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Advent in Ouagadougou <fussnote> Katholischer Erzbischofssitz, Hauptstadt von Obervolta, Westafrika. </fussnote> | APuZ 49/1981 | bpb.de

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APuZ 49/1981 Der Nikolaus und die politische Bildung Sind Frauen die besseren Weihnachtsmänner? Aufsehenerregende Ergebnisse eines neuen Modellprogramms Weg mit dem „Schwarzen Pitt"! Der heilige Nikolaus und die katholische Soziallehre Der Nikolaus aus liberaler Sicht Advent in Ouagadougou Katholischer Erzbischofssitz, Hauptstadt von Obervolta, Westafrika. Der Nikolaus und der Dialog mit der Jugend Neuere Probleme bei der Erforschung des Dualen in der beruflichen Bildung Rute in den Sack. Der Nikolaus und die Friedenserziehung Diese Woche im Bundestag:

Advent in Ouagadougou <fussnote> Katholischer Erzbischofssitz, Hauptstadt von Obervolta, Westafrika. </fussnote>

C. M.

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Zusammenfassung

Eine diplomatische Adventsfeierlichkeit mit beinahe keinen Zwischenfällen wird zum Anlaß genommen, um — in der Form flexibel, in der Sache unmißverständlich — die deutsche Außenpolitik auch im fernen Westafrika angemessen darzustellen und zu repräsentieren.

An der Stelle, wo Attache Denkmann die Himmlischen Heerscharen mimend, „Friede auf Erden allen Menschen, die guten Willens sind" deklamierte, unterbrach ein Zwischenruf die diplomatische Adventsfeier:

Abbildung 3

„So ein Quatsch, Mann! Denken Sie doch mal realistisch!"

Attache Denkmann, verblüfft, erinnerte sich seines Auftrags, den Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland zu den großen Gegenwartsproblemen jederzeit zu verdeutlichen, streifte das milde Lächeln der „Himmlischen Heerscharen" ab und versuchte eine Neuformulierung:

„Friede als Ergebnis eines ungefähren militärischen Kräftegleichgewichts in allen Regionen der Erde, einschließlich des Weltraums, auf der Grundlage der Dialogbereitschaft und überprüfbarer vertrauensbildender Maßnahmen. "

Trotz des sich nunmehr ausbreitenden wohlwollenden Gesichtsausdrucks aller Anwesenden erwog Attache Denkmann in Sekundenschnelle, ob die Anfügung einer Berlin-Klausel nicht opportun gewesen wäre. Diese Überlegungen wurden jedoch durch eine neue sich anbahnende diplomatische Komplikation verdrängt. Der Chor der Konsulatssekretäre sang nämlich — inbrünstig! — „Tochter Zion, freue Dich", ein im Lichte der Zehner-Erklärung von Venedig recht delikates Lied. Verwicklungen konnte jedoch dadurch vorgebeugt werden, daß Legationssekretär Dr. Spender gezielt einige von der deutschen Textilindustrie gestiftete rot-weiß-karierte Schultertücher verteilte und sich dadurch in ausgewogener Form als Knecht Ruprecht einführte. Attache Denkmann nutzte die Chance, sich seiner Rolle zu entledigen und verschwand unauffällig hinter der aus Plakaten des Heidelberger Schlosses und einer Mosellandschaft bestehenden Kulisse, wo er melancholisch an die schlicht-festliche Unschuld seiner Familie in Freiburg dachte, für die „Frieden" nichts als „Frieden" und „guter Wille" nichts als ein moralisches Gebot bedeutet.

Knecht Ruprecht verteilte unterdessen Nettes:

Toastapparate, Kuckucksuhren, Pudelmützen und als Hauptgeschenk (an den Präsidenten der Entwicklungsbank) ein volltransistoriertes Vierwellen-Radio, dessen Nutzen sich allerdings derzulande auf den Kurzwellenbereich beschränkt. Der Weihnachtsmann (Legationsrat Erster Klasse von Schlummer) machte bei jeder Geschenkübergabe treffende Bemerkungen:

zwei Scheiben Toastbrot in die passenden Schlitze schiebend pries er den Toastapparat als Symbol des Ost-West-Dialogs („der uns sehr am Herzen liegt, auch wenn da einiges verbrennen kann“); die Kuckucksuhren lobte er als sinnfälligen Beweis dafür, daß in Deutschland Technik und Kunstsinn untrennbar sind; mit der Pudelmütze auf dem Kopf demonstrierte er, daß die Zeit des deutschen „Ohne-Michels" endgültig vorbei sei und flocht gleichzeitig einige wohlwollende Bemerkungen über den deutschen Wintertourismus ein. Knecht Ruprecht machte rollengemäß ein strenges Gesicht, das seinen tieferen Grund jedoch darin hatte, daß ihm (mit Rücksicht auf „einen wichtigen Verbündeten") ein Redeentwurf zusammengestrichen worden war, in dem er Parallelen zwischen dem Weihnachtsmann, Cancün und dem notwendigen Ressourcentransfer hatte herstellen wollen. So zog sich auch Knecht Ruprecht nach getaner Mildtätigkeit hinter die Bühne zurück, wo er melancholisch an die wissenschaftliche Unschuld der entwicklungspolitischen Vorträge dachte, die ihm als Attache während der Ausbildung in der Aus-und Fortbildungsstätte des Auswärtigen Amts gehalten worden waren. Am besten gefiel es dem Weihnachtsmann. Im Kopfe entwarf er einen zufriedenen Bericht über die in der Form flexible und in der Sache unmißverständliche Darstellung der deutschen Außenpolitik „anläßlich einer diplomatischen Adventsfeierlichkeit, die hochkarätig wahrgenommen worden ist." Am. Adventsbuffet glänzte er mit einer lückenlosen Aufzählung der Whereabouts sämtlicher früherer deutscher Weihnachtsmänner („zuletzt trafich ihn auf dem Flughafen von Quito") und gab „unter uns" zu verstehen, daß nach seiner Meinung die stabilisierende Rolle von Weih25 nachtsgeschenken „nicht immer richtig gesehen" werde, dies gelte auch für Rüstungsexporte. Attache Denkmann und Legationssekretär Dr. Spender sinnierten über die verlorene Un-schuld und steckten den Buffetkellnern symbolisch je einen ganzen westfälischen Schinken zu. Ob sie „später alles anders machen" oder „einfach neu anfangen " wollten, das konnten sie noch nicht sagen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Personen und Begebenheiten des folgenden Beitrags sind ebenso frei erfunden wie der Weihnachtsmann, Knecht Ruprecht und die Himmlischen Heerscharen selbst. Nur der Verfasser ist ein leibhaftiger Nachwuchs-Bediensteter des Auswärtigen Amts.

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