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Waldsterben im Schnittpunkt von Ökologie, Ökonomie und Politik | APuZ 20/1985 | bpb.de

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APuZ 20/1985 Artikel 1 Die internationale Umweltpolitik als Herausforderung für die N) * ationalstaatlichkeit Waldsterben im Schnittpunkt von Ökologie, Ökonomie und Politik Smogalarm Fünf Funktionen der unmittelbaren Gefahrenabwehr im Umweltschutz

Waldsterben im Schnittpunkt von Ökologie, Ökonomie und Politik

Walter Sauter

/ 28 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Das Waldsterben hat beängstigende Ausmaße angenommen. In der Bundesrepublik ist bereits die Hälfte des Waldes betroffen; es gibt kaum noch gesunde Tannen. Und die Entwicklung schreitet fort Verantwortlich ist ein Ursachenkomplex, dessen wichtigstes Element die Schadstoffbelastung der Luft ist Als Hauptschuldige gelten Schwefel-und Stickstoffverbindungen, die zum größten Teil aus Verbrennungsprozessen (in Kraftwerken, Industrie, Haushalten und Automotoren) herrühren und während des Transports durch die Atmosphäre chemischen Reaktionen unterliegen, deren Produkte oft besonders aggressiv sind (Photooxidantien). Die ökologischen Folgen eines großflächigen Waldsterbens sind noch unabsehbar: es droht der Verlust der Wohlfahrtswirkungen des Waldes auf Klima, Relief, Boden und Wasserhaushalt Fällt der Wald als Luftfilter aus, dann verstärkt sich die Schadstoffbelastung von Gewässern, Agrarflächen, von Siedlungen und ihren Bewohnern. Der Zusammenbruch ganzer Okosysteme wird ökonomische Katastrophen nach sich ziehen. Bereits heute gehen die Folgekosten der Luftverschmutzung in die Milliarden. Angesichts derart horrender Beträge wären selbst aufwendige Umweltschutzmaßnahmen auch unter -wirtschaftlichen Gesichtspunkten noch sinnvoll.

„Die Seerose im alten Teich wächst jeden Tag auf das Doppelte. Nach drei Wochen nimmt sie schon die halbe Teichfläche ein. Wie lange dauert es noch, bis sie den ganzen Teich bedeckt?"

I. Das Phänomen

Tabelle 1: Schleswig-Holstein Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Hessen Rheinland-Pfalz Saarland Bayern Baden-Württemberg Bundesrepublik Tanne Fichte Kiefer Buche Eiche Sonstige Alle Baumarten t Schadstufe 1 (schwache Schäden): Schadstufe 2 (geschädigt): Schadstufe 3 (stark geschädigt): 137 000 977 000 855 000 834 000 771 000 85 000 2 444 000 1 303 000 7 400 000 176 000 2 950 000 1 464 000 1 250 000 615 000 950 000 7 400 000 • 18 13 9 5 1 4 7 10 7, 7 60 9 5 4 7, 7 5, 7 1. 5 0, 5 12 17 35 14 23 11 45 4垀ٲ

Erstaunlich viele Menschen sind nicht in der Lage, diese alte Rätselfrage auf Anhieb richtig zu beantworten. Offenbar liegt es dem menschlichen Geist nicht, exponentielle Entwicklungen einzuschätzen: Entwicklungen, die zunächst (und möglicherweise über längere Zeiträume) sehr verhalten verlaufen, sich dann aber immer mehr beschleunigen, um schließlich einen geradezu explosionsartigen Anstieg aufzuweisen.

Tabelle 3: Schäden durch Luftverschmutzung:

Gebäudeschäden:

Korrosion an Stahlkonstruktionen:

zusätzlicher Reinigungs-/Waschaufwand:

Land-und Forstwirtschaft:

Maßnahmen an Kulturgütern:

Reinigung städtischer Bronzedenkmäler:

Reinigung/Konservierung musealer Metallskulpturen im Freien:

Konservierung/vorbeugende Behandlung mittel-

alterlicher Glasmalereien:

Klimaanlage/Luftfilter in Museen Reinigung, Restaurierung, Konservierung der Fassaden historischer Gebäude:

z. ﶨ

Verständlicherweise werden derartige Entwicklungen zunächst einfach übersehen. Laut Naisbitt gilt dies für alle „grundlegenden Veränderungen" unserer Zeit (den Umweltschutz zählt Naisbitt interessanterweise nicht dazu, tut ihn vielmehr im Vorwort als bereits wieder überholt ab: „das Maß der Wandlungen (ist) zwar fundamental, geht jedoch so subtil, fast unmerklich vor sich, daß wir dazu neigen, es nicht zu bemerken, oder ... herunter(zu) spielen und letztlich zu ignorieren", bis wir am Ende merken, daß wir mit der dann „überstürzten Entwicklung der Dinge nicht mitgekommen sind"

Tabelle 4: Licht und Kraft Warmwasser, Prozeßwärme Heizwärme Summe 1. 7 6, 4 34, 1 42, 2 4, 1 29, 6 5, 3 39, 0 18, 2 — 0, 6 18, 8 24, 0 % 26, 0 % 40, 0 % 100, 0% Struktur des Energieverbrauchs in der Bundesrepublik (1977) (Quelle: Nolzen, S. 2) Haushalte Industrie Verkehr Summe

Gerade im Umweltbereich finden sich zahlreiche Belege für diese Behauptung. Musterbeispiel ist die Entwicklung, die heute mit den Schlagworten „Waldsterben" und „saurer Regen" umschrieben wird: Als die skandinavischen Länder im Jahr 1972, anläßlich der UN-Umweltkonferenz in Stockholm, auf die Folgen des sauren Regens hinwiesen, fanden sie so gut wie keine Resonanz. Erst um 1980 warnten auch in Mitteleuropa einzelne Wissenschaftler vor den Gefahren der Luftverschmutzung für unseren Wald — und auch sie mußten erleben, daß ihre Ergebnisse von ihren Kollegen, von Politikern und auch von Forstleuten noch jahrelang heruntergespielt und ignoriert wurden.

