Industriearbeit im Umbruch. Versuch einer Voraussage
Horst Kern/Michael Schumann
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Zusammenfassung
Aus einer neuen industriesoziologischen Studie über die Rationalisierungsentwicklungen in den industriellen Kernsektoren werden die zentralen Befunde vorgestellt Neben der noch gesteigerten Freisetzungspotenz zeigt sich ein zweites neues Moment der Rationalisierungsbewegung: eine grundlegende arbeitspolitische Neuorientierung bei der Nutzung der verbleibenden Arbeitskräfte. In den Unternehmen setzt sich die Einsicht durch, daß die tradtitionelle, tayloristisch-restriktive Arbeitsgestaltung wichtige Produktivitätspotentiale verschenkt. Die neuen Produktionskonzepte nutzen die Erfahrung der Arbeiter und verlangen mehr Qualifikation. Gefragt ist der geschickte, diagnosefähige, verhaltenssichere Arbeiter. Mit diesem arbeitspolitischem Ansatz geht es also um den Erhalt bzw. die Reetablierung von Produktionsfacharbeit. Allerdings ist dieser Wandel von Produktionskonzepten als ein langfristiger Vorgang zu begreifen, der gerade erst in Gang gekommen ist, von Ungleichzeitigkeiten geprägt wird und inhaltlich entsprechend den markt-und produktionsökonomischen Bedingungen, den Branchentraditionen, den Unternehmensphilosophien usw. betriebliche Variationen aufweist. Die Belegschaften sehen in den neuen Produktionskonzepten verbesserte Chancen für ein Arrangement mit betrieblicher Rationalisierung. Ihre Forderungen setzen dort an, wo die positiven Wirkungen der neuen Konzepte für die Beschäftigten durch deren einzelwirtschaftliche Einbindung begrenzt bleiben. Insgesamt fällt dieser arbeitspolitische Wandel, der im Innern der Zentren der Industrieproduktion ein Ende der Arbeitsteilung bedeuten könnte, zusammen mit einer tendenziellen Verschärfung der Abgrenzung dieser Sektoren nach außen; Segmentierung als neue Variante der Polarisierung wird sichtbar. Insofern bleibt es fragwürdig, ob die Modernisierung gesellschaftlichem Fortschritt den Weg bereitet.
Vorbemerkung
Auf dem diesjährigen Soziologentag wurden die zentralen Befunde aus einem am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) von den Verfassern durchgeführten Forschungsprojekt zur Rationalisierungsentwicklung seit Mitte der sechziger Jahre vorgestellt. In der Untersuchung geht es nicht nur um die historischen Verlaufsformen der Rationalisierung, gewagt wird auch eine Prognose der weiteren Entwicklung. Das dafür erarbeitete Verfahren wird als „theoretisch angeleitete und empirisch gestützte Bandbreitenbestimmung''gekennzeichnet „Theoretisch angeleitet", weil Bezug genommen wird auf eine Theorie, die von der Unterscheidung zwischen Logik und Formen kapitalistischer Rationalisierung ausgeht: die Verwertungsprämisse ist konstant, ihre bestmögliche Ein-lösung schließt aber auch grundlegenden Formenwandel nicht aus. „Empirisch gestützt“, weil der Nachweis einer beginnenden Ablösung der alten Formen durch neue Produktionskonzepte mit empirischen Mitteln geführt wird. Der Begriff der „Bandbreite“ soll Felder und Grenzmarken abstecken, innerhalb derer die weitere Entwicklung zu erwarten ist, und grenzt die getroffenen Voraussagen ab gegenüber eindeutiger Prognose im Sinne der definitiven Behauptung einer bestimmten Entwicklungslinie.
Die Empirie der Untersuchung lag schwerpunktmäßig in der Automobilindustrie, dem Werkzeugmaschinenbau und der großchemischen Industrie, d. h. in drei zum Kernbereich der Wirtschaft gehörenden Branchen. überarbeitete Fassung eines Vortrags auf dem 22. Deutschen Soziologentag am 11. Oktober 1984 in Dortmund. Die darin vorgestellte Untersuchung wurde kürzlich unter em Titel H. Kern/M. Schumann, Das Ende er ^beitsteilung? Rationalisierung in der '^dustriellen Produktion: Bestandsaufnahme, ^ndbestimmung, München 1984, veröffent-
I. Neue Produktionskonzepte
Abbildung 19
Übersicht 2: Die neuen Produktionskonzepte — Arbeitsveränderungen
Übersicht 2: Die neuen Produktionskonzepte — Arbeitsveränderungen
In den industriellen Kernsektoren vollzieht sich vor unseren Augen ein grundlegender Wandel in der Nutzung der Arbeitskräfte. Zu beobachten ist ein Umdenken in der Arbeitsgestaltung, der Ausbildungs-und Personalpolitik sowie im Arbeitseinsatz. Man kann in diesem Zusammenhang durchaus von einem arbeitspolitischen Paradigmenwechsel in den Betrieben des industriellen Kernbereichs sprechen. Dieser steht im Zusammenhang mit jenem umfassenden Gesamtprozeß, den wir als das Aufkommen neuer Produktionskonzepte bezeichnet haben und der uns deshalb so bemerkenswert erscheint, weil seine Wirkungen auf die Arbeit der Rationalisierung eine neue Gestalt geben.
