zeitlicher Hinsicht durch die im Vergleich zur Bevölkerungszahl außerordentlich geringe Zahl der Mandatsträger am stärksten sind, also in den Großstädten. Die kleinen Gemeinden bieten demgegenüber noch am ehesten das Bild der überlieferten kommunalen Honoratiorendemokratie Klein-und Mittelstädte liegen in ihren Strukturdaten zwischen diesen Extremen.

Unabhängig von den Schwerpunkten im Einzelfall zeigt sich aber auch hier eine Dominanz des selbständigen und unselbständigen Mittelstandes in den Ratsfraktionen aller Parteien. Dazu zählen Selbständige, mittlere Führungskräfte aus der privaten Wirtschaft und Angehörige des öffentlichen Dienstes (fast alle aus dem gehobenen und höheren Dienst). Unterschiede ergeben sich wesentlich hinsichtlich gewisser Schwerpunkte: Während der unselbständige Mittelstand bei der SPD überwiegt, stellen Angehörige des selbständigen Mittelstandes ein größeres Kontingent des kommunalpolitischen Personals bei den „bürgerlichen" Parteien.

Da die FDP ihre Wählerschaft überwiegend aus dem „Mittelstand" rekrutiert, ist eine solche Schwerpunktbildung nicht weiter verwunderlich und bewirkt auch keine Veränderungen im politischen Profil von Wählerschaft, aktiver Parteimitgliedschaft und kommunalen Mandatsträgern. Bei CDU und CSU, die als Gesamtpartei nicht nur die Interessen mittelständischer Gruppen, sondern auch die Interessen ihrer Finanziers in Industrie, Handel und Bankwesen vertreten, rekrutiert sich das kommunalpolitische Personal, das diese Interessen vertritt, fast ausschließlich aus dem Mittelstand. Bei der SPD, die entsprechend dem Schwerpunkt ihrer Wähler-und Mitgliedschaft vorrangig Arbeitnehmerinteressen vertreten will, obliegt diese Aufgabe in der Kommunalpolitik ebenfalls in hohem Maße Angehörigen des (unselbständigen) Mittelstandes. In beiden Parteien bewirken nicht zuletzt die Überbetonung der rhetorischen Leistung als Auswahlkriterium und die wachsende Rolle des öffentlichen Dienstes innerhalb der aktiven Parteimitgliedschaft, daß ehrenamtliches Personal für die Kommunalpolitik aus dem mittelständischen Aufsteigermilieu (insbesondere der Lehrerschaft) stammt. Dieser Effekt wird durch die Unvereinbarkeitsgesetzgebung eher verstärkt als abgeschwächt.

Für die politische Arbeit sind aus der Dominanz des Mittelstandes vor allem dann Konsequenzen zu erwarten, wenn es um den vom einzelnen Ratsvertreter in die Diskussion eingebrachten persönlichen Erfahrungsbereich geht. Auswirkungen können sich sowohl hinsichtlich der Bereitschaft zum Austragen gesellschaftlicher Konflikte als auch für die Perzeption der Arbeitswelt und ihrer Probleme sowie für die Einschätzung der eigenen Rolle zeigen. Diese Vermittlungsmechanismen tragen dazu bei, daß in der Kommunalpolitik eigentumsbezogene und organisierte Interessen Vorrang vor anderen genießen. Die führende Rolle mittelständischer Gruppen beim kommunalpolitischen Personal aller Parteien führt zu einer Dominanz bestimmter Werthaltungen und Einstellungen, die Konflikte in der Kommunalpolitik in überschaubaren Grenzen hält

Personen, zwischen denen es intensivere Konflikte geben könnte, treten innerhalb des ehrenamtlichen Personals der Kommunalpolitik gar nicht erst auf. Gemeinsame Wertmaßstäbe, nämlich die Wertmaßstäbe der sozialen Aufsteiger, herrschen vor, und von diesen gemeinsamen Wertmaßstäben her werden sowohl politische Entscheidungsaufgaben bestimmt als auch politische Einzelentscheidun-gen getroffen. Diese Erfahrungen aus dem kommunalpolitischen Alltag stehen im diametralen Gegensatz zu den Vorstellungen, die vom jeweiligen Landesgesetzgeber den einzelnen Gemeindeordnungen zugrunde gelegt wurden.

IV. Der Rat als Richtliniengeber

Abb. 3: Interaktionen in der Kommunalpolitik

Für das Verhältnis von hauptamtlicher Verwaltungsspitze und ehrenamtlicher Vertretungskörperschaft in der politischen Willensbildung der Gemeinden (s. Abb. 1) haben die verschiedenen Gemeindeordnungen der Länder formale Festlegungen getroffen. Gemeinsam ist ihnen die Orientierung am Grundsatz der institutionellen Gewaltenteilung als dem klassischen Modell politischer Verwaltungsführung: Der Rat ist das oberste Beschlußorgan, die Verwaltung führt seine Beschlüsse aus heißt es beispielsweise in der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen. Beschlüsse des Rates sind dementsprechend das entscheidende Führungsmittel der kommunalen Verwaltung.

Grauhan hat als institutioneile Gestaltungsmöglichkeiten für politische Entscheidungsprozesse alternative Modelle politischer Verwaltungsführung skizziert. Das dem Wortlaut der Gemeindeordnungen entsprechende „Modell legislatorischer Programmsteuerung" unterscheidet zwischen Politik als Willensbildung und Verwaltung als Willensausführung. Parlamentsbeschlüsse (Gesetze) dienen als politische Führungsmittel, mit deren Hilfe dem Verwaltungshandeln politische Programme vorgegeben werden. Kennzeichen des Modells ist der Versuch, für die Funktionen der Programm-auswahl und der Programmvollziehung Organisationsformen einzusetzen, die geeignet erscheinen, die Erfüllung dieser Funktionen in möglichst hohem Maße vernunftgeleitet zu gestalten Die Funktion der Programmauswahl liegt bei einem parlamentarischen Gremium, in der kommunalen Selbstverwaltung also bei den Vertretungskörperschaften (Ge-meinderat, Kreistag, Stadtrat, Stadtverordnetenversammlung). Dort gelten die Prinzipien des Minderheitenschutzes, des Widerspruchsrechts, der Beratung und der Mehrheitsentscheidung. Minderheitenschutz und Widerspruchsrecht finden ihren Niederschlag in den Möglichkeiten, innerhalb des parlamentarischen Gremiums Fraktionen zu organisieren und verschiedene Meinungen zu vertreten. Auf diese Weise finden die in der politischen Auswahlsituation enthaltenen Alternativen ihre Fürsprecher und werden durch kontroverse Diskussionen profiliert. Zugleich werden durch das Prinzip der Beratung die Kosten und Gewinne der anstehenden Programmalternativen geklärt und in ihrem Für und Wider ausdiskutiert. Das Prinzip der Mehrheitsentscheidung stellt sicher, daß als Ergebnis der politischen Auseinandersetzung eine Lösung ausgewählt wird

Die Programmvollziehung wiederum ist Aufgabe einer als weisungsgebunden bestimmten Verwaltung, für die Beschlüsse der Vertretungskörperschaften als Führungsmittel dienen. Die hierarchisch strukturierte, auf Einzelentscheidungen abgestellte Arbeitsweise der Verwaltung soll dazu dienen, die Rationalität und Effizienz der programmgebundenen Entscheidungen zu sichern. Die hierarchische Struktur entspricht dem Gedanken der deduktiven Aufgabensetzung. Das Anweisungsrecht der Verwaltungsspitze sichert die Ausführung des vorgegebenen Programms. Die Untersuchung der Praxis kommunaler Selbstverwaltung hat zu prüfen, inwieweit der tatsächliche Prozeß politischer Willensbildung und Entscheidung im Zusammenspiel von Rat und Verwaltung dem von den Gemeindeordnungen gewählten Modell legislatorischer Programmsteuerung entspricht. Hier scheinen erhebliche Zweifel angebracht, die insbesondere bei der Frage ansetzen, wo die vielfältigen Anstöße für die der Verwaltung von den Vertretungskörperschaften vorzugebenden Programme herkommen.

„Auf der Basis der strengen Unterscheidung politischer Willensbildung und administrativer Willensvollziehung müßte man annehmen, daß die Parlamentsfraktionen als Partner des parlamentarischen Auswahlprozesses ständig von den gesellschaftlichen Interessen, Wert-haltungen und Überzeugungen mit Programm-anstößen gefüttert werden, daß diese Anstöße ausreichen, um das Programmbedürfnis des Verwaltungsapparates zu decken und daß schließlich die parlamentarisch ausgewählten Programme das Verwaltungshandeln so eindeutig festlegen, daß dieses Handeln als reiner Programmvollzug organisiert werden kann." Diese Annahmen erweisen sich in der Praxis der kommunalen Selbstverwaltung als völlig unrealistisch.

Die von den kommunalen Vertretungskörperschaften ausgehenden Programmanstöße reichen keineswegs aus, um die Nachfrage des Verwaltungsapparates nach Programmvorgaben zu befriedigen. Deshalb erscheint es nahe-liegend, daß die Verwaltung die erforderlichen Vorgaben selbst entwickelt und sie den Vertretungskörperschaften zur Genehmigung vorlegt. Dieses Vorgehen findet seine Grundlage in einer durch die Orientierung am Modell legislatorischer Programmsteuerung bedingten Lücke der Gemeindeordnungen, über „Initiativen" und ihre Verteilung auf die verschiedenen Gemeindeorgane enthalten die Gemeindeordnungen nämlich keine direkten Bestimmungen. Es scheint auch nicht sinnvoll zu sein, diesen „schöpferischen" Bereich kommunalpolitischer Tätigkeit rechtlich einzugrenzen.

In der Praxis liegt das Schwergewicht der Initiativen nicht bei den Fraktionen, sondern bei der Verwaltung. Als Maßstab für diese Gewichtsverteilung kann gelten, daß in der Gemeindevertretung wesentlich mehr Verwaltungsvorlagen als Fraktionsanträge behandelt werden Da der Initiator in der Praxis erheblichen Einfluß auf den Ausgang der von ihm initiierten Angelegenheit nimmt, läßt sich schon von der Initiativenverteilung her der Einfluß verschiedener Akteure auf das Ergebnis des Entscheidungsprozesses erschließen. Die zweite Annahme des Modells legislatorischer Programmsteuerung, administratives Handeln sei nur der unpolitische „Vollzug" von politischen Programmen, läßt sich schon deswegen nicht halten, weil die parlamentarisch gesetzten Programme bei weitem nicht so „ausgereift" und konkretisiert sind, daß sie nur noch „vollzogen" werden müßten. Selbst wo die Fraktionen — ausnahmsweise — umfangreiche Vorlagen entwickeln, bedarf es in der Regel zusätzlicher konzeptioneller Vorbereitungstätigkeit der Verwaltung, bis ein fertiges und politisch abgesättigtes Handlungskonzept vorliegt, das durchgeführt werden kann.

V. Die Arbeitsweise der Verwaltung

Die Gemeindeordnungen haben dem Verwaltungschef (Bürgermeister, Gemeindedirektor) bzw.dem Magistrat u. a. die Aufgabe übertragen, die Beschlüsse der Vertretungskörperschaft vorzubereiten. Das Ergebnis der Vorbereitungstätigkeit sind in der Regel „beschlußreife" Entscheidungsvorschläge (Vorlagen) der Verwaltung. Das geltende Recht unterstellt, daß der Verwaltungschef bzw.der Magistrat die Beschlüsse der parlamentarischen Gremien vorbereitet. Praktisch wird die Vorbereitungstätigkeit der Verwaltung nicht vom Verwaltungschef selbst, sondern von den Ämtern und Dezernaten wahrgenommen. Die Verwaltungsspitze trägt im wesentlichen die rechtliche Verantwortung für die Verwaltungsvorlagen, nicht aber die mit ihrer Erstellung verbundene Arbeitslast

Ob der Verwaltungschef selbst direkt an der Erarbeitung von Vorlagen beteiligt ist, hängt davon ab, wieviel Zeit ihm seine allgemeinen Lenkungsund Repräsentationsaufgaben für eine solche Tätigkeit lassen. Je größer eine Stadt ist, desto mehr Dezernate hat die Stadtverwaltung. Mittelstädte kommen mit fünf Dezernaten aus. Großstädte haben häufig zehn und mehr Dezernate. Die Dezernatsgliederung richtet sich nach der Gliederung der Aufgabenbereiche der Verwaltung (s. Abb. 2). Die allgemeinen Lenkungsaufgaben des Verwaltungschefs nehmen mit wachsender Größe der Stadt zu. In der Geschäftsverteilung wird diese Tendenz dadurch sichtbar, daß in den meisten Großstädten die Verwaltungschefs keine eigentlichen „Fachämter" (und damit besonders vorlagenträchtige Bereiche) mehr leiten, sondern allenfalls Bereiche, in denen allgemeine Steuerungs-, Kontrollund Repräsentationsaufgaben wahrgenommen werden (wie etwa Hauptamt, Presseamt, Rechnungsprüfungsamt). Praktisch hat der Verwaltungschef seine Aufgabe, die Beschlüsse der Ausschüsse und des Rates vorzubereiten, zum größten Teil an die Dezernenten (Referenten) delegiert. Seine Verantwortlichkeit für die Verwaltungsvorlagen verlangt allerdings, daß er die Vorbereitungstätigkeit in den Dezernaten ausreichend kontrollieren kann. Das hängt wiederum davon ab, wieweit er über die wichtigen Vorgänge in den Dezernaten informiert ist. Frühzeitige Konsultationen mit dem Verwaltungschef bei der Erstellung von Vorlagen liegen oft auch im Eigeninteresse der Dezernenten, die sich auf diese Weise verwaltungsinterne Rückendekkung für Vorlagen holen, die möglicherweise zu Auseinandersetzungen innerhalb der Verwaltung oder zwischen den Fraktionen führen

Im Konfliktfall kann der Verwaltungschef den Dezernenten Anweisungen zur Bearbeitung der Vorlagen geben oder gar Aufgaben zur Erledigung an sich ziehen. Von diesen Machtmitteln wird er aber normalerweise nur ganz selten Gebrauch machen. Theoretisch ist die koordinierende Kontrolle des Verwaltungschefs über die Vorbereitungstätigkeit der Verwaltung dadurch sichergestellt, daß — normalerweise — die fertigen Verwaltungsvorlagen über seinen Schreibtisch gehen, bevor sie den pariarmantarischen Gremien vorgelegt werden. Er könnte zu diesem Zeitpunkt noch auf ihre Veränderung hinwirken bzw. ihre Weitergabe an die parlamentarischen Gremien unterbinden. Sein Einfluß auf die Vorbereitungstätigkeit der Dezernate wird aber in der Praxis um so schwächer sein, je mehr sich die Vorlagen, die er zu Gesicht bekommt, dem Stadium der Fertigstellung nähern.

