Strukturwandel am Arbeitsmarkt. Analyse und Vorausschau
Ulrich Brasche
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Zusammenfassung
Verlangsamtes Wirtschaftswachstum und verschärfte Arbeitsmarktprobleme haben die Aufmerksamkeit auf Strukturprobleme am Arbeitsmarkt gelenkt. Arbeitskräfteangebot und -nachfrage auf den einzelnen berufsfachlichen Teilarbeitsmärkten haben sich im vergangenen Jahrzehnt sehr unterschiedlich entwickelt. Der Strukturwandel mit seiner Verschiebung der Beschäftigungsschwerpunkte zu den Dienstleistungsberuferi hat dabei die Zahl der „Frauenarbeitsplätze" per Saldo weniger stark verringert als die der Männer. Zur Einschätzung der Beschäftigungsaussichten in einzelnen Berufen werden die Arbeits-marktpositionen ermittelt. Rund 40v. H. aller Erwerbstätigen waren 1982 in Berufen mit günstiger Arbeitsmarktposition tätig; dies waren überwiegend Dienstleistungsberufe. Fast die Hälfte aller Erwerbstätigen arbeitete allerdings in Berufen mit kritischer oder gar ungünstiger Arbeitsmarktposition. Hier zeigen sich auch häufig verschlechterte Erwerbs-chancen für ausgebildete Jugendliche, die bei hohem Überangebot an Arbeitskräften vor einer „geschlossenen Gesellschaft" stehen. Diese Vergangenheitstrends können nicht in die Zukunft verlängert werden. Es besteht ein Mißverhältnis zwischen dem Bedarf an Zukunftsaussagen über einzelne Berufe und der Möglichkeit, solche Prognosen mit vertretbarer Zuverlässigkeit auszustatten. Dennoch können Teilaspekte, die sich auf die künftigen Beschäftigungsaussichten auswirken, erfaßt werden. Dazu werden unter vereinfachenden Annahmen das künftige Neuangebot sowie die altersbedingten Abgänge aus dem Erwerbsleben differenziert nach Berufen berechnet. Die Gegenüberstellung der beiden Größen in einem Saldo ist nicht als Prognose von Überschuß oder Mangel zu interpretieren; vielmehr zeigt der Saldo an, in welchen Berufen und in welcher Größenordnung sich ein Bedarf zur Anpassung von Angebot und Nachfrage ergibt. Zusammenfassend ist zu sagen, daß vor dem Hintergrund anhaltend hoher Arbeitslosigkeit sich gerade bei denjenigen Berufen die Ungleichgewichte zu verschärfen drohen, für die verstärkt ausgebildet wurde. Es ist zu befürchten, daß bei künftigen Verteilungskämpfen um knappe Erwerbschancen die Schwächeren abgedrängt werden. Die Teilung der Erwerbsgesellschaft in einen „vollbeschäftigten" Bereich und einen „Randbereich" mit kurzfristiger, meist unterwertiger Beschäftigung sowie kumulativen Arbeitsmarktrisiken mit geringem Lebensstandard wird sich dann verfestigen.
I. Strukturwandel und -prognosen
1. Warum Strukturuntersuchungen?
Abbildung 15
Tabelle 3: Angebotsdruck Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
Tabelle 3: Angebotsdruck Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
Fragen nach dem wirtschaftlichen Struktur-wandel und seinen Auswirkungen sind in den letzten Jahren in den Vordergrund wirtschaftswissenschaftlicher und -politischer Diskussion gerückt. Strukturwandel ist jedoch kein neues Phänomen — er begleitet die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung, die ja niemals alle Bereiche gleichmäßig betrifft, d. h. niemals strukturneutral abläuft. Die ungeheuren Umwälzungen der Produktion und des Arbeitskräfteeinsatzes konnten noch bis an den Anfang der siebziger Jahre relativ reibungslos vollzogen werden. Der Verlust an Arbeitsplätzen wurde durch die Expansion in anderen Sektoren aufgefangen; Mobilität und Fluktuation — bis hin zur Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte — ermöglichten die Anpassung an die Erfordernisse einer wachsenden Wirtschaft. Mit dem Ende der Expansionsphase führten Umstrukturierungen jedoch zunehmend zu Arbeitsmarktproblemen, die mit dem Etikett „strukturell" versehen wurden. 2. Möglichkeiten und Grenzen Zu einzelnen Aspekten dieses immer noch diffusen Begriffs „Strukturwandel" liegen zahlreiche Untersuchungen vor; eine Theorie des Strukturwandels oder der Wirkungszusammenhänge der einzelnen Strukturdimensionen wurde jedoch noch nicht erarbeitet. Untersuchungen des Strukturwandels sind daher überwiegend deskriptiv angelegt.
Abbildung 16
Tabelle 4: Kritische Arbeitsmarktsituation Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
Tabelle 4: Kritische Arbeitsmarktsituation Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
Zu den Einflußgrößen des Strukturwandels zählen Veränderungen in der Struktur der Güternachfrage, die z. B. durch Sättigungstendenzen in spezifischen Nachfragebereichen, neue Produkte, veränderte internationale Wettbewerbsverhältnisse und die Entwicklung des Welthandels, neue Produktionstechniken und -organisationsformen oder auch durch die demographisch bedingte Änderung der Nachfragestruktur beeinflußt wird. Auch exogene, nicht unmittelbar beeinflußbare Größen wie z. B. die Bevölkerungsentwicklung oder die Steigerung des Energiepreis-B niveaus lösen Strukturveränderungen aus. Ebenso prägen Verhaltensgrößen wie Erwerbs-und Bildungsbeteiligung sowie Wanderungen von Ausländern die Struktur des potentiellen Arbeitskräfteangebots. Resultat und Ausprägung des Strukturwandels im Beschäftigungssystem zeigen sich z. B. in der Veränderung der Beschäftigung in einzelnen Branchen. Der Niedergang ehemaliger Schlüsselindustrien (u. a. Kohle, Stahl, Werften, Textil) und die gleichzeitige Verstärkung in anderen Bereichen (u. a. Dienstleistungen, Maschinenbau) signalisieren diese Entwicklung. Welche dieser Größen den Strukturwandel bestimmen, welche vom Strukturwandel bestimmt werden und welcher Art und Intensität die Wechselbeziehungen sind, kann allenfalls für Teilbereiche festgestellt werden. Bei solchen Untersuchungen wird allein schon durch die Wahl der Strukturdimensionen die Problemsicht und damit auch die Palette der Lösungsvorschläge vorgeprägt. So wird z. B. das Strukturierungsmerkmal Region eine regional unterschiedliche Strukturentwicklung konstatieren, Problemregionen identifizieren und regionalpolitisch orientierte Politikvorschläge nahelegen. Eine Unterscheidung des Arbeitsmarktes nach Qualifikationen wird Disparitäten in den Strukturen von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage nachweisen und somit zur Forderung arbeitsmarkt-und bildungspolitischer Maßnahmen führen. Ähnliches gilt für andere Größen wie z. B. Lohn-struktur und Branchenstruktur. Neben der Auswahl der Strukturdimension wird auch durch das Meßkonzept das Untersuchungsfeld eingeengt.