Dieser Wandel ist bisher freilich weitgehend verborgen geblieben, weil sich die Diskussion über die neuen Technologien ganz auf deren gesteigerte Freisetzungspotenz konzentrierte. Der gewerkschaftliche Kampf um die 35-Stunden-Woche unterstreicht diese Wahrnehmung: Rationalisierung steht heute mehr denn je als Synonym für massenhafte Arbeitsplatzvernichtung. Auch in der Zukunft erwarten wir in dieser Hinsicht Problemverschärfungen, denn in vielen Industrien endet gerade erst die Inkubationszeit der Rationalisierungsentwicklung, in der das erweiterte Handlungswissen aufgebaut wurde. Erst jetzt und in den kommenden Jahren werden die neuen Möglichkeiten . ausgereizt'. Da es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, daß die Karte der Kompensation noch sticht, die arbeitssparenden Effekte der Rationalisierung durch arbeitsschaffende ausgeglichen werden, wird dem gesellschaftlichen Skandal der Arbeitslosigkeit nur mit politischen Lösungen beizukommen sein.
Die gesteigerte Freisetzungspotenz stellt jedoch nur das eine neue Moment der eingeleiteten Rationalisierungsbewegungen dar. Im Bruch mit der bisher üblichen Arbeitspolitik liegt die zweite, vielfach noch übersehene Veränderung. Es klingt paradox: Gerade zu jenem historischen Zeitpunkt, zu dem die technischen Möglichkeiten zur Substitution menschlicher Funktionen geradezu explodieren, steigt gleichzeitig das Bewußtsein für die qualitative Bedeutung menschlicher Arbeitsleistung, steigt die Wertschätzung der besonderen Qualitäten lebendiger Arbeit. Denn das Credo der neuen Produktionskonzepte lautet: a) Autonomisierung des Produktionsprozesses gegenüber lebendiger Arbeit durch Technisierung ist kein Wert an sich. Die weitestgehende Komprimierung lebendiger Arbeit bringt nicht per se das wirtschaftliche Optimum. b) Der restringierende Zugriff auf Arbeitskraft verschenkt wichtige Produktivitätspotentiale. Im ganzheitlicheren Aufgabenzuschnitt liegen keine Gefahren, sondern Chancen. Qualifikation und fachliche Souveränität auch der Arbeiter sind Produktivkräfte, die es verstärkt zu nutzen gilt.
Dies ist der Generalnenner, auf den, soweit wir heute sehen können, die Bemühungen um ein neues Produktionskonzept gebracht werden können. Dabei muß man sich allerdings den Wandel von Produktionskonzepten als einen langfristigen Vorgang vorstellen, der gerade erst in Gang gekommen ist und durch starke Ungleichzeitigkeiten gekennzeichnet wird; was wir sagen, steht daher unter dem Vorbehalt, daß die endgültigen Resultate noch nicht auf der Hand liegen. Überdies bestehen in inhaltlicher Hinsicht entsprechend den markt-und produktionsökonomischen Bedingungen, den Branchentraditionen, den Unternehmensphilosophien usw. beträchtliche Variationen. 1. Automobilindustrie Im Fall der Automobilindustrie erreicht der Prozeß der Autonomisierung der Maschinerie zur Zeit eine ganz neue Stufe. Daß man die heutigen Möglichkeiten der Steuerungs-, Sensor-und Verkettungstechnologie offensiv nutzt, um trotz des gestiegenen Flexibilitätsbedarfs den Automationsgrad der Fertigung dort zu halten, wo er seit langem hoch ist (mechanische Fertigungen, Preßwerke), und dort zu steigern, wo er wegen mangelnder Standardisierbarkeit lange gering bleiben mußte (Rohbaubetriebe, Montagen), steht überhaupt nicht zur Debatte. Die hitzigen Diskussionen um Probleme wie das der Reichweite der Montageautomation oder des Grades übergreifender Verkettungen bewegen sich unterhalb der Grundsatzfrage „Autonomisierung der Maschinerie — ja oder nein?". Die Ansätze-des neuen'Produktionskonzeptes konzentrieren sich in der Automobilindustrie auf die Modi der Aufgabendefinition und des Personaleinsatzes — ein Gestaltungsbereich, der um so mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht je klarer wird, daß trotz aller technischen Innovationen die „unmanned factory" auf Jahre hinaus eine Illusion bleiben wird. In den durchautomatisierten Fertigungen (und dazu zählen die mechanischen Fertigungen und Preßwerke und nach dem jüngsten Technisierungsschub vielfach nun auch die Rohbaubetriebe) verfolgen die Unternehmen zwar im-mer noch das Prinzip der Abspaltung und Verselbständigung von Extremfunktionen (nach unten: „Teile-einlegen", nach oben: Instandhaltungsspezialisten und Qualitätsfachleute), doch wird in dem Bereich der dazwischenliegenden Kernfunktionen nicht nur mehr hineingepackt als früher. Insbesondere erfolgen im Zentralbereich die Arbeitsplatz-definitionen vielfach nach dem Prinzip der Aufgabenintegration. Der tendentiell integrierte Funktionskomplex reicht dabei von der Korrektur der Steuerungsprogramme über die Inbetriebnahme der Anlagen, die Sicherung der Versorgung (wie gesagt: außer „Teile-einlegen") und die Überwachung des Prozesses (wie gesagt: außer bestimmten Qualitätsprüfungen) bis zu den Routine-Wartungs-und Reparaturaufgaben und gibt der Produktionsarbeit eindeutig einen fachlichen Zuschnitt. In den (noch?) arbeitsintensiven Teilen der Fertigung (Montagen) sind die Triebkräfte für Veränderungen bisher schwächer, doch ist auch hier die Arbeitsteilung zwischen Produktionsarbeit und Inspektionsarbeit in Fluß gekommen. Der Paradigma-wechsel in der Arbeitsgestaltung, in den Rohbaubetrieben im Zusammenhang mit dem massiven Einsatz der flexiblen Automation am deutlichsten schon vollzogen und in den mechanischen Fertigungen und Preßwerken bereits ernsthaft erprobt, färbt sichtbar nun auch auf die arbeitsintensiven Abteilungen ab. 2. Werkzeugmaschinenbau Anders als in der Automobilindustrie wird im Werkzeugmaschinenbau das neue Produktionskonzept extrem kontrovers gehandelt. Hier umschließt es auch nicht nur den „Aufgabenzuschnitt" und „Arbeitseinsatz", sondern darüber hinaus die Produktionstechnik und das angestrebte Autonomisierungsniveau. Strittig sind nicht die Bemühungen, durch die Nutzung der Technologieentwicklungen der vergangenen Jahre auch in der spanabhebenden Fertigung in Kleinserie einen Mechanisierungssprung auf das Niveau teilautomatisierter Einzelaggregate zu etablieren und damit alle unmittelbar produktionsbezogenen Aufgaben zu technisieren (d. h. auf der Basis der CNC-Werkzeugmaschinen insbesondere die Mechanisierung der Peripheriefunktionen Werkstück-und Werkzeugversorgung); die Positionen scheiden sich aber in der Frage, ob es sinnvoll ist, die Vollautomation mit extensiven Maschinenverkettungen, umfassender Prozeßüberwachung und Selbststeuerung zu realisieren bzw. lieber auf ein Ausreizen der Möglichkeiten zu verzichten, weil die völlige Unabhängigkeit von der menschlichen Intervention ohnehin noch nicht zu erreichen ist.
ie Vertreter des neuen Produktionskonzepts schrecken vor den Gefahren ineffizienter Übertechnisierung zurück: Sie betonen einerseits die nach wie vor bestehenden Grenzen der mathematischen Prozeßmodellierung insbesondere der Technologie-Abläufe, die auch weiterhin ohne einen Schuß Empirie nicht optimal festgelegt werden können; sie verweisen andererseits darauf, daß mit der automatischen Prozeßüberwachung — soweit sie steuerungs-und meßtechnisch heute überhaupt schon gelöst ist — der Aufwand für eine umfassende Absicherung und Selbst-steuerung gigantisch ansteigt, weil ja dem Gesamtprozeß damit wiederum neue Fehlerquellen und erhöhte Sensibilisierungen beigefügt würden. Gleichzeitig sehen die Neuerer aber auch die Chance, den nicht ersetzbaren Maschinenfacharbeiter, von der Notwendigkeit permanenter Eingriffe entbunden, mit seiner Produktionsintelligenz durch eine Verbreiterung seiner Arbeitsplatzdefinition umfassender zu nutzen. Durch gezielte eigenständige Technikentwicklungen wird diesem Arbeitseinsatzkonzept der Boden bereitet. Zu nennen ist hier vor allem: die Programmierung und ihre steuerungstechnische Integration in die Werkzeugmaschine (die maschinelle Programmierung wird verbessert und voll für den Maschinenarbeitsplatz nutzbar gemacht; die Programmierarbeiten werden durch technische Hilfen und Erleichterungen zur reinen Zusatzqualifikation deprofessionalisiert; paralleles Programmieren bei laufenden Bearbeitungsprozessen wird ermöglicht); die Werkzeugvoreinrichtung (spezielle Maß-und Einstelltechniken zur Werkzeugvoreinstellung an der Werkzeugmaschine selbst); das Rüsten (insbesondere flexible Vorrichtungstechniken). Damit sind die technischen Voraussetzungen in Angriff genommen, um alle produktionsbezogenen Funktionen — soweit sie noch der menschlichen Intervention bedürfen —, also von der Programmierung über die Werkzeug-und Werkstückversorgung, die Einrichtung, Bedienung und Überwachung bis hin zur vorbeugenden Wartung und ersten Instandhaltung, integriert als Arbeitsplatz eines Maschinenführers fassen zu können. 3. Chemische Industrie In der chemischen Industrie ist die Objektivation menschlicher Funktionen in technischen Systemen schon seit der Durchsetzung teil-automatisierter Großanlagen extrem weit vorangeschritten; freilich blieb die Prozeßautomatisierung (weitgehend bedient man sich bisher noch der klassischen pneumatischen Regeltechnik) hinter früheren Erwartungen zurück. Doch zeichnet sich nun die Möglichkeit einer neuen Phase digitaler Prozeßregelung ab (Einsatz von Mikroprozeß33 rechnern für dezentralisierte Automatisierungssysteme mit hoher Leistungsfähigkeit), bei der eine Reihe von Schranken entfallen, die der Vollautomation bisher entgegengestanden hatten.
