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Der Verfall politischer Vernunft in Monarchie, Republik und Diktatur. Eine geschichtspsychologische Ergänzung zur „Holocaust" -Diskussion | APuZ 2/1980 | bpb.de

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APuZ 2/1980 Artikel 1 Der Verfall politischer Vernunft in Monarchie, Republik und Diktatur. Eine geschichtspsychologische Ergänzung zur „Holocaust" -Diskussion Das Weimarer Revisionssyndrom Preußen und Preußentum

Der Verfall politischer Vernunft in Monarchie, Republik und Diktatur. Eine geschichtspsychologische Ergänzung zur „Holocaust" -Diskussion

Manfred Funke

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Zusammenfassung

Die vor einem Jahr ausgestrahlte Fernsehsendung „Holocaust" war besonders für die jüngeren Bürger ein Erfahrungsschock. Für die ältere und mittlere Generation kam der Film als Chance und Pflicht, aus Verdrängen, Verschweigen, aus Trotz und gekünstelter Ahnungslosigkeit herauszutreten. Offener muß und kann jetzt gesprochen werden üb. er das Maß, in welchem die politische Vernunft versagte. Die Abkopplung der Staatsräson von der realen internationalen Mächtekonstellation setzte nicht erst unter Hitler ein. Schon in der Ära nach Bismarck wurden Illusionen dort zu Argumenten stilisiert, wo sich diffuses Weltmachtstreben nicht in Siegen bestätigen konnte und soziale Versöhnung im Inneren durch außenpolitische Erfolge nicht erreichbar war. Eine Politik des kalkulierten Risikos konnte von Hitlers Herrschaftspraxis so gründlich diffamiert werden, weil schon in Jahrzehnten zuvor die Kluft zwischen Ehrgeiz und Instrumentarium von der Hoffnung auf wundersame Hilfe der Vorsehung überdeckt wurde. Viele 'Deutsche vermochten deshalb im Aufstieg Hitlers keinen Kontinuitätsbruch zu sehen. Als revolutionärer Verräter der politischen Kultur Deutschlands entlarvte sich Hitler erst endgültig 1941/42. Angesichts der zu erwartenden militärischen Niederlage wurde die rassistische Vernichtungspolitik ihrem Höhepunkt entgegengetrieben. Nach 1945 war die Scham groß, fehlten aber auch bald Kraft und Wille, den Betrug Hitlers und den Selbstbetrug der Deutschen an die Nachwachsenden tatsachenpflichtig als lebendige Erfahrung zu vermitteln. Der materielle Wiederaufstieg und die Unfähigkeit zur Trauer bauten Kontaktsperren in den Generationen-Dialog über Geschichte als gemeinsames Lernfeld für die Zukunft. Sie realitätsfähiger und im Sinne streitbarer Demokratie krisenfester zu strukturieren, setzt die genaue Kenntnis begangener Irrtümer voraus — jenem Verfall der politischen Vernunft in Monarchie, Weimarer Republik und NS-Diktatur.

Vor 60 Jahren bekam Deutschland den Versailler Frieden diktiert. Vor 40 Jahren verleitete Hitler das Reich zum erneuten Griffnach der Weltmacht. Am 4. Oktober 1979 äußerte der Historiker K. O. Freiherr von Aretin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung-„Das Dritte Reich kann beschrieben und in allen Einzelheiten untersucht werden. Begreifen kann es niemand..."

Sind wir denn unfähig, explosiver Emotion selbstkritische Reflexion folgen zu lassen? „Holocaust" darf doch nur die Eröffnung des Dialogs zwischen der älteren, mittleren und jüngeren Generation über unser zeitgeschichtliches Selbstverständnis gewesen sein. Seiner weiteren Erkundung dient der folgende Beitrag.

Wie eine Lawine ging über die Historiker nach dem Holocaust-Film der Vorwurf nieder, sie hätten in Jahrzehnten nicht soviel an Aufklärung über das Dritte Reich bewirkt wie diese Fernsehsendung in wenigen Stunden.

Diese Anklage sollte wohl zuerst vom eigenen Versagen zahlreicher Pressemedien ablenken, für die das vordergründig Spektakuläre allzu-oft höheren Nachrichtenwert besaß als die Resultate zeitgeschichtlicher Forschung. Immerhin liegen laut NS-Spezialist Werner Maser inzwischen mehr als hunderttausend wissenschaftliche Untersuchungen über Hitler, das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg vor.

Das Angebot an Information war und ist also da. Fehlte nur die Bereitschaft zu engagierter Verarbeitung? Es scheint jedenfalls, als habe I erst der R^aktionsschock auf „Holocaust" die Mauern aus Schweigen, Trotz und arrogantem Unverständnis eingedrückt, die die Generationen von der gemeinsamen Ergründung des deutschen Versagens gegenüber Hitler fern-hielt. Seither treffen Verurteilung und Rechtfertigung der Väter, Apathie und Obstruktion der Söhne gegen die Haftungsfolgen und die wißbegehrliche Naivität der inzwischen herangewachsenen Enkel aufeinander. Der Ent-

schachtelung des komplexen Stoffes muß deshalb unser Lerninteresse ebenso gelten wie 1 der Förderung wechselseitiger Gesprächsbei reitschaft. Die durch „Holocaust" bewirkte 'Emotionalität ist in Sensibilität für historische • Zusammenhänge zu wandeln. Nur so kann der j geschichtspsychologische Zugriff auf das I Dritte Reich jene politisch-gesellschaftlichen »Ursachen belangen, aus denen die NS-Diktaitur keimte. Denn wesentliche Elemente des Nationalsozialismus, seiner Herrschaftsziele und Herrschaftspraxis brauchte Hitler nach 1933 lediglich zu aktivieren. Deutsches Welt-machtstreben, der Rassismus, die Lebensraum-philosophie, obrigkeitsstaatliche Subordinations-Ideologie waren ebenso latent vorhanden wie jenes Selbstverständnis der Führungseliten, in dem Entscheidungsräson und Konzeptionen politischer Strategie zunehmend zersetzt wurden durch Unfähigkeit bzw. Unwillen zur Wahrnehmung weltpolitischer Realitäten. Hitlers Machtergreifung war weder Tragödie noch Betriebsunfall, sondern präformiert in den politischen Wertmustern des 19. Jahrhunderts, den gesellschaftspolitischen Zielkonflikten des Kaiserreichs sowie im Scheitern ihrer Bewältigung.

Unser heutiges Tatsachenwissen darf indessen nicht alleinige Grundlage zeitgeschichtlicher Urteile sein. Sie gerieten schief ohne die Kunst des psychologischen Rollenspiels, der Nachstellung von Entscheidungsprozessen. Unabdingbar ist die Fähigkeit, sich in die Lage jener zurückzuversetzen, die einst in ihrer Zeit handelten und nicht über sie argumentierten, wie wir es von ihrem Ende her heute zu tun vermögen. Nur so kann in etwa unterschieden werden zwischen dem Recht auf Irrtum und dem Maß des bewußten bzw. fahrlässigen Mißbrauchs dieses Rechtes.