Abbildung 17
Tabelle 5: Ungünstige Arbeitsmarktposition Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
Tabelle 5: Ungünstige Arbeitsmarktposition Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
Gewöhnlich wird die Struktur einer Größe als das Verhältnis der Teile zum Ganzen definiert. Die Berufsstruktur der Erwerbstätigen z. B. ist die Verteilung der Erwerbstätigen auf ein vorgegebenes Raster von Berufen. Strukturwandel wird dann im Vergleich der Verteilung zu zwei Zeitpunkten dargestellt. Diese Betrachtungsweise stellt auf das Resultat von Veränderungen, wie es sich aus Bestands^eigleichen zu Zeitpunkten ergibt, ab. Dabei wird der Prozeß zwischen den beiden Vergleichszeitpunkten, der diesen Strukturveränderungen zugrunde liegt, nicht erfaßt. Dieser Prozeß kann sich auf vielfältige Weise vollziehen. So wird die Berufsstruktur z. B. intergenerativ, durch Unterschiede in den Neuzugängen zum und den Abgängen aus dem Erwerbsprozeß, durch Wechsel des Berufs oder durch Personalpolitik beeinflußt. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, daß der Prozeß wesentlich intensiver ablaufen kann, als es die vergleichsweise geringen Strukturverschiebungen der Bestände an den Vergleichszeitpunkten erkennen lassen. Ein markantes Beispiel dafür sind die Zahlen der Arbeitsplatzwechsel, die mit jährlich über 10 Millionen in den Bestandsdifferenzen nur in verschwindendem Umfang abgebildet werden.
Selbst wenn es gelänge, für die Vergangenheit die Prozesse und die ihnen zugrunde liegenden Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu einem Verlaufsmuster des Strukturwandels zusammenzuführen, bliebe die Frage nach der künftigen Entwicklung offen. Die Unwägbarkeiten und Schwierigkeiten langfristiger Vorausschätzungen stellen sich bei Strukturprognosen in besonderem Maße ein. An dieser Stelle soll nicht auf die Unterschiede in einzelnen Voraussagetechniken eingegangen werden. Bei allen formalen und methodischen Unterschieden bleibt diesen Prognosetechniken gemeinsam, daß die Phantasie und das Vorstellungsvermögen des Prognostikers sowie gegebenenfalls die vorab festgelegten Rahmenbedingungen die Bandbreite möglicher Ergebnisse vorprägen. Eine „PrognosePhilosophie“, die sich künftige Welten vorrangig als eine Fortschreibung der Vergangenheit vorstellt, ist gescheitert. Heute wird vielmehr ein Prognose-Dilemma (Borchardt) deutlich: In Zeiten relativ stabiler, kontinuierlicher Entwicklungen kann eine Prognose als Fortschreibung eine hohe Akzeptanz und gute Trefferwahrscheinlichkeit aufweisen — ist aber deshalb auch trivialerweise kaum gefragt. In Zeiten, die von Strukturbrüchen und Diskontinuitäten geprägt sind, steigt der gesellschaftliche Bedarf an zutreffenden Zukunftsaussagen, gleichzeitig aber verliert die Vergangenheitsentwicklung ihre Funktion als Basis.
Prognosen über längere Zeiträume gediehen vor allem in einer politischen Landschaft, in der von der Steuerbarkeit und Beherrschbarkeit einer „gleichgewichtigen" gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung ausgegangen wurde. Dem Staat als Handlungsträger nicht nur einer Globalsteuerung, sondern auch einer langfristigen Infrastruktur-, Bildungs-und Arbeitskräftepolitik wurde die Aufgabe zugewiesen, einen reibungslosen wirtschaftlichen Wachstumsprozeß zu flankieren und die nicht vom Markt erbrachten „öffentlichen Güter" anzubieten. Gesetze wie das Stabilitäts-und Wachstumsgesetz sowie das Arbeitsförderungsgesetz, Planungsansätze im Bildungswesen wie der Bildungsgesamtplan sind diesem Politikverständnis zuzuordnen. Mit dem Ende der Wachstumsphase können Ungleichgewichte nicht mehr als lästige, aber beherrschbare Ausnahmesituation angesehen werden. Der zunehmende Problemdruck mit seinen Auswirkungen auf die Handlungsspielräume des Staates hat zu einer Verunsicherung über die Richtungen und grundsätzlichen Möglichkeiten längerfristig angelegter Wirtschaftspolitik geführt. Dies und auch die Kritik an bisherigen Langfristprognosen hat die prognostischen Aktivitäten erheblich reduziert. Den großen Planungsansätzen folgte die Orientierung an den im Moment brennendsten Fragen — „Durchwursteln" anstelle vorausschauender Politik.
Unter den Voraussagen, die die künftige Welt in Zahlen gefaßt haben, sind die Vorausschätzungen der langfristigen Energiebedarfsentwicklung, des Bedarfs an Verkehrsinfrastrukturen und des Arbeitskräftebedarfs populär geworden. Diese Prognosen sind ein Beispiel für die Instabilität langfristiger Trends und. die geringen Möglichkeiten, Strukturbrüche oder auch nur Trendveränderungen mit der notwendigen Zuverlässigkeit vorauszusehen. Aber auch die Vorausschätzung der Nachfrage nach Arbeitskräften ist mit hohen Unsicherheiten behaftet. Voraussetzung sind — ebenfalls unsichere — Prognosen des wirtschaftlichen Wachstums, der Produktivitätsentwicklung, der Erwerbsbeteiligung, des Wanderungsverhaltens sowie des Verhaltens des Staates.
Noch Mitte der siebziger Jahre wurde wieder beschleunigtes Wirtschaftswachstum und nachlassender Angebotsdruck („Pillenknick") und daraus eine quasi-automatische Lösung des globalen Arbeitsmarktungleichgewichts für das Jahr 1985 prognostiziert. Danach sollte sich das Überangebot sogar in einen erneuten Mangel an Arbeitskräften verwandeln. Der Hoffnungshorizont mußte dann, nachdem die Schere zwischen steigendem Neuangebot und stagnierender oder gar sinkender Nachfrage sich immer weiter öffnete, in rascher Folge weiter in die Zukunft verschoben werden; er ist mittlerweile hinter dem Horizont der Jahrtausendwende verschwunden. Die Lebensdauer von „Langfristprognosen" ist oft kaum länger als die von Konjunkturprognosen. Unsicherer noch als die Prognose des gesamten Arbeitskräftebedarfs sind Prognosen für einzelne Struktursegmente des Arbeitsmarktes. So haben sich Vorausschätzungen z. B. für Lehrer oder Ingenieure einen zweifelhaften Ruf erworben, da sie — das „Vorzeichen“ mehrfach wechselnd — Anpassungsreaktionen bei der Studienfachwahl hervorgerufen haben, die sich allzu bald als verfehlt erwiesen. Bei Ausbildungsentscheidungen und -Investitionen erstreckt sich der Planungshorizont über 20 Jahre. Rechnet man zwischen drei und zehn Jahren für die Ausbildung sowie noch ein halbes Berufsleben, in dem das Erlernte eingesetzt werden woll, so wird die Diskrepanz zwischen dem Bedarf an quantifizierten Prognosen und den geringen Möglichkeiten, sie zu erstellen, besonders deutlich.
Diese wenigen Anmerkungen zu den Möglichkeiten und Grenzen von Strukturanalyse und -prognose können die Vielzahl der theoretischen, methodischen und statistischen Einschränkungen nicht wiedergeben. Sie sol. len vielmehr den Leser zu einer vorsichtigen und kritischen Rezeption der folgenden Ausführungen auffordern. Im folgenden wird Strukturwandel wie eine „black box“ aufgefaßt, aus der heraus Wirkungen auf die Strukturen von Beschäftigung und Arbeitsmarkt ausgehen. Die Strukturverschiebungen der letzten zehn Jahre werden dargestellt, auf stabile Entwicklungsmuster hin untersucht und mit der aktuellen Arbeitsmarktlage konfrontiert. Daran anschließend werden plausibe Überlegungen darüber angestellt, ob die in der Vergangenheit beobachteten Tendenzen auch künftig stabil sein könnten. Dabei sollen auch bereits heute absehbare Tendenzen und Einflußgrößen, die auf die künftige Struktur von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage einwirken könnten, einbezogen werden.