Was die tatsächliche Nutzung dieser Chance zur erweiterten Prozeßautomatisierung angeht, kann man bei Management und Experten geradezu von einer Pro-und einer Kontrafraktion sprechen. Die Förderer setzen auf die digitale Systemtechnik, weil sie sich davon eine geringere Abhängigkeit von menschlichen Unzulänglichkeiten und Fehlern, damit eine präzisere Fahrweise und bessere Optimierung der hochkomplexen Anlagen versprechen; hier bestimmt weniger das Mißtrauen gegenüber dem Arbeiter in der Zielperspektive besserer Herrschaftsabsicherung und mehr die generelle Skepsis gegenüber menschlichem Versagen die Kalküle. Die Skeptiker bezweifeln den Sinn und Zweck solcher Erwägungen unter anderem mit dem Argument, daß die bestehenden Mannschaften durchaus über die Fähigkeit optimaler Prozeßführung verfügen und weitere Personaleinsparungen nicht mehr möglich sind.
Einig ist man sich in der Großchemie aber im Hinblick auf die arbeitsorganisatorische Funktionsgestaltung. Die Abkehr vom althergebrachten Prinzip strenger Arbeitsteilung ist bereits vollzogen worden; in wachsendem Umfang hat man arbeitsorganisatorische Regelungen eingeführt, die dem Modell „Personalminimierung durch Funktionsverschmelzung und Qualifizierung" entsprechen. Beim Produktionspersonal zeigte sich dieser neue Stil vor allem daran, daß die nach dem Schließen der Mechanisierungslücken verbliebenen Funktionen der Prozeßkontrolle und Regulierung im Arbeitsplatz des Anlagenfahrers, der nun alle Vor-Ort-Arbeit in den Anlagen und die Tätigkeiten in der Meßwarte ausführt, gebündelt wurden. Es war nicht zuletzt auch der Gedanke, sich von der Qualifikationsseite her die Option für ein solches Modell der Organisation von Produktionsarbeit zu sichern, der in die Entscheidung hineinspielt, die Ausbildungskapazitäten für Chemiefacharbeiter radikal hochzufahren.
Im Instandhaltungsbereich gibt es ebenfalls Indizien für arbeitsorganisatorische Lösungen, die in dieselbe Richtung weisen. Als neue Zielgröße der Instandhaltungsorganisation ist mehr Elastizität durch Abbau beruflicher Demarkationen in die Diskussion gebracht worden (etwa durch Lockerung der Grenzziehung zwischen Produktions-und Instandhaltungsarbeit, aber auch durch Integration im Instandhaltungsbereich, z. B. durch Zusammenfügen von elektrotechnischer und meß-und regeltechnischer Instandhaltung in einer Prozeßleittechnik).
Wie immer die Entscheidungen im Hinblick auf die Anwendung der digitalen Systemtechnik ausfallen werden: In der Frage integrierter Aufgabendefinitionen wird das Rad nicht wieder zurückgedreht. Beim stärkeren Vordringen der digitalen Systemtechnik dürften sogar die neuen Lösungen in der Instandhal. tung einen gewissen Push bekommen, während im Produktionsbereich nach einer Zwischenphase zeitweilig verstärkter Arbeitsteilung (Chemiefacharbeiter in der Meßwarte versus angelernte Chemiearbeiter vor Ort) der Chemiefacharbeiter zur Norm und die Integration zwischen Außen-und Innenarbeit zur Regel werden dürfte.
Daß sich gerade in der Automobilindustrie, im Werkzeugmaschinenbau und in der groß-chemischen Industrie die neuen Produktionskonzepte durchzusetzen beginnen, sehen wir nicht zuletzt im ökonomischen Fundament und in den Zukunftsperspektiven dieser Industriezweige begründet. In unterschiedlichem Ausmaß hat die „Krise der Wachstumsökonomie" zwar auch an diesen Industrien genagt, doch bestand und besteht genug Substanz für eine nach vorne gerichtete Strategie, wie sie in den neuen Produktionskonzepten zum Ausdruck kommt Ökonomische Potenz bildet ohne Zweifel eine notwendige Voraussetzung für einen weittragenden Sprung in Richtung Modernisierung der Produktionsapparate und damit zusammenhängender Produktinnovationen. Deswegen scheint es uns angebracht in den industriellen Kernsektoren insgesämt, also im Zentralbereich der Industrieproduktion, soweit er nach wie vor auf halbwegs soliden Beinen steht, das Experimentier-und Diffusionsfeld der neuen Produktionskonzepte zu sehen. Das bedeutet umgekehrt: Unsere These von den neuen Produktionskonzepten ist keine Aussage über den industriellen Sektor. Sie gilt nur für das funktionierende Zentrum der Industrieproduktion.