In diese Kluft sollen die nachfolgenden Thesen hineinführen, in denen nicht Vorwürfe das Hauptanliegen bilden. Denn im nachhinein, unter Kenntnis aller Umstände, ist es nicht allzu schwer, zwischen Erfolg und Versagen das Lot zu senken. Wichtiger erscheint die Ermittlung jener Schubkräfte, die Augenmaß als Defätismus denunzierten und die Weltmacht-B streben aus Realitätsverlust konditionierten. Es geht damit eben nicht um Bejahung der Gegenwart aus wohlfeiler Aussöhnung mit unserer Zeitgeschichte. Auch wird nicht der Schließung von Identitäts-und Kontinuitätsbrüchen das Wort geredet mittels einer Moralität verzeihenden Verstehens. Es gilt vielmehr, den Schattenwurf des Vergangenen auf das Heute verstehend zu begreifen und Hoffnung auf Morgen durch praktisches Handeln aus politischer Vernunft zu rechtfertigen

Aufarbeitung der Vergangenheit ist folglich ein Gegenwartsproblem, dessen Lösung nicht im Verleugnen des Erbes bestehen kann. Nur im ungeschminkten Aufzeigen der erlittenen Verluste an politischer Vernunft und Gesittung bleibt die Gefahr abbildfähig, die uns vom Vergessen und damit von der Wiederholbarkeit begangener Irrtümer droht. Sie nicht zu bekennen, hieße, ohne Sicherung durch Erfahrung in die Zukunft zu gehen. Dies zu vermeiden, verlangt, die Epoche Hitlers nicht nur im Rückspiegel des Jahres 1945 zu bewerten, sondern sie zu verstehen aus den Epochemerkmalen der Reichsgründung und beider Weltkriege

I. Der Verfall der Staatsräson und der politischen Strategie im Wilheiminismus

Ein Interessenbündnis von Geburtsund Industrie-Adel, von Generalität, Admiralität, hoher Ministerialbürokratie, „Flotten" -Professoren und protestantischen Kirchenführern sollte das Reich zur Weltmacht führen, zumindest zur Ebenbürtigkeit mit England, überfallartig angelegte Feldzüge sollten Deutschland zur ersten Macht Europas aufsteigen lassen, einen Kontinentalblock schaffen und das geschwächte Frankreich sowie ein amputiertes Rußland deutschen Industrie-und Agrarwünschen überstellen. Zugleich sollte ein gewaltiger Sieg die Innenpolitik des Reiches sanieren, d. h. die Autorität der alten Elite festigen und die Sozialdemokratie schwächen

Als Motor solcher Annexions-und Repressionspolitik wird in Anlehnung an die in vieler Hinsicht bahnbrechende Forschung Fritz Fischers der Reichskanzler Th. von Bethmann Hollweg angesehen. Er sei nicht mit den anderen in den Krieg gestolpert, auch nicht präventiv nach vorn geflohen. Er habe vielmehr als eine Art Chefdramaturg 1914 den Annexionskrieg inszeniert in einem Augenblick der Hoffnung, sich auf eine haltbare Bindung zu England verlassen zu können. Um also an französisches Erz, an ukrainisches Getreide, um näher an den Ärmelkanal als Englands „Rük-kenmark" (Krupp, Tirpitz) heranzukommen drückte Bethmann Hollweg dem Wiener Verbündeten die Kriegsfackel in die Hand. Nicht wegen „Sarajewo", nicht wegen Dynasten-Solidarität, sondern wegen der günstigen Gelegenheit zum unausweichlichen Kampf, zu dessen Eröffnung Londons Zurückhaltung Berlin ermunterte. Die Reichsführung irrte. Sie konnte ruhmreich, nicht siegreich kämpfen Dieser Irrtum hatte den Charakter bewußter Selbsttäuschung, aufzeigbar in der Fehleinschätzung Englands und in der Konturlosigkeit der Kriegsziele. So brach 1914 die Katastrophe herein, nicht erst 1918, weil sich die politische Strategie mit Kriegsbeginn endgültig aus ihrer Bindung an die globalen Wirklichkeiten löste, die Abkehr vom Prinzip „Erst wägen, dann wagen" erfolgte

Zu Recht meint Fritz Fischer, daß Bethmann Hollweg kein Werkzeug waltenden Schicksals oder verhängnisvoller Tragik war. Er war aber auch nicht, wie Fischer ihn darstellt, Träger „einer bewußten politischen Entscheidung" wenn der Kanzler an der Definition von Politik als der Kunst des Möglichen meßbar bleiben soll. Es ist unverständlich, wenn Fischer Bethmann Hollweg eine — auch nur immanente — taktische Klugheit der Terminwahl zum Losschlagen nicht spontan abspricht, wenn er Berlins Hoffnung auf Englands Zurückhaltung nicht als Selbstnarkose bezeichnet.

Gewiß war während der beiden Balkankrisen auf der Londoner Botschafterkonferenz ab November 1912, seit den mit England zäh-verständnisvoll geführten Kolonial-und Orient-Ausgleichsverhandlungen eine atmosphärische Entspannung zwischen Briten und Deutschen eingetreten Doch die Verbesserung des diplomatischen Klimas als substantiellen Wandel englischer Kontinentalpolitik anzusehen, entsprach reinem Wunschdenken Berlins. In einem Schreiben vom 10. April 1912 an den Freiherrn von M April 1912 an den Freiherrn von Marschall nannte der Reichskanzler selbst ein Agreement mit den Briten bei gleichzeitiger Fortsetzung der deutschen Flottenrüstung „die Quadratur des Kreises" 9). Und nun sollte nur zwei Jahre später London eine Zerstörung des europäischen Gleichgewichts zugunsten Deutschlands hinnehmen, nachdem sich dieses-bis dahin mit dem Angebot deutscher Schutzpolitik für britische Kolonien als Entgelt für eine Schwächung des britischen Europa-Glacis Absagen geholt hatte?

Bezeichnenderweise sahen Beobachter wie der konservative Gelehrte H. Delbrück und der Historiker E. Marcks in der Besserung der deutsch-englischen Beziehungen eine Hin-wendung eher zur Normalität offener Verhältnisse als zum Akkord über gemeinsame Ziele 10). Durfte sich ein halbwegs entscheidungsbewußter deutscher Politiker durch diplomatische Kosmetik und das Spielmaterial Chamberlainscher Allianzangebote den Blick dafür trüben lassen, daß London die deutsche Seerüstung unbeirrt konterte und den Abstand britischer Überlegenheit maritim sowie bündnispolitisch sicherte

Besaß schließlich die Annahme, ein Sieg werde die alten Autoritäten stabilisieren und die Sozialdemokraten zurückdrängen, eine Spur produktiver Rationalität? Mußte nicht auch ein konservativer, gar reaktionärer Politiker umgekehrt argumentieren? Daß nämlich nach einem gewaltigen Blutzoll des Volkes die Sozialdemokraten (1912 stärkste Fraktion im Reichstag!) mit noch mehr moralischem Recht auf größere Entscheidungsteilhabe drängen würden? Nein, Bethmann Hollwegs politische Manöver sind nicht konzeptionsfähig, nicht einzubringen als tragfähiges Element strategischer Kriegsziel-Architektur. Gerade Bethmann Hollwegs Worte von der „Quadratur des Kreises", vom „Sprung ins Dunkel", dazu Berlins quallige Anpassung der Kriegsziele an das Schlachtenglück, das Eingeständnis des Kanzlers vier Tage vor Englands Kriegseintritt, wonach „die Direktion verloren" sei schmälern das von Fischer dem Reichskanzler mit dem „Septemberprogramm" zugewiesene Profil als Annexionisten mit Chancengespür und Ziel-konstanz. Seine zaudervolle Offensive Ende Juli 1914 nimmt dem Reichskanzler den negativen Solitärcharakter, schiebt ihn in den Kreis jener Männer um den Kaiser zurück, die allesamt unfähig waren, ihr Wollen und Vermögen durch Realitätssinn zu kontrollieren Wie aber verkam Besonnenheit zur Forschheitskonkurrenz zwischen Militär-und Zivil-kabinett, zwischen Generalität und Reserve-Zivilisten? Mit „Bismarck" wäre wohl die psychische Blok-kierung der kaiserlichen Entscheidungsräson zu benennen, an die Kanzler und Staatssekretäre verantwortlich gebunden waren. Die innenpolitischen Aufgaben sowie die geopolitische Situation des Reiches hätten die Führungsspitze nach dem Ziel-Mittel-Prinzip zur umsichtigen Verwaltung des Ererbten bestimmen müssen. Doch damit im Schatten Bismarcks zu verbleiben, vermochte Wilhelm II. um keinen Preis. Er sah in kluger Reformpolitik und im behutsamen Ausbau des vorhandenen Kräftepotentials kein Katapult zur begehrten historischen Größe. Diese wollte Wilhelm aber unbedingt. Sein Werk sollte glanzvoller sein als das Bismarcks, der den Großvater und den Vater des Monarchen weit überragt hatte. Diese Begier wurde dazu verstärkt durch das wachsende Erfolgsdefizit einer jah-relangen Herrschaft voller außenpolitischer Straucheleien. Sie parodierten geradezu die kaiserlichen Prophetien von Glanz und Gloria ebenso wie die markigen Versicherungen, beim nächsten Mal gäbe es aber kein Zurückweichen mehr „Denn", meinte der Kaiser, „meine Nachfolger sollen einmal wissen, daß ich forsch war"; nichts war ihm so wichtig wie „Bravour“