Das Verhältnis zwischen Verwaltungschef und Dezernatsleitern ist davon abhängig, ob es sich um Beigeordnete oder um sonstige Dezernenten handelt. Beigeordnete (hauptberufliche Stadträte) sind selbständiger gegenüber dem Verwaltungschef als Laufbahndezernenten, da sie vom Rat gewählt sind und im Konfliktfall auch „ihre" Fraktion gegen den Verwaltungschef mobilisieren können. „Einfache" Dezernenten (Laufbahnbeamte) haben ein stärkeres Bedürfnis als Beigeordnete (Wahlbeamte), sich Rückendeckung beim Verwaltungschef für ihre Entscheidungen zu holen. Entsprechend suchen sie oft von sich aus bei der Erstellung von Vorlagen eine engere und frühere Zusammenarbeit mit dem Verwaltungschef. Autoritative Eingriffe des Verwaltungschefs in die Arbeit der Laufbahndezernenten kommen gelegentlich vor; gegenüber „Beigeordneten" ist ein solcher Führungsstil des Verwaltungschefs nur schwer vorstellbar

Das Koordinationsmittel der Dezernatsarbeit in „monokratischen" Verfassungen sind Besprechungen des Verwaltungschefs mit den Beigeordneten (Verwaltungskonferenzen). Sie finden in der Regel wöchentlich statt. Wo es mehr Dezernenten als Beigeordnete gibt, finden zusätzlich erweiterte Verwaltungskonferenzen statt, an denen neben dem Verwaltungschef und den Beigeordneten auch die sonstigen Dezernenten teilnehmen Beide Typen von Konferenzen dienen zunächst dem Informationsaustausch: die Beteiligten erstatten Bericht über die wichtigsten Vorgänge in ihrem Amtsbereich. Auf diese Weise läßt sich viel leichter ein Gesamtüberblick über die Verwaltungsarbeit gewinnen als durch „bilaterale" Kontakte. Außerdem ist durch solche Konferenzen auch für die Dezernatsleiter eine umfassende Information über die Gesamtverwaltung garantiert, was nicht der Fall ist, wenn man den Informationsaustausch ins Belieben der einzelnen Dezernenten stellt und Einzelkontakten zwischen diesen überläßt. Die wichtigste Aufgabe der Verwaltungskonferenz ist die verwaltungsinterne Abstimmung von vorbereitenden Planungen und von Vorlagen an die Ausschüsse.

In der Magistratsverfassung ist die Koordination der Dezernatsarbeit und der Informationsaustausch zwischen den Dezernaten verfassungsmäßig verankert, da alle (wichtigen) Angelegenheiten der Verwaltungsbehörde vom Kollegium „Magistrat" beraten und entschieden werden. Da aber in der Magistratssitzung selbst nicht die ganze Abstimmungsarbeit geleistet werden kann, finden — zumindest in größeren Städten — vor den Magistratssitzungen vorbereitende Besprechungen im Kreis aller hauptamtlichen Magistratsmitglieder oder im Kreis der einer Fraktion angehörenden Magistratsmitglieder statt

Die Ausarbeitung von Verwaltungsvorlagen beginnt auf der Amterebene. Normalerweise erstellen die Sachbearbeiter und Amtsleiter die Verwaltungsvorlagen. Bei Routineangelegenheiten arbeiten die Ämter hierin mehr oder weniger selbständig. Vorlagen von größerer politischer Bedeutung arbeiten die Amtsleiter dagegen in direkter Absprache mit dem zuständigen Dezernenten aus. Daß die Amtsleiter und Sachbearbeiter weisungsabhängig sind, bedeutet aber nicht, daß sie jede Vorlage nach Weisungen des Dezernenten ausarbeiten. Diese Art der Steuerung findet nur bei Vorlagen statt, die möglicherweise zu einer Auseinandersetzung der Fraktionen in den parlamentarischen Gremien führen oder die koordinierende Besprechungen innerhalb der Spitze der Verwaltungsbehörde notwendig machen, bevor sie in den „parlamentarischen" Raum gehen

Die gesetzliche Weisungshoheit des Verwaltungschefs bedeutet in der Praxis nicht, daß er den Amtsleitern direkte Weisungen gibt. Dieses Recht wird de facto in der Regel nur vom Dezernatsleiter ausgeübt. Auf Ämter, die nicht zu seinem Dezernat gehören, wirkt der Verwaltungschef normalerweise nur indirekt, d. h. über den zuständigen Dezernenten ein. Die Koordination der in den verschiedenen Ämtern eines Dezernats stattfindenden Vorbereitungstätigkeit obliegt dort, wo die Verwaltung dreistufig organisiert ist, dem zuständigen Dezernenten. In kleineren Städten und Gemeinden findet sich meistens Zweistufigkeit, d. h. die Dezernentenebene fehlt; der Verwaltungschef vereinigt die Chef-und die Dezernentenebene in seiner Person.

Nach traditioneller Vorstellung fallen politische Entscheidungen in der Verwaltungsbehörde nur auf der Chefebene, allenfalls noch auf der Dezernentenebene. Heute setzt sich dagegen mehr und mehr die Erkenntnis durch, daß im Prinzip auf allen Ebenen der Verwaltungsbehörde, also auch auf der Amterebene, politische Entscheidungsspielräume offenstehen Aus dieser Erkenntnis müssen Konsequenzen sowohl für die Organisation der Verwaltungsbehörde als auch für die Zusammenarbeit zwischen Vertretungskörperschaft und Verwaltungsbehörde gezogen werden. Bislang ist es für die konkrete Arbeit der Vertretungskörperschaften von nahezu ausschlaggebender Bedeutung, daß in der Arbeit des Ratsplenums ebenso wie in der der Ausschüsse Beschlußvorlagen, die von der Verwaltung vorbereitet wurden, im Mittelpunkt stehen. Von ihrem Selbstverständnis her sehen auch die Gemeinderäte ihre Aufgabe darin, Verwaltungsvorlagen zu ratifizieren, allenfalls kontrollierend zu korrigieren.

VI. Der Rat als Ratifikationsorgan

Die Orientierung der Ratsarbeit an Beschlußvorlagen der Verwaltung führt zwangsläufig dazu, daß der Schwerpunkt der parlamentarischen Tätigkeit sich auch bei den kommunalen Vertretungskörperschaften in die Ausschüsse verlagert und das Ratsplenum zum bloßen Ratifikationsorgan wird. Als Ratifikationsorgan erfüllt das Ratsplenum die Aufgabe, beschlußreife Empfehlungen in verbindliche Entscheidungen umzusetzen. Die meisten Verhandlungsgegenstände führen zu Beschlüssen, und die meisten Beschlüsse kommen ohne längere oder überhaupt ohne Debatte zustande. Die eigentliche Willensbildung, nämlich das politische und sachliche Abwägen verschiedener Handlungsalternativen zur Auswahl einer „besten" Lösung durch Formulierung eines politisch „tragfähigen" Kompromisses hat bereits stattgefunden, bevor das Plenum der Vertretungskörperschaften mit einer Angelegenheit befaßt wird. So zeigt die Verhandlung im Ratsplenum nicht das (materielle) Zustande-kommen, sondern das Ergebnis von Entscheidungsprozessen.

Die in diesem Verfahren zum Ausdruck kommende Scheu, Konflikte gegenüber der Öffentlichkeit auszutragen, manifestiert sich besonders deutlich in der Tendenz zu einstimmigen Ratsbeschlüssen Diese rufen in der Öffentlichkeit das trügerische und unpolitische Einstellungen verstärkende Bild hervor, es gäbe keine Meinungsverschiedenheiten, keine Konflikte und keine politischen Alternativen. So dient die — von den Gemeindeordnungen als Regelfall vorgeschriebene — Öffentlichkeit der Ratssitzungen weniger dazu, der Bevölkerung kommunalpolitische Entscheidungsprozesse durchschaubar zu machen, als vielmehr der Zur-Schau-Stellung geleisteter Verwaltungsarbeit und der politischen „Image “ -Pflege und Profilierung der Fraktionen.

Die — möglicherweise auch kontroverse Beratung — kommunalpolitischer Sachfragen erfolgt in den — meist nicht-öffentlich tagenden — Fachausschüssen. Das Übergewicht der Ausschußarbeit gilt auf jeden Fall für Groß-und Mittelstädte. In diesen geht die Tendenz dahin, im Ratsplenum keine Beschlüsse zu fassen, die nicht in Ausschüssen vorberaten worden sind.

Wesentliche Ursache für die Bildung von Ausschüssen ist das Bemühen um parlamentarische Arbeitsteilung. Das einzelne Ratsmitglied, das ehrenamtlich tätig ist, mit all den Aufgaben und Zuständigkeiten zu belasten, für die in der Verwaltung einer Großstadt Dutzende von Leuten ganztägig arbeiten, wäre mit Sicherheit eine Überforderung. Der Ausweg des Parlamentarismus heißt auf allen Ebenen Arbeitsteilung durch Ausschüsse Ob das ein sehr wirkungsvoller Ausweg ist, bleibt durchaus fragwürdig. Dennoch gibt es jedenfalls grundsätzlich dazu bisher keine überzeugende Alternative.

In Kleinstädten und kleineren Gemeinden, in denen von der parlamentarischen Arbeitsteilung nicht so stark Gebrauch gemacht wird und bisweilen noch der Gemeinderat überwiegend als Plenum verhandelt, hat zwar jedes einzelne Ratsmitglied einen relativ großen Überblick über alle kommunalen Angelegenheiten, aber die reduzierte Ausschußarbeit führt dazu, daß die Ratsmitglieder nicht besonders gut auf die Plenumssitzungen vorbereitet sind, was wiederum den Informationsvorsprung der Verwaltung und damit ihr politisches Gewicht noch weiter verstärkt

Für die Bildung von Ausschüssen bestehen zunächst einmal verschiedene gesetzliche Vorschriften, etwa daß es einen Hauptausschuß, einen Rechnungsprüfungsausschuß, einen Schulausschuß, einen Jugendwohlfahrtsaus-schuß oder einen Ausschuß für zivile Verteidigung und Vertreter für den Verwaltungsrat der Sparkasse geben muß. „Obligatorische" Ausschüsse (Ausschüsse, die die Gemeindevertretung bilden muß) ergeben sich nicht nur aus der jeweiligen Gemeindeordnung; solche Ausschüsse sind auch nicht in allen Gemeindeordnungen vorgesehen. Je mehr Kompetenzen die Gemeindevertretung hat, um so stärker wird die Gemeindeordnung dem Prinzip obligatorischer Ausschüsse Rechnung tragen.

So schreibt etwa die Gemeindeordnung von Nordrhein-Westfalen mit ihren sehr weit gespannten Zuständigkeiten der Gemeindevertretung drei obligatorische Ausschüsse vor, während die reine Magistratsverfassung in Hessen mit relativ eng gefaßten Zuständigkeiten der Gemeindevertretung gar keine obligatorischen Ausschüsse kennt. Die Bildung und Abgrenzung der übrigen Ausschüsse fällt in die ausschließliche Entscheidungshoheit des Rates. Die Frage ist aber, nach welchen Gesichtspunkten der Rat von dieser Kompetenz Gebrauch macht, üblicherweise geht man davon aus, welche Ausschüsse in der vorigen Legislaturperiode bestanden haben, und bildet wieder die gleichen. Eigentlich sollte sich jeder neue Rat fragen, welche Ausschüsse aus welchem Grunde gebildet werden müssen.

In manchen Gemeinden ist die Ausschußstruktur relativ übersichtlich. In anderen (Groß-) Städten werden den Ausschüssen noch Unterausschüsse zugeordnet, mit dem Ergebnis, daß es kaum Ratsmitglieder gibt, die weniger als fünf Ausschüsse und Unterausschüsse wahrnehmen müssen. Bei diesem System der Ausschüsse besteht die Gefahr der Beschäftigungstherapie Deshalb ist für jeden neu-gewählten Rat grundsätzlich zu diskutieren: Nach welchem System werden Ausschüsse eingesetzt? Welche Aktivität muß von diesen Ausschüssen erwartet werden? Welche Ausschüsse sind aus politischen Gründen erforderlich? Obwohl meistens schon ein halbes Jahr vor der Kommunalwahl abzusehen ist, wie die neuen Fraktionen der einzelnen Parteien zusammengesetzt sein werden, beginnt die parteiinterne Verteilung der Ausschußmandate frühestens am Tag nach der Wahl. Das Verfahren orientiert sich an den Fragen: Wer war bisher in welchem Ausschuß? Wo sind jetzt Plätze frei? Wen schicken wir dort am besten hin? So finden sich die neugewählten Ratsmitglieder in Ausschüssen wieder, zu denen sie möglicherweise gar keine sachliche oder persönliche Beziehung haben, und müssen sich zunächst in die Aufgaben dieser Ausschüsse einarbeiten. Diese Aufgaben wiederum eröffnen sich nur über den Weg der Vorlagen und damit durch die vorbereitende Arbeit der Verwaltungsspitze.

In gewissem Umfang kann sich das Ratsplenum von der bloßen Ratifikation vorprogrammierter Entscheidungen befreien, indem es sich von Beschlußkompetenzen entlastet und so mehr Zeit für die Beratung der einzelnen Tagesordnungspunkte gewinnt. Das kann u. a. geschehen durch die Bildung sog. beschließender Ausschüsse, wie sie alle Gemeindeordnungen zulassen. Von dieser Möglichkeit machen Großstädte besonders stark Gebrauch, weil hier die Stadtvertretung nicht nur absolut, sondern auch relativ mehr zu entscheiden hat als in kleineren Gemeinden. In Gemeinden mit Magistratsverfassung wird von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht, weil hier der Magistrat z. T. Ausschußfunktionen übernimmt

Auch wenn das Schwergewicht parlamentarischer Arbeit in den Ausschüssen und nicht im Plenum liegt, kommt der Ausschußphase nicht unbedingt eine Schlüsselstellung im Entscheidungsprozeß zu. Tendenziell müssen auch die Ausschüsse zum formalorganisatorischen Entscheidungssystem gerechnet werden das überwiegend Ratifikationsund Legitimationsfunktionen erfüllt. Träger dieser Funktionen sind in den Ausschüssen die politischen Experten. Die meisten Verwaltungsvorlagen passieren die Ausschüsse ohne erhebliche Veränderungen, weil die „Durchschlagskraft" entscheidungsreifer Verwaltungsvorlagen — aus vielerlei Gründen — so stark ist, daß in den Ausschüssen keine große Auseinandersetzung darum mehr erwartet werden kann.

Die Stellung der Verwaltungsspitze gegenüber dem Rat ist auch institutionell relativ stark.

Verwaltungschef und Beigeordnete werden etwa in Nordrhein-Westfalen gegenwärtig auf zwölf Jahre gewählt. Ein Wechsel der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse berührt den Status eines Beigeordneten überhaupt nicht. Einem Beigeordneten, der mit mindestens drei verschiedenen Parlamenten zu tun hat, kann, spätestens in der zweiten Legislaturperiode, weitgehend gleichgültig sein, welche Mehrheit im Rat besteht. In der Zwischenzeit hat er die kommunalpolitischen Entscheidungsmechanismen so gut zu beherrschen gelernt, daß die neuen Ratsmitglieder ihm restlos unterlegen sind.