Daß in diesen Industrien neue Produktionskonzepte eine Bewährungschance bekommen, hat u. E. mit einer umfassenden Umgruppierung und Neubewertung der Verwertungsbedingungen zu tun und läßt sich nicht etwa nur technologisch begründen. Das Umdenken in Richtung neuer arbeitspolitischer Konzepte erhält aber um so mehr Anstöße, je mehr neue Technologien Anwendung finden. Das hängt besonders damit zusammen, daß (von stark rückläufigen Bedienungspositionen abgesehen) an automatisierten Großanlagen oft kein Platz mehr ist für ganz und gar unqualifiziertes Personal. Auch in der Fertigung in welchem Ausmaß immer, wird der geschickte, diagnosefähige, verhaltenssouveräne Arbeiter gebraucht
II. Breitere Qualifikationsnachfrage
Die arbeitssoziologische Bedeutung einer Produktionsgestaltung nach dem Muster der neuen Konzepte liegt darin, daß diese nur unter der Voraussetzung einer Wiedereinführung und Verankerung von Produktionsintelligenz praktiziert werden können. Kapitalverwertung selbst erfordert den Umbruch in der Nutzung von Arbeitskraft. Je mehr die Produktkonzeption auf die Erzeugung hochkomplexer, sich schnell wandelnder Qualitätsartikel hinausläuft und die Produktionskonzepte auf den breitflächigen Einsatz der neuen Technologien abzielen, desto mehr bietet sich als optimales Arbeitseinsatzkonzept der ganzheitlichere Aufgabenzuschnitt und die breitere Verwendung von Qualifikationen an. In der Frage, wo im Betrieb die produktionsnotwendige Intelligenz verankert werden soll: allein in werkstatt-externen Planungs-und Dispositionsagenturen, denen eine rein ausführende Fertigung ohne jede Kompetenz und Qualifikation gegenübersteht (das wäre die Fortschreibung alter Linien), oder aber auch in der Produktion selbst, deren Know how und Erfahrung nicht als ärgerliches Residuum, sondern als unverzichtbarer Bestandteil der Produktivkraftentwicklung anerkannt wäre (das sind die neuen Produktionskonzepte), gewinnt die zweite Position allmählich die Oberhand. Höhere Produktivität ist unter den gegenwärtigen Umständen ohne pfleglicheren, „aufgeklärteren" Umgang mit der lebendigen Arbeit nicht zu bekommen — das ist eine Erfahrung, die auch die Unternehmen machen müssen.
Je nach konkreter Ausprägung der neuen Produktionskonzepte weisen die Arbeitsveränderungen, die wir hier im Auge haben, unterschiedliche Konturen auf. Bezieht man sich wiederum auf die drei Bereiche, in denen wir hauptsächlich empirisch gearbeitet haben, so sind in bezug auf die vorherrschenden Arbeits-bzw. Berufstypen und deren Qualifikationsprofile die in der Übersicht 2 zusammengefaßten Differenzierungen angebracht.
Diese Entwicklungen stellen für die Zukunft der Industriearbeit sicher keine Marginalien dar; es geht um den Erhalt bzw. die Reetablierung von Facharbeit. Unter dem Einfluß der neuen Produktionskonzepte könnte die Entwicklung in einem wichtigen Teil der industriellen Produktion auf das Ende der Arbeitsteilung hinauslaufen.
III. Traditionalisten versus Modernisten
Der augenfällige Sachverhalt, daß um die Konkreta der betrieblichen Produktionskonzepte im Management Linienauseinandersetzungen geführt werden, stellt keine Marginalie dar, die wir vernachlässigen könnten. Es ist ein Desiderat der Industriesoziologie, daß sie nicht auch über eine entfaltete Managementsoziologie verfügt Diese Lücke behindert uns in einer Periode grundlegenden Wandels, in der veränderte Verwertungsbedingungen und Interpretationen die Suche nach geeigneten Produktionskonzepten stimulieren, in besonderem Maße. Solche Übergangszeiten sind dadurch gekennzeichnet, daß den allgemeinen Kapitalinteressen kein blockartiges, stromlinienförmiges Kapitalverhalten korrespondiert, sondern die Verwertungsprämisse nach neuen Einlösungen sucht. Unterschiedliche positioneile, funktionelle und professionelle Interessenlagen bekommen in diesem Prozeß der Suche, Erprobung und Verallgemeinerung gleichermaßen Bedeutung wie generationsspezifische Erfahrungsunterschiede und differierende „Philosophien". Die Beachtung dieser Einflüsse ist nicht nur eine Frage einer differenzierten, treffsicheren Analyse. Man muß die Dynamik solcher Übergangsprozesse in den Griff bekommen, will man Weichen stellen und Verbündete ausmachen, über die Gestaltungs. Überlegungen aus anderer Interessensicht in die betrieblichen Definitionsvorgänge wirkungsvoll eingebracht werden können. Um es an unserem Untersuchungsfeld zu konkretisieren: Die Unterscheidung zwischen den Traditionalisten im Sinne der Bewahrer for. distischer Strukturen und den Modernisten in der Automobilindustrie, zwischen den Verfechtern eines technokratisch-bornierten und eines empirisch-unideologischen Produktionskonzepts im Werkzeugmaschinenbau, zwischen den Promotern und Skeptikern gegenüber radikaler Digitalisierung in der chemischen Industrie ist auch von praktisch-politischer Relevanz. Sie macht Frontstellungen in einer noch halbwegs offenen Situation deutlich, die zu nutzen unter Gesichtspunkten des Arbeitnehmerinteresses von Belang ist. Statt Interventionen gegenüber Rationalisierung durch eine hermetische Sichtweise abzublokken, werden Kräftekonstellationen sichtbar, an die im bargaining um Rationalisierung angeknüpft werden kann.