Inzwischen starb der Wald immer schneller.

Schon Mitte der siebziger Jahre waren die Schäden auch bei uns zu beobachten, zunächst in Tannenwäldern, weshalb das Problem anfangs als „Tannensterben" in die öffentliche Diskussion geriet. Als aber bald darauf auch Fichten und dann auch andere Nadelbäume entsprechende Symptome aufwiesen sprach man allgemein von einem Waldsterben, obwohl zunächst noch ausschließlich der Nadelwald gemeint war. Noch hoffte man, den in Deutschland vorherrschenden Nadel-wald allmählich durch den „resistenten" und überdies oft standortgerechteren Laubwald ersetzen zu können.

Inzwischen sind auch die Laubbäume schon deutlich geschädigt. Die Schäden werden nicht nur immer größer, sie verteilen sich auch immer gleichmäßiger auf verschiedene Baumarten und Regionen (Tab. 1). Die Tabelle gibt die tatsächliche Entwicklung allerdings nicht ganz korrekt wieder: Im Jahr 1982 hatten nur Baden-Württemberg und Bayern genaue Bestandsaufnahmen durchgeführt und dementsprechend besonders hohe Schadens-werte ermittelt. In Wirklichkeit waren schon damals die Schäden etwas gleichmäßiger über die Regionen (und wohl auch über die Baum-arten) verteilt, außerdem lagen sie im Bundes-durchschnitt sicherlich deutlich über 10%.

Zweifellos haben die süddeutschen Länder einen „Vorsprung"; doch davon abgesehen ist die Entwicklung auf den baden-württembergischen Beobachtungsflächen (Abb. 1) wohl repräsentativ für die Gesamtentwicklung der deutschen Wälder: Hier zeigt sich deutlich ein exponentieller Anstieg der Schäden.

Dabei sind die Beobachtungswerte noch etwas geschönt, da ja kranke Bäume laufend aus den Wäldern herausgenommen, von den Bestandsaufnahmen also gar nicht mehr erfaßt werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, daß in den „klassischen" Schadens-gebieten schon seit dem 19. Jahrhundert ein „Umbau"

des Waldes stattfindet, so im „besonders durch Schwefeldioxid belasteten Ruhrgebiet", wo „SO 2-empfindliche Nadelgehölze nicht mehr gedeihen und ...deshalb nicht mehr angebaut" werden

Heute haben wir ein „Waldsterben" vollen Wortsinn: mit erheblichen Schäden in allen Regionen und bei allen Waldbäumen. Und vieles spricht dafür, daß sich diese Entwicklung fortsetzt

II. Die Ursachen des Waldsterbens

Abbildung 1: Entwicklung der Waldschäden Entwicklung der Beobachtungsflächen in Baden-Württemberg 1980-1984 (nach Schadenskategorien; in % der Waldfläche) Tannen:

1675 Tannen auf 27 Beobachtungsflächen Jahr: Frühjahr/Herbst: Fichten:

556 Fichten auf 17 Beobachtungs flächen Schadenskategorie: Nadelverlust (%): 1980 1981 gesund 0-10 1981 1982 kränkelnd 11-20 1982 krank 21-60 1983 1983 sehr krank 61-99 1984 tot 100

1. Natürliche Ursachen Ausmaß und Entwicklung der heutigen Wald-schäden sprechen dagegen, altbekannte Schadfaktoren dafür verantwortlich zu machen. Da aber die „traditionellen" Ursachen in der öffentlichen Diskussion immer noch eine Rolle spielen, ist es nötig, auf die Unterschiede in den Schadensmustern einzugehen. a) Witterungsbedingte Schäden Zweifellos können extreme Kälte (insbesondere plötzliche Temperaturstürze) ebenso wie extreme Hitze (verbunden mit Trockenheit) katastrophale Waldschäden auslösen. So wurde das gegenwärtige Waldsterben verschiedentlich mit dem heißen Sommer 1976 bzw. mit dem Temperatursturz um die Jahres-wende 1978/79 in Verbindung gebracht Eine genaue Betrachtung der räumlichen Verteilung und der zeitlichen Entwicklung der Schäden zeigt aber, daß kein zeitlicher Zusammenhang besteht zwischen ungewöhnlich kalten bzw. heißen und trockenen Jahren einerseits und dem Auftreten von Schäden andererseits; daß eine räumliche Korrelation zwischen dem Auftreten von starken Frösten bzw. zwischen besonders hitzeexponierten und trockenen Standorten und den Wald-schäden ebenfalls nicht nachzuweisen ist. b) Schädlinge Neben extremen Wetterlagen werden als Ursache für das Waldsterben häufig Schädlinge genannt: an erster Stelle der Borkenkäfer, daneben andere altbekannte Waldschädlinge (Nonne, Kiefernspanner u. a.), außerdem Pilze, Bakterien oder neuerdings sogar Viren Doch wie für die Witterung, gilt auch für die Schädlinge: Eine genaue Betrachtung der räumlichen Verbreitungs-und der zeitlichen Entwicklungsmuster zeigt, daß die Schäden auf diese Ursache (allein) nicht zurückgeführt werden können. „Aufgrund des Fehlens von typischen Schadensausbreitungsmustern, wie sie normalerweise bei Schädlings-und Krankheitsbefall durch Pilze, Bakterien u. a. festzustellen sein müßten, hält der Rat ... eine Beteiligung tierischer Schädlinge am Ursachen-gefüge der Waldschäden für ausgeschlossen." c) Waldbau und Forstpolitik.