Dem Hauptgemeindebeamten (in den meisten Bundesländern Bürgermeister, in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen Gemeindedirektor genannt) kommt nicht zuletzt durch die Vorlagenorientierung der Ratsarbeit eine Schlüsselstellung zu. Er bildet die Nahtstelle zwischen der hierarchisch organisierten Verwaltung und dem zumindest parlamentsähnlich konstituierten Gemeinderat In Baden-Württemberg etwa wird diese Position durch seine Aufgaben als Vorsitzender des Gemeinderates und die damit verbundene Herrschaft über die Tagesordnung verstärkt. In Hessen wird sie durch das Magistratsprinzip zwar tendenziell abgeschwächt, aber keineswegs beseitigt. Bedeutsamer ist in diesem Zusammenhang gerade die Tätigkeit der leitenden Verwaltungskräfte nach „außen", also im Verhältnis zu anderen kommunalen Einheiten, staatlichen Behörden und wirtschaftlichen Unternehmen

Vor diesem Hintergrund weist das von Grauhan als Alternative zum Modell legislatorischer Programmsteuerung formulierte „Modell exekutiver Führerschaft" einen erheblich stärkeren Realitätsgehalt auf: Setzen von Zielen, Festlegen von Prioritäten, Anregen politischer Innovationen und Auswahl möglicher Programmalternativen erfolgen durch die Spitzen der örtlichen Verwaltungsbehörde. Im Modell exekutiver Führerschaft dient der politische Prozeß der legitimen Machtbildung, die wesentlich in der Bildung eines Mehrheitskonsenses als Legitimationsbasis für Führungsentscheidungen besteht. „Die Auseinandersetzung unter Mehrheits-und Minderheitsfraktionen wird nicht als Verfahren zur Rationalisierung aktueller Programmauswahlen verstanden, sondern als Bildung eines Mehrheitskonsenses zur Ratifizierung von Führungsentscheidungen einerseits und als Aufbau oppositioneller Programmalternativen zur Verwendung im nächsten Wahlkampf andererseits."

Der Hauptgemeindebeamte (Bürgermeister, Gemeindedirektor) als Spitze einer auf exekutive Führerschaft angelegten Verwaltungsorganisation und Nahtstelle zur politischen Legitimationsinstitution Gemeinderat steht zusammen mit seinen Dezernenten (Referenten) vor der Aufgabe, für das Ergebnis einer verwaltungsintern getroffenen Auswahl zwischen Handlungsalternativen (die „Verwaltungsmeinung") eine ausreichende Legitimationsbasis zu organisieren.

In kleineren Gemeinden ergeben sich dabei erfahrungsgemäß die geringsten Probleme: Die Entpolitisierung des Gemeindrates ist besonders stark, die Verwaltungsspitze hat stets das Argument der sachlichen Notwendigkeit auf ihrer Seite, die Mehrheitsverhältnisse sind eindeutig, so daß die gemeinsame Parteizugehörigkeit als ausreichende Brücke zwischen Verwaltungsspitze und Ratsmehrheit zum Tragen kommen kann. Das gilt freilich nur dann, wenn es überhaupt zu politischen Kontroversen kommt. Meist tarnt sich besonders in kleinen Gemeinden hinter der These „Kommunalpolitik ist Sachpolitik" die Neigung, öffentliche Konflikte zu vermeiden

Im Gegensatz zu der Situation in kleinen Gemeinden zeichnen sich die kommunalen Vertretungskörperschaften in Großstädten durch ein erheblich höheres Maß an Professionalisierung aus. Die kommunalen (Teilzeit-) Berufs-politiker haben eine zentrale Stellung in den allein die Legitimität der Verwaltungsentscheidungen vermittelnden Fraktionen der Vertretungskörperschaften inne. Dadurch sind diese Personen (mit und ohne entsprechende institutionelle Regelungen in den Gemeinde-ordnungen der einzelnen Länder) zu Mitträgern eines „politischen Innovationszentrums" aus Verwaltungsspitze und führenden Mandatsträgern geworden, das Banner als Gruppe der „Vorentscheider" identifiziert hat.

VII. Die Vorentscheider — Brücke zwischen Rat und Verwaltung

Verwaltungsvorlagen von einer gewissen politischen Tragweite werden im allgemeinen von der Verwaltung nicht unvermittelt in das formale Entscheidungssystem (Fachausschüsse, Rat) eingeleitet. „In der Praxis ist unübersehbar, daß kleinere Personengruppen über den Inhalt solcher Vorlagen zumindest in den Grundzügen vorentscheiden." Zwischen den planenden Teilen der Verwaltung und den führenden Personen der Vertretungskörperschaften bestehen vielfältige informelle Beziehungen: „Der politisch einflußreiche Ratsvertreter braucht Information und findet sie in der Verwaltung. Der Verwaltungsmanager andererseits sucht den Kontakt, um sein Vorhaben rechtzeitig politisch abzusichern."

Aus diesem beiderseitigen Interesse entwik-kelt sich eine Gruppe von „Vorentscheidern". Dazu gehören auf Seiten des Rates die „Berufs" -Politiker und die Spezialisten für bestimmte Sachgebiete (Oberbürgermeister, Ausschußvorsitzende, Fraktionsvorsitzende, Gewerkschafts-und Verbandsfunktionäre, Architekten u. a.). Zu den Vorentscheidern im Verwaltungsbereich gehören der Verwaltungschef, die Dezernenten (Referenten), die mit politischer Entscheidungsvorbereitung befaßten Amtsleiter. Gemeinsames Kennzeichen dieser kommunalpolitischen Manager ist, daß sie politisch denken und argumentieren können und deshalb als Gesprächspartner für die Vor-entscheider aus der Vertretungskörperschaft in Betracht kommen.

Während ein volksgewählter Oberbürgermeister der süddeutschen Ratsverfassung unter günstigen Umständen (z. B. in Kleinstädten) vorübergehend eine Art Alleinherrschaft über Rat und Verwaltung errichten kann, ist mit einer solchen Monopolisierung der politischen Willensbildung durch den Verwaltungschef in nordrhein-westfälischen und niedersächsischen Großstädten (Norddeutsche Ratsverfassung) nicht zu rechnen. Dort werden die Funktionen des Ratsvorsitzenden (Oberbürgermeister) und des Verwaltungschefs (Oberstadtdirektor) von zwei verschiedenen Personen wahrgenommen. Auch die Sitzungen der Rats-ausschüsse werden nicht vom dezernatsmäßig zuständigen Beigeordneten, sondern von einem zum Ausschußvorsitzenden gewählten Ratsmitglied geleitet. „Der durch die Sitzungsleitung vermittelte Einfluß auf Gegenstände und Richtung der politischen Diskussion wird dadurch komplettiert, daß der Oberbürgermeister und die Ausschußvorsitzenden selbständig die Tagesordnungen aufstellen."

Die führenden Mitglieder der Vertretungskörperschaft (Oberbürgermeister, Ausschußvorsitzende und Fraktionsvorsitzende) verfügen durch die Sitzungsleitung und die Herrschaft über die Tagesordnung im Rat und seinen Ausschüssen über erheblichen politischen Einfluß. Weitere Anerkennung wächst den führenden Mandatsträgern zu, wenn sie die in ihren Funktionen liegende Chance politischer Profilierung durch Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit nutzen. Das so gewonnene Ansehen wirkt sowohl auf die Ratskollegen als auch auf die Verwaltung zurück und wird von ihr als Einfluß honoriert.

Andererseits müssen sich die Sprecher der Fraktionen zunächst gegen Rivalen aus den eigenen Reihen und gegen die Argumente der politischen Gegner durchsetzen. Deshalb versuchen sie, Interessengleichheit mit den zuständigen Dezernenten oder Amtsleitern der Verwaltung herzustellen, die ihre politischen Argumente fachlich abstützen können. Dadurch kommt es zu einer Symbiose zwischen politischen und fachlichen Promotern bestimmter kommunalpolitischer Projekte.

Die Vorentscheider, von denen im Einzelfall die Initiative ausgeht (überwiegend solche aus dem Verwaltungsbereich), suchen frühzeitig den Kontakt zu ihren ständigen Gesprächspartnern in der Vertretungskörperschaft, um die Entscheidungsalternativen unter dem Gesichtspunkt des politisch Gewollten und fachlich Möglichen gemeinsam zu erörtern. Die Umstände, unter denen dieser Gedankenaustausch stattfindet, ändern sich ebenso wie der jeweils beteiligte Personenkreis. Die Fühlungnahmen sollen politische Entscheidungen auf der Grundlage einer Kombination von Fachwissen und politischem Sachverstand ermöglichen. „Die Gruppe der Vorentscheider bildet somit den Transmissionsriemen zwischen der bürokratischen Vorbereitungsmaschinerie und dem politischen Entscheidungsorgan. Sie weist zweifellos Züge einer Oligarchie auf. Ihre Angehörigen bilden eine Art Planungs-Schicht, die den subalternen Verwaltungsmitarbeiter ebenso wie den Hinterbänkler im Rat von größerem politischen Einfluß ausschließt. " Diese Planungsschicht ist jedoch für das kommunalpolitische Entscheidungssystem lebensnotwendig:

— Der zeitliche Aufwand für die Vorbereitung politischer Einzelentscheidungen läßt sich auf ein erträgliches Maß reduzieren.

— Nur eine Kleingruppe vermag die Vorbereitungsarbeit so lange abzuschirmen, bis das entwickelte Konzept den erforderlichen politischen Reifegrad erreicht hat, um den Unwägbarkeiten der öffentlichen Diskussion standzuhalten.

Erst wenn die Vorentscheider ihrer politischen Absicht eine erste Formulierung gegeben haben, treten sie in die Beratung mit den Fraktionen und damit in ein gewisses Stadium von Öffentlichkeit ein.

Diese Darstellung des kommunalpolitischen Vorentscheidungsprozesses ist zunächst auf Grund von Erfahrungen in einer nordrhein-westfälischen Großstadt entwickelt worden. Sie ist allerdings auch darüber hinaus von erheblicher Relevanz. In der Magistrats-verfassung ist die direkte und frühzeitige Kommunikation zwischen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Kommunalpolitikern ebenso institutionalisiert wie im Amt des ehrenamtlichen Stadtrates der bayerischen Gemeinde-ordnung. Der niedersächsische Verwaltungsausschuß und der Stadtvorstand kreisfreier Städte in Rheinland-Pfalz sind ähnlich konstruiert. Auch ohne institutioneile Vorkehrungen wurden entsprechende Kontakte in einer baden-württembergischen Kleinstadt festgestellt Vor diesem Hintergrund erscheint weniger der Gemeindeverfassungstyp als vielmehr die Gemeindegröße als wichtiges Unterscheidungsmerkmal für die Bedeutung eines (formellen oder informellen) Kreises von Vor-entscheidern. Die mit dem Konzept der Vorentscheider verbundenen Einsichten werfen die grundsätzliche Frage nach dem Realitätsgehalt einer juristisch orientierten Betrachtungsweise des kommunalen Entscheidungsprozesses auf. In den meisten Gemeindeordnungen werden die beiden Willensbildungs„organe" Gemeindevertretung und Verwaltungsbehörde im Rahmen ihrer Kompetenzen als mehr oder minder unabhängig voneinander handelnde Entscheidungssysteme einander zugeordnet Diese verfassungsrechtliche Konstruktion prägt aber nicht die Praxis des kommunalen Entscheidungsprozesses. Vielmehr führen mannigfache Verzahnungen und Wechselwirkungen zwischen beiden „Organen" dazu, daß die Willensbildung des einen „Organs" von Anfang an mehr oder weniger stark durch die des anderen „Organs" beeinflußt wird. Das politisch-soziologisch orientierte Konzept der Vorentscheider betont die Verzahnung und durchleuchtet die Bildung von informellen Führungsgruppen.

Die Willensbildung des kommunalen Verwaltungsapparates erfolgt auch insofern und insoweit nicht unabhängig von der „parlamentarischen" Willensbildung, als sie von „politischen" Gesichtspunkten getragen wird. In wichtige Verwaltungsvorlagen fließen von Anfang an die politischen Vorstellungen der Fraktionen ein. Eine nachträgliche Abstimmung zwischen Verwaltungsmeinung und Ratsmehrheit könnte zu Auseinandersetzungen in den öffentlichkeitsnahen „parlamentarischen" Gremien führen. Das wird in der Regel durch „vorweggenommene Reaktionen" vermieden. Insbesondere der Verwaltungschef versteht sich heutzutage zumindest in größeren Städten — unabhängig vom formellen Verfahren seiner Wahl — als Kommunalpolitiker. Die Einsetzung von weiteren Wahlbeamten verstärkt die Politisierung der Verwaltungsspitze.

Wie der Verwaltungschef richten auch die anderen Wahlbeamten ihre Amtsführung mehr oder weniger stark auf den Willensbildungsprozeß der Faktionen aus, den sie ihrerseits von Anfang an zu beeinflussen suchen. Formell zeigt sich die innere Verzahnung zwischen Rat und Verwaltung schon darin, daß die Wahlbeamten in der Regel an den Sitzungen „ihrer" Fraktion teilnehmen. Dieses Vorgehen ermöglicht frühzeitige Durchdringung von parlamentarisch-politischer und admini-strativ-bürokratischer Willensbildung. Eine zeitliche Angleichung zwischen Amtsperiode der Wahlbeamten und Legislaturperiode der Vertretungskörperschaft würde diese Ver-zahnungen noch verstärken. Trennungslinien im kommunalen Entscheidungsprozeß verlaufen eher zwischen den Fraktionen als zwischen Rat und Verwaltung.