Aber nicht allein die Angst, sich nur als Souverän einer Übergangsepoche nach Bismarck bewertet zu sehen, schürte die Neigung zum Krieg als der Erlösung vom Politischen. Denn sollten sich nicht die kosmischen Zwecke der Ära Wilhelms zeigen, so sollten auch künftige Generationen und Nachfolger keine Gelegenheit nehmen, mit herrlichen Taten die Herrschaft des Kaisers Wilhelm II. vergessen zu lassen. Drängten 1914 die Eifersucht auf Bismarck und auf die Jugend unbewußt zu Vatermord und „Filicid" Ohne realitätspflichtige, staatsmännische Energie agierten die Kreise um Wilhelm. Seine Berater schütteln den Kopf über windböenhafte Entscheidungen Seiner Majestät, witzeln gar über den Monarchen, doch will keiner der kaiserlichen Huld entra-ten. Denn ist nicht beim Mächtigsten eine höhere Vernunft

Hegels Staatsphilosophie hält jene botmäßig, die die Furcht vor der Möglichkeit verbindet, sie könnten nur Troßbuben großer Geschichte sein. Der Kaiser empfand das Reden vom Frieden vierzig Jahre nach dem letzten Waffengang „eunuchenhaft"; militaristische Hypertrophie verengte den Sinn für strategische Machbarkeit und gegnerische Kampfpotentiale Jedenfalls sollte das mit imperialistischer Emotionalität überfrachtete Staatsschiff vom Riff der Ratlosigkeit durch einen Krieg gehoben werden, den eben nicht das Ausland aufzwang. Alle Worte vom notwendigen Präventivschlag, vom antideutschen Einkreisen und Abwürgen, von Volk ohne Raum, von Rassenkampf waren Scheinargumente, auch jenes vom sozialdemokratischen Unterwühlen der inneren Ordnung. Die Katastrophenstimmung war hausgemacht. Daß das Kriegsmotiv der „Einkreisung" ein letztlich künstliches war, hätte sich leicht offenbart, wenn man nur bereit gewesen wäre, die deutsche Frage mit den Augen der mutmaßlichen Feinde des Reiches zu betrachten. Denn welches Interesse — und mit dieser Frage wäre das Präventiv-Argu-

ment bereits hinfällig geworden — hätte die europäische Schlüsselmacht Großbritannien an einem geschwächten oder gar zerstückelten Deutschland haben können? Eine bloße Schwächung des Reiches hätte Mitteleuropa zum ständigen Unruheherd gemacht, eine massive territoriale Beschneidung hätte wiederum nur Frankreich und Rußland gestärkt.

Was aber sollte London attraktiv finden an einem mächtigen Frankreich ein paar Kilometer vor Dover? Was erstrebenswert an einem Zarenreich, dessen Nachbarschaft zu Deutschland Moskau nicht mehr beunruhigte und Kräfte freisetzte zum verstärkten Druck auf die Versorgungsadern des britischen Empires?

England konnte und mußte aus Eigeninteresse alle Germaniam-esse-delendam-Wünsche unterdrücken. Doch in Berlin blieb solche Einsicht ohne Einfluß auf den Entscheidungsprozeß. Hier hätte man Deutschlands Zukunft in einer offensiven „Verschweizerung" seinen Außenpolitik sehen müssen, als Kombinat höchster Flexibilität, militärischer Präsenz-stärke und expansiver Außenwirtschaft. Eine kluge Pendelpolitik, eine Zünglein-an-der-Waage-Strategie hätte auf Dauer auch koloni-i alpolitische Erfolge gebracht, da alle Mächte» an ein starkes Deutschland „Versicherungs-?

prämien" hätten entrichten müssen, um Wohl-verhalten zu erkaufen. Die Mittellage des Rei-i ches, seine Ressourcen und die internationale» Mächtekonstellation empfahlen, Großbritannien mit dessen eigener Erfolgstaktik zu be-s gegnen. Andere zukunftsträchtige Alternati-i ven gab es nicht, doch ließ sich die Weltmacht-!

Spiritualität der Reichsführung nicht diszipli-i nieren.

Warum glaubte man in Berlin, die Zeit arbeite: allein für Zar und Slawismus? Warum sah man. bald nur in der kriegerischen Amputation russischer Randstaaten einen Ausweg? Warum sah man nicht auch, daß gerade auch hier diei Zeit für Deutschland arbeiten könnte auf grund der japanischen Bedrängung Rußlands! und seiner inneren Aufweichung (gerade nach dem Aufstand von 1905 und der Tsushima-? Niederlage)? Warum sollte man nicht künftig mit dem antirussischen Nationalismus im Wee sten und Süden des Zarenreiches politische Geschäfte machen? Warum strebte man nicht unauffällig zäh nach „peaceful penetration" gel genüber Ost-Mitteleuropa und der von Oster reich zu erbenden Klientel? Warum zog mau nicht mehr reversible Schlüsse aus den zeit weiligen Rückschlägen, die man im Wettbe werb um die wirtschaftsund finanzpolitische Durchdringung Rumäniens, Bulgariens, Griechenlands, der Türkei sowie des Vorderen Orients von London und Paris hatte hinnehmen müssen Schon damals zeigten sich ansatzweise günstige Gelegenheiten für ein gewinnträchtiges Engagement im Donauraum unter Ausnutzung des dort wachsenden Nationalismus und Separatismus. Auch der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Südamerika hätte aussichtsreich erscheinen müssen. Nicht zufällig erwiesen sich während der zwanziger und dreißiger Jahre der amerikanische Subkontinent und Südosteuropa als Regionen, Wirtschaft - in die deutsche erfolg reich expandierte -Außerdem schien gerade in der Vorphase des Krieges das britische Verständnis für Afrika betreffende koloniale und Kooperationsbe Wünsche Berlins dessen -gehren in Richtung London gewachsen

Auch das Dogma vom Volk ohne Raum hätte bei nüchterner Prüfung der Relationen von Land, Leuten und der Steigerungsfähigkeit deutscher Produktivkräfte als absurd erscheinen müssen. Doch wollte man das Problem eben nur betrachten aus der verselbständigten, militärisch-operativen Perspektive der Generalität, fortschrittsfeindlicher Großagrarier und rohstoffhungriger Industriemagnaten. Nationale Prestigehysterie verkettete diese Einzelinteressen.

Auch den großen Krieg als innenpolitisches Kriseninstrument anzusehen, bleibt unverständlich. Die Sozialdemokraten waren zwar kämpferische Gegner der ungerechten Güter-verteilung, der versagten politischen Mitbestimmung, aber sie waren keine generellen Feinde der monarchischen Staatsstruktur. Diese hätte von einer Besserung der sozialen Lage der Arbeiter, einer größeren Durchlässigkeit der Klassenbarrieren, einer wechselseitigen Substituierung von Demokratie und Aristokratie zugunsten des Allgemeinwohls durchaus Stärkung erfahren können, wie englische Beispiele (Lloyd George) zeigten. Gerade die Art, in welcher die großen Streiks der Jahrhundertwende beendet werden konnten, gerade die Entschiedenheit, mit der sich die Reichstags-SPD von ihren Linksradikalen absetzte, hätte doch die Vermutung nahelegen müssen, daß in auswärtigen Krisen die deutschen Arbeiter den Klassenkampf nicht über den Patriotismus stellen würden