Ein oft gehörter Vorwurf ist schließlich, eine verfehlte Forstpolitik hätte schuld an den Schäden. Das Waldsterben sei eine Folge der Aufzucht standortfremder Wirtschaftsforste, also insbesondere einer Verdrängung der natürlichen Laubwaldvegetation durch Nadelhölzer, wobei gerne die Fichtenmonokultur einheitlichen Alters als abschreckendes Beispiel genannt wird. Dabei ist unbestritten, daß die Fichte die Versauerung des Oberbodens begünstigt. Allerdings: „Bei der Tanne konnte eine vergleichbare Tendenz zur Bodendegradation bislang nicht belegt werden" und gerade die Tanne war ja am frühesten und ist am stärksten vom Baumsterben betroffen.

Auch hier spricht vor allem die räumliche Verteilung der Schäden gegen eine (Allein-) Schuld der Forstpolitik: die „unnatürlichen" Wälder sind nicht unbedingt am stärksten geschädigt, vielmehr finden sich Schäden auch in Plenter-und in Mischwäldern. Tannen wie Fichten sterben gerade auf ihren natürlichen Standorten (im Schwarzwald, im Bayerischen Wald etc.) und die Bäume der Laubwaldregion sind inzwischen ebenfalls betroffen.

Insbesondere die Betrachtung der räumlichen Verbreitungsmuster sowie der zeitlichen Entwicklung der Waldschäden führt demnach zu dem Fazit, daß die „naturbedingten und wald-baulichen Einflüsse auf die Wälder... nicht ausreichen, um Art und Umfang der neuartigen Waldschäden zu erklären" 2. Der Ursachenkomplex Heute gibt es unter Fachleuten kaum noch Differenzen darüber, daß es sich bei den Waldschäden um eine Komplexkrankheit handelt, wobei die Schadstoffbelastung der Luft innerhalb des Ursachenkomplexes die zentrale Rolle spielt.

a) Schadstoffe und Schadstoffniederschlag Das Waldsterben wird in der öffentlichen Diskussion im allgemeinen auf den „sauren Regen" zurückgeführt. Dieses Schlagwort kann als stark vereinfachendes Kürzel für den komplexen Prozeß „Schadstoffemission — Transport — Immission/Deposition" angesehen werden.

Verschiedene Verursacher emittieren Schadstoffe in unterschiedlichem Ausmaß (Tab. 2). Dabei konzentrierte sich die Aufmerksamkeit lange auf Schwefel, insbesondere in Form von Schwefeldioxid (SO): aufgrund seiner Häufigkeit und Schädlichkeit galt SO, als „Leitgas", das vorrangig gemessen und in Umweltprogrammen berücksichtigt wurde.

Doch tragen zur Übersäuerung des Regens auch andere Komponenten bei: neben Schwefelsäure vor allem Salpetersäure, die von NO-Emissionen herrührt. Und außer diesen Säurebildnern gelangen weitere Schadstoffe in die Luft, die — unter anderem — zu Vegetationsschäden führen: Stäube, Schwermetalle (Blei, Cadmium), Kohlenwasserstoffe (CmHn) und Kohlenoxide: das giftige Kohlenmonoxid (CO) sowie Kohlendioxid (CO 2), das zwar ungiftig ist, dessen Anreicherung in der Atmosphäre aber zu Klimaänderungen mit katastrophalen Folgen führen könnte.

Diese Schadstoffe werden durch die Atmosphäre transportiert. In der Vergangenheit waren die Transportwege kurz; die Schäden konzentrierten sich auf die unmittelbare Nachbarschaft der Emittenten und nahmen hier entsprechend verheerende Ausmaße an (Musterbeispiel: Ruhrgebiet). Das Bestreben, diese gewöhnlich dicht besiedelten Gebiete zu entlasten, führte nun aber weniger zu einer Begrenzung des Schadstoffausstoßes als solchem, als vielmehr zu einer „besseren" Verteilung der Schadstoffe: über hohe Schornsteine wurden sie in höhere Luftschichten gebracht und dadurch weiträumig verteilt.

