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Theoretische und wirtschaftspolitische Konsequenzen aus der Kritik an der Wachstumsgesellschaft | APuZ 25/1981 | bpb.de

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APuZ 25/1981 Artikel 1 Ein „Recht auf Arbeit" oder Vollbeschäftigung? Zum Grundsatzprogramm '81 des Deutschen Gewerkschaftsbundes Theoretische und wirtschaftspolitische Konsequenzen aus der Kritik an der Wachstumsgesellschaft

Theoretische und wirtschaftspolitische Konsequenzen aus der Kritik an der Wachstumsgesellschaft

Christian Leipert

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Zusammenfassung

Die Beobachtung der jüngeren Wirtschaftsgeschichte in den westlichen Industrieländern zeigt, daß die Volkswirtschaften dieser Länder dann wirtschaftlich, sozial und politisch stabil sind, wenn hohes wirtschaftliches Wachstum, d. h. eine merkliche Steigerungsrate der gesamtwirtschaftlichen Produktion von Gütern und Dienstleistungen, erreicht wird. In diesem Sinne können sie als Wachstumsgesellschaften (WG) charakterisiert werden: Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum scheint eine (wenn nicht die) zentrale Voraussetzung für eine störungsfreie Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft in jenen Ländern zu sein. Die Faszination der WG rührt von ihrer Verheißung, daß sich durch eine permanente Erweiterung der Wahlmöglichkeiten, die durch den ökonomischen Wachstumsprozeß geschaffen werden, die Bedingungen für individuelles Wohlbefinden, für ein immer reicheres Leben, für Zufriedenheit, Ausgefülltheit und Glück ständig verbessern. Dieses Leitbild der WG wird seit Anfang der siebziger Jahre mehr und mehr in Frage gestellt. Hauptträger dieser radikalen Kritik an Grundprämissen des Selbstverständnisses der WG ist die weitgefächerte Ökologiebewegung. Im Text werden die zentralen Dimensionen jener Kritik an der WG diskutiert: 1. umweit-, energie-und rohstoffbezogene Grenzen des Wirtschaftswachstums, 2. Notwendigkeit einer kontrollierten Absenkung des materiellen Produktionswachstums in den Industrieländern zugunsten einer Beschleunigung in der Dritten Welt im Bewußtsein der dem . Raumschiff Erde'nur begrenzt zur Verfügung stehenden Rohstoff-und Energievorräte, 3. Verabsolutierung des Prinzips der ökonomischen Rationalität, 4. soziale und ökologische Grenzen der Konsumgesellschaft, 5. keine Lösung, nur Aufschub des Verteilungskonfliktes durch fortgesetztes Wirtschaftswachstum, 6. Ökonomisierung der Gesamtgesellschaft, 7. Wechselbeziehungen zwischen Wirtschaftswachstum, Technologie, Arbeitsteilung und Arbeitszufriedenheit, 8. zunehmende Abhängigkeit des einzelnen von Markt-und Staatsinstitutionen, 9. abnehmende Beschäftigungseffekte des Wirtschaftswachstums und 10. Wertwandel von materialistischen zu postmaterialistischen Zielen. Die Hauptkonsequenz der Kritik an der WG für die ökonomische Theorie müßte eine Öffnung der Theorie auf alle diejenigen Dimensionen individueller Wohlfahrt und der menschlichen Situation in der Natur hin sein, auf die ökonomische Prozesse — ob gezielt oder nicht — einwirken. Anzuknüpfen wäre an eine Tradition innerhalb der Volkswirtschaftslehre, die ökonomische Probleme als eingebunden in den gesellschaftlichen, politischen, sozio-kulturellen, historischen und natürlichen Kontext untersucht. Aus der Diskussion um praktikable wirtschaftspolitische Auswege aus den Zwängen, den Sackgassen und inneren Widersprüchlichkeiten der WG wird das Ziel der Flexibilisierung des Arbeitslebens herausgegriffen. Die damit verbundenen Chancen hinsichtlich einer Stärkung der Eigeninitiative, der Rückverlagerung von staatlichen Sozialdiensten in den privat-autonomen Bereich und einer Verringerung der Abhängigkeit von Markt und Staat werden aufgezeigt. Bemerkungen zur Problematik der staatlichen Vollbeschäftigungspolitik, zur Rolle der Technologie und zur Funktion von Markt und Plan aus wachstumskritischer Perspektive beschließen die wirtschaftspolitischen Überlegungen für die langfristig erstrebte Transformation einer im ökonomischen Selbstlauf befangenen Wachstumsgesellschaft zu einer ökologisch angepaßten, sozial gerechten und partizipativen Gesellschaft.

Das Thema scheint auf den ersten Blick in der augenblicklichen wirtschaftlichen Situation eher wenig angebracht zu sein, ist doch — schenkt man den Prognosen des Sachverständigenrates, der Bundesregierung und der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute Glauben — für 1981 ein Rückgang des Bruttosozialprodukts (BSP) zu gewärtigen. Die Aktualität des Themas ergibt sich jedoch aus eher grundsätzlichen Erwägungen, die von der politisch ungewollten Schrumpfung der im Sozialprodukt erfaßten Produktion nicht berührt werden. Zum einen liegt hinter unserer Wirtschaft und allgemein hinter den Ökonomien der Industrieländer ein Wachstumsprozeß, der seit nun nahezu 200 Jahren anhält. Die seit einigen Jahren vermehrt auftretenden Wachstumsstockungen sind für die Kritiker der Wachstumsgesellschaft (WG) unübersehbare Symptome einer strukturellen Krise der WG selbst. Zum anderen scheint es so, daß eine Stagnation oder gar ein Rückgang des BSP in kapitalistischen Marktwirtschaften krisenhafte Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung markieren. Offensichtlich sind die ökonomischen und politischen Strukturen der westlichen Volkswirtschaften auf permanentes Wirtschaftswachstum programmiert. Die innere und äußere Stabilität der Gesellschaft scheint lediglich unter den Bedingungen einer stetig wachsenden Wirtschaft gewährleistet zu sein.

Rückläufiges Wirtschaftswachstum, Stagnation und Schrumpfung des BSP bedeuten unter den heutigen ökonomischen Verhältnissen einen (u. U. massiven) Anstieg der Arbeitslosigkeit Dieser markiert angesichts der überragenden Bedeutung, die das Vollbeschäftigungsziel in den Industrieländern nach der traumatischen Erfahrung der Weltwirtschafts-krise der dreißiger Jahre in der Nachkriegszeit gewonnen hat, den Beginn einer politischen Krise. Angemessenes und stetiges Wirtschaftswachstum (so die Formulierung des Wachstumsziels im 1967 verabschiedeten Stabilitäts-und Wachstumsgesetz, mit dem die Ägide des Wirtschaftsministers Schiller begann) gilt im politischen Raum darüber hinaus als unerläßliche Voraussetzung (u. a.)

— zur Entschärfung des gesellschaftlichen Konfliktes um die Einkommens-und Vermögensverteilung, — zur Sicherung und zum Ausbau des Wohlfahrtsstaates, — für die politisch erwünschte Expansion der Entwicklungshilfe, — für eine Steigerung des Lebensstandards in der Dritten Welt über eine Beschleunigung des Wachstums ihrer Exporte in die Industrieländer, — für eine raschere Verbesserung der Umweltqualität, da nur bei angemessenem Wachstum genügend Mittel für umweltpolitische Zwecke abgezweigt werden können.

In der marxistischen und in der westlichen (bürgerlichen) ökonomischen Theorie herrscht ein Junktim zwischen ökonomischem Gleichgewicht, Stabilität und Wirtschaftswachstum in einer dynamischen, sich in der Zeit entwikkelnden Wirtschaft. Der marxistischen Theorie zufolge ist im kapitalistischen System ein Akkumulations-und Wachstumszwang wirksam, dem sich kein einzelnes Unternehmen — bei Strafe seines Untergangs — entziehen könne. Nur in einer Situation des Wirtschaftswachstums könne der Kapitalismus ein hinreichendes Maß an ökonomischer und politischer Stabilität erreichen. Auch wenn sich die nicht-marxistischen Wachstumstheorien in einzelnen Punkten (z. T. gravierend) unter-scheiden, so stimmen sie doch darin überein, daß nur bei Vorhandensein einer gewissen Wachstumsrate des BSP Stabilität und Gleichgewicht in einer dezentral organisierten Er-werbs-(Markt-) wirtschaft erreichbar sei. Der postkeynesianischen Theorie zufolge müssen die Nettoinvestitionen, die zusätzliche Produktionskapazitäten schaffen, in jeder Periode um eine bestimmte Rate wachsen, wenn wirtschaftliches Gleichgewicht herrschen, d. h. wenn die Wirtschaft sich auf einem krisen-freien Entwicklungspfad befinden soll. In der neoklassischen Wachstumstheorie dagegen setzt eine gleichgewichtige und störungsfreie Wirtschaftsentwicklung ein stetiges Wachstum des BSP entsprechend der Zuwachsrate des technischen Fortschritts (und der Erwerbsbevölkerung) voraus

Die Frage, die sich im Blick auf die Wachstumskritik, die im folgenden entfaltet werden soll, hier schon unmittelbar aufdrängt (aber nicht beantwortet werden soll), ist: Wie kann ökonomische und politische Stabilität in einer dezentral organisierten Wirtschaft gewahrt werden, wenn nur noch ein ökologisch angepaßtes, bewußt angesteuertes geringeres oder gar kein weiteres Wirtschaftswachstum wünschenswert bzw. möglich erscheint? Fertige Antworten auf diese Frage gibt es (noch) nicht. Sie müssen (u. a.) die vorhandenen ökonomischen und politischen Institutionen, die vorherrschenden Anreize ökonomischer Tätigkeit (die gesellschaftlich anerkannten und belohnten ökonomischen Verhaltensweisen) sowie die Definition dessen, was unter Wohlfahrt, Lebensqualität und voller Befriedigung menschlicher Bedürfnisse verstanden werden soll, im Auge haben.

Die Diskussion über und die Kritik an der Wachstumsgesellschaft (WG) ist in den vergangenen ca. 15 Jahren überwiegend außerhalb der Zunft der Ökonomen geführt worden. In ihr sind Aspekte angeschnitten worden, die gewöhnlich in der Ökonomie nicht diskutiert, sondern anderen Fächern überantwortet werden, wie der Philosophie, der Soziologie, der Psychologie, der Kulturanthropologie, der Geschichte und den Naturwissenschaften. In der ökonomischen Profession selbst hat jene Debatte um die WG ihren Niederschlag hauptsächlich in einer Wiederbelebung der Diskussion um die Eignung des Sozialprodukts als Wohlfahrtsmaß gefunden, die Ende der dreißi-ger und in den vierziger Jahren schon einmal geführt worden war Ein angemessenes und stetiges Wachstum des Bruttosozialprodukts (BSP), wie es im Stabilitätsund Wachstumsgesetz von 1967 heißt, war in den fünfziger und vor allem in den sechziger Jahren zu einer zentralen Zielgröße der Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik geworden. Die Erreichung einer hohen Zuwachsrate der gesamtwirtschaftlichen Produktion wurde nahezu unwidersprochen als Erfolgsnachweis und wichtig, ster Wohlfahrtsindikator der jeweiligen Volkswirtschaft empfunden und anerkannt. Dieser gesellschaftlichen Konvention steht seit einiger Zeit die Behauptung gegenüber, daß das Wachstum des realen BSP mit der Entwicklung der individuellen und gesellschaftlichen Wohlfahrt schon lange nicht mehr parallel gehe, sie im Gegenteil auf immer mehr Gebieten blockiere. Die eindimensionale Größe des Sozialprodukts sei als Indikator der Lebensqualität ungeeignet und müsse durch sog. soziale Indikatoren ergänzt bzw. ersetzt werden. Ich gehe auf einen Aspekt dieser Diskussion ein.

Im Zentrum der folgenden Ausführungen stehen die verschiedenen Dimensionen der Kritik an der WG. In einem weiteren Teil mache ich einige Bemerkungen zu m. E. notwendigen Konsequenzen der Kritik an der Wachstums-gesellschaft für die ökonomische Theorie. Mein Hauptargument ist ein Votum für die Öffnung ökonomischer Theorie hinsichtlich des ganzheitlichen Charakters von individueller Wohlfahrt oder Lebensqualität. Diese Öffnung auf die sozialen, politischen, psychologischen und sozio-kulturellen Determinanten des Wohlfahrtsproblems hin scheint mir von der institutionalistischen Ökonomie am erfolgversprechendsten eingelöst werden zu können. Im letzten Teil werden einige Überlegungen zu wirtschaftspolitischen Konsequenzen aus der Kritik der WG angestellt.

I. Dimensionen der Kritik an der Wachstumsgesellschaft

Schaubild 1: Aus der Wachstumskritik folgender Verlauf der sozialen Grenzkosten und der sozialen Grenzerträge des Wirtschaftswachstums

Ich interpretiere das Leitbild, das Selbstkonzept der WG wie folgt: Durch eine permanente Erweiterung der Wahlmöglichkeiten, die durch den ökonomischen Wachstumsprozeß geschaffen werden, verbessern sich ständig die Bedingungen für individuelles Wohlbefinden, Zufriedenheit, Ausgefülltheit und Glück. Die Wahlmöglichkeiten sind in einer Wohlfahrtsdimension — der Verfügung über markt-vermittelte Güter und Dienstleistungen — in einer früher unvorstellbaren Weise geradezu explosionsartig ausgedehnt worden.

Die Kehrseite der gleichzeitig erfolgenden Einschränkung der individuellen Wahlmöglichkeiten in anderen Wohlfahrtsdimensionen blieb lange Zeit jedoch unbeachtet oder wurde nur gesellschaftlichen Minderheiten zum Problem — was nicht überrascht, wenn man bedenkt, daß über eine lange Phase der WG eine wachsende Produktion direkt funktional für die Befriedigung des ersten Bedürfnisses der Bevölkerung — der materiellen Reproduktion — war.