VIII. Die Stellung von Fraktion und Parteiorganisation

Die Gemeindeordnungen kennen als Instanzen, die Entscheidungen der Vertretungskörperschaften vorbereiten, nur die Verwaltungsbehörde und die Ausschüsse. Bevor jedoch wichtige Verwaltungsvorlagen in die Ausschüsse und in das Plenum der Vertretungskörperschaft, also in den „parlamentarischen Raum" gelangen, werden sie in den Fraktionen beraten. In der kommunalpolitischen Praxis existiert neben Verwaltung, Ausschüssen und dem informellen Führungskreis der Vor-entscheider eine weitere entscheidungsvorbereitende Instanz: die Fraktionen

Fraktionen sind im allgemeinen selbständig handelnde, voneinander unabhängige, mit eigenen Zielvorstellungen versehene politische Gruppen in parlamentarischen Gremien. Für die kommunale Ebene läßt sich sagen, daß diese Rolle von Fraktionen schwächer ausgeprägt ist als in der Landes-oder Bundespolitik. Die weitverbreitete Überzeugung, in der Kommunalpolitik gäbe es keine erheblichen sozialen und politischen Konflikte, sowie die relativ geringe soziale Distanz zwischen den Mitgliedern der Gemeindevertretung tragen dazu bei, daß kommunale Entscheidungsprozesse häufig die fraktionspolitischen „Fronten" kreuzen. Allerdings ist die politische Rolle der Fraktionen in Großstädten weitaus stärker ausgeprägt als in kleineren Gemeinden

Als äußeres Zeichen für das kommunalpolitisehe Gewicht einer Fraktion kann die Zahl der Fraktionssitzungen dienen. Eine Mustergeschäftsordnung, wie sie etwa das SPD-Kommunalreferat für Gemeinderats-Fraktionen entworfen hat, sieht vor, daß mindestens (eine Stunde) vor jeder Sitzung des Plenums der Gemeindevertretung eine Fraktionssitzung stattfinden soll In Mittelstädten stimmt diese Regel weitgehend mit der Praxis überein In Kleinstädten und Landgemeinden wird sie allerdings häufig nicht praktiziert. In Großstädten führen die Fraktionen (in der Regel wöchentliche) Sitzungen weitgehend unabhängig von den Plenarsitzungen der Vertretungs-körperschaften durch. Fraktionssitzungen dienen weniger der Vorbereitung von Ausschußsitzungen als zur Vorbereitung von Plenarsitzungen. Stehen allerdings in einer Ausschußsitzung sehr wichtige Fragen zur Entscheidung an, findet u. U. eine vorbereitende Fraktionssitzung statt. Dadurch kann vermieden werden, daß die Gesamtfraktion im Plenum anders abstimmt als die Vertreter der Fraktion im Ausschuß.

Die Meinungsbildung innerhalb der Fraktion, die der Zersplitterung des politischen Willensbildungsprozesses durch das Ausschuß-System entgegenwirkt, steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zur gemeindeverfassungsrechtlichen Konstruktion des „frei“ entscheidenden Mandatsträgers. Sofern sie ihre Rolle politisch auffassen, entscheiden die Ratsvertreter nicht als voneinander isolierte Einzelpersonen, sondern als Mitglieder einer Fraktion Wenn diese Fraktion politisches Gewicht hat und sich durchsetzen will, muß sie auf ihre Mitglieder eine gewisse Integrationskraft („Fraktionsdisziplin") ausüben Das gilt insbesondere für Entscheidungen in politischen Grundsatzfragen. Dementsprechend heißt es in der erwähnten Mustergeschäftsordnung: „Bei Beschlußfassung in grundsätzlichen Fragen sollen sich die Fraktionsmitglieder an diesen Beschluß halten."

Der politisch-integrierende Einfluß von Fraktionen im Willensbildungsprozeß kann nur wirksam werden, wenn die Verwaltungsvorlagen den Fraktionen rechtzeitig vor den Sitzungen der „parlamentarischen" Gremien vorliegen. Eine vielfach notwendige Verbesserung der Fraktionsarbeit ist durch eine eigenständige Struktur der Tagesordnung zu erreichen. Während sich gegenwärtig die Fraktionen mit ihrer Tagesordnung in sehr starkem Maße an den aktuellen Tagesordnungen der Ausschüsse und des Rates und damit ebenfalls an Einzelfällen orientieren, könnte durch Schwerpunktbildung auch Raum für Strategiedebatten geschaffen werden. Der Fraktionsvorstand muß dann allerdings auch das Leitungsgremium der Fraktion sein und nicht etwa eine Art „Seniorenrat" für verdiente Fraktionsmitglieder. Ein weiteres Problem der Fraktionsarbeit bildet die bei manchen Ausschüssen zu beobachtende Tendenz, Einzelprobleme des Ausschusses in die Fraktion zu bringen. Als Ursache läßt sich vermuten, daß dieses Verfahren immer dann gewählt wird, wenn der Ausschußsprecher oder -vorsitzende oder aber die Ausschußfraktion insgesamt sich politisch zu schwach fühlen. Hier ergibt sich die politische Verantwortung, die Gefahren einer Überlastung der Fraktion einerseits und einer Manipulation der Fraktion andererseits zu vermeiden. Zwischen diesen beiden Alternativen zu steuern, ist sicherlich eine relativ schwierige Aufgabe, die aber auf jeden einzelnen Ausschußsprecher oder -vorsitzenden zukommt. Damit hängt natürlich wieder zusammen, ob eine Fraktion Ausschußsprecher und -vorsitzende vor allem in Anerkennung parteiinterner Verdienste bestellt oder dabei die Anforderungen der eigenen Arbeitsfähigkeit ausreichend berücksichtigt.

Nebeh den Verfahren der internen Arbeitsorganisation müssen die einzelnen Fraktionen — in unterschiedlichem Ausmaß — auch die Formen der Zusammenarbeit mit der jeweiligen Parteiorganisation gestalten. Die Parteiorganisationen bestimmen einen wichtigen Teil des Prozesses politischer Sozialisation kommunaler Mandatsträger. Jeder, der in einen Beruf eintritt, durchläuft in diesem Beruf einen Sozialisationsprozeß. Volkstümlich sagt man: er macht eine Lehre. Präziser müßte man sagen: er durchläuft einen Prozeß der Einführung in einen neuen Lebensbereich. Auch Parteiorganisationen vollziehen Sozialisationsprozesse, nämlich die Einführung neuer Mitglieder in ihre eigenen Arbeitsformen und Verhaltensmuster

Dieser Prozeß beginnt — auch unbewußt — spätestens mit dem Besuch der ersten Mitgliederversammlung. Alle Bemühungen innerparteilicher Bildungsarbeit (nicht nur kommunal-politische Schulungsmaßnahmen) tragen dazu ebenso bei wie die Erfahrungen in der praktischen Arbeit der Parteiorganisation und die regelmäßige Teilnahme an Fraktionssitzungen. Der Einübungsund Einführungsprozeß ehrenamtlicher Kommunalpolitiker findet bisher in höchst unterschiedlicher Weise statt und verläuft keineswegs gesteuert. Vielmehr gilt das Prinzip, daß sich jedes Parteimitglied selbst durchzukämpfen hat.

Die Tatsache, daß der spezifisch kommunalpolitische Teil des Sozialisationsprozesses von Parteien nicht gesteuert wird, führt dann dazu, daß eine andere Gruppe die Steuerung übernimmt, nämlich die Verwaltungsspitze. Die Verwaltungsleute müssen bekanntlich mit jedem neuen Rat leben und zu diesem Zweck dessen neue Mitglieder möglichst schnell anlernen, und zwar auf ihre Sichtweise der Politik. Da ihre Sichtweise der Politik ihren Niederschlag vor allem in Verwaltungsvorlagen findet, lernen die neuen Ratsmitglieder vorrangig das Lesen von Verwaltungsvorlagen, und zwar günstigstenfalls mit den Augen eines Verwaltungsangehörigen. Spätestens damit beginnt aber die Entfremdung zwischen entsendender Parteiorganisation und neugewählten Mandatsträgern.

Wenn lokale Parteiorganisationen und kommunale Fraktionen dem nicht gemeinsam entgegenwirken, besteht die Gefahr, daß Partei und Fraktion völlig getrennt nebeneinander-her arbeiten. Zwar gibt es gelegentliche Verbindungen; sie sind aber von den beteiligten Personen abhängig: etwa ob die Fraktionsführung auf Briefe der Ortsvereine an die Fraktion eine Antwort geben will, oder ob Vertreter von Ortsvereinen dann, wenn sie ein örtliches Problem aufgegriffen haben, an Fraktionssitzungen teilnehmen können. Auch von seifen der Ortsvereine fehlen meist entsprechende Maßnahmen des Kontakts: In welchem Ortsverein finden z. B. regelmäßig gemeinsame Sitzungen von Ratsmitgliedern eines Orts-teils mit dem betreffenden Ortsvereinsvorstand statt?

Ein wichtiges Problem der Zusammenarbeit von Partei und Fraktion ist die Einbindung der sachkundigen Bürger in die Partei-und Fraktionsarbeit. Die sachkundigen Bürger sind, ebenso wie Delegierte, Vorstandsmitglieder und Hauskassierer, auch Funktionäre ihrer Partei. Das wird bereits im Auswahlverfahren deutlich: Sachkundige Bürger werden — soweit gesetzlich zulässig und politisch wünschenswert — in der Regel von der Fraktion nach vorheriger Beratung im örtlichen Partei-vorstand benannt.

Die Teilnahme aller Bürgerschaftsvertreter an den Fraktionssitzungen belastet die Arbeit der Fraktion schon allein dadurch, daß dann das beratende Gremium viel zu groß wird. Will man diesen Effekt vermeiden, kann man entweder die Bürgerschaftsvertreter nur dann einladen, wenn Fragen ihres Ausschusses anstehen, oder die Fraktionen müssen regelmäßig auch in Form von Arbeitskreisen tagen, die verschiedene Problembereiche parallel beraten. Da dann ohnehin Nicht-Ratsmitglieder an Fraktionssitzungen teilnehmen, bieten sich neben dem Kreis der sachkundigen Bürger und den Vertretern der Ortsvereine auch die Mitglieder etwa bestehender Bezirksvertretungen als zusätzliche Teilnehmer an. Solche Bezirksvertretungen sind in verschiedenen Bundesländern im Gefolge der Maßnahmen zur kommunalen Neuordnung entweder weiterentwickelt oder neu geschaffen worden.

IX. Die Folgen der kommunalen Neuordnung

Die in allen Bundesländern weitgehend abgeschlossene Territorialreform im Zuge der Verwaltungsreform hat durch Gebietsvergrößerungen wesentlich zur Stärkung der Verwaltungskraft der kommunalen Dienstleistungsbetriebe beigetragen Allerdings haben die bisherigen Neuordnungsmaßnahmen — abgesehen von den Problemen des Übergangs, wie etwa der Personalübernahme, der Versorgungsfragen und der Umzugsprobleme — z. T. weitreichende Auswirkungen auf die Tätigkeit der Verwaltung, des Rates und seiner Fraktionen sowie der örtlichen Parteien.

überdenkt man die Auswirkungen der kommunalen Neuordnung auf das Verhältnis von Bürgern und Gemeinden, so ist von zwei Faktoren auszugehen: erstens von der maßstäblichen Vergrößerung der Gemeindegebiete durch Auflösung von kleineren Gemeinden und den Zusammenschluß von Bürgern aus mehreren Gemeinden zu einer neuen, zweitens von einer Reduzierung des politischen Personals: Bis zu 45 °/o der kommunalen Mandatsträger haben durch die Neuordnungsmaßnahmen ihr Mandat verloren. „Das parlamentarische Personal, das von der Verfassung vorgesehene politische Element, wird rein von der Zahl her um die Hälfte reduziert. Daraus kann man nicht ohne weiteres einen Verlust an politischer Substanz und eine Schwächung der bürgerschaftlichen Beteiligung ableiten."

Vielfach wird der Verlust der Überschaubarkeit der Gemeinde als besonderer Nachteil der Gebietsreform empfunden. Dieses Argument geht jedoch am Problem vorbei. Nicht die flächenmäßige Vergrößerung des Gemeindegebietes führt dazu, daß nicht jeder Bürger das gesamte Gemeindegebiet genau kennt, sondern der Zuwachs an Komplexität bei den kommunalen Aufgaben und die Einbußen an demokratischer Qualität in den neuen Einheiten der Selbstverwaltung bilden die entscheidenden Probleme. Gerade unter dem Gesichtspunkt politischer Partizipation ist eine optimale Gemeindegröße vorstellbar. Im Hinblick auf die Rolle der Gemeinde für die Zukunft der Demokratie hat Dahl auf eine zentrale Antinomie aufmerksam gemacht: Mit wachsender Größe der politischen Einheit werden die Mitwirkungsmöglichkeiten des einzelnen Bürgers geringer, während bei kleineren Einheiten die Gefahr besteht, daß die politische Partizipation sich als trivial erweist, weil sie nur einen ganz geringen Teil der gesellschaftlichen Umwelt zu gestalten vermag Aus diesem Grunde hält Dahl eine Gemeindegröße von ca. 50 000 bis 200 000 Einwohnern für optimal, weil bei dieser Größe die Schwelle zu einer im Anonymen bleibenden politischen Partizipation der Bürger nicht überschritten wird und andererseits die Beteiligung des einzelnen an kommunalpolitischen Entscheidungen sich nicht auf unwichtige Fragen beschränkt.

Darüber hinaus nimmt er an, daß Städte dieser Größe für eine sinnvolle politische Sozialisation der Bürger in einer modernen Massendemokratie besonders geeignet sind, weil sie eine „menschliche Größenordnung" haben, in der die Bürger Vertrauen in die politischen Techniken entwickeln und deren Beherrschung erlernen können Damit ist für die kommunale Neuordnung ein bislang nur wenig beachteter, aber dennoch wichtiger Gesichtspunkt genannt, der sowohl bei der Territorialreform als auch bei der Funktionalreform zu beachten wäre. Da in der Praxis der kommunalen Neuordnung landesplanerische, verwaltungstechnische und parteitaktische Aspekte gegenüber diesem demokratietheoretischen Postulat überwogen haben, sind entsprechende Rückwirkungen auf die kommunale Selbstverwaltung und ihre Zukunftsaussichten zu befürchten

Für das Verhältnis von Rat und Verwaltung sind einige Punkte von besonderer Bedeutung. Zunächst einmal ist tendenziell eine Stärkung des Entscheidungsspielraums von Rat und Verwaltung in den einzelnen Gemeinden als Folge der zusammengelegten finanziellen Manövriermasse zu verzeichnen. Darüber hinaus hat der Zusammenschluß unterschiedlich strukturierter Gemeinden einseitige Interessenbindungen der Gemeinden, aber auch der Mitglieder von Vertretungskörperschaften abgebaut. So sind etwa in zahlreichen Großgemeinden des Ballungsrandgebietes nicht länger die Folgen wirtschaftlicher Monostrukturen (wie z. B. Bergbau) bis in die Zusammensetzung der Vertretungskörperschaften hinein (z. B. Betriebsräte und mittlere Führungskräfte aus einem Unternehmen) festzustellen.