II. Langfristige Strukturentwicklungen im Beschäftigungssystem
Abbildung 13
Arbeitsmarktpositionen von Berufen
Arbeitsmarktpositionen von Berufen
Zur Darstellung der Strukturentwicklung im Beschäftigungssystem können unterschiedliche Kategorien — wie Branche, Produkt und Beruf — herangezogen werden. Hier wird als Strukturdimension der Beruf verwendet. In dieser Kategorie mischen sich vielfältige Elemente des Ausbildungs-und Erwerbslebens (z. B. Qualifikation, Ausbildungsabschluß oder/und -niveau, ausgeübte Tätigkeit, sozialer Status). Bildungswesen und Erwerbssystem orientieren sich überwiegend am Beruf („Verberuflichung") als beschreibende und statusdifferenzierende Kategorie. Ein Vorteil z. B. gegenüber einer produktbezogenen Gliederung nach Branchen liegt in dem Personen-und Tätigkeitsbezug, da das Arbeitsmarktgeschehen zwar durch eine Vielfalt an Wechselbeziehungen beeinflußt wird, letztlich aber über Personen vermittelt und Personen betreffend abläuft und von Personen bewältigt werden muß. Außerdem zwingt die Datenlage für Analysen des Strukturwandels am Arbeitsmarkt — trotz aller Kritik an der mangelhaften Trennschärfe des Begriffs — zum Rückgriff auf den Beruf. Bei der Untersuchung wird die Berufssystematik des Statistischen Bundesamtes herangezogen. Die Erwerbstätigen werden fünf Berufsbereichen zugewiesen, die sich wiederum in 86 Berufsgruppen aufgliedern lassen.
Als Vergleichsjahre werden 1973 und 1982 gewählt. Dies sind Jahre, für die aus dem Mikrozensus Berufsdaten vorliegen. Zu berücksichtigen ist, daß der Mikrozensus für die Erwerbstätigkeit insgesamt ein überhöhtes Niveau ausweist. Es dürfte'sich in der Größenordnung von 0, 5 bis 1, 0 Million bewegen. Dies ist auf die Methoden der Erhebung und Hochrechnung zurückzuführen. Hier macht sich das Fehlen einer korrigierenden Vollerhebung, wie sie in der Volks-und Berufszählung vorgenommen wird, besonders störend bemerkbar. über die Verteilung dieser Niveau. Überhöhung auf die Berufsstrukturen ist nichts bekannt; sie kann daher auch nicht berücksichtigt werden. Für die Interpretation der vorliegenden Resultate heißt das, daß der Beschäftigungsrückgang im Untersuchungszeitraum stärker ausgefallen ist, als die Daten es ausweisen.
Die Trennung von Konjunktur-und Struktur-effekten bei der Beschäftigungsentwicklung ist nur hypothetisch möglich. Die Vergleichs-jahre sind unterschiedlichen konjunkturellen Situationen zuzuordnen: 1973 war der Beschäftigungsstand hoch, Arbeitslosigkeit verschwindend gering, 1982 dagegen war geprägt von rückläufiger Beschäftigung und ansteigender Arbeitslosigkeit. Das Vergleichsjahr 1982 wird aus Aktualitätsgründen dennoch dem Jahr 1980 vorgezogen. In die vorgefundenen Beschäftigungsentwicklungen gehen also auch konjunkturelle Einflüsse ein. Sie überzeichnen daher in den Berufen mit größerer Konjunkturreagibilität die Strukturverschiebungen etwas. Vergleichsrechnungen mit dem Jahr 1980, das sich konjunkturell eher mit dem Jahr 1973 vergleichen läßt, haben allerdings ergeben, daß der Konjunktureinfluß das Grundmuster der Strukturveränderungen unberührt läßt.
Im folgenden werden zuerst die Grundzüge des Strukturwandels der Beschäftigung in der Zusammenfassung zu fünf Berufsbereichen dargestellt. Anschließend wird das Konzept differenziert indem — die Betrachtung auf eine Auswahl von 86 Berufen disaggregiert wird und — weitere Indikatoren zur Identifikation der Arbeitsmarktpositionen" der Berufe herangezogen werden.
Faßt man die Vielzahl der unterschiedlichen Berufe zu fünf großen Berufsgruppen zusammen, so fallen zwei Strukturverschiebungen der Beschäftigung zwischen 1973 und 1982 besonders auf (vgl. auch Tabelle 1):
— Die Zahl der Beschäftigten in den land-und forstwirtschaftlichen sowie den Fertigungsberufen hat weiter stark abgenommen, während in den technischen und den Dienstleistungsberufen erheblich mehr Personen beschäftigt waren. Diese Beschäftigungsumschichtung war per Saldo von einem Arbeitsplatzabbau begleitet.
— Im Verlauf des Berufsstrukturwandels sind zwar auch bei den weiblichen Erwerbstätigen in erheblichem Umfang Arbeitsplätze in* Berufen des primären und sekundären Sektors weggefallen, aber die Expansion in den Dienstleistungsberufen erfolgte überwiegend in „Frauenberufen", so daß sich für die weiblichen Erwerbstätigen per Saldo nur ein geringfügiger Beschäftigungsabbau ergibt. 1. Die Entwicklung in einzelnen berufsfachlichen Teilarbeitsmärkten Die geschilderten Veränderungen der Berufs-struktur des Arbeitskräfteeinsatzes haben sich auf den einzelnen berufsfachlichen Teil-arbeitsmärkten unterschiedlich ausgeprägt. Bei der Betrachtung der Strukturverschiebungen steht die Frage nach den Beschäftigungschancen, d. h. Angebot und Nachfrage sowie deren Resultante, im Vordergrund. Für jeden Beruf werden Indikatoren berechnet, in die die Beschäftigungsentwicklung zwischen 1973 und 1982 sowie die aktuelle Arbeitsmarktlage des Berufes im Jahre 1983 eingehen. Sie beschreiben die Arbeitsmarktposition eines Berufes. Anschließend werden Berufe mit gleicher Arbeitsmarktposition zu Gruppen zusammengefaßt.
Der erste Indikator ist die Veränderung des Berufsgewichts, das sich aus dem Anteil der Erwerbstätigen in einem Beruf an allen Erwerbstätigen ergibt. Ein steigendes Berufsgewicht bedeutet also, daß 1982 mehr Personen im Beruf tätig waren als 1973. Damit der Lehrlingsboom der letzten Jahre nicht zu einer Strukturverzerrung führen kann — Lehrlinge werden statistisch als Erwerbstätige erfaßt —, wird die Beschäftigungsentwicklung ohne Lehrlinge untersucht; Datenbasis ist der Mikrozensus. In der Zahl der Erwerbstätigen wird die realisierte Nachfrage nach Arbeitskräften und gleichzeitig das realisierte Angebot ausge-drückt. Dieser Indikator beschreibt allerdings nur einen Ausschnitt des Arbeitsmarktgeschehens. Ungleichgewichte von Angebot und/oder Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt werden — wenn auch mit z. T. nur geringer Präzision — durch die Zahl der Arbeitslosen angezeigt. Sie enthält die Resultante von Angebots-und Nachfragekomponenten, d. h. sowohl Personen aus dem Beschäftigungssystem als auch solche, die erstmals Arbeit nachfragen. Die Zahl der Arbeitslosen im September 1982 wird mit der Zahl der Erwerbspersonen (das sind Erwerbstätige plus Arbeitslose) gewichtet; diese Relation entspricht ungefähr der von der Bundesanstalt für Arbeit berechneten Arbeitslosenquote.
Da hier vor allem strukturelle Ungleichgewichte untersucht werden sollen, wird als zweiter Indikator die relative Arbeitslosigkeit in den einzelnen Berufen herangezogen. Sie gibt die Abweichung der berufsspezifischen von der durchschnittlichen Arbeitslosenquote wieder. Zu beachten ist dabei, daß eine unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote nicht etwa Gleichgewicht oder Vollbeschäftigung in diesem Beruf bedeuten muß, sondern in der Regel nur eine gegenüber dem allgemeinen Arbeitsmarktungleichgewicht günstigere Situation bezeichnet.