IV. Forderungen der Belegschaften
Auch wenn wir hier nur von Belegschaften sprechen, deren Betriebe noch Perspektiven haben und wo nicht die Angst ums schlichte ökonomische überleben alles erdrückt, so ist angesichts von Arbeitslosigkeit und fehlenden Wachstums natürlich auch ihnen die Bedrohungsqualität des technisch-organisatorischen Wandels präsent. Gerade wegen der allgemeinen ökonomischen Lage spüren sie aber doppelt stark ihr Angewiesensein auf den eigenen Betrieb. Je funktionstüchtiger und konkurrenzfähiger er ist, um so mehr wird er für sie zur Rettungsinsel. Wie immer ihre Haltung gegenüber Rationalisierung konkret aussieht: Durchweg treffen wir heute auf einen modus vivendi, der es den Arbeitern erlaubt, ihre an sich gewachsene Grund-skepsis gegenüber Automatisierung mit der Hinnahme, teils sogar Förderung betrieblicher Innovation zu vereinbaren. Denn mit den neuen Produktionskonzepten werden vielen Arbeitern in den industriellen Kernbereichen Offerten gemacht; die höhere Attraktivität der verbleibenden Arbeit bietet bessere Chancen für ein Arrangement mit Rationalisierung. Zugleich liegt in der größeren Wertschätzung der lebendigen Arbeit durch die Betriebe für die Beschäftigten eine Möglichkeit, den Druck auf die Arbeitskonditionen einschließlich der Arbeitsplatzsicherheit abzufangen. Weil der Unternehmer mit den Arbeitern modernisieren will, muß er auch etwas bieten. Deswegen können die Belegschaften und ihre Vertretungen auch einen Preis fürs Mitspielen im betrieblichen Prozeß der Modernisierung fordern.
Bezogen auf die allgemeine Betriebspolitik heißen die verbreitesten Forderungen:
— Entlassungsschutz bzw. akzeptable Übergangsregelungen; bei unabweislichem Personalabbau gesicherte und finanziell tragbare Frühverrentung; „Arbeitszeitverkürzung“ als Antwort auf Arbeitsplatzvernichtung;
— Besitzstandssicherung bei innerbetrieblichen Umsetzungen;
— Beteiligung am Rationalisierungsgewinn als Ausgleich für übernommene Risiken und Lasten und als Anspruch an Produktivitätssteigerungen. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Modernisierung stießen wir auf folgende Erwägungen: — Anspruchsvolle Arbeitsplatzdefinitionen für möglichst viele Arbeiter; d. h. keine Bündelung der Qualifikationseffekte für kleine Spezialistentruppen, wie es oft Betriebspraxis ist; mutiges Ausschöpfen der erweiterten Gesamtmasse qualifizierterer Funktionen.
— Ausrichtung der Bildungsinhalte an einem umfassenden Qualifikationsbegriff; d. h. keine Beschränkung auf prozeßspezifische Fähigkeiten, worauf sich viele Betriebe zunächst zu beschränken suchen. Orientierung an souveräner Berufsarbeit; vielfältige berufliche wie private Anwendbarkeit der Kenntnisse und Fähigkeiten.
— Verpflichtung auf den Leistungskompromiß; d. h. keine einseitige Festlegung der Leistungsanforderungen, wie dies in der heutigen betrieblichen Praxis oft geschieht und zu gravierender Arbeitsintensivierung gerade an den neuen Arbeitsplätzen führt.
Auf Vorstellungen von einer „alternativen“ Rationalisierung, die für die technisch-organisatorische Gestaltung der Produktion die Verwertungsprämisse nicht mehr gelten lassen will, sind wir bei den Arbeitern und Betriebsräten in den untersuchten Betrieben als relevanten Politikansatz nicht gestoßen. Ihr Kampf geht um die angemessene Beteiligung an betrieblicher Rationalisierung, wie sie heute stattfindet, und die systematische Einbeziehung von Beschäftigteninteressen in die betrieblichen Modernisierungsstrategien.