Die unmittelbare Belastung eng begrenzter Areale wurde abgelöst durch eine schleichende Vergiftung ganzer Länder und Kontinente. Verschärfend kommt hinzu, daß der Fern-transport ja eine längere Verweildauer der Schadstoffe in der Atmosphäre zur Folge hat: Häufiger als früher kommt es jetzt zu einer Stoffumwandlung durch chemische Reaktionen. Zusätzlich zu den Ausgangsmaterialien (SO,, NO, u. a.) entstehen neue Stoffe, die oft noch aggressiver reagieren, so etwa die bereits erwähnten Säuren: Schwefel-und schweflige Säure aus SO 2, Salpetersäure aus NO,. Aus NO,, Kohlenwasserstoffen sowie dem Luftsauerstoff bilden sich durch photochemische Vorgänge unter Einwirkung des Sonnenlichts die als „Los-Angeles-Smog" bekannten Photooxidantien (Ozon, Aldehyde, Peroxyacetylnitrat), die die Umwelt weit stärker belasten als ihre Ausgangsprodukte — weshalb etwa Autoabgase unmittelbar am Straßenrand weniger aggressiv wirken als in entfernteren (möglicherweise verkehrsarmen) Regionen.

Die transportierten und umgewandelten Stoffe werden schließlich als fmmissionen wieder aus der Atmosphäre’ ausgeschieden, wobei der vielzitierte „saure Regen" nicht unbedingt die Hauptrolle spielt. Von mindestens ebenso großer Bedeutung sind saurer Nebel und saurer Schnee (die in der Regel länger auf die Pflanze einwirken) sowie die sogenannte „trockene Deposition", worunter man das Ausfällen von Schadstoffen aus der trockenen Luft versteht.

Es scheinen im wesentlichen zwei Wirkungsketten zu sein, über die Luftschadstoffe die Vegetation beeinträchtigen: die direkten Einwirkungen auf die oberirdischen Pflanzenorgane und die indirekten Wirkungen über den Boden. Beide Ketten wirken zusammen und steigern die Schadwirkung der jeweils anderen (Abb. 2). b) Die direkten Wirkungen Die Schadstoffe in der Luft bzw. in den Niederschlägen greifen die Pflanze an: die Rinde und — noch schwerwiegender — die grünen Teile (Blätter, Nadeln). Dabei zerstören die Photooxidantien die äußere Schutzschicht der Blätter; danach werden Mineralstoffe — auch durch Einwirkung der sauren Immissionen — aus dem Blattinnern gelöst und ausgewaschen. Von besonderer Bedeutung ist die Schädigung der Stomata: der Schließmechanismus der Spaltöffnungen von Blättern/Nadein wird gelähmt, die Blattporen bleiben dauernd geöffnet, so daß die Transpiration übermäßig zunimmt: die Pflanze verliert zu-viel Feuchtigkeit und kann im Extremfall an Wassermangel sterben. c) Schädigung über den Boden Gelangen die Schadstoffe aus der Atmosphäre in den Boden, so wird auch dessen Qualität beeinträchtigt: toxische Materialien, beispielsweise Schwermetalle, vergiften den Boden; Säuren senken seinen pH-Wert — der Boden versauert, was wiederum vielfältige Wirkungen hat: Ähnlich wie die oberirdischen Organe, werden auch die Wurzeln der betroffenen Pflanze durch Säuren direkt geschädigt; hinzu kommt eine Schädigung durch giftige Metallionen, die aus der Atmosphäre in den Boden gelangten, aber auch durch solche, die normalerweise fest in die Bodenstruktur eingebunden sind, jetzt aber durch die Säuren herausgelöst wurden (Aluminium u. a.). Auch Nährstoffe werden durch Säuren gelöst und können dann verstärkt aus dem Boden herausgewaschen und mit dem Grundwasser abtransportiert werden.

All das beeinträchtigt die Fähigkeit der Pflanze, Nährstoffe und Wasser aufzunehmen: durch die Auswaschung wird der Nährstoff-vorrat geschmälert, zudem können die geschädigten Wurzeln ihre Sammelfunktion nicht mehr richtig ausüben.

Der durch oberirdische Schadstoffwirkungen verursachte Nährstoff-und Feuchtigkeitsmangel wird durch die verminderte Zufuhr noch verschärft. Unter diesen Umständen verringert sich das Pflanzenwachstum im äußersten Fall auf Null. Die Widerstandskraft sinkt. Schwächung und Krankheit führen schließlich zum Tod der Pflanze. d) Sekundärschäden Dabei müssen es nicht unbedingt diese beiden Wirkungsketten sein, die letztlich zum Tod führen. Die Schwächung der Widerstandskraft macht die einzelne Pflanze oder ein ganzes Ökosystem anfällig für vielfältige Sekundärschäden. Hier können jetzt die oben diskutierten natürlichen Schadfaktoren durchaus eine entscheidende Rolle spielen. So beeinträchtigen beispielsweise Säureschäden den Prozeß der Frosthärtung, durch den sich eine gesunde Pflanze im Spätherbst „winterfest" macht: die kranke Pflanze ist dazu nicht mehr fähig und wird so äußerst anfällig für Kälteschäden. Es ist ja auch bekannt, daß Borkenkäfer und andere Schädlinge in erster Linie Bäume bedrohen, die bereits geschwächt, also von anderen Faktoren vorgeschädigt sind.

Alles in allem wirken also unterschiedliche Ursachen zusammen und verursachen umfangreiche Waldschäden. Dabei mögen natürliche und waldbauliche Faktoren im Einzelfall eine erhebliche Rolle spielen.