Das Jahr 1982 wurde als Endpunkt des Vergleichs gewählt, weil keine aktuelleren Vergleichsdaten zur Erwerbstätigkeit nach Berufen vorliegen. Die Arbeitslosenstatistik jedoch macht auch Daten für den September 1983 verfügbar. Da zwischen 1982 und 1983 die Arbeitslosigkeit nochmals kräftig angestiegen ist, wird ergänzend der berufsspezifische Anstieg untersucht, um erste Anhaltspunkte für die Stabilität der ermittelten Arbeitsmarktpositionen zu gewinnen.
Aus diesen Indikatoren lassen sich vier Arbeitsmarktpositionen unterscheiden (vgl. Tableau), denen dann die Berufe zugeordnet werden.
Zu beachten ist dabei, daß die Zuordnung nach formalen Kriterien erfolgt und die Grenze zwischen den Gruppen nicht immer scharf gezogen werden kann. Die Berufe, die den einzelnen Gruppen zugewiesen wurden, werden in den Übersichten benannt. Um ihr Gewicht im Rahmen der Gesamtbeschäftigung zu kennzeichnen, werden die Zahl der Erwerbstätigen und das Berufsgewicht ausgewiesen. Die anderen umfangreichen Zahlen-werke, die zur Analyse beigetragen haben, können hier nicht wiedergegeben werden. Die wichtigsten Befunde werden im Text vorgestellt. Einige Berufe, die in Klammern auf-geführt werden, werden unter Vorbehalt in die Zuordnung einbezogen; Erläuterungen dazu im Text.
Eine günstige Arbeitsmarktposition wurde solchen Berufen zugewiesen, in denen im Untersuchungszeitraum das Berufsgewicht angestiegen und gleichzeitig die Arbeitslosenquote 1982 unterdurchschnittlich war. Vier von zehn Erwerbstätigen waren 1982 dieser Gruppe zuzuordnen. Mit wenigen Ausnahmen handelt es sich hier um Dienstleistungsberufe. Auch fast alle der typischen . Akademikerberufe''gehören in diese Gruppe.
Dominierend sind die Büroberufe, denen mittlerweile jeder siebte Erwerbstätige angehört. Die Zunahme um fast 9 v. H. geht sowohl auf die Verstärkung von Verwaltungsfunktionen in der Privatwirtschaft — man kann von einer „Tertiarisierung des sekundären Sektors" sprechen — als auch auf die Ausweitung der Staatstätigkeit zurück. Das Qualifikationsniveau hat sich durch die überproportionale Einstellung von Bürofachkräften erhöht Die Arbeitslosenquote lag 1982 mit 4, 8 v. H. zwar nicht auf Vollbeschäftigungsniveau, aber doch deutlich unter dem Durchschnitt. Im folgenden Jahr blieben diese Berufe beim nochmaligen Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht ausgespart, das insgesamt vergleichsweise günstige Bild blieb jedoch erhalten. Im Untersuchungszeitraum ist offenbar durch die Einführung von Rationalisierungstechniken im Büro allenfalls ein noch stärkerer Anstieg der Beschäftigung verhindert worden. Die beobachtete Ausweitung von Verwaltungstätigkeiten mit gehobenen Qualifikationsanforderungen findet ihre Entsprechung auch in der gestiegenen Anzahl leitender Angestellter und Organisatoren. Allerdings werden dieser Berufskategorie auch eine Vielzahl unterschiedlicher selbständiger Tätigkeiten zugeordnet, so daß wegen der Heterogenität dieser Kategorie keine weitere Auswertung möglich ist.
Die Bank-und Versicherungskaufleute haben stark an der Expansion privater und staatlicher Versicherungsleistungen und des Bankgeschäft partizipiert. Gleichzeitig wurden in diesen Branchen viele Bürokräfte eingestellt, so daß die Bedeutung der Fachberufe hier eher zurückgegangen ist. Die Ausweitung des Bankgeschäfts und der Wettbewerb um den Kunden im Filialgeschäft ist für diese Personalausweitung, die sich trotz des Einsatzes der Datenverarbeitung bisher nicht verringern ließ, maßgeblich gewesen.
Der Trend hin zu mehr Dienstleistungen, der den fortgeschrittenen Industriegesellschaften oft als gemeinsames Entwicklungsmuster zugewiesen wird, hat sich im Beobachtungszeitraum auch durch die Expansion von überwiegend staatlich beeinflußten Bereichen verstärkt. Es sind die Aufgabenfelder Bildung, Gesundheit sowie Innere Sicherheit und Verteidigung. Die Ausweitung der Zahl der Lehrer um fast ein Drittel hat ihre Ursachen in einer außerordentlich gestiegenen Bildungsbeteiligung, dem Eintritt geburtenstarker Jahrgänge ins Bildungssystem sowie in einer verbesserten Schüler-Lehrer-Relation.
Im Gesundheitswesen waren 1982 über eine Million Personen beschäftigt; das sind 40 v. H. mehr als 1973. Besonders kräftig war mit einer viertel Million die Ausweitung bei den nicht-akademischen Gesundheitsdienstberufen. Deren Arbeitsmarktposition war allerdings nur noch geringfügig besser als die des Durchschnitts aller Berufe. Darüber hinaus ist 1983 die Arbeitslosenzahl um ein Drittel gegenüber 1982 angestiegen; mittlerweile ist fast die Hälfte von ihnen jünger als 25 Jahre und je zwanzig bewerben sich um eine offene Stelle. Das Neuangebot an Arbeitskräften übersteigt die Aufnahmefähigkeit dieses expansiven Bereichs bei weitem.
Die „Technische Elite“ (Ingenieure, Techniker, Werkzeugmacher) gehört neben den genannten Dienstleistungsberufen zu denen, die bei steigender Beschäftigung und weit unterdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit von der Veränderung der Tätigkeitsstrukturen profitiert hat. Dies ist nicht nur auf die starke Position technikintensiver Branchen, sondern vor allem auf die wachsende Bedeutung der Technik in vielen Einsatzbereichen zurückzuführen.
In die Positionszuweisung geht die amtlich registrierte Arbeitslosigkeit als wesentlicher Indikator ein. Zu beachten ist, daß gerade in Berufen mit hohem Akademiker-oder Selb-Ständigenanteil die Dunkelziffer höher sein kann als im Durchschnitt. Dies kann auf unterwertige Beschäftigung sowie auf Arbeissuche ohne Einschaltung des Arbeitsamtes zurückzuführen sein.
Unter Angebotsdruck sind Berufe, in denen die Ausweitung der Beschäftigung mit dem Angebot an Arbeitskräften nicht Schritt halten konnte, so daß die Arbeitslosenquote — z. T. beträchtlich — über dem Durchschnitt lag. Dieser Gruppe gehörten 1982 10 v. H.der Erwerbstätigen aus sehr unterschiedlichen Berufen an. Besonders kraß ist die Situation bei den sozialpflegerischen Berufen (Sozialarbeiter und Kindergärtnerinnen), wo die Arbeitslosenquote trotz einer Verdoppelung der Erwerbstätigkeit über 10 v. H. beträgt. Ähnlich schlecht ist die Situation bei den Garten-bauern, Speisenbereitern (Köche) und technischen Zeichnern, wo über ein Drittel der Arbeitslosen Jugendliche sind, die — meist nach der Ausbildung — keine Beschäftigung finden können. Aber auch in qualifizierten technischen Berufen wie Metallfeinbauer und Mechaniker, in denen die Zahl der Beschäftigten bis 1980 noch zugenommen hatte, stagniert seitdem die Beschäftigung. Die Expansion der Lehrlingsausbildung hat auch in diesen Berufen das Neuangebot weit über den Ersatzbedarf steigen lassen; 1983 waren 56 v. H.der arbeitslosen Mechaniker jünger als 25 Jahre, 50 Arbeitslose kamen auf eine offene Stelle.