Warum erachtete man in Berlin die sensationsarme, solide Bewahrung des Bestehenden als zu verhindernden Verfall? Warum erschreckten langweilige Annalen? Vermutlich deshalb, weil den Erbwaltern des heroisch-aristokratischen Borussismus die Einsicht unerträglich war, das Reich zu seinem Fortbestand den Erfordernissen einer modernen Industriegesellschaft reformerisch anpassen zu müssen. Dies hätte Verzicht auf Requisiten, Rituale und Rechtspositionen einer Herrschaft verlangt, die bei ihrer Begründung 1871 schon vielfach unzeitgemäß waren. Als zu groß wurden die Risiken und Opfer der — wenn auch zu spät — erfolgten Reichseinigung empfunden, als daß man sich mit einer so kurzen Phase des Herrschaftsgenusses hätte abfinden können. Übermächtig war die Sehnsucht nach glanzvollem Aufstieg, den ein seit 1871 wachsender Missionsund Heilsglaube stimulierte und der Kompensation verhieß für nationale Identitätskrisen und für das Scheitern in der Vergangenheit. „Gerade weil wir hinter den anderen großen europäischen Völkern zurückgeblieben sind, so schwingt es hier mit, gerade weil wir bisher diese elende, zerrissene Geschichte gehabt haben, sind wir für eine ganz besondere, einzigartige Aufgabe ausersehen — gerade weil wir die Letzten waren, werden wir am Ende der Geschichte die Ersten sein.“ Und was die Siegchancen betraf — hatte die Vorsehung nicht auch Friedrich d. Großen aus Ausweglosigkeit wundersam befreit und Preußen zum Aufstieg geführt? Neurotisches Anbiedern bei der Vorsehung, Vertrauen auf Deutschlands besondere Berufung für die Neugestaltung Europas ließen Staatskunst zum Kriegshandwerk verkommen. Strategieverfall wurde mit protzigem Optimismus maskiert, durch Teufelskerl-Pathos ersetzt. Es sollte das Versagen beim politisch-diplomatischen Flankenschutz für den Schlieffen-Plan vertuschen, es sollte ablenken von der falschen Einschätzung der Gegner. Gerade die preußisch-deutsche Geschichte jener Jahre belegt, wie sehr die Entfesselung des Krieges durch die verabsolutierte Ästhetik von Machtvorstellungen geprägt ist und wie wenig durch die Gier nach Besitz.

II. Von Weimar zu Hitler — Von politischer Illusion zur rassistischen Barbarei

War Epochenmerkmal des Wilheiminismus die Weigerung, das politische Selbstgefühl und die politischen Realitäten in konstruktiver Spannung zu vereinen, so führte der Ausgang des Krieges 1918 erst recht nicht zu Nüchternheit und Läuterung. Parolen von Verrat und Revanche besetzten das politische Denken. „Los von Versailles" wurde nach außen zur stärksten Klammer der Nation, die zugleich innerlich von der Schuldzuweisung für die Niederlage zerklüftet wurde. Denn ihre Ursache sah man nicht primär in der feindlichen Übermacht, sondern im Versagen der Heimatfront. Von dort hätte der Dolch die kämpfende Truppe im Rücken getroffen. Vor allem Ludendorff, Hindenburg und die rechten Eliten bestrickten die Nation mit dieser Legende. Obwohl unumstößlich die Niederlage im Feld eintrat, von der Obersten Heeresleitung das Ersuchen um Waffenstillstand abging und danach erst die Revolten im Reichsgebiet ausbrachen, konnte geschickte Propaganda diese Tatsachen im Bewußtsein vieler Deutschen umdrehen

Das Bündnis der traditionellen Führungseliten blieb ebenso intakt wie die alten Macht-träume Beide wirkten mit beim Sturz der Weimarer Republik. Der Hebel wurde angesetzt in der tiefen Fuge zwischen demokratischer Herrschaftsform und einer Herrschafts-praxis aus obrigkeitsstaatlichen Wertmustern. Hatten die Sozialdemokraten nicht eine Republik ausgerufen, die außer dem US-Präsidenten Wilson und den deutschen Kommunisten in Wahrheit keiner wollte? Der erste Reichs-präsident Ebert erschien als Republikaner aus Vernunft. Er hatte am 6. November 1917 Groe-ner, dem Nachfolger Ludendorffs, erklärt, sich um einer kontinuierlichen Entwicklung willen mit einer parlamentarischen Monarchie abfinden zu wollen. An der Staatsspitze schlug der Sozialdemokrat Ebert die rote Revolution nieder im Bunde mit den Generälen

Eberts Nachfolger Hindenburg galt für viele Deutsche schon wieder als Ersatzkaiser. Adel und Industriefeudalismus behielten die Schlüsselpositionen in Armee, Diplomatie und Bürokratie. Daß Weimar eine Demokratie mit zu wenig Demokraten war, bewies nicht allein das Versagen des Parlamentarismus Den Massen galt letztlich Freiheit ohne Wohlstand, ohne Ruhigstellung der allgemeinen Verhältnisse nichts. Was sollte Streikrecht, wenn laut Notverordnung des Reichspräsidenten die Löhne bis zu 50 Prozent tariflich unterschritten werden konnten, um Arbeitskräfte überhaupt zu beschäftigen? Die aggressive Direktionslosigkeit der bürgerlichen Mitte, die Radikalisierung der Rechten und Linken beschleunigte das Scheitern der ersten deutschen Republik

Ein Bürgerkrieg schien unabwendbar, als die traditionell starken Linksparteien SPD und KPD sich mit Hitlers Forderung nach dem Machtmonopol für die NSDAP konfrontiert sahen. Sie hatte im Zeichen allgemeiner Verelendung den Aufstieg von zwölf Reichstags-sitzen 1928 zur stärksten Fraktion mit 230 Mandaten im Juli 1932 geschafft. Hitler kandidierte im selben Jahr gegen Hindenburg für die Reichspräsidentschaft, unterlag zwar, aber verlangte anschließend immer drohender als Führer der größten Massenpartei die Berufung zum Reichskanzler.

Zu diesem Zeitpunkt war die Frage längst entschieden, ob Hitler seine Politik mehr nationalistisch und unternehmerfreundlich oder eher sozialistisch ausrichten würde. Mit seiner geheimen Denkschrift für den Großindustriellen Emil Kirdorf (1927) hatte Hitler seine danach ständig wiederholten Angebote an jene Kreise formuliert, die bereits 1914 und davor zum Griff nach der Weltmacht gedrängt hatten. Sie wollten nach dem Scheitern der Präsidialkabinette Brüning, von Papen, von Schleicher gemeinsam mit Hitler einen zweiten Versuch unternehmen, nachdem man 1918 zumindest vorübergehend die osteuropäischen Annexionspläne im Frieden von Brest-Litowsk durchgesetzt hatte Hitler empfahl sich einer Allianz von Rittergut, Hochofen und Finanzadel mit fanatischem Antibolschewismus und der Bändigung roter Aufstandsgefahr. Die Fähigkeit zur Magnetisierung der Massen machte Hitler als Geschäftspartner besonders attraktiv für jene, deren Ehrgeiz zumindest Teilidentität mit der NS-„Programmatik" aufwies. So gehörten die Erweiterung von Lebensraum, die Sicherung von Ernährungs-und Rohstoffbasen ebenso latent zur traditionellen deutschen Zielvorstellung wie die Parolen vom Rassenkampf gegen Slawen, Juden und Gallier. Hitler gab diesen Ambitionen und Überzeugungen zunächst nur eine gewaltigere Dimension, erschien den meisten aber nicht als Vater einer originären Revolutionsstrategie. Erst im Kriegsverlauf 1941/1942 entlarvte das rassistische Telos den Führer der Deutschen als Feind der abendländischen Kultur und als verächtlichen Überwinder wilhelminischen Weltmachtstrebens

Was Hitler im Urteil der Zeitgenossen absolute Einzigartigkeit verlieh, war seine Fähigkeit, die Massen durch Emphase vom Ideengut des Klassenkampfes abzubringen, sie zur Aufgabe ureigenster Standesinteressen (Streikrecht, Tarifautonomie, Achtstundentag usw.) zu bewegen und sie als Werkzeug zum erneuten Griff nach der Weltmacht herzurichten. Hitler fing alle im Propagandanetz sozialer Versöhnung, mit dem Tag von Potsdam als erstem Höhepunkt meisterlicher Regie. Aufgrund der Interessenparellelen von brauner Revolution, heroischem Preußentum und Industriefeudalismus war eine solche Synthese nicht so verwunderlich wie die Frage nach dem Grund für die Massengunst Hitlers. Er gewann diese Gunst nicht allein dadurch, daß er allen alles versprach und vielfach einzulösen schien. Hauptmotiv war wohl, daß er Millionen Verarmter, Zukunftsloser und Entwurzelter neue Selbstachtung gab. Denn zeigte sich nicht in diesem Hitler, diesem unbekannten Maler und Gefreiten, der kleine Mann als großes Vorbild? War Hitler nicht jener, der sie alle repräsentierte, aber dennoch ohne Hilfe adeliger Herkunft, ohne Protektion und Besitz sich allein mit beispielloser Willenskraft hochgearbeitet hatte, fest an Deutschlands Aufstieg glaubend?