Letzten Endes verantwortlich für Art und Ausmaß der gegenwärtigen Waldschäden ist jedoch die Belastung durch Schadstoffe, die im wesentlichen aus der Atmosphäre in das Waldökosystem eingetragen werden. 3. Zum Schadensverlauf Diese Erklärung der Waldschäden mit Luft-schadstoffen als primärer Ursache erklärt gleichzeitig den bisherigen zeitlichen Verlauf: Schon im vorigen Jahrhundert wurden „Rauchgasschäden" der Vegetation beschrieben — beschränkt allerdings auf die unmittelbare Nachbarschaft der Emittenten, wo es dann jedoch zum Totalausfall der empfindlichen Arten kam.

Solche Totalschäden führten dann in den sechziger und siebziger Jahren dieses Jahrhunderts zur „Politik der hohen Schornsteine" (s. o.). Baumringuntersuchungen im Ruhrgebiet zeigen, daß nach jahrzehntelanger Wachstumsstagnation die Bäume wieder deutliche Zuwächse erzielen Durch den Ferntransport der Abgase wurden die Schäden statt dessen in revierferne Regionen verlagert.

In den revierfernen „Reinluftgebieten" traten die Schäden typischerweise zuerst in Staulagen auf: Im oberen Teil windexponierter Hänge, wo die herangeführten Luftmassen zum Aufsteigen gezwungen sind und abgebremst werden, wo sie deshalb „Ballast abwerfen", wird Luftfeuchtigkeit in Form von Steigungsregen bzw. Nebel ausgeschieden. Und mit der Feuchtigkeit werden die mitgebrachten Schadstoffe „abgeladen".

Zunächst waren Nadelwälder betroffen: Nadelbäume haben eine mehrfach größere Blatt-oberfläche als Laubbäume und können deshalb mehr Schadstoffe aus der Luft „auskämmen", wobei hinzukommt, daß die immergrünen Nadelbäume diese Filterfunktion gerade auch im Winter ausüben, wenn die Schadstoffbelastung aufgrund des höheren Brennstoffverbrauchs viel höher ist als im Sommer, wenn auch die Laubbäume Blätter tragen. Außerdem akkumulieren sich die Schadstoffe in den Nadeln stärker als in den Blättern, die jedes Jahr abgeworfen werden. Schon bald zeigte sich allerdings, daß die Vorteile der Laubhölzer nicht ausreichten, sie vor Schäden ganz zu bewahren, sondern ihnen nur eine Gnadenfrist von wenigen Jahren verschafften (s. o., S. 14 ff.).

Es ist zu befürchten, daß diese Entwicklung weitergeht. Deutliche Anzeichen sprechen bereits dafür, daß auch einzelstehende Bäume (Obstbäume, Zierbäume) geschädigt sind obwohl die Filterwirkung in bezug auf Luft-schadstoffe bei solchen Einzelbäumen viel kleiner ist als die von geschlossenen Verbänden. Und das Risiko ist nicht mehr von der Hand zu weisen, daß nach den Bäumen — die aufgrund ihrer Höhe den Luftströmungen in besonderem Maße ausgesetzt sind — auch niedrigere Formen „an die Reihe kommen" werden: Büsche, wobei etwa der in Hanglage angebaute Wein besonders gefährdet ist und schließlich möglicherweise auch Agrarprodukte wie Kartoffeln, Getreide oder auch Gartenbauprodukte (s. u., Kap. V).

III. Die ökologischen Folgen der Waldzerstörung

Tabelle 2: 1966 1970 1974 1978 1980 Gesamt KW IN HH VE Gesamt KW IN HH VE Gesamt KW IN HH VE Gesamt 1000 t % % % % 1000 t % % % % 1000 t % % % % 1000 t 1 800 26 59 14 1 3 500 42 40 16 2 2 050 32 32 5 31 12 500 1 300 22 60 16 2 3 950 47 35 16 2 2 450 33 29 5 33 13 000 950 20 63 14 3 3 750 52 32 14 2 2 700 34 24 5 37 11 300 720 24 64 8 4 3 550 56 28 13 3 3 000 31 19 5 45 9 300 3 470 60 29 9 2 KW IN HH VE Gesamt KW IN HH VE % % % % 1000 t % % % % 0 14 52 34 1 400 1 25 46 28 0 14 41 45 1 700 1 26 42 31 0 17 27 垀ٲ

Ein weit verbreitetes Pflanzensterben wird nicht erst dann gravierende Folgen für den Menschen haben, wenn unsere Grundnahrungsmittel Schaden erleiden. Bereits eine weitgehende Vernichtung der Wälder hätte unabsehbare Wirkungen, stellen die Wälder doch tragende Elemente der ökologischen Gesamtsysteme Mitteleuropas dar.

Die sogenannten Wohlfahrtsfunktionen des Waldes beschränken sich ja niht auf seinen Erholungswert, der überwiegend ästhetisch bestimmt ist, in dem aber auch schon die positiven Wirkungen auf Klima und Luftqualität zum Ausdruck kommen.

Wald wirkt ausgleichend auf das Klima, indem er extreme Werte mildert: er dämpft Temperaturschwankungen, bremst den Wind, reguliert den Wasserhaushalt (s. u.). Diese Wirkungen sind nicht auf das Waldökosystem selbst begrenzt, sie strahlen vielmehr auf die Umgebung aus und tragen dort zur Verbesserung des Mesoklimas, in manchen Fällen auch des Makroklimas bei. Dies ist nicht zuletzt auch von wirtschaftlicher Bedeutung, wenn beispielsweise benachbarte Agrarflächen von der Klimaverbesserung profitieren (Windschutz, Milderung von Temperatur-extremen — das bedeutet geringere Frost-und Trockenschäden).