Eine kritische Arbeitsmarktposition kennzeichnet Berufe, deren Bedeutung im Strukturwandel zurückgeht, ohne daß dabei bis 1982 überdurchschnittliche Arbeitsmarkt-probleme sichtbar wurden. Dieser Gruppe gehörte 1982 etwa jeder fünfte Erwerbstätige an. Durch berufliche Flexibilität und sinkendes Neuangebot blieb die Arbeitslosenquote bis 1982 unter dem Durchschnitt. Allerdings ist die Aussagekraft der Daten vor allem in landwirtschaftlichen Berufen sowie bei den Hilfsarbeitern wegen systematischer Untererfassung der Arbeitslosigkeit eingeschränkt. Von Gewicht sind in dieser Gruppe vor allem Verkehrsberufe sowie einige metallverformende Berufe (Schlosser, Dreher sowie Schmiede) und die Maschinisten.
War noch bis 1982 die Schrumpfung der Beschäftigung in dieser Gruppe nur von durchschnittlicher Arbeitslosigkeit begleitet, verschlechterte sich die Situation 1983 besonders bei den Metallverformern, den Schmieden und Schlossern so stark, daß diese nunmehr überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Über ein Viertel der Erwerbstätigen waren 1982 in Berufen mit ungünstiger Arbeitsmarktposition beschäftigt, d. h. Arbeitsplatz-abbau und hohes Arbeitskräfteangebot führte in diesen Berufen zu weit überdurchschnittlichen Arbeitslosenquoten.
In der Vielzahl von Berufen — mit z. T. nur wenigen Erwerbstätigen — überwiegen diejenigen mit geringem Bildungsniveau. Besonders weit über dem Durchschnitt lag die Arbeitslosenquote bei den Metallberufen mit geringer Qualifikationsanforderung (Montierer), aber auch die anderen Metallberufe hatten eine ungünstige Arbeitsmarktposition Die absolut und relativ größten Beschäftigungseinbußen mußten die Berufe der Textil-herstellung und -Verarbeitung hinnehmen, deren Branche sich im Gefolge des internationalen Wettbewerbs nicht im Strukturwandel behaupten konnten. Berufe des Bauhauptund Ausbaugewerbes unterliegen besonders den Schwankungen der Baukonjunktur. Der erhebliche Beschäftigungsrückgang gegenüber 1973 sowie die besonders bei Unqualifizierten außerordentlich hohe Arbeitslosenquote ist aber nicht nur auf ein augenblickliches Tief der Bautätigkeit sondern vielmehr auf Sättigungstendenzen zurückzuführen. AlB lerdings ist 1983 die Arbeitslosigkeit in den Bauberufen nur noch wenig angestiegen und die Relation von Arbeitslosen und offenen Stellen hat sich wieder verbessert. Durch diese konjunkturelle Erholung ändert sich aber die Tendenz der längerfristigen Entwicklung nicht. Der Beruf mit der größten Zahl von Arbeitsplätzen (1, 8 Millionen 1982) — die Warenkaufleute — hatte zwar 1982 fast noch genauso viele Erwerbstätige wie 1973. Aber besonders im Einzelhandel dürfte bei fortschreitender Teilzeitarbeit sich hinter der fast gleichbleibenden Personenzahl ein erheblich verringertes Arbeitsstundenvolumen verbergen. Dieser Berufsbereich ist von großer Bedeutung für die Ausbildung und Beschäftigung von Frauen; daher ist der Anstieg des Anteils der jungen Arbeitslosen (unter 25 Jahre) auf 40 v. H. aller Arbeitslosen (1983) besonders problematisch. Lager-und Transportarbeiter sowie Warenprüfer und Versandfertigmacher werden häufig gering qualifizierte Erwerbstätige in der Spätphase ihres Erwerbslebens; die Anzahl der Arbeitsplätze ist nur um ca. 10 v. H. zurückgegangen, aber die Arbeitslosenquote lag erheblich über dem Durchschnitt. Bei stagnierender Beschäftigung war die Arbeitslosenquote der Friseure — bei steigender Tendenz — hoch. In diesem Beruf ist der Anteil der Jugendlichen 1983 mit fast 75 v. H. bei den Frauen so hoch gewesen wie in keinem anderen Beruf. Die Sackgasse einer Ausbildung ohne Erwerbsaussichten wird hieraus deutlich.
In der arbeitsmarktpolitischen Diskussion wurde immer wieder die These vom Facharbeitermangel bei gleichzeitigem Überangebot an falsch oder zuwenig qualifizierten Arbeitskräften aufgegriffen. Der Frage nach der Existenz einer Fachkräftelücke kann hier nicht detailliert nachgegangen werden Die Analyse der Arbeitsmarktpositionen der Berufe gibt aber einige Aufschlüsse dazu. Deutlich wurde, daß die typischen Facharbeiterberufe entweder zunehmende'Nachfrage bei gleichzeitig überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit und geringer Zahl offenen Stellen aufwiesen oder sogar kritische und ungünstige Arbeitsmarktpositionen mit deutlichem Angebotsüberhang hatten. Ein Mangel konnte also für keinen der berufsfachlichen Teilarbeitsmärkte festgestellt werden. Allerdings können durchaus regionale Ungleichgewichte bestehen, die bei der oben angestellten Durchschnittsbetrachtung nicht sichtbar werden. 3 2. Anmerkungen zur absehbaren Entwicklung Die weitere Entwicklung am Arbeitsmarkt ist nur mit großer Unsicherheit vorauszuschätzen. Bisherige Erfahrungen und auch ein Vergleich der Bandbreite in aktuell vorliegenden Langfristprognosen lassen es angeraten erscheinen, nicht „präzise“ Schätzwerte zu betrachten, sondern vielmehr die Trends und Arbeitsmarktkonstellationen in den Vordergrund zu stellen, die sich übereinstimmend aus den Prognosen ablesen lassen. Diese Aussagen beziehen sich überwiegend auf globale, nicht nach Arbeitsmarktsegmenten differenzierte Größen des Arbeitsmarktes und des Beschäftigungssystems (Produktion, Produktivität, Erwerbspersonenpotential, Ausländer-wanderungen, Erwerbsverhalten u. a.). Der Einfluß technischer Änderungen geht nur indirekt —über die Schätzung der Produktivitätsentwicklung — in die Prognosen ein. Auswirkungen künftiger, z. T. noch nicht bekannter Techniken sind kaum zu erfassen. Auch überraschende, nichtsdestoweniger aber mögliche Ereignisse wie weitere außerordentliche Energiepreissteigerungen, Einflüsse einer sich zuspitzenden Umweltkrise oder Kriege sind in diesen Szenarien nicht enthalten. Zusammenfassend können folgende Annahmen und Tendenzen aus heutiger Sicht formuliert werden: — Das reale wirtschaftliche Wachstum wird auf absehbare Zeit nicht das Tempo erreichen, das nötig wäre, um annähernd Vollbeschäftigung zu erreichen.
— Die Produktivitätsfortschritte dürften über dem Produktionszuwachs liegen und somit weiterhin die Einsparung von Arbeit möglich machen.
— Die Erwerbsbeteiligung und damit die Nachfrage nach Arbeitskräften geht auch bei anhaltender Arbeitslosigkeit nicht zurück. — Jugendliche aus geburtenstarken Jahrgängen mit überwiegend hoher formaler Qualifikation sowie junge Ausländer der „zweiten und dritten Generation" vergrößern das Arbeitskräfteangegbot bis in die neunziger Jahre. — Neue Techniken in Produktion, Verwaltung und Kommunikation werden im kommenden Jahrzehnt breitere Anwendung finden als bisher. — Eine Arbeitszeitverkürzung in Form und Ausmaß, wie sie gegenwärtig diskutiert wird, kann zwar allein nicht einen nennenswerten Abbau der Arbeitslosigkeit bewirken, allerdings weiteren Entlassungen entgegenwir. ken.