Die Kritik an spezifischen negativen Begleiterscheinungen einer rasch wachsenden Wirtschaft begann historisch gesehen mit der Her-ausstellung der energie-, rohstoff-und umweltbezogenen Grenzen des Wirtschaftswachstums

Im Prozeß der Herausbildung und Perpetuierung der WG hat sich der Mensch der natur-haften Basis seiner Existenz zunehmend entfremdet. Damit ist auch das Bewußtsein dafür geschwunden, daß das ökonomische Subsystem Teil des umfassenderen natürlichen Systems ist und in seiner Überlebensfähigkeit letztlich von der Beachtung der in der Biosphäre wirksamen Gesetzmäßigkeiten der Natur abhängig ist. Seitdem betrachtet er die Natur als unerschöpfliches Reservoir, aus dem er zur Akkumulation des materiellen Reichtums unbegrenzt schöpfen kann. Erst ernsthafte Umweltkatastrophen und unübersehbare schleichende Umweltschäden haben ihn wieder daran erinnert, daß er weiterhin Teil der Biosphäre ist, die auf eine Überlastung ihrer Kapazitäten mit u. U. unumkehrbaren Ökosystem-und gesundheitsgefährdenden Zusammenbrüchen reagiert.

Eine langfristige Verträglichkeit des ökonomischen Systems mit der Naturbasis erfordert aus der Sicht der ökologischen Kritiker der WG eine Abkehr vom linearen Denken ständigen ökonomischen Produktionsfortschritts zu ökologischen Prinzipien ökonomischer Tätigkeit 1. Umwelt-, energie-und rohstoffbezogene Grenzen des Wirtschaftswachstums Die WG basiert auf einem ständig wachsenden Verbrauch von mineralischen und energetischen Rohstoffen.

Die Geburt der WG vollzog sich in einer gesellschaftlichen Umwelt, für die die natürliche Umwelt sowie mineralische und energetische Rohstoffe freie Güter — sieht man von den Gewinnungskosten der noch leicht erreichbaren Ressourcen ab — waren. Heute wissen wir, daß die WG als verallgemeinertes Entwicklungskonzept — für den gesamten Globus und für zukünftige Generationen — alleine von den natürlichen Voraussetzungen nicht tragfähig ist. 2. Implikationen der Armut in der Dritten Welt für die Industrieländer in einer endlichen Welt

Die Unverträglichkeit der WG als verallgemeinertes Entwicklungsmodell mit den natürlichen Voraussetzungen menschlicher Existenz hat für die Kritiker der WG schwerwiegende Konsequenzen hinsichtlich des Nord-Süd-Problems. Sie lehnen die in Wissenschaft und Politik überwiegend vertretene Position ab, wonach gerade die weit verbreitete und sogar noch zunehmende absolute Armut in der Dritten Welt eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums in den Industrieländern erforderlich mache. Eher das Gegenteil sei richtig: Durch den weiter steigenden Rohstoff-, Energie-und Umweltverbrauch in den Industrieländern würden sich die natürlichen Entwicklungsvoraussetzungen in der Dritten Welt in mengen-und kostenmäßiger Hinsicht weiter verschlechtern. ökologisch müsse der Gesamtprozeß der Naturaneignung durch den Menschen als ein gerichteter, in historischer Zeit ablaufender, un-umkehrbarer Vorgang betrachtet werden, der naturgesetzlich zu ständig wachsender Entropie auf der Erde führe Mit anderen Worten: Die Netto-Ausbeutungsrate sinkt unabhängig von weiteren technischen Fortschritten langfristig aus naturgesetzlichen Gründen. Mit wachsendem Verbrauch ist ein immer größerer Energieeinsatz erforderlich, um eine bestimmte gleichbleibende Energie-oder Rohstoffmenge auszubeuten und für Produktionsoder Konsumzwecke zur Verfügung zu stellen. Wirtschaftsgeschichtlich bedeutet dies u. a., daß von den Industrieländern zunächst die leicht und damit billig abbaubaren Energie-und Rohstoffvorräte gerade auch der südlichen Hemisphäre für ihre Produktionsbedürfnisse ausgebeutet worden sind und daß die Kosten der Rohstoff-und Energieausbeute für die meisten Länder der Dritten Welt heute ungleich höher sind als für die Industrieländer am Beginn ihrer Entwicklung.

Die Konsequenz aus der weltweit immer schwieriger und aufwendiger werdenden Rohstoff-und Energieausbeute sollte daher in den Augen der ökologischen Kritiker eine bewußte und gesteuerte Bremsung des Wirtschaftswachstums in den reichen Industrieländern sein. Diese verlangt die Einübung neuer Konsum-und Produktionsmuster, die umweit-, energie-und rohstoffsparender sind 7). Ein rasches Wachstum der materiellen Produktion mit den entsprechenden armutsreduzierenden Verteilungseffekten ist ihrer Auffassung nach nur in den Regionen der Dritten Welt gerechtfertigt, in denen nach den Berechnungen der Weltbank über 800 Millionen Menschen unterhalb der absoluten Armutsschwelle leben müssen. 3. Verabsolutierung des Prinzips der ökonomischen Rationalität Die WG ist eine Wirtschaftsgesellschaft, die vom Streben nach ökonomischer Rationalität geprägt wird. Unter den institutionellen Bedingungen einer kapitalistischen Marktwirtschaft bedeutet dies eine Kanalisierung des Verhaltens der ökonomischen Akteure an den Zielen einer höchstmöglichen einzelwirtschaftlichen Produktivität und einer Profitrate, die die Erwartungen der über das Erwerbs-kapital Verfügenden befriedigt.

Die Verabsolutierung der ökonomischen Rationalität im Modell der Marktwirtschaft wie in der historischen Praxis der kapitalistischen Wirtschaftsgesellschaft wurde wohlfahrtstheoretisch legitimiert durch eine ökonomische — viele würden sagen: ökonomistische — Fassung des Wohlfahrtsbegriffs, wobei maximaler Output mit maximaler Wohlfahrt gleichgesetzt wurde. Pigou hatte zwar schon gesehen, daß der ökonomische Wohlstand, zu dem die ökonomische Theorie etwas sagen könne, lediglich ein Teil der totalen Wohlfahrt sei Prinzipiell gestand er auch zu, daß eine Steigerung des ökonomischen Wohlstandes zu einer Mindererfüllung anderer Dimensionen der totalen Wohlfahrt führen könne. Er entledigte sich jedoch der Aufgabe der Untersuchung jener Interaktionen zwischen den ökonomischen und anderen Dimensionen der Gesamtwohlfahrt mit der Arbeitshypothese, daß er bis zum konkreten Nachweis des Gegenteils von einer positiven Kopplung von ökonomischer und totaler Wohlfahrt ausgehe — eine Annahme übrigens, die unter den damaligen Bedingungen noch weithin unerfüll-ter materieller Primärbedürfnisse und geringerer Einwirkungsintensität ökonomischer Prozesse in außerökonomische Bereiche durchaus plausibel war. Diese Plausibilität ist freilich in dem Maße in Frage gestellt, in dem diejenigen Bedürfnisse, die von einem expandierenden Output erfüllt werden können, zunehmend befriedigt sind und jene anderen Bedürfnisse und Erfordernisse i. S. von Pigou virulent und verhaltensbestimmend werden.

Jene Schwerpunktverlagerung der Bedürfnis-artikulation beobachten wir heute nicht zufällig am stärksten in der Jugend und in Teilen des relativ gut verdienenden Mittelstandes. Sie richten ihr Hauptaugenmerk immer weniger auf jene ökonomischen Werte, die die Wirtschaftsund Wachstumsgesellschaft zweifelsfrei am effizientesten produzieren kann. Auch das Angebot der Wirtschaftsgesellschaft, jene immateriellen Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, nach gesellschaftlicher Anerkennung und sozialem Status, nach Selbstachtung und Selbstverwirklichung über den Erwerb von ökonomischen Positionen und ökonomischen Gütern zu befriedigen, wird für viele immer fragwürdiger. 4. Soziale und ökologische Grenzen der Konsumgesellschaft Eine Reihe empirischer Untersuchungen über die Einflußfaktoren der subjektiven Zufriedenheit bzw.der individuellen Lebensqualität zeigen die geringe Bedeutung der absoluten Zuwachsraten von Einkommen, Konsum und Lebensstandard und die überragende Bedeutung der subjektiv wahrgenommenen relativen Stellung innerhalb der gesellschaftlichen Einkommens-und Lebensstandardpyra-mide. Eine relative — und nur eine relative — Verbesserung der individuellen Position innerhalb der gesamtgesellschaftlichen Einkommensschichtung ist mit einem meßbaren Zuwachs der Zufriedenheit und der subjektiven Lebensqualität verbunden. Eine relative Verbesserung der eigenen Einkommensposition kann jedoch in einer hierarchisch strukturierten Gesellschaft, in der die oberen Ränge zahlenmäßig geringer besetzt sind, nur wenigen gelingen.

Ein allgemeiner Versuch zur Verbesserung der relativen Position zur gesteigerten Befriedigung jener sozialen Bedürfnisse nach Anerkennung, Status, Geltung und Selbstachtung muß notwendigerweise scheitern. Eine Gesellschaft, die diese Möglichkeit aber als für alle erreichbar suggeriert, erzeugt zwangsläufig einen strukturell hohen Frustrationspegel, der die Einkommens-und Konsumspirale weiter antreibt. Diese wird im Prinzip unbegrenzt weiter nach oben getrieben, weil Einkommen und Konsum in der Wirtschaftsgesellschaft eben nicht nurdie Funktion der Ermöglichung der materiellen Reproduktion und der Schaffung der materiellen Voraussetzungen für ein angenehmes Leben haben, sondern die relative Position in der gesellschaftlichen Einkommens-und Konsumschichtung zugleich ein Indiz für die Befriedigung jener elementaren sozialen Bedürfnisse ist, die prinzipiell auch auf andere, direktere, weniger ressourcenintensive und weniger umweltzerstörerische Weise befriedigt werden können.

Solange jedoch die Ideologie der Konsumgesellschaft, derzufolge mittels fortgesetzter Einkommens-und Konsumexpansion für alle Glück, Zufriedenheit und Erfolg erreichbar sind, verhaltensbestimmend bleibt, ist davon auszugehen, daß die Konsumexpansion von keinen irgendwie bestimmten Sättigungsgrenzen gebremst wird. Es existieren zwar faktische Sättigungsgrenzen (z. B. physiologische und zeitknappheitsbedingte). Diese sind jedoch in einem gesellschaftlichen Umfeld irrelevant, in dem mittels des Erwerbs von Gütern, Leistungen und ökonomischen Positionen soziale Bedürfnisse befriedigt werden. Dann wird nicht primär nach dem technischen oder sachlichen Konsumnutzen, dem Gebrauchs-wert dieser Güter und Leistungen gefragt, sondern nach dem gesellschaftlich vermittelten Potential dieser Güter und Positionen zur Befriedigung der zum Erwerb treibenden immateriellen Bedürfnisse. Die Konsumgesellschaft gerät damit im Verlauf des Expansionsprozesses in eine doppelte Krise, und zwar einerseits in eine Legitimationskrise, andererseits in eine Existenzkrise.

Fred Hirsch hat zur Legitimationskrise der WG mit seinem Buch „Soziale Grenzen des Wachstums" einen bedeutenden Beitrag vorgelegt. Dort zeigt er, daß die WG eine hocheffiziente Institution zur Befriedigung derjenigen menschlichen Bedürfnisse ist, die sich mit beliebig vermehrbaren Gütern und Dienstleistungen (ohne daß diese an sozialem Wert verlieren) erfüllen lassen. Sie ist dagegen wenig effizient bei der Befriedigung jener eben näher beschriebenen sozialen Bedürfnisse und anderer, höherrangiger Bedürfnisse (wie z. B. nach Selbstverwirklichung) i. S. von Maslow

Die Befriedigung dieser Bedürfnisse ist häufig an den Erwerb von Gütern, Leistungen und sozialen Positionen gebunden, die absolut oder gesellschaftlich knapp sind. Wenn jeder ein Auto besitzt, droht ihm am Ende, im Verkehrs-stau stecken zu bleiben. Wenn jeder Zugang zum See erhält, ist der See für niemanden mehr ein Refugium. Wenn jeder in einer ruhigen Wohnung bzw. in einem ruhigen Haus — stadtnah, verkehrsgünstig, aber dennoch im Grünen gelegen — wohnen möchte, kann dies bald niemand mehr. Gleiches gilt für das Bedürfnis nach einer Zweitwohnung oder einem Bauernhaus auf dem Land mit herrlichem Ausblick in einer weithin unverbauten Landschaft. Wenn jeder in landschaftlich unberührten Gegenden Urlaub machen möchte, existieren diese bald überhaupt nicht mehr. Wenn jeder in eine Führungsposition in seinem Beruf aufsteigen möchte, wird der Konkurrenzkampf schärfer. Wenn die Bildungschancen für alle steigen, sinken die Chancen für den einzelnen, auf Grund seiner Ausbildung Zugang zu den begehrten Berufspositionen zu erhalten. Wie soll die Wachstumsgesellschaft jene absolut oder gesellschaftlich knappen Güter verteilen, ohne in ihrer Verheißung unglaubwürdig zu werden, daß durch fortgesetzte Expansion von Einkommen und Konsum im Prinzip jeder Zugang zu den begehrten Gütern und Positionen, wenn man nur Geduld hat, erhalten kann?

Die existentielle Krise ist ein Ergebnis des mit den Naturgrundlagen nicht rückgekoppelten Selbstlaufs der Konsumgesellschaft. Sie ist so sehr fixiert auf die ihr immanenten Ziele und auf die — wie eben ausgeführt letztlich vergebliche — Erfüllung der Verheißung auf ständige Wohlfahrtssteigerung, daß ihr die Eingebundenheit in den übergeordneten natürlichen Kreislauf und die damit verbundenen Konsequenzen sowohl für ihre Überlebensfähigkeit als auch für die Überlebensfähigkeit der komplexen Ökosysteme aus dem Blickfeld geraten sind.