Zwar hat die kommunale Neuordnung eine Verkleinerung des ehrenamtlich tätigen kommunalpolitischen Personals bewirkt, weil die Gemeinderäte der neugeschaffenen Großgemeinden eine geringere Anzahl von Mitgliedern aufweisen als die Gemeinderäte der aufgelösten Gemeinden zusammengenommen. Damit sind aber zwei sehr unterschiedliche Folgen verbunden: Zunächst einmal kommt es potentiell zu einer schärferen qualitativen Auswahl bei der Kandidatenaufstellung, deren Folge eine höhere Professionalisierung des ehrenamtlich tätigen politischen Personals ist. Andererseits hat sich das Zahlenverhältnis zwischen Ratsmitgliedern und Bevölkerung vergrößert, so daß die einzelnen Mandatsträger im Hinblick auf ihre Betreuungsaufgaben sich einer größeren Anzahl von Bürgern gegenübersehen Dieser Gesichtspunkt hat freilich nur dort Bedeutung, wo nicht bereits vor der Neuordnung ein rein zahlenmäßig schon völlig unrealistisches „Betreuungsverhältnis" bestand, kann also vielfach außer Betracht bleiben. Das gilt insbesondere für die noch vergrößerten Großstädte der Ballungszentren und die meisten Gemeinden der Ballungsrandgebiete. Die wachsende Gemeindegröße und die höhere Komplexität der kommunalen Aufgabenerfüllung bewirken eine stärkere Arbeitsbelastung der Mitglieder von Vertretungskörperschaften. Gleichzeitig bedeuten sie jedoch, daß in neugeschaffenen großen kommunalen Einheiten die spezifischen Probleme dieses Gemeindetyps häufiger auftreten; sie bewirken folglich tendenziell eine Gefährdung der in vielen kleinen und mittleren Städten vor der Neuordnung praktizierten Formen „kooperativer Konfliktregelung"

Der Ausbau der Arbeitsteilung in den neugebildeten Kommunalverwaltungen ermöglicht ein höheres Maß an Effizienz und Abstimmung der Dienstleistungen, bewirkt allerdings zugleich eine Stärkung der Verwaltung gegenüber der Vertretungskörperschaft. Ob dies durch die bessere Repräsentation der Parteien auf lokaler Ebene aufgefangen werden kann, läßt sich zunächst einmal in Zweifel ziehen. Dennoch kommt der Gebietsreform für die Etablierung des Parteienstaates auf der lokalen Ebene unmittelbare Relevanz zu, weil nunmehr gerade in ländlichen Gebieten sichergestellt ist, daß Ortsvereine bzw. Ortsverbände der großen politischen Parteien in jeder Gemeinde bestehen Das verbleibende Demokratiedefizit der Gebietsreform soll durch die Einführung von Bezirksverfassungen ausgeglichen werden.

X. Die Chancen und Risiken der Bezirksverfassung

Der Begriff „BezirksVerfassung" kann dazu dienen, eine zweistufige Organisation der kommunalen Ebene zu bezeichnen, bei der sowohl der gesamten Gemeinde als auch einzelnen Gemeindeteilen eine Vertretungskörperschaft mit eigenen Kompetenzen zugeordnet ist. Dafür haben sich in der Bundesrepublik zwei Strukturmodelle herausgebildet: — In Rheinland-Pfalz und Niedersachsen wurden Gemeinden unter Wahrung ihrer Eigenständigkeit zu Verbandsgemeinden bzw. Samt-gemeinden zusammengeschlossen, wobei die neugebildete Verbandsgemeinde/Samtgemein-de als eine Art Zweckverband eine Vielzahl kommunaler Aufgaben von den Mitgliedsgemeinden übernommen hat — In Nordrhein-Westfalen und Hessen wurden die im Zuge der Gebietsreform z. T. erheblich vergrößerten Gemeinden nachträglich veranlaßt, für Teile des Gemeindegebietes Bezirksvertretungen oder Ortsbeiräte zu schaffen

Beide Formen unterscheiden sich wesentlich in Rechtsstellung und Kompetenzen der größeren und kleineren kommunalen Einheiten. In der politischen Willensbildung bestehen allerdings weitgehende Analogien. Insbesondere liegen in beiden Fällen die wesentlichen kommunalpolitischen Kompetenzen bei den neugeschaffenen großen Einheiten. Der Weg dorthin wurde allerdings entweder durch Verlagerung von Kompetenzen nach oben oder durch Ausgliederung von Kompetenzen nach unten beschritten. Der Endzustand erweist sich als tendenziell ähnlich. Die neugeschaffenen Bezirks-vertretungen befinden sich derzeit auf der Suche nach ihren Wirkungsmöglichkeiten. Sicherlich lassen sich die Chancen dieser Institution dann besser nutzen, wenn die Risiken bekannt sind.

Die Möglichkeiten einer Ortschaftsoder Bezirksverfassung liegen insbesondere in der Chance, eine größere Bürgernähe zu erreichen. Auch das Prinzip parlamentarischer Arbeitsteilung läßt sich bei einer zweistufigen Repräsentation intensiver anwenden. Das gilt insbesondere deshalb, weil auf diese Weise zusätzliches ehrenamtliches politisches Personal zum Einsatz kommt Hier bieten sich neben einem besseren „Betreuungsverhältnis" auch zusätzliche Rekrutierungs-und „Pensionie-rungs" -Möglichkeiten. Andererseits wird die Entscheidungsfähigkeit des Gemeindeparlaments u. U. verschlechtert. Insbesondere die zwischen Rat und Bezirksvertretung auftretenden Abstimmungsprobleme können die Stellung der Verwaltung stärken.

Die Chancen der Bezirksverfassung können nur dann wirksam genutzt werden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Eine wesentliche Bedingung ist die Größe des Bezirks. So ist etwa in Nordrhein-Westfalen durch die Vorgabe einer Höchstzahl von Bezirken das Ziel, in den Ballungszentren überschaubare Teileinheiten zu schaffen, erheblich gefährdet. In allen Großstädten mit mehr als 500 000 Einwohnern liegen die einzelnen Bezirke automatisch über den von Dahl als wünschenswert angesehenen Höchstwerten. Ein weiteres Problem bildet die Größe der Bezirksvertre-tung. Die hier auf 19 Mitglieder festgelegte Obergrenze vermag in großen Bezirken (also insbesondere in Verbindung mit der ebenfalls vorgegebenen Höchstzahl für Bezirke) nicht zu überzeugen.

Schließlich müssen die Bezirksvertretungen auch die Fragen ihrer Arbeitsorganisation klären, wobei sie zumindest bei der nordrhein-westfälischen Regelung wesentlich dadurch eingeengt sind, daß Bezirksvertretungen keine Ausschüsse bilden dürfen. Damit sind ihnen wesentliche Möglichkeiten parlamentarischer Arbeitsteilung zunächst einmal beschnitten; es sei denn, daß die Bezirksvertretungen auf dem Umweg über nicht beschließende „Ad-hoc-Kommissionen mit zeitlich befristeten Arbeitsaufträgen" dem ausdrücklichen Ziel der Gesetzgebung entgegenwirken.

Ein besonderes Problem der Bezirksverfassung nach dem nordrhein-westfälischen Modell ist in den relativ schwachen Kompetenzen der Bezirksvertretungen angelegt: In Fragen von rein lokaler Bedeutung haben die Bezirks-vertretungen im Rahmen der vom Rat bereitgestellten Haushaltsmittel Entscheidungsbefugnis. In allen anderen wichtigen Angelegenheiten, die den Stadtbezirk berühren, ist die Bezirksvertretung anzuhören. Insbesondere muß ihr vor Ratsbeschlüssen über Planungsund Investitionsvorhaben im Bezirk und über Bebauungspläne für den Bezirk Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Die Bezirksvertretung kann darüber hinaus zu allen den Stadtbezirk betreffenden Angelegenheiten Vorschläge und Anregungen machen Trotzdem besteht die Gefahr, daß die Antinomie zwischen Partizipation und Effizienz in Richtung auf triviale Formen der Beteiligung und damit zur Beschäftigungstherapie verschoben wird.

Als zentrales Risiko ist anzumerken, daß auch gegenüber den Bezirksvertretungen eine mehr oder weniger deutliche Informationsverweigerung der Verwaltung möglich erscheint. Hier verspricht auch die Wahrnehmung der Betreuungsaufgaben durch Mitglieder der Verwaltungsspitze keine Abhilfe. Nehmen Fachdezernenten die Betreuung einzelner Regionen im Nebenamt wahr, kann der Informationsfluß zwischen Bezirksvertretung und den übrigen Fachbereichen gefährdet sein, übernimmt ein Dezernent ausschließlich die Betreuung aller Bezirksvertretungen, gerät er in das Spannungsverhältnis, entweder als „Beschäftigungstherapeut" oder als „Flaschenhals" für den Informationsfluß zu fungieren. Ähnliche Probleme ergeben sich auch bei Einrichtung einer „zentralen Bezirksverwaltungsstelle", die eigentlich einen Widerspruch in sich darstellt. Die von der Gemeindeordnung vorgesehenen dezentralen Bezirksverwaltungsstellen erfordern zwar einen gewissen finanziellen Mehraufwand, bieten aber konkrete Ansatzpunkte für eine (zumindest in geographischer Hinsicht) „bürgernahe" Verwaltung

Schließlich ist auch die Konkurrenzfurcht des Rates nicht zu übersehen. Personalunionen scheinen hier die Möglichkeit einer Kompensation zu bieten. Ihr Risiko liegt aber darin, daß es entweder zum Aufbau einer zusätzlichen Machtstellung oder zu einer eigenwilligen Form des „imperativen Mandats" durch regionale Beschlußgremien kommt. Ein weiteres Problem der Personalunion liegt in der damit verbundenen Gefahr einer zeitlichen Überbeanspruchung der betreffenden Mandatsträger.

XI. Die Stärkung des Rates — Ansatzpunkte und Grenzen

Insoweit die Anwendung von Regelungen der Bezirksverfassung die Möglichkeit bietet, die Ratsarbeit zu blockieren, bewirkt sie eine weitere Schwächung der letztlich beschließenden kommunalen Vertretungskörperschaft (Rat) im Verhältnis zur Kommunalverwaltung. Einer wirksamen Einwirkung der Räte auf die relevanten kommunalpolitischen Entscheidungen (Zielbildungsprozeß und allmähliche Einschränkung von Programmalternativen) ste-hen ohnehin auf seifen der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker die bereits erwähnten Faktoren entgegen:

— die von Sachkenntnis und Verfügung über Zeit abhängige geringe Möglichkeit zur Verarbeitung von Informationen, — die bisherige Arbeitsweise in Rat und Verwaltung (Vorlage entscheidungsreifer Einzelfälle zur „parlamentarischen" Billigung).

Hinzu kommt:

— das zeitliche Auseinanderfallen von Planungsentscheidung und Planungswirkung bei gleichzeitiger Bindung der politischen Rückkoppelung (Zustimmung oder Ablehnung der Bevölkerung) an die Ausführungsphase

Es fragt sich deshalb, welche Maßnahmen der Gesetzgebung oder der organisatorischen Umstrukturierung zu einer Stärkung des Rates beitragen können. Die Arbeit der kommunalen Vertretungskörperschaften und insbesondere ihrer Fraktionen muß — kontinuierlich — systematisch und — professionalisiert betrieben werden. Nur auf dieser Grundlage können „ehrenamtliche" Kommunalpolitiker auf gesellschaftspolitische Ziele hin orientiert und nicht auf einen einzelnen Fall bezogen arbeiten. Die in der Diskussion über Strukturprobleme der kommunalen Selbstverwaltung zuweilen erhobene Forderung an die Verwaltungen, den Vertretungskörperschaften Alternativplanungen zur Beratung und Beschlußfassung vorzulegen, überschätzt den dadurch erreichbaren Zuwachs parlamentarischer Entscheidungsmöglichkeiten. Sofern nicht ohnehin Scheinalternativen oder Rechenvarianten präsentiert werden, bieten sich vor allem oppositionellen Teilen der Vertretungskörperschaft Anlaßpunkte für unangemessene Kritik an einer „unfähigen" Verwaltung. Die Erarbeitung alternativer, aber in sich jeweils konsistenter Pläne erfordert die vorherige Festlegung unterschiedlicher Prioritäten, die sich wesentlich aus gegensätzlichen Interessen ergeben Dazu sind aber Verwaltung und Vertretungskörperschaft gleichermaßen außerstande, so daß in dieser Hinsicht vor übertriebenen Erwartungen gewarnt werden muß.

Nur durch bessere Möglichkeiten, Informationen zu beschaffen, einzusetzen und zu bewerten, also eine höhere Informationsverarbeitungskapazität, werden die kommunalen Mandatsträger in die Lage versetzt, ihre besonderen Aufgaben beim Zusammenwirken mit der Verwaltung erfolgreich wahrzunehmen. Verbesserungsvorschläge können bei den Arbeitsbedingungen — der einzelnen Mandatsträger — der Ratsfraktionen und — der sie tragenden Parteien ansetzen.

Für die einzelnen Mandatsträger können sich die Arbeitsbedingungen verbessern durch — die vollständige oder zeitweilige Freistellung von der beruflichen Tätigkeit — die Einrichtung eines allen Mandatsträgern gleichermaßen zur Verfügung stehenden Hilfsdienstes für die jeweilige Vertretungskörperschaft und — die Gewährung des Rechts auf jederzeitige Akteneinsicht bei allen Verwaltungsvorgängen.

Solche Vorschläge könnten durch entsprechende Landesgesetze realisiert werden. Da alle Vorschläge aber nur bei den Arbeitsmöglichkeiten des einzelnen Repräsentanten ansetzen, tragen sie weder der als notwendig anerkannten „parlamentarischen" Arbeitsteilung noch den Erfahrungen der bisherigen Parla-mentsreformen auf Bundesebene Rechnung. Das Recht auf Akteneinsicht schließlich würde der gegenwärtigen Hierarchisierung der Einflußmöglichkeiten kommunaler Mandats-träger nicht entgegenwirken, sondern sie eher verstärken: Die gebotene Chance kann nur nutzen, wer bereits über entsprechende Möglichkeiten der Informationsverarbeitung verfügt.

Die Arbeitsbedingungen der Fraktionen lassen sich verbessern durch — projektbezogene oder ständige Arbeitskreise von Fraktionsmitgliedern (Mandatsträger, Mitglieder der Bezirksvertretungen und sachkundige Bürger in den Ausschüssen der Vertretungskörperschaften), — die Überprüfung der Ausschußstruktur mit dem Ziel, sinnvolle Arbeitsschwerpunkte für die Mandatsträger festzulegen, — die Einstellung von hauptamtlichen Fraktionsassistenten für die ständige Bearbeitung bestimmter Sachbereiche

Die hier angeführten Möglichkeiten werden beispielsweise im Bundestag längst praktiziert. Ihre wesentlichen Vorteile liegen darin, daß sie bei den bestehenden Organisationsein-heiten „parlamentarischer" Arbeit ansetzen und sich nach entsprechenden Absprachen der kommunalen Fraktionen auch auf örtlicher Ebene durchsetzen lassen. Während die beiden ersten Vorschläge lediglich die — allerdings im kommunalen Bereich vielfach noch nicht praktizierten — organisatorischen Konsequenzen aus dem Prinzip der „parlamentarischen" Arbeitsteilung ziehen, liegt das Problem der Fraktionsassistenten neben der (vertretbaren) Belastung für den kommunalen Haushalt vor allem zwischen den Gefahren einer „Gegenbürokratie" und der Bestellung von persönlichen Referenten für die Fraktionsführung.