Eine besondere Rolle spielen die günstigen Klimawirkungen des Waldes in der Nähe größerer Siedlungen, in denen sich ein künstliches Klima herausbildet, das Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen belastet: durch Temperaturextreme, häufige und heftige Niederschläge, gesteigerte Trockenheit, Beeinträchtigung des Luftmassenaustausches, Modifizierung des Strahlungshaushalts durch eine Dunstglocke und erhöhte Schadstoffbelastung der Luft. Der Einfluß eines benachbarten Waldes kann die Nachteile eines solchen Stadtklimas mildern und durch Frischluftzufuhr die Luftqualität in der Stadt erheblich verbessern.

X Überhaupt ist der intakte Wald ein hochwirksamer Luftverbesserer: mit Hilfe seiner grünen Pflänzenmasse spaltet er verbrauchte Luft (CO 2) in Kohlenstoff und atembare Luft (Sauerstoff) auf. Darüber hinaus erhöht er die Luftqualität, indem er Schadstoffe aus der Atmosphäre herausfiltert — so wirksam und in solchen Mengen, daß er jetzt daran zugrunde geht.

Das ist um so schlimmer, als der Wald selbst Lebensraum für zahlreiche Pflanzen und Tiere ist: Wird der Wald zerstört, verlieren diese Arten ihre Lebensgrundlage. Schon heute sind mehr Arten wegen der Zerstörung ihres angestammten Habitats gefährdet als durch direkte Verfolgung. Und eine einmal vernichtete Spezies ist der Erde für immer verloren. Ein solcher Verlust ist nicht nur ein ethisch-moralisches Problem, sondern auch ein ökologisches und oftmals auch ein wirtschaftliches: Das Verschwinden auch nur eines Teils einer Lebensgemeinschaft kann weitreichende Folgen für ganze Ökosysteme haben. Und viele Lebensformen haben Eigenschaften, die für den Menschen noch einmal von existentieller Bedeutung werden könnten, sei es als Heilmittel, sei es für die Nahrungsmittelversorgung: um eine Degeneration der Zuchtformen zu verhindern, muß man immer wieder Wildformen einkreuzen

Noch deutlicher wird die ökologische und 'wirtschaftliche Funktion des Waldes im Hinblick auf den Wasserhaushalt: Auch hier liegt die Bedeutung des Waldes vor allem in seinem ausgleichenden Einfluß, in der Milderung von Extremen. Große Wassermassen, die bei starken Niederschlägen oder der Schneeschmelze plötzlich anfallen, werden zunächst von den verschiedenen „Stockwerken" des Waldes (Baum-, Strauch-, Kraut-schicht) aufgenommen, dann vor allem von dem humusreichen Waldboden wie von einem Schwamm aufgesogen und festgehalten und erst allmählich an die Luft (Verdunstung) oder ans Grundwasser (Versickerung) abgegeben. Fällt die bremsende Wirkung der Vegetation weg, so prallen die Niederschläge unmittelbar auf den Boden auf und fließen rasch oberflächlich ab. Die Folgen sind stärkere Bodenabtragung (Erosion), Austrocknen des Ober-bodens und Absinken des Grundwasserspiegels, andererseits unregelmäßigere Wasser-führung der Flüsse: Überschwemmungen und Trockenperioden werden sich abwechseln.

Zudem werden die im Regen enthaltenen Schadstoffe nicht mehr vom Boden herausgefiltert. Alles zusammen könnte bald zu ernsthaften Problemen bei der (Trink-) Wasserversorgung führen.

Schließlich wirkt sich der Wald günstig auf Boden und Relief aus: Die dichte Pflanzen-decke schützt den Boden, der Wurzelfilz verhindert Rutschungen am Hang, der Wald selbst bremst Materialbewegungen im steilen Relief und bietet so Schutz vor Lawinen und Steinschlag.

All diese vom Wald ausgehenden Wirkungsketten sind in Wirklichkeit viel komplexer, als sie hier dargestellt werden können. Sie sind zudem untereinander verknüpft, so daß eine — für Ökosysteme typische — „vernetzte Struktur" entsteht: ein Beziehungsgeflecht von Ursachen, Wirkungen, Folgewirkungen und Rückkoppelungen, das schwer zu überblicken und gerade im Fall des Ökosystems Wald noch längst nicht hinreichend erforscht ist.

Entsprechend diesen vielfältigen und weitreichenden Verknüpfungen des Waldes mit anderen Umweltfaktoren sind ebenso vielfältige und weitreichende Schadenswirkungen zu erwarten, wenn der Wald als wichtiges Element eines umfassenden Ökosystems nachhaltig ge-oder zerstört wird.