Die Frage nach einer Revision der ihr zugrunde liegenden Werte stellt sich damit nicht nur auf Grund der inneren Widersprüchlichkeit ihrer eigenen Verheißung, sondern für die ökologische Kritik zuförderst auf Grund der zerstörerischen ökologischen Konsequenzen der in sich unbegrenzten Konsumgesellschaft. 5. Fortgesetztes Wirtschaftswachstum bringt keine Lösung des Verteilungsproblems Heute ist evident, daß auch die — historisch gesehen — exorbitant hohen Wachstumsraten der Produktion in den fünfziger und sechziger Jahren keine Lösung des Verteilungsproblems — weder in der Einkommens-noch in der Vermögensdimension — herbeigeführt haben. Im Gegenteil: Eine Politik prozentualer Einkommenszuwächse hat die absoluten Abstände zwischen den oberen und unteren Rängen in der Einkommensskala laufend vergrößert.

Zweifelsohne hat das hohe Wirtschaftswachstum jedoch dazu beigetragen, den Verteilungskonflikt in seiner aktuellen gesellschaftlichen Brisanz zu entschärfen. Konsequenterweise wird die Notwendigkeit der Wachstumspolitik in der Zukunft von ihren Befürwortern nicht zuletzt damit begründet, daß unter Voraussetzungen fortgesetzt steigender Produktion die Verteilungsproblematik wirtschafts-und gesellschaftspolitisch friktionsfreier zu handhaben sei. Dies soll hier gar nicht bestritten werden. Eine derartige Politik ist freilich auf dann ausbrechende Verteilungskonflikte nicht vorbereitet, wenn das gesellschaftlich institutionalisierte Ventil der Partizipation aller an den Zuwächsen der gesamtwirtschaftlichen Produktion nicht mehr oder nur noch unzureichend zur Verfügung stehen sollte und wenn ein verstärktes Ausweichen in eine sich beschleunigende Inflation politisch nicht mehr tolerierbar ist.

Der Frage nach den Ursachen des Verteilungskonfliktes kann in einer Periode der Stagnation oder schwach wachsender Produktion nicht mehr aus dem Wege gegangen werden. Diese liegen auch heute noch in der Gegensätzlichkeit der Interessenpositionen von Arbeit (Gewerkschaften) und Kapital (Unternehmerverbände). Dies hat zur Folge, daß die Gewerkschaften das unter den jeweils herrschenden Bedingungen erreichbare Maximum an Lohnsteigerungen „herausholen" müssen, da sie andernfalls die Einkommens-und Vermögensposition ihrer Verteilungskontrahenten befördern würden. Ein gesellschaftlich wirkungsvolles Wachstumsagens ergibt sich mithin aus dem unter den gegebenen institutioneilen Bedingungen unlösbaren Verteilüngskonflikt. Ein Abgehen von der Prioritäten Wachstumsorientierung der Gewerkschaften erfordert institutionelle Reformen, die bei den Gewerkschaften (Arbeitnehmern) ein existentielles Interesse für die Entwicklung und funktionale Verwendung der Gewinne schaffen. Solange die Gewinne privat angeeignet und von den Eigentümern der Unternehmen bzw. ihren Vertretern über ihre Verwendung verfügt wird, kann sich dies aber nicht entwickeln. Sie sind dann in den Augen der Arbeitnehmer lediglich (oder primär) Quelle hoher und höchster Privateinkommen einer kleinen Schicht ohnehin schon privilegierter Einkommensbezieher und Vermögens-inhaber und nicht Hauptquelle von im Unternehmen investierbaren Mitteln bzw. zentraler Indikator des Unternehmenserfolges am Markt. Erweiterung der geltenden Mitbestimmungsregelungen, die eine Einflußnahme der Arbeitnehmer auf die Gewinnverwendung ermöglichen, und die Schaffung von Formen der Beteiligung am Produktivvermögen und am Gewinn sind — hier beispielhaft genannte — Schritte, die ein institutionell verankertes Interesse der Arbeitnehmer an der Entwicklung der Gewinne induzieren könnten

Die Frage nach der Gerechtigkeit der Einkommensverteilung richtet sich freilich auch auf die Legitimität der relativen Abstände innerhalb der Einkommen der abhängig Beschäftigten. Können die Maßstäbe, die jener Einkommensschichtung, wie sie sich in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat, zugrunde liegen, auch in einer ökonomischen Zukunft schwach wachsender Produktion gesellschaftliche Integrationskraft entfalten? Hier seien lediglich einige Stichworte genannt, die die bereits begonnene Diskussion in Zukunft vermutlich noch verstärkt beschäftigen werden: — Infragestellung der Kopplung von hoher Arbeitsbefriedigung und hohem Einkommen (sollten nicht besonders eintönige und belastende, gesellschaftlich jedoch unverzichtbare Jobs mit einem Einkommensbonus und besonders befriedigende Arbeitsplätze mit einem Einkommensminus ausgestattet werden?).

— Neubelebung der Diskussion über den Leistungsbegriff (Leistung = Einkommen?; Einfluß der Machtstruktur auf Lohn-und Gehalts-hierarchien, die mit Leistungsunterschieden legitimiert werden; produktive und unproduktive Tätigkeit; Leistung im monetären Sektor und Leistung im außermarktlichen, nicht-staatlichen Bereich).

— Strategie zur Verminderung der Einkommensungleichheit (Politik der Sockelbeträge, langsameres Wachstum der oberen Einkommen, Tausch von potentiellen Einkommenssteigerungen gegen vermehrte Freizeit — differenziert nach Einkommenshöhe; wachstumskritische Position: Reduktion der Einkommensungleichheit dämpft das prestigebedingte Wachstumsmotiv; wachstumsfreundlich-konservative Position: Reduktion der Einkommensungleichheit dämpft die individuelle Leistungsbereitschaft und erhöht die Arbeitslosigkeit insbesondere bei den Problemgruppen). 6. Ökonomisierung der Gesamtgesellschaft Die Verabsolutierung des Prinzips der ökonomischen Rationalität, die in den Konzepten der Wachstums-, der Wirtschaftsund der Konsumgesellschaft zum Ausdruck kommt, bringt als weitere Konsequenz die Durchdringung der Gesamtgesellschaft mit den Werten und den Interaktionsmustern des ökonomischen Systems mit sich. Dies hat im Laufe der Entfaltung der kapitalistischen Wirtschaft dazu geführt, daß die Erfüllung von ökonomisch definierten Normen und Anforderungen zum wichtigsten Moment der materiellen Reproduktion und der immateriellen Identitätsbildung des einzelnen geworden ist Die Aktivität des einzelnen wird damit gesellschaftlich primär an seinem Beitrag zu den Zielen des ökonomischen Systems gemessen. Dies bedeutet etwa, daß eine im Erwerbsbereich erbrachte und damit monetär entgoltene Leistung gesellschaftlich höher bewertet wird als eine außerhalb des Erwerbssystems, etwa im Haushalt oder im selbstorganisierten Kindergarten erbrachte Leistung.

Der Leistungsbegriff ist in einer ökonomisierten und monetarisierten Gesellschaft eng an das ökonomische, monetäre Entgelt gekoppelt. Dies hat tiefgreifende Konsequenzen für die Bedingungen der Leistungserbringung außerhalb der Erwerbswirtschaft. Erkennbar ist dies etwa an der Diskussion über ein Hausfrauengehalt bzw. über die Relevanz der Erwerbstätigkeit von Frauen, die bisher außerhalb des monetären Wirtschaftssektors gearbeitet haben. Ist Hausfrauenarbeit in unserer Gesellschaft erst dann eine anerkannte Leistung, wenn sie monetär vergütet wird? Oder müssen Frauen erst erwerbstätig werden, um eine starke Identität ausbilden zu können? Der Rentnertod wäre ein weiteres Beispiel für die erwerbsbezogene Fassung des Leistungsbegriffs. Viele Rentner fühlen sich gesellschaftlich entwertet, wenn sie aus dem Erwerbssystem ausscheiden, obwohl sie häufig noch im privat-autonomen Sektor Hervorragendes leisten bzw. leisten könnten — wären sie nicht gelähmt von dem Gedanken, von der (ökonomischen) Gesellschaft nicht mehr gebraucht zu sein.

Der Prozeß der Durchökonomisierung der Gesellschaft hat ferner in relevanten Teilen der Bevölkerung eine Erosion der psychischen Stabilität und Identität zur Folge gehabt. Dies ist einerseits bedingt durch die Auflösung der traditionellen sozialen Strukturen im Zuge des Industrialisierungsprozesses, in denen der einzelne Geborgenheit und Sicherheit fand — soziale Bedürfnisse, die heute nur noch vermitteltüber die Verfolgung des ökonomischen Interesses im Erwerbssektor befriedigt werden können. Ein weiterer Faktor ist die Über-forderung vieler durch die Anforderungen der ökonomischen Leistungsgesellschaft, in der sich die Menschen als isolierte ökonomische Funktionsträger begegnen. Zu nennen sind hier die Opfer der Konkurrenzgesellschaft, seien es die Problemgruppen unter den Arbeitslosen, die sich gesellschaftlich entwertet fühlen, weil sie offensichtlich nicht mehr gebraucht werden, wie z. B. die älteren Arbeitnehmer, die unzureichend Qualifizierten und defizitär ausgebildete Frauen, ferner Jugendliche, die z. T. lange warten müssen, bis sie überhaupt zum Erwerbssystem Zugang erhalten, Behinderte, die erfahren, daß sie der Konkurrenznachteil der Behinderung an den Rand der Gesellschaft drängt, oder Frührentner, die aufgrund von Unfällen und arbeitsbedingten gesundheitlichen Schädigungen vorzeitig aus dem Erwerbsprozeß ausscheiden mußten. Die Überforderung ist freilich auch ein gesamtgesellschaftliches Problem. Indizien hierfür sind beispielsweise Zahlen der wachsenden Alkohol-, Tabletten-und Drogenabhängigkeit, steigender psychosomatischer und neurotischer Erkrankungen, vermehrt auftretender Herzinfarkte und anderer zivilisations-und streßbedingter Erkrankungen. Diese treten nicht nur in einzelnen Schichten auf, sondern betreffen alle sozialen Schichten. Nicht jedem ist es gegeben, sich ausschließlich der einkommensmäßigen und positioneilen Vorteile aus der rigiden Leistungs-und Konkurrenzethik zu versichern; immer mehr Menschen empfinden die Nachteile, die aus der Vernachlässigung ihrer emotionalen und sozialen Bedürfnisse im Arbeitsprozeß herrühren, zunehmend stärker und suchen deswegen nach Alternativen, die sowohl funktionellen, aber auch emotionellen Erfordernissen Rechnung tragen.

Ich fasse diesen Punkt zusammen: Die Durchökonomisierung der Gesellschaft hat zu einer Konzentration der Gesamtgesellschaft auf das Ziel der maximalen Produktionssteigerung bzw.der maximalen ökonomischen Effizienz geführt. Es ist heute wohl unbestritten, daß das System der kapitalistischen Marktwirtschaft hinsichtlich des Kriteriums der ökonomischen, der allokativen Effizienz allen anderen historisch verwirklichten oder auch zukünftig denkbaren Systemen überlegen ist. Jene eindimensionale Ausrichtung der Gesellschaft auf das ökonomische Interesse ist freilich heute zum Problem geworden; die ökologischen, die sozialen, die gesundheitsbezogenen und psychischen Kosten dieser Vereinseitigung werden in einer Situation des materiellen Wohlstandes stärker registriert und sind auch in ihrer Größenordnung — vor allem auf Grund der Erreichung und des (partiellen) Überschreitens von individuellen und sozialen Toleranzgrenzen (Schwellenwerten) — immer bedeutender geworden.

Die Artikulation jener Kosten ist offensichtlich ein Indiz für das Bedürfnis nach einer Abkehr von jener vom ökonomischen Interesse dominierten Gesellschaft hin zu einer Gesellschaft, in der das ökonomische System tat-sächlich wieder ein gesellschaftliches Sub-Sy- stem ist, dessen konkreter Stellenwert von der Gesellschaft auf der Basis der Interessen aller Mitglieder festgelegt werden kann. Die langfristige Perspektive ist mithin auf eine Relativierung der Bedeutung von Produktion und Konsum in der Gesellschaft gerichtet. Dies impliziert eine insgesamt ausgewogenere und damit reduzierte Position des ökonomischen Systems, wie sie — liest man ökonomisch versierte Kulturanthropologen wie Polanyi und Godelier — bisher praktisch in allen Kultu-ren verwirklicht war — eben mit Ausnahme der kapitalistischen Marktwirtschaft. 7. Wirtschaftswachstum, Technologie, Arbeitsteilung und Arbeitszufriedenheit Ein zentrales Feld der Kritik der Wachstums-gesellschaft ist der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum, Technologie, Arbeitsteilung, Arbeitszufriedenheit und Partizipation.

Ich hatte anfangs betont, daß das überragende Interesse der WG einer möglichst hohen Zuwachsrate des Produktionsoutputs gilt. ’ Was bedeutet dieses Zielkriterium jedoch für die Technologie in den Unternehmen, für die Arbeitsbedingungen in den Betrieben, für die sozialen Beziehungen in den Betrieben? Die ökonomische Theorie ist insofern ein Abbild der Werte der WG, als sie ausschließlich die Dimension der allokativen Effizienz thematisiert und alle weiteren Aspekte diesem Paradigma subsumiert. Die Wohlfahrtswirkungen des Produktionsprozesses werden ausschließlich am mit Marktpreisen gewichteten Produktionsergebnis gemessen.

Der Prozeß der Hervorbringung jener Güter und Dienstleistungen ist unter Wohlfahrtsgesichtspunkten für die ökonomische Theorie eine black Box. Sie befaßt sich ausschließlich mit güterbezogenen Bedürfnissen. Sie ignoriert, daß im Produktionsprozeß auch andere Bedürfnisse der daran beteiligten Akteure zur Geltung gelangen können, wie z. B. soziale Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Kooperation und Anerkennung oder auch intellektuelle und Selbstverwirklichungsbedürfnisse.

Für die ökonomische Theorie ist es selbstverständlich, daß vom Unternehmen diejenige Technologie gewählt wird, die den maximalen Beitrag zur einzelwirtschaftlichen Produktivität leistet. Welche Konsequenzen jene Technologie für die Arbeitsbedingungen, generell für den Entfaltungsspielraum der Arbeitskräfte hat, reflektiert sie nicht.