Die bisher erörterten Vorschläge gehen allerdings insoweit am Problem vorbei, als viele Schwierigkeiten der Ratsarbeit sich aus der gegenwärtigen Arbeitsweise der politischen Parteien in der Bundesrepublik ergeben. Die Diskussion um das imperative Mandat hat gezeigt, daß die deutschen Parteien auf Grund ihrer Arbeitsweise gar nicht in der Lage sind, ihren Mandatsträgern für alle politisch bedeutsamen Fragen nach gründlicher parteiinterner Vorbereitung Richtlinien an die Hand zu geben. Eine stärkere Politisierung der Parteien, wie sie bei der SPD beispielsweise durch die Abkehr von einem ideologisierten Konzept der „Volkspartei" und die Erarbeitung des Orientierungsrahmens '85 sowie des Kommunalpolitischen Programms eingeleitet worden ist, könnte auch die Arbeitsbedingungen der kommunalen Mandatsträger qualitativ verändern.

Die gegenwärtige Arbeitsweise der politischen Parteien in der Bundesrepublik ließe sich verbessern durch — Einrichtung von projektbezogenen oder von ständigen Arbeitskreisen der Parteien zu kommunalpolitischen Einzelfragen oder Sachbereichen,

— Erarbeitung mittelfristiger Kommunalprogramme, die unter Mitarbeit der jeweiligen Fraktionen ständig fortgeschrieben werden, — Ausrichtung der innerparteilichen Bildungsarbeit auf die Einübung planungsbezogener Arbeitsformen (Lage — Ziele — Maßnahmen).

Der Zusammenhang zwischen den Problemen der kommunalpolitischen Willensbildung in Rat und Verwaltung und den Strukturproblemen der politischen Parteien in der Bundesrepublik weist darauf hin, daß eine langfristige und durchgreifende Stärkung der Kommunalparlamente durch begrenzte Reformen der kommunalen Selbstverwaltung, etwa durch eine — auch tiefgreifende — Neufassung der Gemeindeordnungen allein nicht erreicht werden kann. Sie wirft darüber hinaus die — den Rahmen dieser Darstellung sprengende — Frage nach der Abhängigkeit der Möglichkei-ten kommunaler Selbstverwaltung von gesamtgesellschaftlichen Strukturen und dem politischen Handlungsspielraum staatlicher Administrationen auf.

Nur die Arbeitshypothese einer relativen Autonomie des Systems kommunaler Selbstverwaltung läßt eigenständige kommunal-wissenschaftliche Analysen wie die hier vorgelegte zu. Ihr hypothetischer Charakter verlangt aber zugleich, den Blick auf übergreifende Wirkungszusammenhänge zu richten (s. Abb. 3) und insoweit die diagnostischen und therapeutischen Ergebnisse zu relativieren. Das Übergewicht der Verwaltungen gegenüber den Vertretungskörperschaften sowie die Neigung zu „bürokratischen" Entscheidungen und Verhaltensweisen dürfen nicht zu dem Fehlschluß führen, das Defizit kommuna-ler Politik sei durch Stärkung der Position der Gemeindevertretung gegenüber der Verwaltungsbehörde restlos zu beseitigen.

Selbst bei optimalen Arbeitsbedingungen kommunaler Vertretungskörperschaften werden Defizite an kommunaler Politik und Demokratie weiter bestehen. In mancher Hinsicht dient die kommunale Verwaltungsbehörde als Sündenbock für Entscheidungsstrukturen, die sie selbst nicht gestalten kann. In diesem Zusammenhang ist zunächst auf die durch „Politikverflechtung''zwischen Bund, Land und kommunalen Institutionen geschaffenen Entscheidungsrestriktionen hinzuweisen. Nicht zuletzt der durch finanzielle Abhängigkeit eingeengte Entscheidungsspielraum der Gemeinden trägt auch zum Verzicht auf alternative Problemlösungsvorschläge bei.

Die Abhängigkeit kommunalen Handelns von Wirtschaftsinteressen und den sich aus den Wachstumszwängen kapitalistischer Wirtschaftsweise ergebenden Erfordernissen staatlichen Handelns weisen in dieselbe Richtung. Im gesamtstaatlich-ökonomischen System von Abhängigkeiten, das — besonders den kleineren Gemeinden — als unvorhersehbare Macht entgegentritt, sind oft Schnelligkeit der Anpassung und Diplomatie hinter verschlossenen Türen ein Gebot kommunaler Selbsterhaltung. Die „Antinomie von erfolgreicher Verwaltungsführung und demokratischen Erfordernissen" zeigt, daß eine Politisierung der Kommunalpolitik nicht bei den Institutionen der kommunalen Selbstverwaltung stehen-bleiben kann.

XII. Zusammenfassung

1. Die konkrete Alltagsarbeit der ehrenamtlichen Mitglieder kommunaler Vertretungskörperschaften (Ratsmitglieder, Mandatsträger) gliedert sich nach — Aufgabengruppen (Ausschüsse), — politischen Zielvorstellungen (Fraktionen) und — regionalen Schwerpunkten (Ortsteile, z. B. Wahlbezirke).

Formal besteht die Hauptaufgabe von Ratsmitgliedern darin, an Rats-und Ausschuß-Sitzungen teilzunehmen. Hier ereignet sich vorrangig, was die Gemeindeordnung kommunale Selbstverwaltung nennt.

Trotz der parlamentsähnlichen Organisation ihrer politischen Arbeit verzichten die kommunalen Vertretungskörperschaften jedoch meist darauf, politische Konflikte in der Öffentlichkeit darzustellen. Der Bevölkerung wird nicht deutlich gemacht, daß es politische Meinungsverschiedenheiten zu kommunalpolitischen Fragen gibt, wo sie begründet liegen und wie die einzelnen Parteien sich zu diesen Konflikten stellen.

Deshalb bleibt es die politische Aufgabe der einzelnen Mandatsträger (und der örtlichen Parteiorganisationen), eine „lebendige Verbin-düng zwischen Bevölkerung und Kommunal-verwaltung" herzustellen. Dazu gehört es insbesondere, in der Gemeinde den Informationsfluß zwischen „Regierenden" und „Regierten"

aufrechtzuerhalten.

2. Die kommunalpolitische Arbeit der Mandatsträger ist mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Für Stadtverordnete einer (kreisfreien) Großstadt beträgt die zeitliche Belastung aus ihrem kommunalen Mandat (also ohne Parteifunktionen und Vereinsaktivitäten) im Monatsdurchschnitt etwa 60— 80 Stunden. Das entspricht wöchentlich etwa 15— 20 Stunden.

Für Gemeinderäte in kreisangehörigen Gemeinden sind diese Zahlenwerte sicherlich zu hoch angesetzt. Zumindest für einzelne Gemeinderäte ist allerdings der zusätzliche Zeitaufwand für die Wahrnehmung des „natürlichen" Doppelmandats auf der Kreisebene zu berücksichtigen.

Angesichts dieser zeitlichen Belastung, die etwa einer Halbtagstätigkeit entspricht, sind an die Stelle der „Feierabend" -Politiker längst (Teilzeit-) „Berufs" -Politiker getreten. Gerade die führenden Kommunalpolitiker nehmen auch dann schon politische Aufgaben wahr, wenn andere noch ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen müssen.

3. Personen, die nicht an eine fremdbestimmte Arbeitszeit gebunden sind und im Rahmen ih-rer beruflichen Tätigkeit Techniken sozialer Kommunikation erlernt haben, verfügen bei der Kandidatenaufstellung für kommunale Vertretungskörperschaften über entscheidende Startvorteile. Dazu gehören insbesondere leitende Angestellte privater Unternehmen; hauptamtliche Mitarbeiter von Parteien, Gewerkschaften und anderen Verbänden; Angehörige des öffentlichen Dienstes (u. a. Lehrer aller Schulen) und freigestellte Betriebsräte; Inhaber mittlerer Unternehmen, Architekten, aber auch Rentner, Pensionäre, Hausfrauen.

Unabhängig von Schwerpunkten in den einzelnen Gremien führen die gesellschaftlichen Beschränkungen bei der Auswahl von Mandatsträgern zu einem Übergewicht des selbständigen und unselbständigen Mittelstandes in den Ratsfraktionen aller Parteien. Auswirkungen beziehen sich auf die Bereitschaft zur Austragung gesellschaftlicher Konflikte und die Vorstellungen von der Arbeitswelt und ihren Problemen. Diese Vermittlungsmechanismen tragen dazu bei, daß in der Kommunalpolitik eigentumsbezogene und organisierte Interessen Vorrang vor anderen genießen. 4. Für das Verhältnis von hauptamtlicher Verwaltungsspitze und ehrenamtlicher Vertretungskörperschaft in der politischen Willensbildung der Gemeinden haben die verschiedenen Gemeindeordnungen der Länder formale Festlegungen getroffen. Gemeinsam ist ihnen die theoretische Trennung zwischen Politik als Willensbildung und Verwaltung als Willensausführung. Die Willensbildung obliegt den durch Wahl legitimierten kommunalen Vertretungskörperschaften; sie endet mit der Entscheidung über die Vorgabe bestimmter Richtlinien (Programmauswahl), deren Durchführung Aufgabe der weisungsgebundenen Kommunalverwaltung ist (Programmvollziehung). Damit der tatsächliche Prozeß politischer Willensbildung im Zusammenspiel von Rat und Verwaltung dem Leitbild der Gemeindeordnungen entspricht, müßten — die kommunalen Fraktionen ständig von den gesellschaftlichen Interessen Programmanstöße erhalten, — diese Anstöße ausreichen, um das Programmbedürfnis des Verwaltungsapparates zu decken, — die von den Vertretungskörperschaften ausgewählten Programme das Verwaltungshandeln eindeutig festlegen.

In der kommunalpolitischen Praxis sind alle drei Voraussetzungen nicht erfüllt.

5. Die Gemeindeordnungen haben dem Verwaltungschef (Bürgermeister, Gemeindedirektor) bzw.dem Magistrat u. a. die Aufgabe übertragen, die Beschlüsse der Vertretungskörperschaften vorzubereiten. Das Ergebnis der Vorbereitungstätigkeit sind in der Regel „beschlußreife" Entscheidungsvorschläge (Vorlagen) der Verwaltung. Praktisch hat der Verwaltungschef seine Aufgabe, die Beschlüsse der Ausschüsse und des Rates vorzubereiten, zum größten Teil auf die Dezernenten (Referenten) delegiert.

Das Verhältnis zwischen Verwaltungschef und Dezernatsleitern ist davon abhängig, ob es sich um Wahlbeamte oder Laufbahndezernenten handelt. Wahlbeamte (hauptamtliche Beigeordnete, Stadträte) sind gegenüber dem Verwaltungschef selbständiger als Laufbahndezernenten, da sie im Konfliktfall „ihre" Fraktion gegen den Verwaltungschef mobilisieren können. Laufbahnbeamte neigen dazu, sich für ihre Entscheidungen Rückendeckung beim Verwaltungschef zu holen.

Das Koordinationsmittel der Dezernatsarbeit sind Besprechungen des Verwaltungschefs mit den Beigeordneten (Verwaltungskonferenzen). Die wichtigste Aufgabe der Verwaltungskonferenz ist die verwaltungsinterne Abstimmung von vorbereitenden Planungen und Vorlagen für die Ratsausschüsse. In der Magistratsverfassung ist die Koordination der Dezernatsarbeit und der Informationsaustausch zwischen den Dezernaten verfassungsmäßig verankert, da alle (wichtigen) Angelegenheiten vom Kollegium (Magistrat) entschieden werden. 6. Die Orientierung der Ratsarbeit an Beschlußvorlagen der Verwaltung führt zwangsläufig dazu, daß der Schwerpunkt der parlamentarischen Tätigkeit sich auch bei den kommunalen Vertretungskörperschaften in die Ausschüsse verlagert. Das Ratsplenum erfüllt als Ratifikationsorgan die Aufgabe, beschlußreife Empfehlungen in verbindliche Entscheidungen zu überführen.

Das Setzen von Zielen, das Festlegen von Prioritäten, das Anregen politischer Innovationen und die Auswahl möglicher Programmalternativen erfolgt durch die Spitzen der örtlichen Verwaltungsbehörde. Der politische Prozeß in Ausschüssen und Plenum der Vertretungskörperschaft dient zur Bildung eines Mehrheitskonsenses als Legitimationsgrundlage für Führungsentscheidungen. In gewissem Umfang kann sich das Ratsplenum von der bloßen Ratifikation vorprogrammierter Entscheidungen befreien. Durch die Bildung beschließender Ausschüsse entlastet sich das Plenum von Beschlußkompetenzen und gewinnt so mehr Zeit für die Beratung einzelner Tagesordnungspunkte.

Wesentliche Ursache für die Bildung von Ausschüssen ist das Bemühen um parlamentarische Arbeitsteilung. Die Bildung von Ausschüssen wird durch die gesetzlichen Vorschriften und lokale Traditionen (etwa die Ausschußstruktur in der abgelaufenen Periode der Vertretungskörperschaft) weitgehend vor-geprägt.

Die meisten Verwaltungsvorlagen passieren auch die Ausschüsse ohne erhebliche Veränderungen. Die Durchschlagskraft entscheidungsreifer Verwaltungsvorlagen ist so stark, daß sogar in den Ausschüssen keine große Auseinandersetzung darüber mehr erwartet werden kann. 7. Verwaltungsvorlagen von einer gewissen politischen Tragweite werden im allgemeinen von der Verwaltung nicht unvermittelt in das formale Entscheidungssystem (Fachausschüsse und Vertretungskörperschaft) eingeleitet. Zwischen den planenden Teilen der Verwaltung und den Meinungsführern der Vertre-tungskörperschaft bestehen vielfältige informelle Beziehungen.

Aus diesen Beziehungen entwickelt sich eine Gruppe von Vorentscheidern. Dazu gehören auf seifen des Rates die Berufspolitiker und die Spezialisten für bestimmte Sachgebiete, auf Seiten der Verwaltung der Verwaltungschef, die Dezernenten und die mit politischer Entscheidungsvorbereitung befaßten Amtsleiter. Gemeinsames Kennzeichen dieser kommunalpolitischen Manager ist, daß sie politisch denken und argumentieren können.

Die Vorentscheider, von denen im Einzelfall die Initiative ausgeht (überwiegend solche aus dem Verwaltungsbereich), suchen frühzeitig den Kontakt zu ihren ständigen Gesprächspartnern in der Vertretungskörperschaft. Dabei werden die Entscheidungsalternativen durch Kombination von Fachwissen und politischem Sachverstand überprüft. Die Gruppe der Vorentscheider bildet eine Art oligarchischer Planungsgruppe, die den nachgeordneten Mitarbeiter der Verwaltung ebenso wie den Hinterbänkler in den Ratsfraktionen von größerem politischen Einfluß ausschließt. 8. Neben Verwaltung, Ausschüssen und Vor-entscheidern bereiten auch die Fraktionen Entscheidungen vor. Die Meinungsbildung innerhalb der Fraktionen wirkt der Zersplitterung der politischen Willensbildung durch das Ausschußsystem entgegen. In Großstädten führen die Fraktionen (in der Regel wöchentliche) Sitzungen weitgehend unabhängig von den Plenarsitzungen der Vertretungskörperschaft durch.