IV. Die Folgen des Waldsterbens für die Wirtschaft

Abbildung 2: Ursachen des Waldsterbens Schwefel Stickoxide Stäube Photooxidantien Radioaktivität Lähmung der Spaltöffnungen erhöhte Transpiration direkte Blatt-schaden Immissionen Wassermangel Rinden-schäden Tod Schwächung geringere Widerstandskraft Blattverluste Wuchs-minderung Störung der Nährstoffaufnahme 'Wurzel-schäden Lösung toxischer Metallionen Saurer Regen Saurer Nebel Trockene Deposition Veränderung im Bodenleben Bodenversauerung Schwermetalle

Noch vor nicht allzu langer Zeit galten Ökologie und Ökonomie als unversöhnliche Gegensätze. Inzwischen spricht man eher von Miteinander und gegenseitiger Abhängigkeit — und das aus guten Gründen. Gerade die Waldschäden zeigen, wie eng ökologische und ökonomische Systeme ineinander verzahnt sind, wie sehr sich Eingriffe in das eine System auch im anderen auswirken. Hier zeigt sich aber auch die unterschiedliche Wertigkeit der beiden Sphären: Das Ökosystem ist das Primäre, Grundlage jeglichen Wirtschaftens: Zwar könnte die Natur ohne Wirtschaft weiterexistieren (vielleicht sogar besser als heute); doch die Zerstörung eines Ökosystems hat unweigerlich den Niedergang des darauf aufbauenden Wirtschaftssektors zur Folge

Angesichts des Zustandes vieler Waldökosysteme, klagt heute schon die Forstwirtschaft über spürbare Gewinneinbußen:

Die Pflegekosten nehmen zu, wobei die Düngekosten mit rund 1 000 DM je Hektar besonders ins Gewicht fallen (dabei ist die Düngung der Waldböden unter ökologischen Gesichtspunkten bedenklich und kann das Waldsterben allenfalls etwas aufhalten

Wenn jetzt vorrangig die geschädigten Bäume aus dem Wald herausgenommen werden, ist eine planmäßige Durchforstung nicht mehr möglich: die Arbeits-und Wegekosten steigen, damit die Erntekosten insgesamt.

Und je mehr die reguläre Durchforstung eingeschränkt werden muß, desto mehr leidet die Produktionsstruktur.

Den höheren Kosten stehen Erlösschmälerungen gegenüber: Bäume, die wegen Krankheit relativ früh geschlagen wurden, bringen deutlich niedrigere Erträge als ausgewachsene Exemplare. Dazu kommen die schadstoffbedingten Zuwachsverluste.

Schon 1983 (bei 35% geschädigten Waldflächen und relativ geringen Anteilen starker Schäden) reichten die Schätzungen dieser Verluste von 0, 5 Mrd. DM (Forstwirtschaftsrat über 0, 6 Mrd. (v. Paar, Präsident des Deutschen Forstvereins) bis zu 1 Mrd. DM im Jahr

Noch weit gravierender sind die langfristigen ökonomischen Folgen des Waldsterbens. Die Schätzungen der Zuwachsverluste lagen 1983 ebenfalls zwischen 0, 5 und 1 Mrd. DM pro Jahr. Nach Pampe haben sich die Vermögens-schäden der Waldbesitzer in den letzten zwei Jahrzehnten zu 10 bis 15 Mrd. DM aufsummiert. — Immerhin entsprach 1983 das eine Prozent schwer geschädigter Bäume dem Normaleinschlag eines Jahres im Wert von 3 bis 3, 5 Mrd. DM.

Ein Rückgang der Holzernte ist zwar vorläufig nicht zu erwarten — im Gegenteil: in den nächsten Jahren werden große Schadholzmengen den Markt überschwemmen und möglicherweise für einen Preisverfall sorgen. Sollte aber das Waldsterben im bisherigen Tempo fortschreiten, so wird der deutsche Wald eher früh als spät nur noch erheblich reduzierte Holzmengen zur Verfügung stellen können.

Die rund 100 000 Voll-Arbeitsplätze, die die Forstwirtschaft in der Bundesrepublik heute anbietet, wären gefährdet, dazuhin noch viele der 750 000 Teilzeit-Arbeitsplätze, die im wesentlichen von Landwirten besetzt sind, die mit ihrer Landwirtschaft allein nicht existenz-fähig wären — und das großenteils in ohnehin strukturschwachen Regionen.

So wie der Wald in ein ökologisches Beziehungsnetz eingeflochten ist (s. o.), so ist auch die Forstwirtschaft in vielfältiger Weise mit anderen Wirtschaftssektoren verknüpft. Eine ökologische Katastrophe in den Wäldern hätte demzufolge weitreichende ökonomische Folgen. Mit einem Kollaps der Forstwirtschaft hätte es noch lange nicht sein Bewenden: Der dann notwendige zusätzliche Holz-import würde die deutsche Wirtschaft beträchtliche Devisen kosten, wäre aber wohl kaum in der Lage, die inländischen Holzverluste ganz auszugleichen, um so weniger, als auch andere Länder unter dem Waldsterben leiden

Neben der Forstwirtschaft wäre also auch das holzverarbeitende Gewerbe direkt betroffen.

Nach Schätzungen Pampes hätte ein Absinken der inländischen Holzproduktion um % einen 10 %igen Rückgang der Aktivitäten der nachgelagerten Holzverarbeitung zur Folge. Der Umsatz der Holzwirtschaft würde von etwa 100 auf ca. 90 Mrd. DM im Jahr zurückgehen; dementsprechend gingen von rund 750 000 Arbeitsplätzen an die 75 000 verloren.