Nicht allein das Wirtschaftsdebakel Weimars ließ Hitler zum Messias für viele werden, sondern seine Kraft zur Zusammenführung aller Deutschen im Geiste tiefster Volksgemeinschaft, der Hitler liturgische Weihe gab: „Das ist das Wunder unserer Zeit, daß ihr mich gefunden habt — daß ihr mich gefunden habt unter so vielen Millionen! Und daß ich euch gefunden habe, das ist Deutschlands Glück!" Oder wenn Hitler inbrünstig skandierte: „Aus dem Volk bin ich gewachsen, im Volk bin ich geblieben, zum Volk kehre ich zurück. Ich setze meinen Ehrgeiz daran, keinen Staatsmann auf der Welt zu kennen, der mit mehr Recht als ich sagen kann, Vertreter seines Volkes zu sein."

Nur so ist verstehbar, weshalb viele Arbeiter das rote gegen das braune Hemd einwechselten, mußte ihnen doch Klassenkampf als überflüssig erscheinen angesichts Hitlers Sorge für Arbeit, Ordnung, Sicherheit Das Verbot von Parteien und Gewerkschaften wurde nicht zur Staatskrise, da sich in 13 Jahren Republik die Appelle für Vernunft und Augenmaß ebenso abgenutzt hatten wie die Zukunftsvertröstung auf reale Mitbestimmung und Machtkontrolle. Wo jeder Dritte arbeitslos war, klang das Verlangen nach Streikrecht und nach freiem Aushandeln der Löhne sowie nach gewerkschaftlichem Interessenschutz brüchig, hohl, gar lächerlich. Der Rest gewerkschaftlicher Solidarität wurde ausgetrocknet durch allgemeine Aufbruchstimmung.

Das Gefühl, es gehe wieder vorwärts, unterdrückte nach jahrelanger Entmutigung schlicht die Frage nach dem Wohin des neuen Regimes Wären solche Zweifel nicht auch undeutsch, miesmacherisch gewesen im Anblick der gewaltigen innen-und außenpolitischen Erfolge Hitlers?

Mit den Schlaginstrumenten „Gerechtigkeit für Deutschland" und „Friedensliebe" zersprengte Hitler die Versailler Fesseln. Mit Wirtschaftskonjunktur, dem Aufbau der Wehrmacht, der Angliederung von Saar, Österreich und Sudetenland gewann die tief-verletzte Selbstachtung der Deutschen neue Kraft. Daß Hitler geschickt die unter seinen Amtsvorgängern erstellten Arbeitsbeschaffungsprogramme umsetzte, daß das Reich von der inzwischen verbesserten internationalen Wirtschaftslage profitierte — alles wurde dem persönlichen Verdienst des Führers zugerechnet und von der „Faszination seiner Diktatur" (Speer) requiriert Die Erfolge erwiesen sich als so übermächtig, daß man in der breiten Bevölkerung zugunsten von Ruhe und Ordnung zeitweilig auf Recht und Ordnung verzichten zu können glaubte. Betäubt durch die Propaganda-Arrangements aus Brot, Spielen und Terror fiel der Verzicht auf Machtkontrolle nicht schwer. Die Schutzhaft für Homosexuelle, Zigeuner, die Verbannung alles „Undeutschen" nahm man hin, gedeckt von jenem „gesunden Volksempfinden", daß dort halt Späne fallen, wo gehobelt wird. Die Tötung von Schwachsinnigen und Krüppeln erschien tolerierbar. Sollte man sie ernähren, wenn Gesunde hungerten? Auch die Verfolgung der Linken löste keinen großen Protest aus. Waren jene nicht verantwortlich dafür, daß 1917/18 die Heimatfront versagt hatte? Wollten jene nicht den Deutschen ein ähnliches System aufzwingen, wie es Stalin bei den Slawen eingeführt hatte? Was man mit jenen Menschen zweiter Klasse machen konnte, ziemte sich nicht für anständige Deutsche! Auch Hitlers Antisemitismus erschien zunächst nicht so erschreckend neu. In allen Krisen war das Judentum als Sündenbock mißbraucht worden So zeigte sich auch der Judenhaß während der Wirtschaftskrise primär als Konkurrenz-Antisemitismus. Machten auch die Juden mit 560 000 nur 0, 9 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, so waren sie doch in akademischen Berufen, in der Publizistik und in Sparten des Handels (Makler, Textil, Groß-kaufhaus) überproportional stark vertreten, zudem in wenigen Großstädten des Reiches auffällig konzentriert. Als es zu Boykotts, Deportationen, dann 1938 zur „Reichskristallnacht" kam, reagierte die deutsche nichtamtliche Öffentlichkeit zwiespältig. Gelähmt und verwirrt durch die „Enthüllungs" -Propaganda über angebliche jüdische Schandtaten, billigte man zwar nicht allgemein die brutale Vorgehensweise gegen Juden, doch hatte man andererseits weder . Kraft noch Courage, wie A. Speer kürzlich zugab, für diese Mitbürger offen einzutreten. Zumal beide christlichen Kirchen sich in Kampagnen für den Schutz „lebensunwerten Lebens" einsetzten, aber nicht ebenso entschieden für Juden Partei ergriffen. Daß zudem bis 1941 270 000 Juden, wenngleich unter schwierigsten Bedingungen, doch mit amtlicher Erlaubnis ausreisen konnten, beschwichtigte wohl manches Gewissen

Die Sympathien für Hitler, der Glaube, der Führer und Reichskanzler werde als Staatsmann von der Verwirklichung seines „Mein Kampf-Programms absehen, verwelkten mit dem Angriff auf die UdSSR im Sommer 1941. Es offenbarte sich rasch, daß Hitlers Strategie noch weniger als das wilhelminische Welt-machtstreben in der Ziel-Mittel-Räson eines Clausewitz verankert war. Immer unverdeckter bestätigte Hitlers Vorgehen dessen Handlungsmaxime: „Ich habe in meinem Leben immer va banque gespielt." Einst hatte Hitler den Mehrfrontenkrieg als Kardinalfehler der Reichsleitung gegeißelt. Nun wiederholte er ihn selbst mit dem Angriff auf Rußland, ohne daß England zuvor besiegt oder als Partner gewonnen worden war. Als aus London und Paris am 3. September 1939 die Kriegserklärungen eintrafen, reagierte Hitler ratlos, war doch sein Konzept der getrennten Blitzkriege gescheitert. Am 6. Dezember 1941 äußerte Hitler, daß der Kampf kaum noch zu gewinnen sei. Fünf Tage danach erklärte er den USA den Krieg obgleich für eine ozeanische Kampfführung alle lufttechnischen und maritimen Waffen fehlten

Stand auch das Scheitern einer großgermanischen Weltreichsschöpfung bevor, so sollte dennoch das zweite Ziel der Hitler-Ideologie nach Möglichkeit realisiert werden: die systematische Vernichtung des Judentums, wie sie auf der Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 beschlossen wurde. Zwar wiederholte sich 1941/42 der Zusammenbruch deutscher Staatsräson, doch das strategische Unvermögen von 1914 verkam bei Hitler zur organisierten Barbarei.