Gegenwärtig orientieren sich die Fraktionssitzungen in sehr starkem Maße an den aktuellen Tagesordnungen des Rates und seiner Ausschüsse und damit an Einzelfällen. Nur durch Schwerpunktbildung könnte auch Raum für Grundsatzdebatten geschaffen werden. Der Fraktionsvorstand muß dann allerdings das Leitungsgremium der Fraktion sein.

Neben geeigneten Verfahren der internen Arbeitsorganisation müssen die einzelnen Fraktionen auch institutionalisierte Formen für die Zusammenarbeit mit der jeweiligen Parteiorganisation entwickeln. Das gilt insbesondere für den Prozeß der Auswahl, Einführung und Einübung ehrenamtlicher Kommunalpolitiker in ihre Tätigkeit. Da die Parteien den spezifisch kommunalpolitischen Teil des Sozialisationsprozesses von Mandatsträgern nicht gestalten, wird die Steuerung dieses Lernprozesses meist durch die Verwaltungsspitze übernommen. 9. Die kommunale Neuordnung hat durch Gebietsvergrößerung die Leistungsfähigkeit der kommunalen Dienstleistungsbetriebe wesentlich gestärkt. Damit sind weitreichende Auswirkungen auf das Verhältnis von Rat und Verwaltung verbunden:

— Die Vergrößerung der Gemeinden erhöht zwar die finanzielle Manövriermasse der Gemeinden, bewirkt aber auch, daß immer weniger Bürger das gesamte Gemeindegebiet genau kennen.

— Mit den kommunalen Einheiten wachsen auch die örtlichen Verwaltungen, ihre Aufgaben und die Schwierigkeiten einer rationellen Organisation der Verwaltungsarbeit.

— Fast die Hälfte der kommunalen Mandats-träger hat durch die Neuordnungsmaßnahmen ihr Mandat verloren, was einen Verlust an demokratischer Substanz bedeuten kann.

Die geringere Zahl der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker bewirkt — eine schärfere qualitative Auswahl bei der Kandidatenaufstellung (und damit eine höhere Professionalisierung der Mandatsträger), — eine erhebliche Steigerung der Zahl der vom einzelnen Mandatsträger zu betreuenden Bürger (und damit eine wachsende Überforderung der Mandatsträger), — eine höhere Arbeitsbelastung der Vertretungskörperschaften (und damit eine Stärkung des bürokratischen gegenüber dem demokratischen Element). 10. Für eine zweistufige Organisation der kommunalen Ebene haben sich im Zuge der Gebietsreform zwei Strukturmodelle herausgebildet: — Verbandsgemeinden bzw. Samtgemeinden (Rheinland-Pfalz/Niedersachsen), — Bezir’svertretungen bzw. Ortsbeiräte (Nordrhein-Westfalen/Hessen).

Beide Formen unterscheiden sich wesentlich in Rechtsstellung und Kompetenzen der größeren und kleineren kommunalen Einheiten. In der politischen Willensbildung bestehen allerdings weitreichende Gemeinsamkeiten. Insbesondere liegen in beiden Fällen die wesentlichen kommunalpolitischen Entscheidungsbefugnisse bei den neugeschaffenen größeren Einheiten.

Die Möglichkeit einer Ortschaftsverfassung liegen insbesondere darin, durch zusätzliche Mandatsträger eine größere Bürgernähe zu erreichen und das Prinzip parlamentarischer Arbeitsteilung durch zweistufige Repräsentation intensiver anzuwenden. Schwierigkeiten für eine Ortschaftsverfassung ergeben sich im Hinblick auf — einen wirksamen Informationsaustausch zwischen Rat, Verwaltung und Bezirksvertretungen (Ortsbeiräten), — eine optimale Größe und Abgrenzung der Ortsteile (Bezirke), — eine Aufteilung der Verwaltungsaufgaben auf örtliche Zentralverwaltungen und Bezirksverwaltungsstellen, — eine zufriedenstellende Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Samtgemeinde und Mitgliedsgemeinden bzw. Rat und Bezirksvertretungen. 11. Verbesserungsvorschläge für die Zusammenarbeit zwischen Rat und Verwaltung können bei den Arbeitsbedingungen der einzelnen Mandatsträger, der Fraktionen und der sie tragenden Parteien ansetzen. Verschiedene Einzelvorschläge dazu wurden bereits angeführt

Allerdings lassen sich politische Defizite im Willenbildungsprozeß von Rat und Verwaltung nicht allein durch Veränderungen im kommunalen Binnenraum beseitigen. Solche Defizite sind auch Ausdruck der Politikverflechtung im gesamtstaatlichen Bereich sowie der Beschränkungen durch das ökonomische System. Deshalb ist eine Politisierung der Kommunalpolitik auch von Veränderungen ihrer Rahmenbedingungen abhängig.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. dazu auch die entsprechenden Abschnitte aus dem Beitrag „Organisierte und nicht-organisierte Öffentlichkeit in der Kommunalpolitik" in den Teamer-Materialien für das von der Friedrich-Ebert-Stiftung mit Unterstützung der Bundeszentrale für politische Bildung bearbeitete Curriculum „Kommunalpolitik". Der fachwissenschaftliche Teil dieser Materialien wird veröffentlicht in: Rainer Frey (Hrsg.), Kommunale Demokratie, Bonn-Bad Godesberg 1976.

  2. Gerhard Banner, Politische Willensbildung und Führung in Großstädten der Oberstadtdirektor-Verfassung, in: Rolf-Richard Grauhan (Hrsg.), Großstadtpolitik — Texte zur Analyse und Kritik lokaler Demokratie, Gütersloh 1972, S. 172.

  3. So bestimmt bereits § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (Parteien-gesetz — BGBl. I, S. 773) u. a.: „Die Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mit, indem sie insbesondere — auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluß nehmen ..., — die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben fördern ..., — die von ihnen erarbeiteten politischen Ziele in den Prozeß der staatlichen Willensbildung einführen und — für eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen sorgen."

  4. Dieses Merkmal des Parlamentarismus betonen insbesondere Anton Pelinka und Manfried Welan, Demokratie und Verfassung in Österreich, Wien 1971, S. 78 ff. — Für die kommunale Ebene s. Rainer Frey, Karl-Heinz Naßmacher, Parlamentarisierung der Kommunalpolitik?, in: Archiv für Kommunalwissenschaften (AfK), Heft 11/1975, S. 196 ff.

  5. Karl-Heinz Naßmacher, Funktionen politischen Personals in lokalen Vertretungskörperschaften (Kommunalparlamenten), in: Zeitschrift für Parlamentsfragen (ZParl), Heft 4/1973, S. 562.

  6. Rolf Krumsiek, Zweigleisig — nicht mehr zeitgemäß!, in: Die demokratische Gemeinde (DEMO), Heft 7/1973, S. 743.

  7. Den Umfang der Vorlagenflut in Großstädten veranschaulicht Karl H. Berkemeier, Das kommunale Schein-Parlament: Ausgeschaltet aus dem Planungsprozeß. Bilanz eines Stadtverordneten, in: ZParl, Heft 2/1972, S. 203.

  8. Diese Rollenkumulation (für Einzelheiten s. Naßmacher, 1973, S. 556, 561) setzt Kaack offenbar als gegeben voraus, wenn er „die Aufstellung von Kandidaten für die Gemeindevertretung sowie die Führung des kommunalen Wahlkampfes" als Höhepunkte der örtlichen Parteiarbeit bezeichnet (Heino Kaack, Die Basis der Parteien, in: ZParl, Heft 1/1971, S. 28, bzw.: Geschichte und Struktur des deutschen Parteiensystems, Opladen 1971, S. 473).

  9. Krumsiek, 1973, S. 743 f.

  10. Karl-Heinz Naßmacher, Parteien im kommunal-politischen Zielbildungsprozeß, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft (ÖZP), Heft 4/1972, S. 52 f.

  11. Hans-Jürgen von der Heide, Hat die kommunale Selbstverwaltung eine Zukunft?, in: Horst Hensel (Hrsg ), Republique en miniature, Köln und Berlin 1974, S. 83.

  12. Zur Dominanz des öffentlichen Dienstes vgl. Naßmacher, a. a. O., 1973, S. 553 f. I

  13. Otto Ziebill, Politische Parteien und kommunale Selbstverwaltung, Stuttgart 19722, S. 16 ff., 71 ff., und Ulrich Scheuner, Zur Neubestimmung der kommunalen Selbstverwaltung, in: AfK, Heft 1/1973, S. 4.

  14. Für ein besonders abschreckendes Beispiel der Verquickung zwischen Bauwirtschaft und Kommunalpolitik („Fall Kun") s.den Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Mißbrauch von Mandat oder Dienststellung" (Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache 7/2378).

  15. S. d. Renate Mayntz, Lokale Parteigruppen in der kleinen Gemeinde, in; Zeitschrift für Politik, Heft 1/1955, S. 59 ff.; Helmut Croon/Kurt Uter-mann, Zeche und Gemeinde. Untersuchungen über den Strukturwandel einer Zechengemeinde im nördlichen Ruhrgebiet, Tübingen 1958, S. 253 ff.; Benita Luckmann, Politik in einer deutschen Kleinstadt, Stuttgart 1970, S. 126 ff.; und Gerhard Lehm-bruch, Der Januskopf der Ortsparteien. Kommunalpolitik und das lokale Parteiensystem, in: Der Bürger im Staat, Heft 1/1975, S. 3 ff.

  16. Thomas Ellwein, Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1973 3, S. 189, und Ossip K. Flechtheim, Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg 1973, S. 532 ff.

  17. Ralf Zoll, Wertheim III, Kommunalpolitik und Machtstruktur, München 1974, S. 87 ff. und 139. — Kaum Berücksichtigung finden die Interessen der Gruppen, die Claus Offe (Politische Herrschaft und Klassenstruktur. Zur Analyse spätkapitalistischer Gesellschaftssysteme, in: Gisela Kress/Dieter Senghaas (Hrsg.), Politikwissenschaft. Eine Einführung in ihre Probleme, Frankfurt 19733, S. 145 ff.) als nicht organisationsfähig und nicht konfliktfähig bezeichnet.

  18. Da der Rat seine Beschlüsse nicht selber ausführen kann, enthält § 28, 1 GO NW („Der Rat der Gemeinde ist für alle Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung zuständig") in seiner ursprünglichen Fassung nur eine besonders weitgehende Formulierung dieser Beschlußfassungsund damit Richtlinienkompetenz.

  19. Rolf-Richard Grauhan, Modelle politischer Verwaltungsführung, in: Politische Vierteljahresschrift (PVS), Heft 2— 3/1969, S. 270.

  20. Grauhan, 1969, S. 271. — Kritik an einer solchen „Reduktion des Politikbegriffs auf die Auswahl-Perspektive" übt Fritz Scharpf, Planung als politischer Prozeß, Frankfurt 1973, S. 35 f.

  21. Grauhan, 1969, S. 271 f.

  22. Rolf-Richard Grauhan, Politische Verwaltung — Auswahl und Stellung der Oberbürgermeister als Verwaltungschefs deutscher Großstädte, Freiburg 1970, S. 244, und Hans-Ulrich Derlien Christoph Gürtler/Wolfgang Holler/Hermann-Josef Schreiner, Kommunalverfassung und kommunales Entscheidungssystem — Eine vergleichende Untersuchung, noch unveröffentlichtes Manuskript, Institut für politische Planung und Kybernetik (IPK), Bonn-Bad Godesberg 1974, S. 61 (erscheint demnächst in Meisenheim am Glan).

  23. Derlien/Gürtler/Holler/Schreiner, 1974, S. 63 f.

  24. Grauhan, 1970, S. 221 ff., und Derlien/Gürtler/Holler/Schreiner, 1974, S. 95.

  25. Die Organisationsübersicht entspricht den Vorschlägen der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt): „Kommunaler Aufgabengliederungsplan", Köln 1962, S. 8 ff. Dort werden die kommunalen Aufgaben zu acht „Aufgabenhauptgruppen" zusammengefaßt, denen institutionell acht „Einzelverwaltungen" entsprechen. Die Aufgliederung folgt dem „Objektprinzip", geht also von dem allgemeinen Aufgabenbestand der Gemeinden aus. Bei der Dezernatsgliederung, die in der Regel von diesem Gliederungsschema abweicht, wird dagegen auf personelle und fraktionspolitische Gesichtspunkte Rücksicht genommen; dazu s. auch Günter Hartfiel/Lutz Sedatis/Dieter Claessens, Beamte und Angestellte in der Verwaltungspyramide, Berlin 1964, S. 62 ff.

  26. Derlien/Gürtler/Holler/Schreiner, 1974, S. 100.

  27. Derlien/Gürtler/Holler/Schreiner, 1974, S. 104 ff. — Die Forderung nach Enthierarchisierung der kommunalen Verwaltungsbehörden folgt konsequent aus dieser Einsicht: Grauhan, 1969, S. 274 ff.; zur Kritik am Hierarchieprinzip vom informationeilen Standpunkt vgl. Frieder Lausmann, Die kranke Hierarchie, Stuttgart 1971, S. 132 ff.

  28. Grauhan, 1970, S. 233.

  29. In Wiesbaden ist nach der Kommunalwahl 1972 die Magistratsvorbesprechung der Mehrheitsfraktion sogar systematisch zur eigentlichen Lenkungsinstanz der Kommunalpolitik entwickelt worden (vgl. Thomas Darnstädt, Das Einmalmarx der grünen Bäume, in: Frankfurter Rundschau vom 9. 2. 74).

  30. Vgl. unten S. 17. — Die Weisungsabhängigkeit nimmt jedoch auf den unteren Stufen der Verwaltungspyramide zu. S. Hartfiel/Sedatis/Claessens, 1964, S. 106, 119.

  31. Grauhan, 1970, S. 72.

  32. Zur Konfliktregelung durch Gruppenverhandlungen („bargaining“) s. Richard Cyert/James March, A Behavioral Theory of the Firm, Englewood Cliffs 1963, S. 116 ff.; James March/Herbert Simon, Organisations, New York 1958, S. 113 ff., und Fred Charles Ikle, How Nations Negotiate, New York 1964 (dt. Ausgabe: Strategie und Taktik des diplomatischen Verhandelns, Gütersloh 1965, S. 213 ff.).

  33. Zur Vorbereitung dieser Einstimmigkeit dienen häufig auch nichtöffentliche Ratssitzungen; vgl. Zoll, 1974, S. 64 f., 74, sowie Derlien/Holler/Gürtler/Schreiner, 1974, S. 249.