Die Anhebung des Qualifikationsniveaus des Arbeitskräfteangebots bei gleichzeitig hohem Niveau der Arbeitslosigkeit und stagnierender oder gar sinkender Beschäftigung wird die Dynamik des Arbeitsmarktprozesses weitgehend bestimmen — Die Hürden im Wettlauf um begehrte Arbeitsplätze werden höher, d. h. die Anforderungen steigen und die wettbewerbsschwa. chen Teilnehmer werden abgedrängt; — akademische Abschlüsse sind keine Eintrittskarte mehr für einkommens-und statusprivilegierte Arbeitsmärkte; die Massenhaftigkeit akademischer Ausbildung verändert die bisherige Eliteposition akademischer Beschäftigung; Abschottungsversuche einzelner berufsständischer Vertretungen werden das nicht verhindern können; — Arbeitsmarktrisiken werden sich weiterhin bei benachteiligten Gruppen kumulieren. Die Dreiteilung des Erwerbssystems in ein sicheres Beschäftigungssegment, ein unsicheres Segment mit Wechsel von Arbeitslosigkeit und kurzzeitiger Beschäftigung sowie in ein Segment, das die dauerhaft abgedrängten Erwerbspersonen („Stille Reserve“) aufnimmt wird sich unter dem Druck hoher Arbeitslosigkeit weiter verfestigen.
Die Entwicklung dieser globalen Größen wird von weiteren Strukturverschiebungen begleitet sein, die allerdings noch weniger zuverlässig vorauszusehen sind als die globale Entwicklung. In einigen Langfristprognosen wird die künftige Entwicklung auch nach Branchen differenziert; eine Fortführung dieser Ansätze bis hin zu der personen-und qualifikationsbezogenen Kategorie Beruf wird nicht vorgenommen. Deshalb kann im folgenden nur ein Teilaspekt der künftigen Entwicklung berufsfachlicher Arbeitsmärkte dargestellt werden. Dies sind erstens die Strukturentwicklung beim Neuangebot an Arbeitskräften und zweitens die Struktur der Abgänge aus dem Erwerbsleben, die die Obergrenze des Ersatzbedarfs und damit die Chancen der jungen Erwerbspersonen am Arbeitsmarkt beeinflussen.3. Neuangebot an Erwerbspersonen und Abgänge aus dem Erwerbsleben Die geburtenstarken Jahrgänge haben die erste Schwelle, den Übergang von der Schule in die Berufsausbildung erreicht. Dabei gibt es weiterhin trotz der erheblichen Ausweitung der Lehrstellenzahl eine nicht unerhebliche Unterversorgung sowie eine Überbetonung der Quantität in der Berufsausbildung. Die Qualität, gemessen an den Inhalten der Ausbildung und an den Schwerpunkten unter den Ausbildungsberufen, tritt hinter dem Mengenproblem zurück. Der Lehrlingsboom wird gegen 1988 wohl seinen Höhepunkt überschreiten. Allerdings werden heute bereits, nachdem die ersten starken Jahrgänge ihre Ausbildung abgeschlossen haben, die Probleme an der zweiten Schwelle sichtbar: der Übergang von der Ausbildung in die Beschäftigung gerät ins Stocken.
Am anderen Ende der Alterspyramide finden Abgänge aus dem Erwerbsleben statt, deren Umfang durch Tod, Invalidität oder Bezug von Rente bestimmt wird. Die Zahl der Abgänge bestimmt — ceteris paribus — die Obergrenze eines potentiellen Ersatzbedarfs. Neuzugänge und Abgänge sind zwei Komponenten aus dem komplexen Arbeitsmarktgeschehen, in dem sich der Strukturwandel vollzieht. Betrachtet man diese beiden Komponenten isoliert, so können die berufsfachlichen Teil-arbeitsmärkte festgestellt werden, in denen Neuangebot und Ersatzbedarf künftig weit auseinanderklaffen werden. Daraus kann keine Prognose künftiger Arbeitsmarktungleichgewichte „kurzgeschlossen“ werden; weitere Einflußgrößen und vielfältige Anpassungsreaktionen überlagern die Diskrepanz von Neuangebot und Ersatzbedarf. Dazu gehören z. B.
— eine Veränderung des Erwerbsverhaltens in Abhängigkeit von der aktuellen Arbeits-marktlage. Dies könnte sich bei Frauen in eine Abdrängung in die „Alternativrolle Hausfrau“ und bei Ausländern durch die Rückwanderung ergeben;
— der Wechsel des erlernten Berufs. Besonders die im Handwerk ausgebildeten Fachkräfte wechseln nicht nur den erlernten Beruf, sondern oft auch in den Status des An-oder Ungelernten. Dabei wird unter dem Gesichtspunkt von Einkommen und sozialem Status der Wechsel oft als Verbesserung der Situation und nicht als erzwungene Reaktion auf Engpässe am Arbeitsmarkt gesehen; — die Veränderung der Tätigkeitsstrukturen bei technischen Änderungen, die zu einer Neubesetzung freigewordener Arbeitsplätze an anderer Stelle führen.
Für die Vorausschätzung des Neuangebots an nicht-akademischen Fachkräften von 1980 bis 1990 wurde von folgenden Annahmen ausgegangen: — Die jährliche Nachfrage nach Ausbildungsplätzen wird bis 1985 auf ca. 725 000 ansteigen und nur langsam bis 1988 auf ca. 690 000 abnehmen.
— Die Verteilung der neuen Ausbildungsverträge auf die Ausbildungsberufe weicht von der Struktur des Jahres 1982 nicht ab. Sollten immer mehr Abiturienten eine Lehre anstreben, würde sich die Lehrstellensituation vor allem in den ohnehin begehrten Dienstleistungsberufen weiter verschlechtern. Diese Einflüsse werden im folgenden ausgeklammert. — Nach einer Ausbildungszeit zwischen zwei und drei Jahren werden ca. 92 v. H.der Lehrlinge die Prüfung bestehen.
Daraus ergibt sich ein maximales Neuangebot an Fachkräften von ca. 6 Millionen Personen. Die Abgänge aus dem Erwerbsleben wurden auf der Basis der Mikrozensusdaten von 1980 unter Verwendung der Abgangsschätzung des LAB 6) geschätzt. Daraus ergab sich für die Summe der Berufe, in denen Lehrlinge ausgebildet werden, ein Abgang von ca. 5 Millionen Erwerbstätigen zwischen 1980 und 1990. Das maximale Neuangebot in Facharbeiterberufen liegt also um ca. 1, 6 Millionen über den Abgängen. In den einzelnen Berufen nimmt der Saldo von Zu-und Abgängen sehr unterschiedliche Werte an.
Geburtenstarke Jahrgänge und steigende Bildungsbeteiligung haben nicht nur die Lehrlingszahlen, sondern — zeitlich verzögert — auch die Studentenzahlen rasch ansteigen lassen. Die zweite Schwelle, den Eintritt ins Beschäftigungssystem, wird die Mehrzahl der Akademiker erst in den neunziger Jahren erreichen. Aber auch zwischen 1980 und 1990 werden nach einer Schätzung der Kultusministerkonferenz ca. 1, 6 Millionen Personen eine Hochschulprüfung ablegen. Die Größenordnung dieser Zahl wird klar, wenn man sich vor Augen hält, daß 1982 insgesamt ca. 2, 3 Millionen Personen mit akademischem Abschluß erwerbstätig waren. Viele davon sind relativ jung, so daß die Zahl der Abgänge bis 1990 unter 0, 5 Millionen liegen dürfte.