Ähnliches gilt für die Arbeitsteilung als Mittel der Produktivitätssteigerung. Im mikroökonomischen Paradigma ist eine fortgesetzte Arbeitsteilung so lange rational, wie sie zu zusätzlichen positiven einzelwirtschaftlichen Produktivitätseffekten führt. Eine weit voran-getriebene Zerstückelung von Arbeitsaufgaben hat jedoch auch Konsequenzen für die Individuen, die von diesem Prozeß der Effektivierung des Produktionsprozesses direkt betroffen sind. Monotonie, Einseitigkeit der Belastungen und Eingespanntsein in vorbestimmte Abläufe haben psychisch tiefgreifende Auswirkungen, die auch (oder gerade) außerhalb der Arbeitszeit spürbar sind.

Heute wird vielfach die Frage gestellt, ob denn die Gesellschaft überhaupt reif ist für die vor uns stehende Freizeitgesellschaft. Müssen viele Indikatoren des Freizeitlebens heute nicht dahin interpretiert werden, daß ein großer Teil der Bevölkerung eine nennenswerte Zunahme der Freizeit gar nicht verkraften könnte Wenn dies so sein sollte, so ist dies m. E. nicht zuletzt Folge einer Prägung vieler Menschen durch die Arbeitswelt, in der sie keine Herausforderungen erleben, keine abwechslungsreichen und selbstverantwortlichen Aufgaben erfüllen können. Verlangen die den Beschäftigten vorgegebenen Arbeitsbedingungen und Entscheidungsverhältnisse vor allem Passivität und Einpassung in fremd-bestimmte Arbeitsabläufe, dann kann wohl nicht gerechtfertigterweise von diesen Gruppen eine aktive und produktive Nutzung der wachsenden Freizeit erwartet werden. Die Erwartungen an die Flexibilität des Verhaltens-spielraums des Menschen können auch über-strapaziert werden.

I. Illich und andere Kritiker der WG haben den Begriff der sozialkritischen Grenze geprägt und ihn u. a. auf den Prozeß der Arbeitsteilung in der Produktion angewendet. Eine Entfaltung der gesellschaftlichen und betrieblichen Arbeitsteilung nütze dem einzelnen und der gesamten Gesellschaft. Dies gelte jedoch nur bis zu einem bestimmten Punkt, der die sozialkritische Grenze markiert. Jenseits dieser Grenze wäre der Nettosaldo einer weiteren Ausdifferenzierung der Arbeitsteilung negativ. Jene sozialkritische Grenze kann in ökonomischen Termini als der Punkt gefaßt werden, in dem die gesellschaftlichen Grenznutzen und Grenzkosten gleich sind. Inhaltlich unterscheiden sich beide Konzepte jedoch dadurch, daß in die Bestimmung der sozialkritischen Grenze ein Kriterienbündel eingeht, das sich aus der ganzheitlichen Natur des zugrunde liegenden Menschenbildes ergibt, während der ökonomischen Optimalbetrachtung das Menschenbild des homo oeconomi-cus zugrunde liegt, was die Konzentration auf die marktvermittelten Werte (u. U. unter Ein-Schluß gewisser sozialer Kosten und Nutzen) impliziert.

Zu den Kriterien der sozialkritischen Grenze gehören auch die potentielle Reduzierung der Arbeitsaufgaben auf repetitive, monotone und einseitig belastende Abläufe, die Frustration der Betätigungsbedürfnisse im Arbeitsprozeß, die Zunahme der Fremdbestimmung am Arbeitsplatz, die abnehmende Überschaubarkeit des Ineinandergreifens aller Arbeitsabläufe, die in den fertigen Produkten münden, die den meisten Beschäftigten dann notwendigerweise fremd sind, damit auch mangelnde Identifizierbarkeit mit der geleisteten Arbeit, damit auch Erosion der Arbeitsmotivation sowie Verstärkung der Hierarchisierungstendenzen, die in der Regel mit einer weiteren Machtkonzentration an der Spitze der Unternehmen einhergehen.

Die Wachstums-und Produktivitätsorientierung hat eine Konzentration der Unternehmen und eine ständige Vergrößerung der Betriebseinheiten zur Folge gehabt. Großtechnologische Einrichtungen setzten sich in den Betrieben in dem Maße durch, in dem die Absatzmärkte für die strukturell höheren Produktionsmengen geschaffen waren. Diese Seite des Prozesses der Konzentration, der Zentralisierung und der Ausweitung der Produktionseinheiten reflektiert die ökonomische Theorie. Die soziale und politische Dimension dieses Prozesses bleibt dagegen ausgeblendet. Sie äußert sich unter den institutioneilen Bedingungen einer privatwirtschaftlich verfaßten Unternehmenswirtschaft u. a. in einer Ausdifferenzierung hierarchischer Entscheidungsstrukturen und in einer Akkumulation wirtschaftlicher und politischer Macht an den Spitzen einer immer geringeren Zahl von Großunternehmen.

Hier hat sich ein Prozeß vollzogen, der der radikal-liberalen Idee der Selbstbestimmung völlig widerspricht. Die ökonomische Theorie hat die Dialektik des tatsächlichen geschichtlichen Prozesses, der einerseits eine Erweiterung der Wahlmöglichkeiten auf der Einkommens-und Konsumseite, andererseits eine Einschränkung der Entfaltungsspielräume im Zuge der Konzentration und Zentralisation ökonomischer Macht mit sich brachte, nicht thematisiert. Die Idee der Selbstbestimmung erfordert heute m. E. institutionelle Reformen, die zu einer Demokratisierung der Enscheidungsverhältnisse in den Betrieben und Unternehmen führen. Nur durch die Partizipation aller Betroffenen an den ökonomischen Entscheidungsprozessen kann der die liberale Idee pervertierende Prozeß der Machtakkumulation durchbrochen werden.

Auch die Technologie betrachten die Kritiker der Wachstumsgesellschaft als soziale Größe, im Gegensatz zur ökonomischen Theorie, in der sie entweder als gegebene Größe, Datum, Trendfaktor, Residualgröße oder als Abhängige der relativen Preise behandelt wird. Dies bedeutet u. a., daß sie die konservativ-kulturkritische Position (z. B. Schelsky), die Entwicklung der Technik als eigengesetzlichen Sachzwang zu betrachten, grundsätzlich ablehnen. Sie betonen dagegen, daß die Entwicklung der Technologie in unserer Gesellschaft entschieden von den die Wirtschaft beherrschenden Zielen geprägt worden ist. Die Entwicklung hin zur Großtechnologie ist kein immanenter Sachzwang, sondern Ausfluß der Tatsache, daß großtechnologische Einrichtungen unter gewissen Bedingungen den größten Beitrag zur Produktivitätssteigerung und zur Erreichung der angestrebten Profitrate leisteten. Die ökonomischen Vorteile großtechnologischer Einrichtungen haben wiederum die Konzentrationstendenz in der Wirtschaft sowie die räumlichen Verdichtungstendenzen befördert. Auf der Negativseite dieser technologischen Entwicklung steht freilich nicht nur die Beförderung des Prozesses der Machtakkumulation, sondern auch _ die Entwertung individueller Fähigkeiten und Fertigkeiten, die durch technologische Innovationen obsolet geworden sind;

— Umweltschäden, die durch die Konzentrierung der Produktion im Raum besonders rasch virulent geworden sind;

— Umweltschäden, die durch die radikale Verlagerung auf schwer abbaubare synthetische Materialien in den vergangenen 50 Jahren explosionsartig zugenommen haben;

— Eingriffe in das ökologische System, die unumkehrbar und vom Menschen u. U. nicht mehr beherrschbar sind (Stichworte Atomenergie und chemische Industrie);

— rasch steigender Energieverbrauch einerseits auf Grund rasch steigender Kapitalintensität, andererseits auf Grund der steigenden Transportbedürfnisse auf der Güter-und Arbeitskraftseite; — zunehmende Abhängigkeit von zentralisierten Versorgungseinrichtungen. 8. Zunehmende Abhängigkeit des einzelnen von Markt-und Staatsinstitutionen Die zunehmende Abhängigkeit des einzelnen von Markt-und Staatsinstitutionen ist ein zentrales Argument der Kritiker der WG. Sie betrachten den Prozeß der Ausdehnung marktwirtschaftlicher und staatlicher Institutionen in der Gesellschaft als einen weitreichenden Prozeß der Entwertung individueller Fähigkeiten und Fertigkeiten, m. a. W. von persönlichen Kompetenzen zur selbstbestimmten Lösung von Problemen im Reproduktionsbereich. Während der privat-autonome Bereich früher wesentliche Funktionen für die ökonomische und soziale Reproduktion der Bevölkerung erfüllte, sind die Haushalte heute praktisch total von anonymen marktwirtschaftlichen und staatlichen Organisationen abhängig geworden. Diese Abhängigkeit ist fest verankert, weil im Zuge der Professionalisierung nahezu aller gesellschaftlicher und ökonomischer Tätigkeiten und der beruflichen Spezialisierung gleichzeitig das allgemeine lebenspraktische Wissen um privat-autonom organisierte Lösungsmöglichkeiten gesellschaftlich abgewertert wurde und dann verloren gegangen ist.

Die enge und endgültige Bindung an die Markt-und Staatsorganisationen im Zuge von Professionalisierung und Spezialisierung war der Preis für die Explosion des materiellen Lebensstandards in diesen Ländern. Die Kritiker der WG, die von der Idee der Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung her argumentieren, betonen nun, daß die Menschen damit ein wesentliches Stück ihrer Autonomie aufgegeben haben.

Eine Wiedergewinnung autonomer Spielräume erfordere einmal einen Ausbau des privat-autonomen Bereichs jenseits von Markt und Staat, der nur bei Realisierung neuer Arbeitszeitmodelle durchsetzbar sei. Zum anderen sei in einigen Bereichen ein Prozeß der Deprofessionalisierung einzuleiten, weil sich gezeigt habe, daß viele soziale, bildungs-und gesundheitsbezogene Aufgaben in weniger formalen und stärker persönlich-emotionalen Bezügen besser bearbeitet werden können. 9. Abnehmende Beschäftigungseffekte des Wirtschaftswachstums Ein weiterer Aspekt der Kritik der WG betrifft die Frage, ob es ihr noch gelingt, Vollbeschäftigung wiederherzustellen und zu sichern. Diese Frage ist für die Vertreter des Wachstumsparadigmas in Politik und Wissenschaft von großer Bedeutung, da eine Politik zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums in einer Umwelt, in der sich Kritik an spezifischen Nebenwirkungen des Wachstums artikuliert, besonderer Legitimation bedarf. Ein Hauptargument der Verfechter hoher Zuwachsraten der gesamtwirtschaftlichen Produktion ist die Instrumentalfunktion raschen Wirtschaftswachstums für hohe Beschäftigung. Zweifel sind jedoch sowohl an dieser Instrumental-funktion als auch an dem gesamten Strategie-ansatz angebracht.

Die Zweifel an der Instrumentalfunktion des Wachstums rühren zentral aus den langfristig erwarteten rückläufigen Wachstumsspielräumen in der Zukunft. Trifft diese Vermutung zu — wofür vieles spricht —, besteht die dauernde Gefahr, daß durch die anhaltenden Produktivitätszuwächse mehr Arbeitsplätze vernichtet als durch das geringer gewordene Wachstum neu geschaffen werden. Die härter werdende Konkurrenz auf den Weltmärkten und im eigenen Land, die neue Rolle der Schwellenländer auf den Märkten der Industrieländer und die sich langsamer entwikkelnde Nachfrage in den Industrieländern sprechen für die Vermutung, daß die produktivitätssteigernden Rationalisierungsinvestitionen in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen werden. Dann sind jedoch positive Nettobeschäftigungseffekte eines relativ geringen durchschnittlichen Wirtschaftswachstums in Frage gestellt.

Zweifel an dem gesamten Denkmodell der Legitimation einer Wachstumsbeschleunigungspolitik durch die erwarteten positiven Beschäftigungseffekte rühren daher, daß die Frage nach den Inhalten und den sozialen Kosten des Wachstums u. U. gar nicht mehr gestellt wird. Es hat ja seinen gesellschaftlichen Sinn schon dadurch erfüllt, daß zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen worden sind. In einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit besteht nun die Gefahr, daß problematische Produktionsvorhaben wegen ihrer erwarteten positiven Arbeitsplatzwirkungen trotz aller Vorbehalte durchgeführt werden.

Beispiele hierfür sind etwa — neue Rüstungsvorhaben bzw. die Aussichtslosigkeit einer Abrüstungspolitik in einer Periode hoher Arbeitslosigkeit, — die Versuchung von Regierungen, Rüstungsexportgeschäfte, die mit der offiziell vertretenen Politik keineswegs vereinbar sind, doch zu genehmigen, — die Kernenergiepolitik, deren Zusammenhang mit der Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen in der Zukunft besonders herausgestellt wird, — die Umweltpolitik, deren Stellenwert in der Beschäftigungskrise 1974/75 deutlich sank weil in der Politik weithin immer noch von einem — durch empirische Studien nicht gestützten — negativen Zusammenhang zwischen wirksamer Umweltpolitik und Beschäftigung ausgegangen wird.

Die Wachstumskritik warnt vor einer Fetischisierung einer Arbeitsplatzbeschaffungspolitik, die einseitig auf die Beschleunigung des Wirtschaftswachstums setzt Diese Politik setzt auf ein Wachstumsmuster, das auf einer ständig steigenden Kapitalintensität der Produktion aufbaut. Die energie-, rohstoff-und umweltbezogenen Kosten dieses Wachstums-musters werden in Zukunft rapide ansteigen. Hinzu kommt: Je höher die Kapitalintensität, um so geringer ist der Beschäftigungseffekt ei-ner gegebenen realen Investitionssumme. Fraglich wird dann, ob die sozialen Vorteile dieses Wachstumspfades mit abnehmenden Beschäftigungseffekten noch die laufend zunehmenden ökologischen Kosten jener indirekten Beschäftigungspolitik aufwiegen können (vgl. Übersicht 1 und Schaubild 1).