  34. Für Einzelheiten s. Gerhard Loewenberg, Parliament in the German Political System, Ithaca, N. Y. 1967 (dt. Ausgabe: Parlamentarismus im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1969, S. 182 ff.); Friedrich Schäfer, Der Bundestag. Eine Darstellung seiner Aufgaben und seiner Arbeitsweise, verbunden mit Vorschlägen zur Parlamentsreform, Köln und Opladen 1967, S. 105 ff.; J. F. Volrad Deneke, Das Parlament als Kollektiv, in: Kurt Kluxen (Hrsg.), Parlamentarismus, Köln 1967, S. 284 ff.; Ernst Majonica, Ein Parlament im Geheimen? Zur Arbeitsweise der Bundestagsausschüsse, in: Emil Hübner/Heinrich Oberreuter/Heinz Rausch (Hrsg.), Der Bundestag von innen gesehen, München 1969, S. 114 ff.

  35. Zoll, 1974, S. 64.

  36. Derlien/Gürtler/Holler/Schreiner, 1974, S. 153 ff.

  37. Grauhan, 1970, S. 277, und Derlien/Gürtler/Holler/Schreiner, 1974, S. 203.

  38. Banner, 1972, S. 168.

  39. Frey/Naßmacher, 1975, S. 199.

  40. Rolf-Richard Grauhan, Der politische Willensbildungsprozeß in der Gemeinde, in: Der Bürger im Staat, Heft 3/1971, S. 109 f. (bzw.: Der politische Willensbildungsprozeß in der Großstadt, in: Grauhan, 1972, S. 155 f.).

  41. Grauhan, 1969, S. 274.

  42. Edward C. Banfield/James Q. Wilson, City Politics, New York 1963, S. 24 ff. (dt. Übersetzung: Stadtpolitik, in: Grauhan, 1972, S. 86 ff.), und Lehmbruch, 1975, S. 3 ff.

  43. Banner, 1972, S. 166.

  44. Banner, 1972, S. 165.

  45. Banner, 1972, S. 164.

  46. Banner, 1972, S. 167.

  47. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Planung zwischen Regierung und Parlament, in: Der Staat, Heft 4/1972, S. 442, spricht in Anlehnung an juristische Terminologie von „Vorverfügung".

  48. Zoll, 1974, S. 93 ff.

  49. Eine formelle Mitwirkung von „Gemeindepar-lamentariern" an der Vorbereitungstätigkeit der Verwaltung kennen z. B. nur wenige Gemeindeordnungen, so etwa die Hessische in Form der Verwaltungskommission (§ 72 HGO).

  50. Carl Joachim Friedrich, Man and his Government. An Empirical Theory of Politics, New York 1963 (dt. Ausgabe: Politik als Prozeß der Gemeinschaftsbildung, Opladen 1970, S. 71 ff.).

  51. Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Entwurf Kommunalpolitisches Grundsatzprogramm, beschlossen von der XII. Kommunalpolitischen Bundeskonferenz vom 11. — 13. Oktober 1974 in Nürnberg, S. 12. — Zur Begründung s. Wolfgang Haus, Amtszeit und Wahlperiode, in: DEMO, Heft 7/1974, S. 701 f.; zur Kritik: Krumsiek, 1973, S. 745, und Klaus H. Revermann, Sechs statt zwölf Jahre im Amt?, in: DEMO, Heft 5/1973, S. 482 f.

  52. Für Einzelheiten s. Derlien/Gürtler/Holler/Schreiner, 1974, S. 185 ff., 231 f., und Dietmar Keese, Willensbildung in den Gemeindeparlamenten, in: Heinz Rausch/Theo Stammen (Hrsg.), Aspekte und Probleme der Kommunalpolitik, München 1972, S. 196 ff.

  53. Zoll, 1974, S. 104 ff.

  54. August Kerger, Geschäftsordnung für Rats-fraktionen, in: DEMO, Heft 8/1971, S. 856.

  55. Derlien/Gürtler/Holler/Schreiner, 1974, S. 231.

  56. Rainer Frey, Kommunale Demokratie und Rats-fraktion, in: DEMO, Heft 5/1975, S. 361.

  57. Rolf Struckmann, Die Fraktion im Gemeinderat, in: DEMO, Heft 8/1971, S. 854.

  58. Kerger, 1971, S. 856.

  59. Naßmacher, 1972, S. 46 ff.

  60. Im Gegensatz dazu steht allerdings eine Auffassung, die bereits Kandidatenaufstellung, Wahl-kampfführung und Stellung von Mandatsträgern (Mandatsvertretern) als hinreichende Bestandteile einer „konkreten Gestaltung der Kommunalpolitik" ansieht (Kaack, 1972, S. 33, bzw. 1971, S. 447).

  61. Zum Stand der kommunalen Neuordnung vgl. die Beiträge von Ulrich Scheuner, Hans Schäfer, Günter Püttner, Hans Tigges, Franz-Ludwig Kne-meyer und Alfons Galette, in: AfK, Heft 11/1969 (Schwerpunktheft zur kommunalen Verwaltungsreform); Herbert Mattenklodt, Gebiets-und Verwaltungsreform in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland. Ein Sachstandsbericht unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse im Lande Nordrhein-Westfalen, Münster 1972, und Eberhard Laux, Die kommunale Gebietsreform. Ein Literaturbericht, in: AfK, Heft 11/1973, S. 231 ff.

  62. Otto Krabs, Verwaltungsreform als Demokra-tieproblem — Grenzen der Wirksamkeit einer Reform, in: Kettwiger Gespräch — Probleme der kommunalen Neugliederung in der Ballungsrandzone, 25. /26. 5. 1973, S. 20 (bzw.: Verwaltrngsreform als Demokratieproblem, in: DEMO, Heft 8/1973, S. 846).

  63. Robert A. Dahl, The City in the Future of Democracy, in: American Political Science Review, Heft 4/1967, S. 957 ff.

  64. Dahl, 1967, S. 965, 967, 969.

  65. Rainer Frey, Die demokratischen Kosten der Verwaltungsreformen in Nordrhein-Westfalen, in: Städte-und Gemeinderat, Heft 7/1974, S. 257 ff. bzw.: Kommunale Neugliederung und Verwaltungsreform: Für oder gegen mehr Demokratie, in: Gegenwartskunde, Heft 4/1974, S. 415 ff.).

  66. Für einige Zahlenangaben s.: Auswirkungen der Gebietsreform auf die Zahl der Mandatsträger, in: Eildienst Landkreistag Nordrhein-Westfalen, Nr. 22/1974, S. 288.

  67. Zum Begriff Gerhard Lehmbruch, Konkordanzdemokratie im politischen System der Schweiz, in: PVS, Heft 3/1968. S. 444.

  68. Georg Fabritius, Kommunalpolitik als Thema politischer Erwachsenenbildung, in: Außerschulische Bildung, Heft 3/1973, S. B 57, und Bruno Friedrich, Die Mitgliederpartei, in: Herbert Weh-ner/Bruno Friedrich/Alfred Nau, Parteiorganisation, Bonn 1969, S. 81.

  69. Hans Schäfer, Gebietsreform — Verbandsgemeindeordnung — Funktionalreform. Zum Stand der Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz, in: AfK, Heft 11/1969, S. 249 ff., und Franz-Ludwig Knemeyer, Gesamtreform der Verwaltung in Niedersachsen, in: AfK, Heft 11/1969, S. 306 ff.

  70. Heinz Höller, Ebene unterhalb der Ratsversammlungen, in: DEMO, Heft 1/1975, S. 14, und Walter Unger, Die reformbedürftige Reform ..., in: DEMO, Heft 1/1975, S. 12, 14 f.

  71. Karl H. Berkemeier, Das kommunale Schein-Parlament, in: DEMO, Heft 10/1972, S. 1170.

  72. Heinz Dunkel/Karl-Ludwig Theiß, Die Bezirks-verfassung in der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen 1975, Düsseldorf 1975, S. 16 ff.; Rolf Wiese, Bezirksverfassung in Nordrhein-Westfalen, in: Der Städtetag, Heft 2/1975, S. 78 ff.; Franz-Josef Antwerpes, Bezirksvertretungen in kreisfreien Städten, in: DEMO, Heft 8/1975, S. 649 ff.

  73. Für Einzelheiten s. § 13 b Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen v. 29. Okt. 1974 (GVB 1. NW, S. 1050).

  74. über erste Erfahrungen mit der Bezirksverfassung in Bielefeld berichtet Herbert Krämer, Mehr Bürgervertretung in den Stadtbezirken, in: DEMO, Heft 5/1974, S. 471 f. — Zum Problem der Bezirksverwaltungsstellen s. Josef Röbers, Erfahrungen mit der Bezirksverfassung, in: DEMO, Heft 3/1975. S. 187, und Antwerpes, 1975, S. 652.

  75. Scharpf, 1973, S. 121 f.

  76. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß in demokratischen Systemen Entscheidungsprozesse anders ablaufen als in hierarchisch organisierten Betrieben, erscheint eine Aufarbeitung der betriebswirtschaftlichen Literatur zu diesem Problemkreis wünschenswert. Vgl. dazu insbesondere: Knut Bleicher, Probleme langfristiger Organisationsplanung, in: Zeitschrift für Organisation (ZfO) Heft 1/1968, S. 2 ff.; Erich Frese, Einflußgrößen organisatorischer Umstrukturierungsprozesse, in: ZfO, Heft 2/1969, S. 134ff.; Larry E. Greiner, Patterns of Organization Change, in: Harvard Business Review, Heft 3/1967, S. 119 ff.; Herbert Hax, Optimierung von Organisationsstrukturen, in: Erwin Grochla (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, Stuttgart 1969, Sp. 1083 ff.; Norbert Szy-perski, Interdependenzen und Komplexität von Anpassungsund Lernaufgaben in der Unternehmung, in: ZfO, Heft 4/1969, S. 54 ff., und die dort genannte weiterführende Literatur.

  77. Walter P. Becker, Beteiligung der Parlamente an der staatlichen Planung, in: ZParl, Heft 2/1974, S. 182; Nils Diederich, Grenzen der Planung auf Länderebene am Beispiel Berlins, in: ZParl, Heft 2/1974, S. 223; Werner Väth, Zum Verhältnis von Parlament und Planung, in: ZParl, Heft 2/1974, S. 236.

  78. Vgl. Martin Neuffer, Entscheidungsfeld Stadt, Stuttgart 1973, S. 237.

  79. Berkemeier, DEMO, 1972, S. 1171, und Thomas-Gunter Vetterlein, Der Rat muß stärker werden, in: Kommunalpolitische Blätter, Heft 1/1974, S. 27 ff.

  80. S. d. Ziebill, 1972, S. 53 f. und Wolfgang Rudzio, Parlamentarische Parteiendemokratie oder was sonst?, in: Die Neue Gesellschaft, Heft 3/1970, S. 361 ff.

  81. S. d. Otto Kirchheimer, Wandel des westeuropäischen Parteisystems, in: PVS, Heft 1/1965, S. 27 ff., und Karl-Heinz Naßmacher, Linke Volkspartei in der Klassengesellschaft, in: Norbert Gansel (Hrsg.), überwindet den Kapitalismus oder Was wollen die Jungsozialisten?, Reinbek 1971, S. 54 ff.

  82. Die Vorbereitungen dazu zeichnen sich auf verschiedenen Ebenen ab. Hier sei nur auf das kommunalpolitische Programm der SPD (vgl. Anm. 51), die Koalitionsvereinbarung 1975 in Nordrhein-Westfalen und die Einsetzung einer Expertenkommission in Niedersachsen (s. d. Werner Thieme, Fortentwicklung des kommunalen Rechts, in: DEMO, Heft 7/1975, S. 561 ff., und Röt-ger Groß, Gedanken zur neuen Kommunalverfassung, in: DEMO, Heft 7/1975, S. 564 f.) hingewiesen.

  83. Diese Probleme waren Gegenstand der Jahres-tagung der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft 1973; s. Wolf-Dieter Narr (Hrsg.), Politik und Ökonomie — autonome Handlungsmöglichkeiten des politischen Systems, Wiesbaden 1975 (PVS Sonderheft 6).

  84. Demgegenüber gent Offe von der Hypothese aus, daß die (formelle) kommunale Autonomie bloße Scheinautonomie und Resultat einer zentralstaatlichen „Strategie der Ausgliederung" von Funktionen zwecks Entlastung sei. Claus Offe, Zur Frage der Identität der kommunalen Ebene, in: Rolf-Richard Grauhan (Hrsg.), Lokale Politikfor-schung, Bd. 2, Frankfurt 1975, S. 307 f.

  85. Vgl. dazu den Beitrag „Politikverflechtung" in dem von der Friedrich-Ebert-Stiftung erarbeiteten Curriculum „Kommunalpolitik" (s. Anm. 1).

  86. Zoll. 1974, S. 133.

  87. Vgl. oben, S. (XL, Sp. 41/42).

Weitere Inhalte

Wolfgang Holler, Dr. phil., geb. 1940 in Alsfeld/Vogelsbergkreis; Studium der Soziologie und Rechtswissenschaft in Marburg und Frankfurt; nach journalistischem Volontariat beim Hessischen Rundfunk kommunalwissenschaftliche Forschungstätigkeit im Institut für politische Planung und Kybernetik, Bonn-Bad Godesberg; seit 1974 Projektleiter für das Curriculum „Kommunalpolitik" bei der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn-Bad Godesberg. Veröffentlichungen: Funktionswechsel des Sozialdarwinismus in der Soziologie, Frankfurt 1971; Kommunale Selbstverwaltung als Politik. Ein Curriculum für den Bereich der Erwachsenen-Bildung, in: Materialien zur Politischen Bildung, Heft 4/1975; Kommunalverfassung und kommunales Entscheidungssystem. Eine vergleichende Untersuchung in vier Gemeinden der BRD (mit H. U. Derlien, Chr. Gürtler und H. J. Schreiner), in Vorbereitung; Die Grundtypen der Gemeinde-verfassung in der Bundesrepublik (mit Rainer Frey), in Vorbereitung. Karl-Heinz Naßmacher, Dr. rer. pol., geb. 1941 in Danzig; Studium der Wirtschaftsund Sozialwissenschaften in Köln; Tätigkeit in der Erwachsenenbildung und an verschiedenen Hochschulen (Köln, Wuppertal, Dortmund); seit 1975 o. Prof, für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Kommunalpolitik an der Universität Oldenburg. Veröffentlichungen u. a.: Das österreichische Regierungssystem, Köln und Opladen 1968; Politikwissenschaft I und II, Düsseldorf 1970 bzw. 1974; Parteien im kommunalpolitischen Zielbildungsprozeß, in: österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, Heft 4/1972; Funktionen politischen Personals in lokalen Vertretungskörperschaften (Kommunalparlamenten), in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Heft 4/1973; Parlamentarisierung der Kommunalpolitik? (mit Rainer Frey), in: Archiv für Kommunalwissenschaften, Band 11/1975; Organisierte und nichtorganisierte Öffentlichkeit in der Kommunalpolitik (mit Werner Helmke), in Vorbereitung.