Um über die Verteilung des Neuangebots an Hochschulabsolventen auf die Fachrichtungen Anhaltspunkte zu gewinnen, wurden vereinfachende Annahmen getroffen:
— Die Fachrichtungsstruktur der Hochschulabsolventen entspricht der Fachrichtungsstruktur der Studienanfänger von 1982;
— der Anteil der Studenten in den einzelnen Fachrichtungen, die 1982 mit dem Ziel des Lehramtes studieren, bestimmt auch den Anteil der Absolventen mit Lehramt. Ein weiterer Rückgang des Anteils der Lehrerstudenten unter das Niveau von 1982 ist aber möglich, so daß diese Schätzung eine Obergrenze angibt.
Drei von zehn Absolventen werden in den Fachrichtungen der Wirtschafts-und Gesellschaftswissenschaften ausgebildet sein; diese haben bisher den größten Teil an der Expansion der Hochschulen getragen. Die zweitgrößte Gruppe werden — entgegen einem weitverbreiteten Vorurteil — die Fachrichtungen der Ingenieurswissenschaften stellen. Zwar waren die technischen Fachrichtungen zeitweilig Schlußlichter der Hochschulexpansion, aber die in jüngerer Zeit zu beobachtende (vorrangig von den Arbeitsmarktperspektiven beeinflußte) Hinwendung zur Ingenieursausbildung läßt ein erheblich steigendes Neuangebot erwarten. Damit dürften sich auch Befürchtungen um eine ausreichende Versorgung mit qualifiziertem Nachwuchs beruhigen.
Im Vergleich zur starken Expansion anderer Fächer dürften die Naturwissenschaften und die Mathematik relativ an Bedeutung einbüßen. Die Ausnahme unter diesen Fachrichtungen bildet die Informatik. Allerdings stellt dieser relative Rückgang in einem insgesamt wachsenden System immer noch ein Neuangebot von über 25 000 Akademikern pro Jahr dar. Auf die Situation der Lehramtsstudenten wird noch gesondert hingewiesen. 4. Zur künftigen Entwicklung in berufs-fachlichen Teilarbeitsmärkten Im folgenden werden die einzelnen Berufe in der Reihenfolge untersucht, zu der sie bei der Ermittlung ihrer Arbeitsmarktposition zusammengestellt wurden. Die Gegenüberstellung von Neuangebot und Abgängen wird als Saldo bezeichnet.
Zur künftigen Entwicklung der Berufe, die in der Vergangenheit eine günstige Arbeits. marktposition hatten, ist folgendes anzumerken: Im Bürobereich (Rechnungskaufleute, EDV-Fachleute, Bürofach-und hilfskräfte) haben sich im vergangenen Jahrzehnt bestehende Rationalisierungspotentiale erst teilweise erschließen lassen. Der Saldo weist einen erheblichen Überschuß an Abgängen aus, so daß selbst bei stagnierender Beschäftigung in diesem Bereich kein Angebotsdruck entstehen dürfte. Der künftige Gesamtbedarf wird hier stark von der Automation und ihrer Diffusionsgeschwindigkeit beeinflußt. Das „papierlose“ und personalarme Büro wurde früher schon für den Anfang der achtziger Jahre annonciert; mittlerweile wird dieses Ziel erst um die Jahrtausendwende für erreichbar gehalten. Bei dem künftig zu erwartenden Einsatz von Text-und Datenverarbeitung auch in Klein-und Mittelbetrieben dürfte der Bedarf an qualifiziertem Personal eher ansteigen. Vor allem Akademiker ohne Aussichten auf ausbildungsadäquate Arbeitsplätze können in diesen „Weiße-Kragen-Jobs‘ das Angebot wesentlich vergrößern. Allerdings werden die Systeme so komfortabel werden, daß dann Sachbearbeiter auf der Anwenderebene sowohl EDV-Spezialisten als auch gering qualifizierte Zuarbeiter verdrängen können.
Bei den Bank-und Versicherungskaufleuten übersteigt das Neuangebot die Abgänge um mehr als das Doppelte. Ob die neuen Fachkräfte Beschäftigung finden werden, hängt von den Arbeitsplatzwirkungen neuer Techniken ab. Im Vordergrund dürften hier automatische Buchungssysteme, die direkt vom Kunden, eventuell in Verbindung mit den Leistungen der „Bildschirmtexf'-Anlagen, bedient werden, stehen. Allerdings könnten bei der Kundenberatung neue Arbeitsschwerpunkte entstehen, die eine Einsparung von Personal nicht zulassen. Der Bedarf an Beratungsleistung wird durch den Wettbewerb zwischen den Kreditinstituten, durch die gewachsene Vielfalt der Anlageformen und durch die Tendenz zu kürzeren Anlagefristen gesteigert.
Einen Sonderfall bildet der künftige Bedarf an Lehrern; er wird in Abhängigkeit von notwendiger bzw. erwünschter Schüler-Lehrer-Relation sowie von der Möglichkeit und Bereitschaft zu ihrer Finanzierung definiert. Der Lehrerbedarf ist also eine politisch zu entscheidende Größe. Entsprechend groß ist die Bandbreite in den vorliegenden Schätzungen. Nimmt man an, daß bis 1990 in der Sekundarstufe II noch ein Nachholbedarf besteht, die heute noch unbefriedigende Versorgung weiter verbessert werden soll und die Expansion des Hochschulsektors auch einen Mehrbedarf an Lehrpersonal mit sich bringt, so werden den ca. 130 000 Lehrern, die aus dem Erwerbsleben ausscheiden werden, mindestens 75 000 Neueinstellungen gegenüberstehen müssen. Fast 200 000 Absolventen dürften in dieser Zeit allerdings nach einer Stelle suchen, so daß eine gravierende Lehrerarbeitslosigkeit vorprogrammiert ist. Daran wird auch die mittlerweile starke Abkehr der Studienanfänger vom Lehramt nichts ändern. In einer einschneidenden Sparpolitik und einer restriktiven Einstellungspraxis könnte allerdings schon der Keim zur nächsten zyklischen Ungleichgewichtssituation liegen, die über die Stationen „Rückgang der Lehrerausbildung" — „Überalterung des Lehrerbestandes" auf lange Sicht zu einem neuen Lehrermangel führen könnte.
Der künftige Bedarf an Ingenieuren und die Möglichkeiten zu seiner Deckung ist ständig Gegenstand meist kontroverser Diskussion. Auch zwischen den jeweiligen Fach-und Interessenverbänden schwankt die Einschätzung zwischen „Ingenieurmangel" und „Ingenieurüberschuß"; binnen eines halben Jahrzehnts wurden Vorzeichen und Größenordnung von Prognosen umgekehrt Auch Unternehmensbefragungen über die heutige Versorgungslage und die Einschätzung des künftigen Bedarfs liefern unterschiedliche Szenarien. Die Befürchtungen, den künftigen Herausforderungen der technischen Entwicklung wegen eines Mangels an Ingenieuren nicht gewachsen zu sein, wurden vor allem durch rückläufige Studienanfängerzahlen genährt. Diesen Fehlprognosen soll keine weitere hinzugefügt werden; aber schon ein Blick auf die neuen Studienanfängerzahlen zeigt, daß die als „Technikfeindlichkeit" apostrophierte unterdurchschnittliche Zunahme der Zahl der Ingenieursstudenten der Vergangenheit angehört. Gerade die für zukunftsträchtig gehaltenen Fachrichtungen Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik haben mittlerweile so viel Zulauf, daß in absehbarer Zeit ein kräftig steigendes Neuangebot auf den Arbeitsmarkt treten wird. Auch für einen steigenden Bedarf wächst hier das Angebot heran. Allerdings gilt diese positive Einschätzung nicht für alle Ingenieurfachrichtungen.
Bei den Architekten und Bauingenieuren hängen die Beschäftigungsaussichten wesentlich von der weiteren Entwicklung der Bau-branche ab.
Für die nicht-akademischen Gesundheitsdienstberufe wird sowohl im Dualen System, d. h. bei den Freien Berufen, als auch im Rahmen der Fortbildung in den Schulen des Gesundheitswesens ausgebildet. Der Saldo dürfte mit über einer viertel Million nur dann nicht zu erheblichem Überangebot führen, wenn das bisherige Expansionstempo beim Personal beibehalten wird. Die Bemühungen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen lassen das aber eher unwahrscheinlich werden.