Es wäre fatal, wenn Strategien, die irgendwie auch mit beschäftigungspolitischen Zielen legitimiert werden, für die gesellschaftliche Auseinandersetzung tabuiert würden — aufgrund des Ranges des Rechts auf Arbeit in der Wertskala unserer Gesellschaft. Dies darf auch bei der staatlichen Vollbeschäftigungspolitik nicht der Fall sein. Die Anfragen der Wachstumskritik könnten ein Anlaß sein, darüber zu reflektieren, ob die verbreiteten Konzepte der Beschäftigungsund Wachstumspolitik noch tragfähig sind oder ob auch neuen, unkonventionellen Wegen eine Chance gegeben werden sollte. 10. Wertwandel von materialistischen zu postmaterialistischen Zielen Die Dimension, mit der der Katalog der Aspekte der Kritik der WG abgeschlossen werden soll, ist der in den Industrieländern in unterschiedlichem Maße in Gang befindliche Wertwandel von materialistischen zu postmaterialistischen Werten, um die Begriffe von R. Inglehart der sich mit dieser Tendenz vielleicht am intensivsten befaßt hat, zu verwenden. Inglehart orientiert sich bei seiner inhaltlichen Bestimmung materialistischer und postmaterialistischer Werthaltungen an dem Bedürfnisschema von Maslow das in den letzten Jahren eine ungeheure Renaissance erfahren hat. Maslow zufolge ist von einer Rangfolge der menschlichen Grundbedürfnisse auszugehen. Danach müssen zunächst die physiologischen und Sicherheitsbedürfnisse befriedigt werden, bevor die Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Liebe, nach Selbst-achtung und Anerkennung sowie nach Selbstverwirklichung -verhaitensbestimmend werden. Übersicht 1: Einige Aspekte von Soll und Haben einer auf globale Wachstumsbeschleunigung ausgerichteten Entwicklung in der Zukunft Soll Haben ökologische Kosten steigen beschleunigt aufgrund Soziale Erträge weiteren globalen Wachstums werden immer fraglicher aufgrund -der Existenz ökologischer Grenzwerte, deren -abnehmender und in der Zukunft immer unsicherer Überschreiten zu sprunghaft steigenden (nichtlinearen) Nettobeschäftigungseffekte (es fällt Schadensentwicklungen führt immer schwerer, die im Zuge des technischen -von ökologisch unumkehrbaren Entwicklungen Wandels wegfallenden Arbeitsplätze durch neue (Irreversibilitäten), z. B. Entstehung von Plutonium Arbeitsplätze im Gefolge der Schaffung neuer bei der Erzeugung von Atomenergie Märkte und neuer Wachstumsbranchen zu ersetzen) -sich gegenseitig verstärkender Schadwirkungen

von emittierten Stoffen, die miteinander -der nahezu gleichzeitigen Erreichung von Sättigungsgrenzen Verbindungen eingehen (sog. synergetische bei einer Reihe wichtiger langlebiger Effekte) Güter -der gesetzmäßig zunehmenden Entropie im -der Zunahme der kompensatorischen Produktion Zuge beschleunigter Ausbeutung begrenzter in Reaktion auf wachstumsbedingt entstandene Vorräte an nicht-reproduzierbaren Energie-trägern Mängellagen und Schäden und Mineralien -von Tendenzen des Wandels von materialistischen Humane Kosten im Produktionsprozeß aufgrund zu postmaterialistischen Werten.

des in Zukunft noch steigenden Ranges von Rationalisierungsinvestitionen

-steigendes Risiko der Arbeitslosigkeit -erworbene Qualifikationen werden rascher obsolet -Gefahr der Herabqualifizierung nach Verlust des Arbeitsplatzes -Rückgang der Arbeitszufriedenheit durch Mechanisierung und Automatisierung im Verwaltungsbereich

-erhöhte gesundheitliche Belastungen aufgrund steigender einseitiger Anforderungen Humane Kosten in der Gesellschaft -Diskriminierung sozialer Gruppen, die die ökonomischen Standards der Konkurrenzgesellschaft nicht voll erfüllen -Erosion des Selbstbewußtseins der davon Be-

, troffenen -Bedrohung des sozialen Zusammenhalts durch den überragenden gesellschaftlichen Vorrang der individuellen Verfolgung ökonomischer Ziele.

Für Inglehart vertritt jemand, der in seinem Bewußtsein und Verhalten von den physiologischen und Sicherheitsbedürfnissen geprägt wird, materialistische Werthaltungen, dagegen derjenige, für den die drei anderen Bedürfniskategorien im Vordergrund stehen, eine postmaterialistische Wertorientierung. Inglehart glaubt auf der Basis von Umfragedaten nachweisen zu können, daß sich seit Ende der sechziger Jahre ein bemerkenswerter Wert-wandel von materialistischen zu postmaterialistischen Strebungen in den westlichen Industrieländern vollzogen hat, und zwar vor allem in den jugendlichen Altersschichten von 16 bi 29 Jahren, die nach dem Zweiten Weltkrieg in einer sozio-ökonomischen Umwelt des relativen materiellen Wohlstandes und gesicherter Verhältnisse aufgewachsen sind.

Seiner Mangelhypothese zufolge schätzen die Menschen jene Dinge am höchsten ein, die verhältnismäßig knapp sind. „Je reicher man wird, desto weniger bedeutet Reichtum." Mit anderen Worten: Das Selbstverständliche ist nicht mehr motivationsprägend. Verhaltens-prägend werden damit für diese Altersgruppen die unerfüllten immateriellen Bedürfnisse. Hinzu kommt noch der Sozialisationsfaktor. Verhaltensprägend ist besonders die sozio-ökonomische Umwelt in der formativen Phase des Menschen. Dies erklärt, warum der Wertwandel sich in den höheren Altersschichten, die ihre formativen Jahre unter ganz anderen sozio-ökonomischen Bedingungen erlebten, verzögert durchsetzt.

Jener von Inglehart benannte Wertwandel wird in der wachstumskritischen Literatur und in der Debatte der Alternativ-und Okologiebewegung durchgehend diagnostiziert. Raschke spricht etwa von einem sich entwickeln-den neuen Paradigma der „Lebensweise", das sich vom Wachstums-und Verteilungsparadigma, das die Industrieländer vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren geprägt habe, absetze. Guggenberger betitelt sein Referat vor dem Politologentag „Wertwandel und gesellschaftliche Fundamentalpolarisierung" und beginnt seine Ausführungen emphatisch: „Wir sind Zeugen, ja Mitakteure einer welthistorischen Uraufführung: Die verhaltensbestimmenden, leitbildgebenden Werte der Industriegesellschaft werden von einer neuen Werteformation, vielleicht schon von einem in ersten Umrissen zu deutenden neuen Wertesystem abgelöst." Der Gedanke einer historischen Zäsur in der Entwicklung der Industriegesellschaft beherrscht die kritische Literatur. Gesprochen wird von einer notwendigen oder schon in Elementen sichtbaren Wende — von einer Wachstumswirtschaft zu einer ökologischen Gleichgewichtswirtschaft, — von einer Wirtschaftsgesellschaft zu einer politischen Gesellschaft, — von einer zentralisierten und hierarchisier-ten zu einer dezentralisierten und demokratisierten Gesellschaft, — von einer Gesellschaft, die vom protestantischen Geist des Kapitalismus geprägt ist, zu einer Gesellschaft, in der intellektuelle und emotionale Bedürfnisse gleichgewichtig zur Geltung gelangen können, — von einer Gesellschaft mit harten zu einer mit sanften Technologien, — von einem Entropiestaat (H. Henderson) zu einer Gesellschaft, die vom Energieeinkommen lebt — von einer an Haben-Werten orientierten Gesellschaft zu einer von Seins-Werten durchdrungenen Gesellschaft (E. Fromm).

II. Die Kritik am Sozialprodukt als Wohlfahrtsindikator: Kompensatorische Produktion wird immer wichtiger

Ich erwähnte anfangs, daß die Wachstumskritik in der ökonomischen Profession vor allem zu einer Diskussion über die Aussagefähigkeit des BSP als Wohlfahrtsindikator geführt hat. Von der Fülle der Kritikpunkte am BSP als Wohlfahrtsindikator sei hier lediglich die These vom sinkenden sozialen Nettoertrag raschen Wirtschaftswachstums in den Industrie-ländern angeführt. Sie wird u. a. mit dem ständig steigenden Anteil kompensatorischer Produktion an der gesamten im BSP erfaßten Produktion der Volkswirtschaft begründet.

Diese These ist in den letzten Jahren vor allem von M. Jänicke näher untersucht worden. Er versteht unter kompensatorischer Produktion jenen Teil der gesamtwirtschaftlichen Produktion, der auf Grund von industriegesellschaftlich erzeugten Problemen erzwungen worden ist und jene im Zuge des industriewirtschaftlichen Wachstumsprozesses induzierten Schäden bzw. Defizite kompensiert bzw. dies zumindest intendiert. Hierzu zählen unstreitig die Investitionen und laufenden Betriebsausgaben für den Umweltschutz relevante Anteile der Ausgaben des Gesundheitswesens, die die Kompensierung von Schäden intendieren, die durch die Umweltverschmutzung, die zivilisatorische, immer streßreichere Arbeitsund Lebensweise u. ä. erzeugt worden sind, staatliche Ausgaben, mit denen versucht wird, die Entwicklung in den Ballungszentren in den Griff zu bekommen (ein Teil der Ausgaben für Kriminalitätsbekämpfung, ballungsbedingt stark steigende Ausgaben für Verkehr, Versorgung und Entsorgung), und stark steigende Privatausgaben der Haushalte im Zusammenhang mit der Berufsausübung (wie ballungsbedingt stark steigende Mieten und Fahrtkosten zum Arbeitsplatz).

Jänickes Begriff der kompensatorischen Produktion ist m. E. soweit abgrenzbar, daß damit empirisch fruchtbar gearbeitet werden kann. Er muß von anderen Verwendungsweisen dieses Begriffs unterschieden werden, die methodisch sehr viel schwieriger zu handhaben sind. Dies gilt z. B. für Bahros Unterscheidung von kompensatorischen und emanzipatorischen Bedürfnissen. Für Bahro beruht ein wesentlicher Teil der Konsumgüterproduktion und der Konsumdynamik auf der Aktualisierung kompensatorischer Bedürfnisse — von Bedürfnissen aus zweiter Hand sozusagen, die auf Grund der mangelnden Chancen, die spontanen emanzipatorischen Bedürfnisse zu befriedigen, ersatzweise entwickelt und artikuliert werden Trifft die Vermutung von Jänicke tatsächlich zu, daß ein wachsender Teil der Erwerbstätigen und der Unternehmen strukturell von den industriewirtschaftlich erzeugten Problemen des anderen Teils abhängt wird die Konvention der additiven Zählung aller monetär bewerteten Beiträge zum Produktionsprozeß im SP unter Wohlfahrtsgesichtspunkten immer irreführender. Wie kann man von den Politikern verlangen, daß sie ursachenadäquat vorbeugende Maßnahmen ergreifen, wenn kein Zahlentableau entwickelt wird, das genau jenen strukturellen Zusammenhängen von Problemerzeugung und kompensatorischer Gegenmaßnahme nachgeht?

Ganz allgemein scheint es mir so zu sein, daß die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung in einer Gesellschaft mit einem relativ hohen materiellen Lebensstandard keine gültigen Indikatoren mehr für die Beurteilung der Entwicklung der Lebensqualität liefern kann. Angesichts der Tatsache, daß das Wohlfahrtsproblem jenseits der Befriedigung der physiologischen Bedürfnisse (in einem kulturellen Kontext) so ungeheuer komplex wird, laufen rein ökonomisch definierte Konzepte systematisch fehl. Ein Raster zur Beurteilung von Wohlfahrt kann m. E. nur von einem System sozialer Indikatoren zu denen selbstverständlich auch ökonomische Variablen gehören, geliefert werden. Die Kriterien von Wohlfahrt müssen dabei im Idealfall unter materialer Einbeziehung aller Betroffenen gesellschaftlich definiert werden und bleiben damit grundsätzlich offen für Veränderungen.

III. Konsequenzen für die ökonomische Theorie

Aus meiner Sicht erforderliche Konsequenzen der Kritik an der WG für die ökonomische Theorie können hier nur angedeutet werden. Die Hauptkonsequenz müßte m. E. eine Öffnung der ökonomischen Theorie auf alle diejenigen Dimensionen individueller Wohlfahrt hin sein, auf die ökonomische Prozesse — ob gezielt oder nicht — einwirken bzw. die bei einer wohlfahrtsoptimalen Organisation ökonomischer Prozesse beachtet werden sollten.

Die Berücksichtigung der Interdependenzen zwischen dem ökonomischen Sub-System und anderen gesellschaftlichen und natürlichen Teilsystemen war u. U. im 19. Jahrhundert auf Grund des tatsächlich geringeren Grades von Wechselwirkungen oder auf Grund der bewußt geringeren Gewichtung aller anderen Wohlfahrtsdimensionen in einer Armutsgesellschaft noch gar nicht notwendig. Diese Bedingungen bilden m. E. das neoklassische Paradigma idealtypisch ab. Es beschreibt einen geschlossenen ökonomischen Kosmos, in dem Steuerungsmechanismen und Wohlfahrtskriterien rein ökonomisch definiert sind. Das neoklassische Paradigma stößt jedoch an die Grenzen seiner Möglichkeiten, einerseits, wenn vom ökonomischen System auf andere Teilsysteme Wirkungen von einer Eingriffs-tiefe und/oder -breite ausgehen, die das betroffene Teilsystem (u. U. irreversibel) massiv beeinträchtigen, woraus folgt, daß jene Interdependenzen vom ökonomischen System vorausschauend ins Kalkül gezogen werden sollten, und andererseits, wenn die individuelle Wohlfahrt immer weniger von dem Produktionsergebnis des ökonomischen Systems und seinen Zuwächsen und immer stärker von anderen Dimensionen menschlicher Bedürfnisse bestimmt wird.