Von diesen Vorgängen haben angeblich die meisten Deutschen nichts gewußt. Natürlich __________ sickerte von dem, was geschah, vieles durch. „Aber wer durchaus wollte, konnte unwissend bleiben oder sich wenigstens unwissend stellen, auch vor sich selbst; und das taten die meisten Deutschen, wie übrigens auch die meisten Bürger der anderen europäischen Länder, aus denen die Juden ausgekämmt wurden." Es gab weder Persönlichkeiten noch Chancen für einen wirksamen Widerstand. Denn in den Kriegsjahren — und dies ist den jungen Menschen heute so schwer nachvollziehbar — war ein Schritt vom Wege, ein Schwimmen gegen den Strom fast unmöglich. Die Menschen im Reichsgebiet, die dem Luftterror der Alliierten ebenso ausgesetzt waren wie den Parolen Bormanns, die Feinde wollten alle Deutschen vernichten — diese Menschen hatten weder Zeit noch Kraft, sich um fremdes Schicksal hinter KZ-Mauern oder in Lagern weit im Osten zu sorgen. Stille, heimliche Hilfe in der Nachbarschaft war hier möglich, dort nicht — abhängig stets vom Mut der Helfer, von der lokalen Situation, von der Schärfe der Parteifunktionäre. Das Stehlen von Brot konnte hier mit Achselzucken, dort mit Enthauptung geahndet werden Solch permanenter Ausnahmezustand als Herrschaftstechnik, diese Angst vor der Angst des Mitbürgers, zermürbte die Entschlußkraft zur Auflehnung, beschränkte die Befähigung zum aktiven Widerstand auf wenige.

Dies zeigt sich besonders im qualvollen Ringen der Männer des 20. Juli. Mußte die Beseitigung Hitlers nicht erneut die Nation in tiefe Zwietracht stürzen, die Dolchstoß-Legende ein zweites Mal entstehen? Immerhin standen wie 1918 deutsche Truppen tief in Feindes-land; und sollten nicht bald die „Wunderwaffen" zum Einsatz kommen? Wie sollte man dem Volk glaubhaft machen können, daß Hitler bereits im Dezember 1941 den Kampf als kaum noch gewinnbar bezeichnet hatte und seit 1943 die führenden Militärs mit der Niederlage rechneten? Hätte die Nation dem doch vielfach geliebten Führer die Auffassung zugetraut, daß die Deutschen in ihrer Katastrophe keine Rücksichtnahme auf die primitivsten Dinge zum Weiterleben verdienten, es vielmehr besser sei, auch diese zu zerstören („Nero-Befehl")

Wirkt die Unfähigkeit zum Kurswechsel, die furchtbare Ausweglosigkeit nicht bis heute nach in dem eigentümlich gefühlstauben Verhältnis unserer Bevölkerung zu den Widerstandskämpfern des 20. Juli? Die in tiefster Vereinsamung handelten, umgeben vom Glauben an den Endsieg, umstellt von der Überzeu-gung, den Schicksalswagen so oder so ausrollen lassen zu müssen, dabei auf den geeigneten Punkt zum Absprung zu warten und das nackte Leben zu retten. Denn darauf verkürzte sich für die meisten alles Tun.

III. Zeitgeschichte als Lernfeld der Gegenwart

Über die Situation des Gejagtwerdens und der Ausweglosigkeit konnten die Zeugen der Zeit die Nachwachsenden nur unzureichend aufklären, bis der Film „Holocaust" die psychische Verriegelung aufbrach. Einzelschicksale öffneten den Zugang zu einer Epoche, die die Älteren nicht nur aus Schuldverweigerung verdrängten. Vielmehr stand oft der Wunsch dahinter, ihre Kinder auch vor dem nur gedanklich-operationalen Nachvollzug des Geschehenen zu bewahren. Jenen, die man liebt, deren Vertrauen man will, sollte die Ahnung erspart bleiben von der Korrumpierbarkeit des einzelnen, vom möglichen Maß menschlicher Entwürdigung, von der vielfachen Bestätigung des Wortes von Max Frisch, wonach die Schuld der anderen gebraucht werde zur Rechtfertigung der eigenen Unfähigkeit.

Schweigen sollte aber auch letztlich die nur begrenzte Leidensfähigkeit des Menschen verschleiern, es nicht anstößig erscheinen lassen, daß in die Furchtbarkeit des Erlebten immer stärker der Wunsch eindrang, das Davongekommensein zu genießen, das nasse Fell an der Sonne zu trocknen. Auf den leidenschaftlich-selbstlosen Einsatz für Volk, Vaterland und eine große deutsche Zukunft folgten Mißtrauen, Vorbehalte und Egoismus als Reflexe der Erfahrung, betrogen worden zu sein und sich selbst betrogen zu haben. Nur so wird in etwa verstehbar, warum die Älteren unter uns jeglicher Ideologie nur Asylstatus zubilligen und in wirtschaftlicher Stabilität die erste Legitimation der zweiten Republik sehen.

Freilich darf solche Sichtweise nicht im geringsten zur Aufforderung an die Jugend werden, nur die Reproduktion des Bestehenden zu betreiben, sich auf die Verurteilung Hitlers als formale Pflichtübung zu beschränken. Gerade zur verstehenden Aufarbeitung des zeitgeschichtlichen Erbes müssen die Älteren mit beitragen, müssen sie heraustreten aus ihrem Schweigen und Trotz, müssen sie sagen, was war. Die Gesprächshaltung der Jüngeren sollte ein Zitat bestimmen aus dem Holocaust-Kommentar der Journalistin Renate Harp-precht, die als Jüdin Auschwitz und Bergen-Belsen erleiden mußte:

„Aber vielleicht an die, die sich nicht belastet fühlen, die meinen, daß das ein Problem ihrer Eltern, ihrer Väter, ihrer Mütter, ihrer Großeltern sei, daß sie damit nichts zu tun hätten. Denen muß ich doch ein par kleine Wahrheiten sagen: Man kann sich ein Volk, seine Familie, seine Gesellschaft nicht aussuchen, man wird in sie hineingeboren. Ich bin auch nicht vor Beginn der Nazizeit gefragt worden, ob ich als Jüdin auf die Welt kommen wollte. Später habe ich mich sicher des öfteren gefragt, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich nicht als Jüdin auf die Welt gekommen wäre. Aber so war das halt, das hat man akzeptiert. Das mußten meine Eltern akzeptieren, das mußte mein Vater akzeptieren, der als Offizier im 1. Weltkrieg war, meine Mutter und wir Kinder, die wir in einem sehr deutsch geprägten Haus aufgewachsen sind. Meine Eltern mußten die Tatsache, daß sie Juden sind, mit dem Leben bezahlen: Sie wurden umgebracht, sie wurden vergast. Meine Schwester und ich sind wahrscheinlich seit dieser Zeit bewußtere Juden, als wir es vorher waren. Ich sage es heute jedem, der es hören will oder auch nicht, daß ich eine Jüdin bin, und zwar eine Jüdin deutscher Herkunft. Und ob ich es will oder nicht, ich gehöre damit zur jüdischen Geschichte. Ich finde, die jungen Leute, ob sie es wollen oder nicht, gehören zur deutschen Geschichte. Wenn sie sich aus dieser Geschichte und die-r ser Realität flüchten, dann schaffen sie damit ein Niemandsland von einer Bewußtseinslosigkeit, von einer Verantwortungslosigkeit. In diesem Niemandsland läuft man dann Gefahr, daß sich da Leute hereinsetzen, die Macht wollen und die skrupellos sind. Was dann passiert, , das weiß man. Ich glaube, die jungen Deutschen müssen es akzeptieren, Deutsche zu ) sein mit allen Lasten, die dazu gehören, und J dann brauchen sie ihr Haupt nicht mit Asche f bestreuen."

Helfen beim Einstehen für unsere Vergangen-heit, helfen beim Lernen aus der Geschichte s müssen aber mehr als bisher Radio, Presse und 1 Fernsehen. Für sie war allzuoft in der Vergan--genheit die NS-Diktatur eine Wühlkiste für 3 Sensationsmacherei oder für Routine-Ver--dammnis im Feature-Stil. Nicht die Frauen um Hitler, nicht Hitler und sein französischer Sohn, nicht Spionagefälle und Enthüllungen aus Feldmarschall-Diarien dürfen die höchste Aufmerksamkeit beanspruchen, sondern die Veralltäglichung des Ungeheuerlichen, das unser Verhältnis zueinander noch lange prägen wird.