Ihre Forderungen setzen also dort an, wo die positiven Wirkungen des neuen Produktionskonzepts für die Beschäftigten durch deren einzelwirtschaftliche Einbindung begrenzt bleiben. Ein politisches Programm, welches Modernisierung über ihre betriebliche Borniertheit hinaustreiben will, könnte an diesen Belegschaftsforderungen anknüpfen.
V. Wandel des Sozialgefüges
Die neuen Produktionskonzepte markieren in unserem Verständnis den wahrscheinlichen Entwicklungspfad allein der industriellen Kernsektoren. Sie sind ein wichtiger Bestandteil von deren Versuch, den Kopf aus der Schlinge der Krise zu ziehen und im nationalen wie internationalen Wettbewerb den Boden unter den Füßen zu halten oder wiederzubekommen. Am anderen Pol stehen die krisenbestimmten Branchen, die heute kaum noch eine Perspektive haben und in denen es ums nackte ökonomische überleben geht: vor allem also die Werften, die Stahlindustrie, der Bergbau. In diesen industriellen Krisensektoren ist wenig Platz für die Idee neuer Produktionskonzepte: Ihr Überlebenskampf steht unter dem Zeichen der Abwicklung von Kapazitätsabbau und Stillegungen.
Innerhalb der Arbeiterschaft spiegeln sich diese ökonomischen Strukturen in einer Verfestigung interner Grenzlinien wider. Für die innere Dynamik des sich herausbildenden So-
zialgefüges scheinen uns vier Konstellationen und Gruppen von besonderer Bedeutung:
Erste Gruppe: Die personellen Träger der neuen Produktionskonzepte sind moderne Produktionsfacharbeiter, Instandhaltungsspezialisten, außerdem das ganze Umfeld derer, dm allmählich in solche Positionen einrücken könnten. Sie sind die Rationalisierungsgewinner. Im Rationalisierungsprozeß ist ihr Verhalten das der Mitspieler, der Protagonisten der betrieblichen Umgestaltung; sie haben eiDen hohen betrieblichen Status und können für sich Gratifikationen reklamieren. Aus der avisierten Entwicklung dürften sie sogar mitachtzugewinn herauskommen.
Zweite Gruppe: Dazu zählen die Arbeiter auf den traditionellen Arbeitsplätzen in den
Kernsektoren, die aber wegen persönlicher Merkmale — fortgeschrittenes Alter, keine polyvalenten Qualifikationen — für einen Arbeitseinsatz nach dem neuen Produktionskonzept den Betrieben nicht attraktiv erscheinen. Ihr Verhalten im Rationalisierungsprozeß dürfte das der Rationalisierungsdulder sein. Sie sind zwar überwiegend durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung vor dem Schlimmsten geschützt, doch ist ihre Interessenwahrnehmung gehemmt, weil für sie allemal die Gefahr besteht, ausgefiltert zu werden. Die Kämpfe bei Talbot 1983 zeigen die Brisanz, die entsteht, wenn die Beschäftigten-interessen dieser Gruppe betrieblich nicht mehr eingelöst werden und sie dadurch ganz auf die Verliererstraße geraten.
Dritte Gruppe: Hierzu zählen die Arbeiter in den krisenbestimmten Branchen; sie sind schon Verlierer. Bei kollektiver Betroffenheit, d. h. bei Betriebsstillegungen, ist hier ein sehr hohes Aktivitätspotential gegeben. Die Betriebsbesetzungen in der Werftindustrie 1983 deuten dies an. Das Verhalten dieser Gruppen im Rationalisierungsprozeß ist zumeist nicht gegen betriebliche Rationalisierung gerichtet, sondern gegen „falsche" Betriebskonzepte bzw. gegen den gänzlichen Verzicht auf Rationalisierungsbemühungen, die das überleben des Betriebes vielleicht sichern könn' ten.
Vierte Gruppe: Hierzu gehören die Risiko-träger am Arbeitsmarkt und vor allem die Dauerarbeitslosen. Sie werden noch stärker ins Ghetto der Dauerarbeitslosigkeit verbannt, weil mit den neuen Produktionskonzepten die Außenabschottung der Betriebe ebenso wächst wie die spezifischen Qualifika-tionsnachfragen. Ein konkreter Bezug auf betriebliche Rationalisierungskonzepte fällt bei dieser Gruppe zwangsläufig weg.
Das Ende der Arbeitsteilung im Inneren der Zentren der Industrieproduktion fällt also zusammen mit einer tendenziellen Verschärfung der Abgrenzung nach außen. Deshalb sprechen wir auch von der Segmentierung als einer neuen Variante der Polarisierung. Seit den unmittelbaren Nachkriegsjahren waren die Lageunterschiede innerhalb der Arbeiterschaft noch nie so groß wie jetzt; noch nie sind die mit industrieller Arbeit verknüpften Risiken und Chancen unter den Arbeitern so unterschiedlich verteilt gewesen wie heute.