Das alternative ökonomische Paradigma, das aus der Umsetzung jener beiden grundlegenden Überlegungen hervorgehen müßte, kann freilich niemals die Geschlossenheit der Neoklassik erreichen. Dies sollte jedoch bewußt in Kauf genommen werden, denn die Neoklassik hat jenen Grad der Geschlossenheit auch nur um den Preis der Entleerung ökonomischer Theorie von sozialen, politischen, historischen und psychologischen Bezügen und der Annäherung an ein technisch-mechanistisches Bild ökonomischer Abläufe erreicht. Exaktheit und mathematische Stringenz sollten nunmehr zugunsten von mehr Realitätsnähe und proportionssicherer, wenn auch unscharfer Einschätzung komplexer Systemstrukturen aufgegeben werden. Das ökonomische System wird nunmehr im Gegensatz zur Neoklassik grundsätzlich als offenes System betrachtet — eingebunden je nach Fragestellung in das natürliche System, in das soziale, das politische, das soziokulturelle System etc. Das Menschenbild, das in ihm zum Tragen kommt, ist notwendigerweise ganzheitlicher Natur. Der homo oeconomicus wird abgelöst vom homo socialis, vom homo oecologicus, vom complex man oder wie auch immer man jenes ganzheitliche Menschenbild benennen mag. Gemeint ist damit, daß das güternutzenmaximierende Individuum der Neoklassik nur für die von mir schon beschriebene Phase der Vordringlichkeit der Befriedigung der physiologischen Bedürfnisse eine adäquate analytische Figur war. In einer Periode geringeren Gewichts des ökonomischen Faktors, die — wie viele meinen — schon eingesetzt hat, muß das der ökonomischen Theorie zugrunde liegende Menschenbild die Vielfalt der menschlichen Bedürfnisse auch tatsächlich abbilden.

Die Bedürfnisfrage nimmt einen zentralen Rang im alternativen ökonomischen Paradigma ein. Hier liegt eines der größten analytischen Defizite der traditionellen ökonomischen Theorie. Sie hat es sich mit der Annahme der Unbegrenztheit ökonomischer Bedürfnisse, die jede weitere Befassung mit den Wohlfahrtswirkungen steigender Produktion und Konsumtion zu erübrigen schien, sehr leicht gemacht. Bedeutsam auch für die Ökonomie sind Untersuchungen über die Formierung individueller Bedürfnisse im gesellschaftlichen Interaktionsprozeß, über die Voraussetzungen, unter denen Menschen sich über ihre eigenen Lebensbedürfnisse am authentischsten klar werden können, über die Breite menschlicher Bedürfnisse und über gesellschaftliche und ökologische Konsequenzen bestimmter Konkretionen von Bedürfnissen. Hier liegen schon wichtige Beiträge vor seitens der humanistischen und anderer Schulen der Psychologie, seitens der kritischen Theorie und der Soziologie, die bisher nicht genügend zur Kenntnis genommen wurden. Es bestand im etablierten Paradigma kein Bedarf danach.

Eine weitere wichtige Annahme jenes alternativen Paradigmas ist die gesellschaftliche Naturdes Menschen. Für die Neoklassik baut die

Theorie auf den Wünschen und Bedürfnissen des Individuums auf. Erst kommt das Individuum und aus der Interaktion der Individuen entsteht die Gesellschaft. Tatsächlich läuft doch dieser Prozeß für jeden Einzelmenschen anders herum. Am Anfang steht die Gesellschaft, in die der einzelne Mensch hineingeboren wird. Der Mensch ist — und darin ist er in der Natur einzigartig — lange Jahre seiner frühen Entwicklung total abhängig von anderen Menschen. In diesem Sozialisationsprozeß übernimmt er die wichtigsten Konventionen und Werte der Gesellschaft. Als erwachsener Mensch ist er ein gesellschaftlich tief geprägtes Individuum

Die Beiträge von K. W. Kapp zur institutioneilen Natur von Sozialkosten, zur Fundierung eines humanistischen Menschenbildes ökonomischer Theorie in einem Konzept menschlicher Minimalbedürfnisse und zur Methodologie einer sozialwissenschaftlich gefaßten ökonomischen Theorie scheinen mir als Impulse für die Ausarbeitung jenes alternativen ökonomischen Ansatzes besonders wichtig zu sein Kapp hat sich in mehreren Aufsätzen selbst als Vertreter des institutionalistischen Ansatzes bezeichnet. Ich erhoffe mir von der Weiterentwicklung des institutionalistischen Ansatzes in der Nachfolge von Veblen den wichtigsten Beitrag zur Entfaltung des notwendigen erweiterten Paradigmas. Die Überlegenheit des institutionalistischen Ansatzes rührt m. E. aus der grundsätzlichen Entscheidung (der Institutionalisten) her, das ökonomische Problem immer eingebunden in den gesellschaftlichen, politischen, sozio-kulturellen und historischen Kontext zu untersuchen Der Institutionalist Gruchy definiert das Untersuchungsfeld der Ökonomie als „die Analyse der sich verändernden Muster kultureller Beziehungen, die mit der Produktion und der Verfügung über knappe materielle Güter und Dienstleistungen durch Individuen und Gruppen im Lichte ihrer privaten und öffentlichen Bedürfnisse zu tun haben" Aufgegeben wird damit die rein ökonomische Perspektive der Robbins'schen Ökonomie die sich eine Erweiterung des Untersuchungsfeldes ökonomi-scher Theorie nur i. S. einer Anwendung der ökonomischen Methode auf soziale und politische Phänomene vorzustellen vermag. Die ökonomische Perspektive betrifft dann eben nicht nur den institutionell abgegrenzten Bereich von Produktion, Konsum und Verteilung, sondern im Grenzfall die gesamte Gesellschaft. Boulding hat im Zusammenhang mit diesem Typus erweiterter ökonomischer Analyse von der Gefahr des Imperialismus der ökonomischen Methode gesprochen.

IV. Wirtschaftspolitische Konsequenzen

Meine Ausführungen zu wirtschaftspolitischen Konsequenzen aus der Kritik an der WG können nur einige Aspekte streifen. 1. Flexibilisierung des Arbeitslebens Stehen die Befürworter einer Wachstumsbeschleunigungsstrategie — wie z. B.der Sachverständigenrat und die Unternehmer-verbände — den verschiedenen Formen der Arbeitszeitverkürzung als Mittel der Beschäftigungspolitik eher ablehnend gegenüber so spielt die Reduktion der Arbeitszeit in den Alternativszenarios der Wachstumskritik eine zentrale Rolle, und dies zunächst einmal aus beschäftigungspolitischen Gründen. Es ist nur logisch, daß die Arbeitszeitverkürzung als beschäftigungspolitisches Instrument im wirtschaftspolitischen Kalkül einen um so wichtigeren Stellenwert einnimmt, je weniger an den Erfolg einer Wachstumsstrategie zur Wiedergewinnung der Vollbeschäftigung geglaubt wird. Die Skepsis hinsichtlich der Erreichbarkeit eines vollbeschäftigungskonformen Wirtschaftswachstums, nicht die bewußte Orientierung auf eine nur noch kontrolliert schwach wachsende Volkswirtschaft hin ist auch der Hauptgrund für die strategische Rolle der Arbeitszeitverkürzung im Konzept der Gewerkschaften.

Eine wichtige Dimension von Arbeitszeitverkürzungen in einem alternativen Entwicklungskonzept ist der potentiell ihnen inne-wohnende emanzipatorische Effekt. Hier steht im Blickpunkt, daß die Entwicklung der Industriegesellschaft zwar eine ungeheure Erweiterung der individuellen Wahlmöglichkeiten im Konsumbereich mit sich gebracht hat, der jedoch auf dem Arbeitsmarkt nichts Gleichwertiges gegenübersteht. Im Prinzip hat der einzelne auf dem Arbeitsmarkt wie vor hundert Jahren lediglich die Option, das Angebot eines Vollzeitarbeitsplatzes anzunehmen oder abzulehnen. Neue Arbeitszeitmodelle können hier auf der Arbeitsmarktseite etwas nachholen, was auf der Konsumseite längst selbstverständlich ist: nämlich mehr Selbstbestimmung hinsichtlich der Dauer und Plazierung der Erwerbsarbeit am Tage, in der Woche, im Jahr und in den einzelnen Lebensphasen zu ermöglichen. An diesem Defizit ist die Ökonomie nicht ganz unbeteiligt. In seiner Eigenschaft als Konsumenten betrachtet sie das Individuum als ökonomischen Akteur, der letztlich bestimmt, was und wieviel produziert wird. In der Produktionstheorie verschwindet der Mensch mit seinen Bedürfnissen hinter dem unpersönlichen Faktor Arbeit, der bei der Ableitung der gewinnmaximalen Einsatzverhältnisse der einzelnen Produktionsfaktoren keine irgendwie herausgehobene Stellung einnimmt — was doch eigentlich bei einer individualistischen ökonomischen Theorie seltsam anmutet, die ihren philosophischen Ursprung in der Idee der Selbstbestimmung des Menschen hat. .

Das Ziel dieser nachholenden Entwicklung hinsichtlich einer stärkeren Arbeitszeitflexibilität entsprechend der unterschiedlichen individuellen Präferenzen nennt B. Teriet die Gewinnung von Zeitsouveränität Konsum-souveränität bei mangelnder Zeitsouveränität blockiert bei jenen das individuell erreichbare Wohlfahrtsmaximum, bei denen die vorgegebenen Arbeitszeitstrukturen nicht mit den individuellen Zeitpräferenzen übereinstimmen. Die Inflexibilität der heute noch vorherrschenden Arbeitszeitordnung erzeugt einen Zwang zu ständig steigendem Einkommen auch für jene, die eine weitere regelmäßige Steigerung von Einkommen, Konsum und Besitz gar nicht mehr wünschen, sondern statt dessen eine Reduktion der Erwerbsarbeitszeit bei gegebenem Einkommen vorziehen würden. 2. Stärkung der Eigeninitiative Der besondere Nachdruck, der auf die Erweiterung der individuellen Handlungsspielräume außerhalb der Erwerbsarbeit gelegt wird, ist vor allem auf die Rolle von Autonomie und Selbstbestimmung im Menschenbild des alternativen Entwicklungskonzeptes zurückzuführen. Autonomie und Selbstbestimmung menschlicher Arbeit und Lebensgestaltung sind freilich unter den heute vorherrschenden Bedingungen der Arbeit im Erwerbssektor und der Expansion der Marktwirtschaft und des Staates in nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens weithin zu einer Fiktion geworden. Deshalb, erscheint vielen (wachsende) Freizeit als geeigneter Ort zur Wiedergewinnung autonomer Handlungsspielräume und selbstbestimmter Tätigkeiten.

War die Freizeit ein Anhängsel des Erwerbs-sektors, indem sie primär als Ort zur Wieder-gewinnung der Arbeitsfähigkeit im Erwerbs-bereich galt, so gewinnt sie in jener emanzipatorischen Perspektive einen eigenständigen Stellenwert für die Entwicklung der Gesellschaft. Hier können Verhaltensweisen praktiziert werden, die im leistungsund konkurrenzorientierten Erwerbssektor nicht gefragt sind; hier können neue Formen der Kleinproduktion, des Konsums, der Bewältigung sozialer Probleme, des familiären und nachbarschaftlichen Zusammenlebens erprobt, modifiziert und weiterentwickelt werden. Die Nutzung der Freizeit verliert in diesem Bild ihren passiven, rein konsumtiven Charakter.

Denkbar ist damit in Zukunft auch eine Veränderung des bisherigen Verhältnisses von Erwerbsarbeit und Freizeit. So ist es angesichts der wachsenden Bedeutung der Freizeit im Zeitbudget des einzelnen nicht ausgeschlossen, daß Impulse von der Welt der selbstbestimmten Aktivitäten auf die Erwerbswelt ausgehen, in der fremdbestimmte und einseitig belastende, wenig abwechslungsreiche Arbeit immer noch vorherrscht. Angesichts der reduzierten Abhängigkeit vom Erwerbssektor (bei gestiegener Bedeutung der nicht im Erwerbssektor verbrachten Zeit) werden alte Forderungen der Arbeiterbewegung nach Humanisierung der Arbeitswelt und Mitbestimmung u. U. nachdrücklicher und mit geringerer Kompromißbereitschaft als bisher vertreten. 3. Rückverlagerung von staatlichen Sozial-diensten in den privat-autonomen Bereich

Der Aufbau eines dualen Sektors in dem selbstorganisierte Projekte an der ökonomischen und sozialen Basis der Gesellschaft dezentral und problemnah durchgeführt werden, eine Neubewertung der Eigenarbeit deren potentieller Beitrag zur individuellen Lebensqualität vom vorherrschenden ökonomischen Denken nicht mehr gesehen wurde, und „kleine Netze" als dezentrale, problemnahe und überschaubare Alternativen der Problembearbeitung in Teilbereichen der Sozialpolitik sind Ausdruck jenes neuen Denkens, das — von einer Kritik an bestimmten Entwicklungen in bürokratischen Organisationen herkommend — die Problemlösungskompetenz der Betroffenen auf kooperativer Basis in Familie, Nachbarschaft und Stadtteil wieder entdeckt hat.

Die Diskussion über Basisprojekte im Sozialbereich müßte insbesondere für den Staat, der dort die Hauptverantwortung trägt, von großem Interesse sein. Die Kritik an der Bearbeitung sozialer Problemlagen mittels bürokratischer Organisationen und spezialisierter Einrichtungen wächst zusehends Eine teilweise Rückverlagerung von sozialen Aufgabenbearbeitungen aus den staatsbürokratischen Organisationen in den privatautonomen Bereich der Haushalte, aus dem die sozialen Problemlagen im Kontext mit der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung hervorgehen, wird mit der Idee der Schaffung kleiner Netze der sozialen Selbsthilfe empfohlen. Dazu gehören etwa ein einfaches Sozialzentrum zur Betreuung der Betagten, Alleinstehenden, Außenseiter und zur Bereitstellung sozialer Dienste wie Haushaltshilfe, Hauspflege, Mahlzeitendienst für Alte, Behinderte, Pflegebedürftige, ein Basis-Gesundheitsdienst mit ärztlicher (physischer und psychischer) Betreuung, Geburt und Tod in der gewohnten Umgebung, Kindergarten/Kinderhort, die Vorschule und erste Sozialisation im Wohnbezirk ermöglichen sowie eine Ausweitung des Spiel-und Kreativitätsbereiches anstreben, Informationsund Bildungsgelegenheiten (Bibliotheken, Gespräche, Diskussionen, politische Aktionen, Bürgerinitiativen) und Gelegenheiten für Frei'zeit und Geselligkeit (Kneipe und Versammlungslokal, verschiedene Klubs, Spiel und Sport)

Die potentiellen positiven Effekte eines derartigen Weges sind vielfacher Natur So findet die vorhandene und in Zukunft angesichts wachsender Freizeitspielräume wahrscheinlich weiter zunehmende Bereitschaft, neben der beruflichen Tätigkeit im Erwerbssektor an selbstorganisierten initiativen im überschaubaren Wohnbereich mitzuarbeiten, ein motivierendes Betätigungsfeld. Der Gedanke der Selbsthilfe, der am Anfang des sozialpolitischen Denkens in der Arbeiterbewegung stand, wird wieder stärker betont. Damit gewinnt ein (nicht neues) Staatsbild Kontur, demzufolge der Staat die Selbsthilfekräfte der Bevölkerung im überschaubaren Bereich von Wohnquartier und Stadtteil fördern bzw. institutionelle Hemmnisse abbauen sollte und sein Leistungsangebot auf jene Bereiche beschränken sollte, in denen die Mobilisierung von Eigeninitiative nicht möglich ist oder nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt. Der Staat wird voraussichtlich finanziell entlastet, auch wenn er den größten Teil jener dezentral agierenden Initiativen finanziell fördert. Dies ergibt sich allein aus dem Abbau bürokratischer, hierarchischer und professioneller Strukturen.