Bei den Elektrikern weist der Saldo wegen der gesteigerten Ausbildungszahlen einen Überschuß von fast einer halben Million aus. Hier dürfte sich, zumal bei weiter stagnierender Baukonjunktur, erheblicher Anpassungsbedarf einstellen; dies trifft auch auf die Werkzeugmacher zu. Der Beruf des Technikers wird vorrangig nach Fortbildungsmaßnahmen erreicht. Startberufe dieses Aufstiegs sind z. B. Schlosser, Mechaniker, Werkzeugmacher, Elektriker u. ä. Dies ist ein Beispiel für Berufsverläufe, die einen Wechsel des erlernten Berufs beinhalten. Sie stellen einen Teil der erwähnten vielfältigen Flexibilitätsbeziehuhgen im Beschäftigungssystem dar, die eine schlichte Saldierung von Neuangebot und Abgängen unmöglich machen.
Unter den Berufen, die in der Vergangenheit unter Angebotsdruck standen, zeichnet sich besonders bei den Mechanikern und den technischen Sonderfachkräften eine künftig verstärkte Notwendigkeit zur Anpassung ab — der Saldo weist einen erheblichen Überschuß aus. Auch bei den Gartenbauern werden auf einen Abgänger zwei Anfänger kommen. In der Gruppe mit kritischer Arbeitsmarktposition ist bei den Schlossern das Verhältnis von Abgängen und Neuangebot mit einem Saldo von über 200 000 Personen besonders schlecht. Dagegen werden für den erst jungen Lehrberuf des Kraftfahrers nicht annähernd so viele Personen ausgebildet, daß die Abgänge ersetzt werden könnten. Hier handelt es sich um einen Beruf, der als Auffangbecken für Facharbeiter aus einer Vielzahl von Berufen dient.
Unter den Berufen, die in der Vergangenheit eine ungünstige Arbeitsmarktposition hatten, fallen einige der traditionellen Ausbildungsberufe durch einen hohen positiven Saldo auf; die verstärkte Ausbildung wird hier einen erheblichen Anpassungsdruck, wahrscheinlich meist mit Berufswechsel verbunden, beim Übergang in die Beschäftigung nach sich ziehen. Es sind die Fertigungsberufe Installateur, Bäcker, Zimmerer, Tischler und Maler. Bei den Dienstleistungsberufen weisen vor allem die Warenkaufleute — das sind überwiegend Verkäuferinnen — ein erhebliches Überangebot auf. Gerade im Handel dürften bei fortschreitender Konzentration, dem Wirken arbeitsorganisatorischer Rationalisierungsmaßnahmen und steigender Nutzung flexibler Arbeitszeiten sowie durch den Einsatz von neuen Techniken (Scanner-Kassen) weitere Personaleinsparungen möglich sein. Davon sind in besonderem Maße Frauen betroffen. Auch bei den Friseuren ist die Zahl der Personen, die ausgebildet werden, dreimal so hoch wie die derjenigen, die aus dem Erwerbsleben — unter Berücksichtigung von Phasenerwerbstätigkeit — ausscheiden.
Ausblick
Abbildung 14
Tabelle 2: Günstige Arbeitsmarktposition Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
Tabelle 2: Günstige Arbeitsmarktposition Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
Dem wirtschaftlichen Strukturwandel und seinen künftigen Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Beschäftigung wird in der Diskussion häufig ein weiterer Veränderungsbereich zur Seite gestellt: der Wertewandel. Das Spektrum, in dem dieser Wandel konstatiert wird, reicht von Stichworten wie Eigenarbeit, Schattenwirtschaft, Alternativer Sektor bis hin zum „Ende der Arbeitsgesellschaft''und ihrer Umwandlung in eine „Freizeitgesellschaff’. Gemeinsam ist diesen Ansätzen — bei allen Unterschieden — die Vermutung, daß für große Teile der Bevölkerung die heute noch starke Orientierung an der institutionell geregelten, im „offiziellen“ Bereich organisierten Erwerbsarbeit zurückgehen wird. Als Indiz dafür werden z. B. Veränderungen in der subjektiven Wertschätzung von Berufstätigkeit — besonders bei der nachwachsenden Erwerbsgeneration — angeführt. Auch die „Schattenwirtschaft" wird als Forschungsgegenstand wiederentdeckt. Diese Überlegungen knüpfen an utopisch anmutende Entwürfe der fortgeschrittenen Industriegesellschaft an, in denen der arbeitsparende technische Fortschritt die Produktion eines hohen Lebensstandards für alle beim Einsatz von immer weniger Lebenszeit als Arbeitszeit möglich machen sollte.
Sowohl die Erhöhung des materiellen Versorgungsniveaus und verminderte subjektive Wertschätzung von Berufsarbeit als auch der langfristige Trend zur Arbeitszeitverkürzung erhalten aber im Lichte der künftig hohen Arbeitslosigkeit eine weitere Dimension: die Verteilung von Arbeit Festzuhalten ist erstens, daß entgegen den subjektiven Einschätzungen die tatsächliche Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter weiter angestiegen ist und zweitens Erwerbs-arbeit für die Vielzahl der Arbeitnehmer die einzige Einkommensquelle darstellt Ein tragfähiger alternativer Sektor existiert — zumal in Abhängigkeit vom Staat — nur für eine verschwindende Minderheit Die Zuweisung materieller und subjektiver Positionen in der Gesellschaft wird auch künftig fast überwiegend im Bereich der Erwerbsarbeit erfolgen. Damit zerschlagen sich m. E. Hoffnungen auf die entlastende Wirkung von Wertewandel und „alternativer Ökonomie“ bei der gesellschaftlichen Bewältigung langandauernder Massenarbeitslosigkeit. In einer eher pessimistischen Sicht werden verschärfte Verteilungskämpfe im enger werdenden Sektor der Erwerbsarbeit zu einer Abdrängung der Schwächeren nicht in . Alternativrollen“, sondern in die Alternativlosigkeit führen. Eine Teilung der Erwerbsgesellschaft in einen „vollbeschäftigten''Bereich, der vom Überangebot an Arbeitskräften und dessen Folgen profitiert, und in einen „Randbereich" mit kurzfristiger, meist unterwertiger Beschäftigung, kumulativen Arbeitsmarktrisiken und geringem Lebensstandard scheint wahrscheinlicher als die solidarische Bewältigung von Strukturwandel. Neuere Forschungsergebnisse zur Kumulation von Arbeitsmarktnsiken in der Bundesrepublik, aber auch der Blick in Länder mit großen, benachteiligte» Minderheiten geben Anschauungsmaterial für die pessimistische Variante.
Ulrich Brasche, Dipl. -Volkswirt, geb. 1951; seit 1976 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (Berlin); Arbeitsschwerpunkte: Prognosen des Arbeitskräftebedarfs, Berufsbildung, Ausländerbeschäftigung. Veröffentlichungen u. a.: Integrationspolitik vor neuer Herausforderung, in: Wochenberichte des DIW, 47 (1980) 30; (zus. mit W. Jeschek), Facharbeiter und Fachkräftebedarf in der Bundesrepublik Deutschland. Analyse und Projektion, Berlin 1981; Wandel von Berufsstruktur und Arbeitsmarktpositionen, in: Wochenberichte des DIW, 49 (1982) 16; (zus. mit S. Schultz), Ausländer und Ausländerbeschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Wochenberichte des DIW, 49 (1982) 37; (zus. mit C. F. Büchtemann/W. Jeschek/W. Müller), Auswirkungen des Strukturwandels auf den Arbeitsmarkt, Anforderungen des Strukturwandels an das Beschäftigungssystem. Schwerpunktthema im Rahmen der Strukturberichterstattung, Berlin 1983.