VI. Modernisierung — ein Weg zu gesellschaftlichem Fortschritt?
Es ist dieses Novum, das uns dazu veranlaßt, im Hinblick auf die gegenwärtige Phase der gesellschaftlichen Entwicklung den Begriff der Neoindustrialisierung einzuführen — Neo-in Abgrenzung zu Reindustrialisierung, einem durch einen korporativistischen Politikansatz zur Förderung des vernachlässigten Investitionsgütersektors in den USA plötzlich hochgespielten Terminus. Reindustrialisierung redet der Wiederentdeckung der industriellen Kernsektoren das Wort und fordert ausschließlich Erneuerung der Infrastruktur auf der Basis der neuen Technologien. Neoindustrialisierung soll mehr ausdrücken: Eine an die Substanz gehende Neufassung des Begriffs kapitalistischer Rationalisierung. Der Prozeß, den wir damit benennen wollen, meint nicht Restitution von Bekanntem, sondern Eindringen in Neuland — neue Produktionskonzepte auch und gerade durch einen anderen Umgang mit der lebendigen Arbeit. Neoindustrialisierung verstehen wir entsprechend nicht als technologisches Phänomen, sondern als einen komplexen Umbruch der Industriestruktur, für den uns der arbeitspolitische Paradigmenwechsel in den Betrieben konstitutiv zu sein scheint.
Obgleich wir die Eingebundenheit der neuen Produktionskonzepte in die industriellen Kernsektoren sehen müssen, markiert ihre Entstehung und Verallgemeinerung einen Vorgang von übersektoraler, man kann ruhig sagen: gesellschaftlicher Bedeutung. Im Gravitationsfeld jener Prozesse, die hier in Rede stehen, werden die Reproduktionsmöglichkeiten und Lebenschancen innerhalb der Gesellschaft umverteilt. In dem Maße, in dem auf der Grundlage der neuen Produktionskonzepte die Modernisierung der industriellen Kernsektoren gelingt, werden diese Bereiche zu ökonomischen Machtzentren, aus denen für jeden etwas abfällt, der zu ihnen Zugang hat und behält. Auch wenn hinter den krisenhaften Zuspitzungen in den Grenzsektoren industrieller Produktion und im Arbeitslosen-Segment des Arbeitsmarktes ein ganzes Bündel von Gründen steckt: Am Elend dieser Bereiche ist die Modernisierung der industriellen Kernsektoren als eine Ursache durchaus mitbeteiligt. Teils sind es die Abwälzungsstrategien, mit denen die mächtigen Kernsektoren einen Teil der „Kosten“ ihrer Modernisierungserfolge „sozialisieren"; teils sind es aber auch Abschottungspraktiken, mit denen sich die Branchen des Kernbereichs einer solidarischen Übernahme gesellschaftlicher Aufgaben entziehen. Das Vorhandensein solcher Mechanismen bedeutet allemal, daß die Kern-sektoren in einem gewissen Maße zu Lasten anderer Bereiche gedeihen.
In diesen disparitären Lebensverhältnissen sind große Probleme der gesellschaftlichen Integration begründet. Wenn die von uns beobachteten Segmentierungstendenzen weiter verstärkt und verfestigt werden, dann wird Neoindustrialisierung in die sogenannte Zwei-Drittel-Gesellschaft einmünden. Gelänge es aber, durch eine am Begriff gesamtgesellschaftlicher Rationalität orientierte Politik der Modernisierung die disparitären, betrieblich bornierten Momente auszugleichen, dann könnte Neoindustrialisierung langfristig zu gesellschaftlichem Fortschritt führen.
Horst Kern, geb. 1940, Dr. disc. pol., Professor für Soziologie an der Universität Göttingen. Arbeitsschwerpunkte: Industriesoziologie, Geschichte der empirischen Sozialforschung. Veröffentlichungen u. a.: (zus. m. M. Schumann) Industriearbeit und Arbeiterbewußtsein, Frankfurt/M. 1970 (Studienausgabe 1977); Der soziale Prozeß bei technischen Umstellungen (mit M. Schumarin), Frankfurt/M. 1972; (zus. m. M. Baethage u. a.) Produktion und Qualifikation, Frankfurt/M. 1974; Kampf um Arbeitsbedingungen, Frankfurt/M. 1979; Empirische Sozialforschung: Ursprünge, Ansätze, Entwicklungslinien, München 1982. Michael Schumann, Dr. disc. pol., geb. 1937; Direktor am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen e. V. (SOFI); Professor für Soziologie an den Universitäten Bremen und Göttingen. Arbeitsschwerpunkt: Industriesoziologie. Veröffentlichungen u. a.: (zus. m. H. Kern) Industriearbeit und Arbeiterbewußtsein, Frankfurt 1970 (Studienausgabe 1977); (zus. m. M. Baethge u. a.) Produktion und Qualifikation, Frankfurt/M. 1974; (zus. m. M. Baethge u. a.) Sozialpolitik und Arbeiterinteresse, Frankfurt/M. 1976; (zus. m. E. Einemann u. a.) Rationalisierung, Krise, Arbeiter, Frankfurt/M. 1982.
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