Bürokratische „Wasserköpfe" sind bei überschaubarer Größe jener sozialen Netze nicht erforderlich. Dies bedeutet gleichzeitig, daß auch keine diffizilen hierarchischen Strukturen entstehen können, die angesichts des hohen Anteils von Spitzengehältern besonders kostenintensiv sind. Die stärkere Einbeziehung von Laien in die soziale Arbeit und die höhere Arbeitsbefriedigung der in den kleinen Netzen arbeitenden Professionellen, die gewisse Einkommenseinbußen rechtfertigen würde, bringt bei gleicher (wahrscheinlich wirksamerer) Leistung geringere Personalkosten mit sich.

Eine Kostenentlastung ergibt sich ferner durch die höhere Effizienz dezentraler Problembewältigung, die ja gerade auf Grund der zunehmenden Erkenntnis kontraproduktiver Tendenzen in den bürokratischen Einrichtungen des Sozialstaates stärker ins Blickfeld geraten ist. Die zunehmende Reglementierung, Entpersönlichung und Verrechtlichung der Problembearbeitung in bürokratischen Groß-organisationen bilden zwar eine hervorragende Voraussetzung für eine „gerechte" Verwaltung, jedoch nicht für eine weitsichtig-produktive Lösung jener Problemlagen. Die Herbeiführung einer nachhaltig wirksamen Dienstleistung setzt auch die Kooperation des Konsumenten voraus, sei es, daß seine positive Einstellung zur Problemlösung dazu beiträgt, sei es, daß seine Selbsthilfekräfte geweckt oder verstärkt werden. Diese Bedingungen sind leichter in dezentralen, überschaubaren und wenig reglementierten Bezügen herzustellen als in formalisierten Bürokratien, in denen sich verwaltungsmäßiges Rollenverhalten und ein hohes Maß an Entfremdung den konkreten Problemen der Klienten gegenüber leichter durchsetzt. 4. Abnahme der Abhängigkeit von Markt und Staat Drastische Arbeitszeitsenkungen bzw. eine nennenswerte Umverteilung des vorhande-nen Arbeitsvolumens auf mehr Personen könnten auch tiefgreifende Veränderungen gesellschaftlicher Strukturen zur Folge haben. Nehmen wir einmal an, daß in einem nennenswerten Teil der deutschen Haushalte jede Erwerbsperson nur noch 20— 30 Stunden wöchentlich im Erwerbssektor arbeitet. Unter diesen Bedingungen kann der privat-autonome Bereich für die soziale Reproduktion der Familie und für die Selbstentfaltung des einzelnen eine ganz neue Dimension gewinnen. Die Individuen gewinnen dadurch wieder ein Stück Autonomie zurück, die ihnen im Zuge der Entfaltung der kapitalistischen Wirtschaftsgesellschaft abhanden gekommen ist. Die von vielen beklagte totale Abhängigkeit von Markt und Staat weicht einer auf bestimmte Bereiche begrenzten.

Gleichzeitig werden hiermit die strukturellen Voraussetzungen geschaffen, die es lohnend machen, soziale, handwerkliche, lebenspraktische Fähigkeiten und Fertigkeiten wieder auszubilden, die nunmehr für die neuen, selbstbestimmten Reproduktionsaufgaben benötigt werden.

Gesamtgesellschaftlich impliziert die abnehmende Bedeutung des privatwirtschaftlichen und des staatlichen Sektors für die Reproduktion der Bevölkerung einen Machtverlust dieser Institutionen in der Gesellschaft. Diese Machtverlagerung von den privatwirtschaftlichen und den staatlichen Hierarchien zu den lokalen Basen der Gesellschaft markiert gleichzeitig den Beginn eines echten Demokratisierungsprozesses. 5. Problematik der staatlichen Vollbeschäftigungspolitik Adler-Karlsson stellt sich die Frage, wie der Staat von seiner Pflicht zur Vollbeschäftigungspolitik im üblichen Sinne, die auf dem bei uns erreichten Niveau des Wohlstandes und der Rohstoff-und Energieverschwendung zunehmend absurdere Konsequenzen zeitigt, entlastet werden kann. Der Staat muß aus beschäftigungspolitischen Gründen den Konsum weiter anheizen, unabhängig davon, ob die Wohlfahrtswirkungen weiter steigenden Konsums noch die ökologischen und humanen Kosten der beschäftigungspolitisch begründeten Wachstumsbeschleunigung übertreffen. Diese gesellschaftspolitische Frage kann vom Staat nicht unbefangen artikuliert werden, solange er über das traditionell verstandene Vollbeschäftigungsziel Mitspieler in der Wachstumskoalition unserer Gesellschaft ist.

Im Gegenmodell Adler-Karlssons ist der Staat nur noch für die Sicherung der für die materielle Reproduktion der Bevölkerung notwendigen Produktion verantwortlich, die nur ca. 50 % der bisherigen Produktion beträgt. Die um 40— 50 % reduzierte Arbeitszeit wird auf alle Erwerbsfähigen gleichmäßig verteilt. Der Staat ist damit weiter verantwortlich für die ökonomische und soziale Sicherheit der Bevölkerung, aber er ist nicht mehr qua beschäftigungspolitischem Sachzwang Mitglied der Wachstumskoalition. Über die drastisch erweiterte freie Zeit kann nunmehr jeder nach Gutdünken verfügen. 6. Die strategische Rolle der Technologie Einen Eckpfeiler eines alternativen Entwick-. lungsszenarios bilden Überlegungen zur künftigen technologischen Entwicklung. Bisher ist die technologische Ausstattung der Unternehmen unter dem Primärziel einer maximalen privatwirtschaftlichen Produktivitätssteigerung (und der Erreichung der angestrebten Rendite) entwickelt worden. Dieses Entwicklungsziel erzeugt einen dauernden Wachstumszwang Bei permanent wachsender Arbeitsproduktivität und damit gleichzeitig schrumpfendem Arbeitsplatzangebot besteht eine ständige Kompensationsnotwendigkeit hinsichtlich der Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Auffindung neuer Wachstums-spielräume. An dieser für die Wachstumskritik brisanten Rolle von Rationalisierungsinvestitionen setzt ein Vorschlag des NAWU-Reports an, die arbeitsplatzvernichtenden Rationalisierungsinvestitionen (I) sukzessive durch einen neuen Typ von Rationalisierungsinvestitionen (II) zu ersetzen, die Energie, Rohstoffe und Umwelt einsparen und absolut und relativ mehr Arbeitseinsatz erfordern Dies setzt natürlich eine deutliche relative Verbilligung des Arbeitseinsatzes (z. B. über eine Neuverteilung der Lohnnebenkosten, Maschinen-steuer) und eine spürbare Erhöhung von Energie-und Rohstoffpreisen (z. B. über eine zweckgebundene Energie-und Rohstoffsteuer) voraus

Eine Abschwächung der Produktivitätsentwicklung würde sich freilich auch dann ergeben, wenn die einseitige Produktivitätsorientierung bei der Entwicklung neuer Technologien zugunsten eines Bündels von Kriterien relativiert werden würde, bei denen der Gedanke einer Humanisierung der Arbeitswelt im Vordergrund steht, freilich ergänzt um Kriterien der Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit sowie der Energie-, Rohstoff-und Umwelteinsparung. Es wäre illusionär anzunehmen, daß die Entwicklung und spätere Nutzung derartig „angepaßter" Technologien ohne Produktivitätsverluste — so wie sie üblicherweise gemessen werden — abgehen würde. Da in einer privat-dezentral organisierten Wirtschaft nicht von den Einzelunternehmen die spontane Entwicklung von Technologien, die zugunsten anderer Lebensqualitätsziele auf gewisse sonst erreichbare Produktivitätsvorteile verzichten, erwartet werden kann, sind staatliche Instanzen und Gewerkschaften gefordert. Der Staat hat die Möglichkeit, über seine Forschungsund Technologiepolitik, über die Auferlegung von Abgaben (z. B. Energie-, Rohstoff-und Umweltverbrauchssteuer) und die Festsetzung von Mindestnormen (im Umwelt-und Energiebereich, bei der Produkt-sicherheit und -nutzungsdauer, bei der Sicherheit der Arbeitsplätze, der Krankheitsträchtigkeit der Arbeitsumwelt) gezielten Einfluß auf eine differenzierte Technologieentwicklung zu nehmen. Die Gewerkschaften können im Rahmen ihrer Tarifverhandlungen die Gewichte stärker auf das Ziel der Humanisierung der Arbeitswelt, auf Mitbestimmung an den Entscheidungsprozessen über die konkrete Situation am Arbeitsplatz und des Gesamtunternehmens, auf Vermeidung von Qualifikationsverlusten durch Rationalisierungsmaßnahmen, auf mit unumgänglichen Rationalisierungen gekoppelte Weiterbildungsmöglichkeiten für Betroffene und auf Bereitstellung gleichwertiger neuer Arbeitsplätze bei rationalisierungsbedingten Arbeitsplatzverlusten legen. 7. Markt und Plan In der kapitalistischen Wirtschaftsgesellschaft ist der Markt auch Zielan sich. In einer Gesellschaft, die beginnt, sich langsam aus der ökonomischen Konditionierung zu lösen, hat der Markt ausschließlich den Charakter eines gesellschaftlichen Instruments, das dort eingesetzt wird, wo es bei der Erreichung bestimmter gesellschaftlicher (z. B. ökonomischer) Ziele anderen sozialen Abstimmungsmechanismen überlegen ist.

Die Gesellschaft hat zwei Möglichkeiten, um die Ergebnisse von Marktprozessen mit bestimmten gesellschaftlich sanktionierten Zielen in Einklang zu bringen, die beide auch schon im Ansatz praktiziert werden, aus der Sicht der Wachstumskritik jedoch dringend ausgebaut werden müßten.

Dies gilt sowohl für politisch bestimmte Normen, die von allen Unternehmen erfüllt werden müssen, seien es Normen im Hinblick auf den Umwelt-, Energie-und Rohstoffverbrauch, auf die Produktsicherheit, -qualität und -le-bensdauer, auf Sicherheit und Qualität der Arbeitsbedingungen etc. als auch für Reformen der Entscheidungsverhältnisse in den Unternehmen, die zu mehr Partizipation der Arbeitnehmer an den Entscheidungen führen.

Die Einbeziehung aller Beschäftigten in den Entscheidungsprozeß ermöglicht die Einbringung aller arbeitsbezogenen Bedürfnisse in den betrieblichen Abstimmungsprozeß. Damit ist tendenziell eine Schwächung der Wachstumsdynamik der Unternehmen verbunden, die ja nicht zuletzt auf der Subsumierung aller arbeitsbezogenen Bedürfnisse unter das kapitalbezogene Rentabilitätsziel beruht.

Fussnoten

Fußnoten

  1. 1967 und 1975 — die beiden einzigen Nachkriegsjahre, in denen das reale BSP (1967: — 0, 2%, 1975: — 1, 8%) rückläufig war — stieg die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik rascher als in allen anderen Jahren. Die Arbeitslosenquote (der Anteil der Arbeitslosen an den abhängigen Erwerbspersonen [abhängige Erwerbstätige + Arbeitslose]) verdreifachte sich von 1966 bis 1967 von 0, 7% auf 2, 1% und verdoppelte sich nahezu 1975 gegenüber 1974 von 2, 6% auf 4, 8%. S. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1980/81, Drucksache 9/17, o. O., 25. 11. 1980, S. 240 und 249.

  2. Vgl. hierzu z. B. die beiden lesenswerten Aufsätze „Investitionen und wirtschaftliches Wachstum" und „Wirtschaftliches Wachstum als Fetisch und Notwendigkeit“ in: E. Preisen Wirtschaftspolitik heute, München 1969, S. 117 ff. und 142 ff.

  3. C. Leipert, Unzulänglichkeiten des Sozialprodukts in seiner Eigenschaft als Wohlstandsmaß, Tübingen 1975; P. Walser, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Revision und Erweiterung, Göttingen 1975; A. Steiger, Sozialprodukt oder Wohlfahrt?, Diessenhofen 1979.

  4. Den Beginn der gesellschaftsweiten Auseinandersetzung über globale Wachstumsgrenzen, Nullwachstum, Gleichgewichtswirtschaft etc. markiert die Publikation des „Berichtes des Club of Rome zur Lage der Menschheit“: D. Meadows et al. Die Grenzen des Wachstums, Stuttgart 1972.

  5. Vgl. hierzu ausführlich: G. Zellentin zus. mit G. Nonnenmacher, Abschied vom Leviathan, ökologische Aufklärung über politische Alternativen, Hamburg 1979, S. 124 ff.