Vor dem Anspruch unserer Vergangenheit gibt es kein Versteck. Wir dürfen nicht weiterhin, auch nicht partiell, die pathetische Kritik Andr Glucksmanns rechtfertigen: „Nach der Niederlage 1945 erlebte Deutschland die Trauer als unmöglich; ohne klare Gedanken-vorstellung. Muß darin nicht eine Wiederholung der ersten Apokalypse, der des 17. Jahrhunderts (d. i.der 30jährige Krieg), gesehen werden? Als sich der Deutsche nach 45 in den wirtschaftlichen Wiederaufbau stürzte und alles andere dabei vergaß, fand er da nicht in der Geschichte, die wieder bei Null anfängt, die Wiederholung der ewigen deutschen Geschichte?"

Gegenwart und Zukunft sind nicht voraussetzungslos. Wir ständen blind in ihnen ohne geschichtliches Wissen. Dieses Wissen gibt uns Aufschluß über Gefährdung und Selbstgefährdung unserer Demokratie und über den Streitwert, den sie für uns hat und haben sollte.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Näheres dazu: Hans Mommsen, Die Last der Vergangenheit, in: Jürgen Habermas (Hrsg.), Stichworte zur „geistigen Situation der Zeit", Bd. 1, Frankfurt/M. 1979, S. 164 (edition suhrkamp 1000).

  2. Zur zeitgeschichtlichen Lernhaltung gegenüber der NS-Diktatur vgl. bes. das Vorwort in: Klaus Hildebrand, Das Dritte Reich, München/Wien 1979 (Grundriß der Geschichte Bd. 17).

  3. Hierzu konzentriert, wenngleich partienweise bedenklich pointiert: Fritz Fischer, Bündnis der Eliten. Zur Kontinuität der Machtstrukturen in Deutschland 1871-1945, Düsseldorf 1979. Vgl. zum aktuellen Schrifttum: Volker R. Berghahn, Politik und Gesellschaft im wilhelminischen Deutschland, in: Neue Politische Literatur, 1979, H. 2.

  4. Fritz Fischer, a. a. O„ S. 43.

  5. Es kann hier nicht der Ort sein für eine angebrachte Detaildiskussion. Die Fischer-Kontroverse erscheint m. E. jedoch insofern partiell erneuerns-j wert, als manche, die deutsche England-Perzepti. on betreffenden Widersprüche zwischen Fischers In-} terpretationen in „Griff nach der Weltmacht", „Bündnis der Eliten", „Krieg der Illusionen" und in seinen •Aufsätzen in „Der erste Weltkrieg und das deutsche Geschichtsbild" auffällig sind. Zum Generalthema vgl. Arnold Sywottek, Die Fischer-Kontroverse. Ein i Beitrag zur Entwicklung des politisch-historischen i Bewußtseins in der Bundesrepublik, in: Imanuel!

  6. Vgl. besonders Fritz Fischer, Bündnis, S. 37, 46, 47, 50.

  7. Fritz Fischer, Der Erste Weltkrieg und das deutsche Geschichtsbild. Beiträge zur Bewältigung eines historischen Tabus. Aufsätze und Vorträge aus drei Jahrzehnten, Düsseldorf 1977, S. 312.

  8. A. a. O., S. 266.

  9. Vgl. Bernhard Fürst von Bülow, Denkwürdigkeien, Bd. 1, Berlin 1930, S. 327.

  10. Zum deutsch-englischen Seerüsten seit 1897/98 /gl. Volker Berghahn, Rüstung und Machtpolitik. Zur Anatomie des, Kalten Krieges" vor 1914, Düssellorf 1973, S. 70 ff.; Michael Salewski, Tirpitz. Aufstieg, Macht, Scheitern, Göttingen 1979, S. 78 ff. (Persönlichkeit und Geschichte Bd. 12/12a).

  11. Andreas Hillgruber, Deutsche Großmacht und Weltpolitik im 19. und 20. Jahrhundert, Düsseldorf 1977, S. 106.

  12. Hierzu immer noch grundlegend die Rezension Klaus Epsteins von Fritz Fischers „Griff nach der Weltmacht" in: Klaus Epstein, Vom Kaiserreich zum Dritten Reich. Geschichte und Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein Leitfaden, hrsg. von Eberhard Pikart u. a., Berlin 1973, S. 99-100 (Ullstein Buch 2949); Klaus Hildebrand, Bethmann Hollweg. Der Kanzler ohne Eigenschaften? Urteile der Geschichtsschreibung. Eine kritische Bibliographie, Düsseldorf 1970.

  13. Fritz Fischer, Der Erste Weltkrieg, S. 310.

  14. Bülow, Denkwürdigkeiten, S. 570.

  15. Vgl. zur Disposition Älterer zum Opfer der Jugend die einschlägigen Erläuterungen bei Arnold A. Hutschnecker, Psychopolitik. Eine Kritik des Willens zur Macht, Gütersloh 1975, S. 23.

  16. Andre Glucksmann, Die Meisterdenker, Reinbek b. Hamburg 1978, S. 65.

  17. Vgl. A. Hillgruber, a. a. O., S. 106, Anm. 65; besonders Bülow, Denkwürdigkeiten, S. 427— 428.

  18. Exemplarisch der Schlußteil in Otto Hintze, Die Hohenzollern und ihr Werk. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1915, Moers 1979/80.

  19. Vgl. bes. Fritz Fischer, Imperialismus in der Krise und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, in: Fritz Fischer, Der Erste Weltkrieg, bs. S. 25611.

  20. Vgl. hierzu Reiner Pommerin, Das Dritte Reich und Lateinamerika. Die deutsche Politik gegenüber Süd-und Mittelamerika 1939— 1942, Düsseldorl 1977, S. 20 ff.; Hans-Jürgen Schröder, Das Dritte Reich, die USA und Lateinamerika 1933— 1941; ders., Der Aulbau der deutschen Hegemonialstellung in Südosteuropa 1933— 1936, in: Manired Funke (Hrsg.), Hitler, Deutschland und die Mächte, 1978 (ADTG 7213); vgl. ebenfalls Jens Petersen, Hitler—Mussolini. Die Entstehung der Achse Berlin-Rom 1933— 1936, Tübingen 1973, S. 20711.; vgl. besonders Bernd J. Wendt, England und der deutsche „Drang nach Südosten“. Kapitalbeziehungen und Warenverkehr in Südosteuropa zwischen den Weltkriegen, in: Imanuel Geiss, Bernd J. Wendt (Hrsg.), Deutschland in der Weltpolitik des 19. und 20. Jahrhunderts, Düsseldorf 1974, bes. S. 498 ff.

  21. Vgl. Fritz Fischer, Der Erste Weltkrieg, S. 26411.

  22. Vgl. Hans Rosenberg, Große Depression und Bismarckzeit. Wirtschaftsablauf, Gesellschaft und Politik in Mitteleuropa, Berlin 1976 (Ullstein Buch 3239), S. 202 ff.; Hans Manfred Bock, Geschichte des „linken Radikalismus" in Deutschland. Ein Versuch, Frankfurt/M. 1976 (edition suhrkamp 645).

  23. Richard Löwenthal, Geschichtszerrissenheit und Geschichtsbewußtsein in Deutschland, in: Gesellschaftswandel und Kulturkrise. Zukunftsprobleme der westlichen Demokratie, Frankfurt M. 1979, S. 250 (Fischer Taschenbuch 3424).

  24. Arthur Rosenberg, Das Geheimnis der deutschen Kriegserklärungen, in: ders., Demokratie und Klassenkampf. Ausgewählte Studien, hrsg. v. Hans-Ulrich Wehler, Frankfurt M. 1974 (Ullstein Buch 3041); vgl. bes. Bülow, Denkwürdigkeiten, S. 427 bis 428.

  25. Fritz Fischer, Bündnis, S. 57 ff.; siehe auch Sebastian Haffner, Der letzte Friedensvertrag?, in: „Der Vertrag von Versailles“, mit Beiträgen von Sebastian Haffner u. a., München 1978, S. 425.

  26. Vgl. hierzu Wolfgang J. Mommsen, 1933: Die Flucht in den Führerstaat, in: Carola Stern, Heinrich A. Winkler (Hrsg.), Wendepunkte deutscher Geschichte 1848— 1945, Frankfurt M. 1979 (Fischer Taschenbuch 3421).

  27. Waldemar Besson, Friedrich Ebert. Verdienst . und Grenze, Göttingen 1963, S. 62, 72.

  28. Hans-Jochen Vogel, Demokratie ohne Demokra-• ten. Zum 60. Geburtstag der Weimarer Verfassung, , in: „recht", Informationen des Bundesministers der 1 Justiz, Nr. 8, 23. 8. 1979.

  29. Helmut Hirsch, Experiment in Demokratie. Zur 1 Geschichte der Weimarer Republik, Wuppertal 1 1972, S. 141 ff.; weiterhin unüberholt die Standard-werke: Karl Dietrich Bracher, Die Auflösung der : Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des ; Machtverfalls in der Demokratie, Düsseldorf 1978 c (ADTG 7216); Erich Matthias, Rudolf Morsey (Hrsg.), w Das Ende der Parteien 1933. Darstellungen und Do--kumente, Düsseldorf 1979 (ADTG 7220); jetzt Jens f Flemming u. a. (Hrsg.), Die Republik von Weimar, 2 S Bde, Düsseldorf 1979 (ADTG 7224/5).

  30. Zum Komplex s. Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/1918, Düsseldorf 1979 (ADTG 7203), S. 390 ff., S. 553ff.; ders., Der Erste Weltkrieg, etwa S. 283, 292, 304; vgl. besonders das Kap. „Hitlers Programm und das Kontinuitätsproblem", in: Wilhelm Deist u. a. (Hrsg.), Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik, „Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg", Bd. 1, hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt Freiburg i. Br., Stuttgart 1979; Volker Hentschel, Weimars letzte Monate. Hitler und der Untergang der Republik, Düsseldorf 1979; Hans Mommsen, Zur Verschränkung traditioneller und faschistischer Führungsgruppen in Deutschland beim Übergang von der Bewegungs-zur Systemphase, in: Wolfgang Schieder (Hrsg.), Faschismus als soziale Bewegung, Hamburg 1976 (Historische Perspektiven 3).

  31. Zum Vorstehenden: Klaus Hildebrand, Deutsche Außenpolitik 1933— 1945, Stuttgart 19763, besonders darin das Nachwort; Martin Broszat, Hitler und die Genesis der „Endlösung". Aus Anlaß der Thesen von David Irving, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 25. Jg., H. 4, 1977; Andreas Hillgruber, Tendenzen, Ergebnisse und Perspektiven der gegenwärtigen Hitler-Forschung, in: Historische Zeitschrift, Bd. 226, 1978, S. 600ff.; Georg L. Mosse, Der nationalsozialistische Alltag. So lebte man unter Hitler, Königstein Ts. 1978, S. 23— 45. Zur Revolutionierung der politischen Kultur nach innen und außen vgl. z. B. Karl-Ingo Flessau, Schule der Diktatur. Lehrpläne und Schulbücher des Nationalsozialismus, Frankfurt M. 1979 (Fischer Taschenbuch 3422); Hans-Adolf Jacobsen (Hrsg.), Mißtrauische Nachbarn. Deutsche Ostpolitik 1919/1970. Dokumentation und Analyse, Düsseldorf 1970, S. 69 ff.

  32. Hitler auf dem Nürnberger Parteitag 1936, zitiert nach Rudolph Binion, „... daß ihr mich gefunden habt". Hitler und die Deutschen: Eine Psychohistorie, Stuttgart 1978, S. 15; zitiert nach J. P. Stern, Hitler und die Deutschen, in: Hitler heute. Gespräche über ein deutsches Trauma, hrsg. von Guido Knipp, Aschaffenburg 1979, S. 148.

  33. Zur Führer-Bindung der Massen bietet die aktuellste Analyse Lothar Kettenacker, Sozialpsychologische Aspekte der Führerherrschaft, Papier zur Tagung des Deutschen Historischen Instituts London in Cumberland Lodge, Mai 1979 (bisher unveröffentlicht).

  34. Vgl. exempl. Hans Werner Richter, Briefe an einen jungen Sozialisten, Hamburg 1974. Richter schildert darin die Erosion der politischen Kampf-moral auf der Linken durch Hitlers Erfolgswucht.

  35. Albert Speer, Technik und Macht, München 1979; Hans-Joachim Winkler, Legenden um Hitler, Berlin 1961; Sebastian Haffner, Anmerkungen zu Hitler, München 1978, S. 62 ff.

  36. Patrik von zur Mühlen, Rassenideologien. Geschichte und Hintergründe, Berlin 1977; Alphons Silbermann, Erkenntnisse der Soziologie zur Rassenfrage, in: ders., Kein Brett vor dem Kopf — Ketzereien eines Soziologen, Düsseldorf 1979, bes. S. 253 ff.; Lon Poliakov, u. a., über den Rassismus. Sechzehn Kapitel zur Anatomie, Geschichte und Deutung des Rassenwahns, Stuttgart 1979; Gideon Hausner, Die Vernichtung der Juden. Das größte Verbrechen der Geschichte, München 1979.

  37. Albert Speer im ZEIT-Maga'zin vom 3. 11. 1978, S. 70; jetzt eindringlich Eike Hennig, Vierzig Jahre „Reichskristallnacht" — Vierzig Jahre Euphemismus und Verdrängung, in: Anneliese Mannzmann (Hrsg.), Hitlerwelle und historische Fakten, König-stein Ts. 1979; Manfred Funke, Programm ohne Planung. Thesen zur destruktiven Qualität der totalitären Diktatur Hitlers, in: ders. (Hrsg.), Totalitarismus — Ein Studien-Reader zur Herrschaftsanalyse moderner Diktaturen, Düsseldorf 1978, S. 185.

  38. Leonidas E. Hill (Hrsg.), Die Weizsäcker-Papiere 1933— 1950, Berlin 1974, S. 162.

  39. S. dazu Klaus Hildebrand, Deutsche Außenpolitik, S. 93, S. 115 ff.

  40. Exemplarisch das Nachwort in Johannes Steinhoff, Die Straße von Messina, Bergisch Gladbach 1978 (Bastei/Lübbe Taschenbuch 63028); Michael 2 Salewski, Reichsmarine und Weltmachtstreben, in:

  41. Sebastian Haffner, Anmerkungen, S. 176.

  42. Mit solch einem Urteil brüstet sich Joseph Goebbels, Tagebücher 1945. Die letzten Aufzeichnungen, Hamburg 1977, S. 529.

  43. So Hitler gegenüber dem protestierenden Speer, zitiert in Sebastian Haffner, Anmerkungen, S. 197.

  44. Peter Märthesheimer — Ivo Frenzel (Hrsg.), Im i Kreuzfeuer: Der Fernsehfilm „Holocaust". Eine Na--tion ist betroffen, Frankfurt M. 1979, S. 272 (Fischer 1 Taschenbuch 4213).

  45. Andre Glucksmann, Die Meisterdenker, S. 65.

Weitere Inhalte

Manfred Funke, Dr. phil., Akademischer Oberrat und Lehrbeauftragter am Seminar für politische Wissenschaft der Universität Bonn; Redaktionsleiter der Bonner Schriften zur Politik und Zeitgeschichte; Mitherausgeber von „Demokratische Verantwortung". Verfasser bzw. Herausgeber folgender Veröffentlichungen u. a.: Sanktionen und Kanonen. Hitler, Mussolini und der internationale Abessinienkonflikt, Düsseldorf 19712, ital. Ausgabe Milano 1972; Friedensforschung — Entscheidungshilfe gegen Gewalt, Bonn, München 19782; Hitler, Deutschland und die Mächte — Materialien zur Außenpolitik des Dritten Reiches, Athenäum Droste Taschenbuch 7213; Terrorismus — Untersuchungen zur Strategie und Struktur revolutionärer Gewaltpolitik, Bonn 1977 und Athenäum Droste Taschenbücher 7205; Extremismus im demokratischen Rechtsstaat, Bonn, Düsseldorf 1978; Totalitarismus — Ein Studien-Reader zur Herrschaftsanalyse moderner Diktaturen, Düsseldorf 1978.