  6. Entropie kann als „Maß der nicht-verfügbaren Energie in einem thermodynamischen System', als das die Erde beschrieben werden kann, definiert werden. „Energie kommt in zwei qualitativen Zuständen vor — als verfügbare oder freie Energie, über die der Mensch fast uneingeschränkt gebietet, und nichtverfügbare oder gebundene Energie, die zu gebrauchen dem Menschen verwehrt ist. Die in einem Stück Kohle enthaltene Energie ist freie Energie, weil sie sich in Wärme oder ... in mechanische Arbeit verwandeln läßt Aber die phantastische Menge von Wärmeenergie, die beispielsweise im Wasser des Ozeans gefangen ist, ist gebundene Energie. Schiffe können über sie hinwegfahren, aber sie brauchen dazu freie Energie in Form von Brennstoff oder Wind.“ (N. Georgescu-Roegen, Was geschieht mit der Materie im Wirtschaftsprozeß?, in: Friends of the Earth und S. Lyons [Hrsg. ], Sonne. Eine Standortbestimmung für eine neue Energiepolitik, Frankfurt/M. 1979, S. 102.) In dem Maße, in dem verfügbare Energie (wie fossile Brennstoffe) im Wirtschaftsprozeß eingesetzt wird, nimmt der Vorrat an verfügbarer Energie, der prinzipiell begrenzt ist ab, die Menge an nichtverfügbarer, chaotisch zerstreuter Energie dagegen zu. Dieser Übergang der Energie von der verfügbaren in die nicht-verfügbare Form bedeutet damit eine Zunahme der Entropie.

  7. AC. Pigou, The Economics of Welfare, London 19624, S. 10 f. und S. 31.

  8. R. A Easterlin, Does Economic Growth Improve the Human Lot?, in: P. A David und M. W. Reder (eds.), Nations and Households in Economic Growth. Essays in Honor of Moses Abramovitz, New York 1974; T. Scitovsky, Psychologie des Wohlstands, Frankfurt/New York 1977, S. 121 ff.

  9. F. Hirsch, Die sozialen Grenzen des Wachstums, Reinbek bei Hamburg 1980.

  10. AH. Maslow, Motivation und Persönlichkeit, Olten und Freiburg i. Br. 1977, S. 74 ff.

  11. Vgl. hierzu die stimulierenden Ideen von O. Sik in: Humane Wirtschaftsdemokratie. Ein dritter Weg, Hamburg 1979.

  12. Vgl. hierzu grundlegend: K. Polanyi, Ökonomie und Gesellschaft, Frankfurt/M. 1979, besonders: Unser obsoletes marktwirtschaftliches Denken, S. 129— 148; K. G. Zinn, Die Selbstzerstörung der Wachstumsgesellschaft, Reinbek b. Hamburg 1980, S. 23 ff.

  13. Vgl. diverse Aufsätze in: K. Polanyi, Ökonomie und Gesellschaft, a. a. O., und M. Godelier, Rationalität und Irrationalität in der Ökonomie, Frankfurt/M. 1972.

  14. Diese Befürchtung hat Keynes schon in den dreißiger Jahren in seinem Aufsatz über die Zukunft unserer Enkelkinder in 100 Jahren geäußert.

  15. I. Illich, Die sogenannte Energiekrise oder die Lähmung der Gesellschaft. Das sozialkritische Quantum der Energie, Reinbek 1974.

  16. In der neoklassischen Wachstumstheorie dient der technische Fortschritt als Rest-(Residual-) größe bei der . Erklärung'des Wirtschaftswachstums. Der Teil des Produktionswachstums, der nicht auf den Zuwachs der eingesetzten Produktionsfaktormengen Arbeit und Kapital zurückgeführt werden kann, wird als vom technischen Fortschritt verursacht angesehen. Weil die Lücke in der . Erklärung'des Wirtschaftswachstums auf eine derart schematische und tautologisierende Weise geschlossen wird, wird der technische Fortschritt häufig als . catch all-Faktor bezeichnet, in den alle Einflußfaktoren des wirtschaftlichen Wachstums jenseits der Zunahme der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit hineingeworfen werden. Von einer theoretisch befriedigenden Durchdringung des technischen Wandels kann in der Neoklassik keine Rede sein. Der technische Fortschritt fungiert als Maß unseres Nicht-Wissens (measure of ignorance).

  17. Unter einem relativen Preis versteht man das Verhältnis zweier absoluter Preise zueinander. Wenn davon ausgegangen wird, daß der technische Fortschritt über die Vornahme von Investitionen in den Produktionsprozeß eingeschleust wird, dann hat der neoklassischen Produktionstheorie zufolge das Lohn-Zinssatz-Verhältnis einen Einfluß auf das Mengenverhältnis von Arbeit und Kapital und damit auch auf das Tempo der Diffusion des technischen Fortschritts im Produktionsprozeß. Steigt das Lohn-Zinssatz-Verhältnis, so verbilligt sich der Kapitaleinsatz relativ zum Einsatz von Arbeit. Das veranlaßt die gewinnmaximierenden Unternehmen der Theorie zufolge, relativ mehr Kapital und relativ weniger Arbeit einzusetzen, was zu einer rascheren Verbreitung technischer Fortschritte in der Produktion führt.

  18. Erinnert sei hier lediglich an die von potentiell betroffenen Interessengruppen betriebene Entschärfung des Entwurfs eines Abwasserabgabengesetzes, die in der Presse vielfach als . Verwässerung'des Abwasserabgabengesetzes apostrophiert wurde.

  19. G. Vobruba, Recht auf Arbeit? Wider die un-heilige Allianz der Profit-und Beschäftigungsmaxi-mierer, in: Technologie und Politik, H. 15 (1980), S. 126 ff.

  20. R. Inglehart, The Silent Revolution, Princeton 1977.

  21. A. H. Maslow, a. a. O.

  22. Beide Referate wurden auf dem Politologentag in Augsburg vom 29. 9. — 3. 10. 1979 über . Politologi-sehe Probleme reduzierten Wachstums" gehalten. Vgl. auch den Beitrag von Raschke in dieser Zeitschrift (B 36/1980); „Politik und Wertwandel in den westlichen Demokratien".

  23. Zitiert nach dem Manuskript, S. 1.

  24. Zum Entropiestaat vgl. Anmerkung 6. Unter Energieeinkommen ist die jährliche Energiezufuhr, die der Erde von der Sonne zufließt und hier verschiedene Formen annimmt, zu verstehen. Eine Gesellschaft, die vom Energieeinkommen lebt, tastet mithin die Bestände an nicht-reproduzierbaren Energiequellen (vor allem fossile Brennstoffe) nicht an.

  25. M. Jänicke, Wie das Industriesystem von seinen Mißständen profitiert, Opladen 1979.

  26. Konnte die Umwelt in den fünfziger Jahren noch weithin kostenlos von Haushalten, Unternehmen und staatlichen Institutionen genutzt werden, so müssen in den Industrieländern für die Erreichung des gleichen Ziels mittlerweile 2— 4% des BSP aufgewendet werden. Ebenda, S. 52.

  27. R Bahro, Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus, Frankfurt/M. 1977, S. 299 ff. und S. 476 ff.

  28. Beispielhaft seien genannt die sich rasch entwik-kelnde Umweltschutzindutrie, die Sicherheitsindustrie (Versicherungen, Alarmanlagen, Ausrüstungen für Polizei und andere Sicherheitskräfte, bestimmte Abteilungen in der staatlichen Verwaltung), expandierende Teile des Gesundheitssystems, kontrollierende und regulierende Sozialeinrichtungen (Ausbau psychiatrischer Dienste, Drogen-und Alkoholkrankenauffangstationen, Alten-und Jugendbetreuung, etc.).

  29. C. Leipert und U. E. Simonis, Alternativen wirtschaftlicher Entwicklung. Problembereiche, Ziele und Strategien, in: U. E. Simonis (Hrsg.), Ökonomie und Ökologie. Auswege aus einem Konflikt, Karlsruhe 1980, S. 119 ff.

  30. U. Völker (Hrsg.), Humanistische Psychologie. Ansätze einer lebensnahen Wissenschaft vom Menschen, Weinheim-Basel 1980; R. Jacoby, Soziale Amnesie. Eine Kritik der konformistischen Psychologie von Adler bis Laing, Frankfurt 1978.

  31. Apropos Individuum. Schon das Konzept des Individuums ist eine wertende Interpretation der Stellung des Menschen in der Gesellschaft. Es gibt Kulturen, in denen das Bedürfnis des westlichen Menschen, ein unverwechselbares, sich selbst verwirklichendes Individuum zu sein, nicht existiert.

  32. K. W. Kapp, Toward a Science of Man in Society. A Positive Approach to the Integration of Social Knowledge, Ilie Hague 1961; ders., Soziale Kosten der Marktwirtschaft, Frankfurt/M. 1979; ders., Nationalökonomie und rationaler Humanismus, in: Kyklos, Bd. 21 (1968), S. 1— 25; ders., In Defense of Institutional Economics, in: Swedish Journal of Economics, Vol. 70 (1968), S. 1— 18; ders., The Nature and Significance of Institutional Economics, in: Kyklos, Vol. 29 (1976), S. 209— 232.

  33. Ph. Ä. Klein. A Reconsideration of Holistic Economics, in: J. Adams (ed.), Institutional Economics. Contributions to the Development of Holistic Economics. Essays in Honor of AG. Gruchy, Boston u. a. 1980, S. 45 ff. Die Institutionalisten haben einen sehr weiten Begriff der Institution. Sie verstehen darunter nicht nur formell gefaßte Organisationen wie Unternehmen, Staat, Gewerkschaften und gesetzlieh oder auf andere Weise explizit und verbindlich fixierte Regelungen wie etwa die staatliche Ordnung des Wettbewerbsprozesses, die umweltpolitische Rahmensetzung oder das Vertragsrecht, sondern alle Einstellungs-und Verhaltensmuster, die sozio-kulturell und/oder politisch legitimiert sind und von daher einen relativ stabilen Charakter haben (z. B. gesellschaftliche Wertmuster, Verhaltensorientierungen wie starke Ausrichtung an ökonomischen Anreizen).

  34. A. G. Gruchy, Modern Economic Thought, New York 1947, S. 550 und 552.

  35. L. Robbins, An Essay on the Nature and Signifi-cance of Economic Science, London 1946.

  36. K. E. Boulding, Ökonomie als Moralwissenschaft, in: W. Vogt (Hrsg.), Seminar: Politische Ökonomie. Zur Kritik der herrschenden Nationalökonomie, Frankfurt/M. 1973, S. 103 ff.

  37. Vgl. z. B. SVR, Jahresgutachten 1978/79, Drucksache 8/2313 vom 23. 11. 1978, S. 182 ff.

  38. B. Teriet, Mit mehr Zeitsouveränität zu einer neuen Arbeitszeitpolitik, in: WSI-Mitteilungen H. 12 (1980), S. 712 ff.

  39. Vgl.den von J. Huber herausgegebenen Sammelband: Anders Arbeiten — Anders Wirtschaften. Dualwirtschaft: Nicht jede Arbeit muß ein Job sein, Frankfurt/M. 1979.

  40. C. und E. von Weizsäcker, Eigenarbeit in einer dualen Wirtschaft, in: J. Huber, (Hrsg.), a. a. O., S. 91 ff.

  41. H. C. Binswanger, W. Geissberger und T. Ginsburg (Hrsg.), Der NAWU-Report — Wege aus der Wohlstandsfalle, Frankfurt/M. 1978, S. 222 ff.

  42. Ein ständiger Zubau von Alten-und Pflegeheimen, die i. d. R. eine Entwurzelung der Insassen aus dem angestammten örtlichen und nachbarschaftlichen Milieu mit sich bringen und in denen Eigenaktivität und Selbstverantwortung verkümmern, ist keine menschlich-produktive Lösung des Alten-problems. Großorganisationen in der Psychiatrie haben u. U. mehr krankheitsverstärkende als heilende und aktivierende Wirkungen.

  43. Vgl. H. C. Binswanger, W. Geissberger und T. Ginsburg (Hrsg.), a. a. O„ S. 235.

  44. Vgl. hierzu auch C. Leipert und U. E. Simonis, Alternativen wirtschaftlicher Entwicklung. Problembereiche, Ziele und Strategien, in: U. E. Simonis (Hrsg.), Ökonomie und Ökologie. Auswege aus einem Konflikt Karlsruhe 1980, S. 141 ff.

  45. G. Adler-Karlsson, Gedanken zur Vollbeschäftigung, in: MittAB H. 4 (1978), S. 485 ff.

  46. Vertiefend hierzu: J. Strasser und K. Traube, Die Zukunft des Fortschritts. Der Sozialismus und die Krise des Industrialismus, Bonn 1981, S. 366 ff.

  47. H. C. Binswanger, W. Geissberger und T. Ginsburg (Hrsg.), a. a. O., S. 135 f.

  48. Die relativ stärkere Belastung des Faktors Arbeit gegenüber dem Faktor Kapital ergibt sich aus der Mehrwertsteuer, die die Wertschöpfung durch die Arbeit, aber nicht die Investitionen besteuert, und aus den Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung und anderen Lohnnebenkosten. Eine Reduktion der Besteuerung der Arbeit mit dem Ziel der Stimulierung arbeitsintensiver Produktion könnte beispielsweise durch eine kompensierende Energie-(und/oder Rohstoff-) besteuerung finanziert werden. S. hierzu: H. C. Binswanger, W. Geissberger und T. Ginsburg (Hrsg.), a. a. O., S. 141. Vgl. auch den Vorschlag zur Reform des Steuersystems von G. Luther, Ein Schaltungsfehler unseres Steuersystems, in: J. Harms, C. Leipert und Ph. Sonntag (Hrsg.), Alternative Ökonomie und ökonomische Theorie, Frankfurt/M. 1980, S. 73 ff.

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Christian Leipert, Dr. rer. pol., Dipl. Volkswirt, geb. 1944; Studium an der Universität Hamburg und an der FU Berlin; Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Augsburg. Veröffentlichungen u. a.: Unzulänglichkeiten des Sozialprodukts in seiner Eigenschaft als Wohlstandsmaß, Tübingen 1975; Gesellschaftliche Berichterstattung. Eine Einführung in Theorie und Praxis sozialer Indikatoren, Berlin u. a. 1978; Alternative Wege künftiger Wirtschaftspolitik, in: Technologie und Politik, Heft 12 (1978); gemeinsam mit U. E. Simonis: Alternativen wirtschaftlicher Entwicklung. Problembereiche, Ziele und Strategien, in: Ökonomie und Ökologie, Karlsruhe 1980; gemeinsam mit J. Harms und Ph. Sonntag Hrsg, von „Alternative Ökonomie und ökonomische Theorie", Frankfurt 1980.