Gehen die Wohlfahrtsfunktionen des Waldes auf Boden, Relief und Klima verloren, fällt der Schutz vor Lawinen und Steinschlag weg, so sind davon zahlreiche Wirtschaftszweige und Lebensbereiche betroffen, von der Landwirtschaft über das Siedlungswesen bis hin zu Verkehr und Tourismus. Während der Berg-wald als hochwirksame und kostenlose Lawinenbremse dient, kostet die technische Lawinenverbauung eines waldentblößten Hanges rund 1 Mio. DM pro Hektar — und allein in Bayern sind 100 000 ha als Lawinenschutz-wald ausgewiesen 20).

Vom Bayerischen Wald bis zum Schwarzwald fürchten inzwischen zahlreiche Fremdenverkehrs-Gemeinden um ihre Existenz — eine Säuresteppe lockt keine erholungssuchenden Touristen mehr an. Und immerhin beschäftigt der Fremdenverkehr in der Bundesrepublik rund 1, 5 Mio. Menschen und erzeugt etwa 3 % unseres Sozialprodukts.

Besonders gravierende Folgen sind für die Wasserwirtschaft zu erwarten. Eine Versorgung von Industrie und Bevölkerung mit Wasser in gewohnter Quantität und Qualität wäre ohne die Funktion des Waldes im Wasserkreislauf nur mit immensen Kosten möglich —-wenn überhaupt. Hochwässer würden Milliardenschäden verursachen.

Zusammenbrüche in einzelnen Wirtschaftszweigen — etwa in der Forst-und Holzwirtschaft oder im Fremdenverkehr — lösen schließlich negative Multiplikatorprozesse aus: Einkommensverluste der Beschäftigten dieser Sektoren senken die gesamtwirtschaftliche Nachfrage uud verursachen so tendenziell einen Rückgang der Wirtschaftstätigkeit überhaupt, also eine Senkung des Sozialprodukts.

V. Der Wald stirbt nicht allein

Abbildung 3: Ökologische Folgen des Waldsterbens: Die wahrscheinlichen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt, den Boden, das Klima und die Vegetation (aus: Reichelt) Relief Boden-verdichtung Durchlüftung Bodentemperatur, Wärme-, Wasserkapazität Erdrutsche Erosion Mineralauswaschung Humuszerfall Podsolierung Pflanzen, Tiere Überschwemmung Abfluß Filterung Kontinentalität Wasserqualität Grundwasserspiegel Windgeschwinaigkeit Niederschläg Trinkwasser Austrocknung andwirt: schaff Tiere. Pflanzen Steppe

Ende der siebziger Jahre rieselten auf die Bundesrepublik jedes Jahr zwischen 1, 3 und 1, 5 Mio. Tonnen Schwefel herab (das entspricht etwa 2, 7 bis 3 Mio. t SO 2). Rein rechnerisch kamen auf jeden Quadratkilometer jährlich 5, 2 bis 6 t Schwefel, dazu 31 NO,, Blei (je nach Region zwischen 13 und 90 kg) und so weiter

Von dieser Schadstoffbelastung war zunächst und am stärksten der Wald betroffen — weil er als hochwirksamer Luftfilter fungiert und große Mengen von Schadstoffen aus der Atmosphäre herauskämmt und weil sich in ihm die Schadstoffe anreichern — so lange, bis die Pufferkapazität von Vegetation und Boden erschöpft sind. „Der Wald hat sich für uns geopfert." Aber natürlich beschränken sich die Folgen der allgegenwärtigen Umweltverschmutzung längst nicht mehr auf die Wälder. Diese „übernehmen" zwar einen beträchtlichen Teil der Schadstoffe, doch es bleiben noch genug übrig, die sich kontinuierlich auf die landwirtschaftlichen Flächen herabsenken, auf Flüsse und Seen, auf Siedlungen und auf ihre Bewohner.

Und je schneller der Wald stirbt, je mehr er seine unübertreffliche Filterwirkung verliert — desto höher wird die Belastung der übrigen Flächen, desto früher werden sich auch hier katastrophale Entwicklungen abzeichnen. Die ersten Anzeichen sind nicht mehr zu übersehen

Schon vor den Wäldern starben die Seen — zunächst in Skandinavien, wo die Gewässer durch den (aus West-und Mitteleuropa importierten) sauren Regen so versauerten, daß in ihnen kaum mehr Tiere oder Pflanzen leben, um so weniger, als sie zusätzlich durch Metallionen vergiftet wurden, die die Säuren aus dem Boden gelöst hatten und die in die Seen geschwemmt wurden. Die mitteleuropäischen Böden waren durch ihren hohen Kalkgehalt lange in der Lage, den Säureeintrag abzupuffern — inzwischen scheint aber auch ihre Pufferkapazität erschöpft zu sein: „unberührte Waldbäche" in deutschen Mittel-gebirgen haben zeitweise pH-Werte von 5 und weniger, sind also lOOmal so sauer wie chemisch reines Wasser.

Nach den Wäldern drohen unsere Böden zu sterben: die schleichende Versauerung tötet das Bodenleben ab, die natürliche Humusbildung wird behindert, der Oberboden wird verdichtet — all das wird empfindliche Störungen von Landwirtschaft, Wasserhaushalt und der ganzen Ökologie nach sich ziehen.

Säuren in der Luft greifen eine Vielzahl von Materialien an: von den Metallen, die schneller rosten, über teilweise jahrhundertealte Kulturdenkmale, deren Stein innerhalb weniger Jahrzehnte zerfressen wurde, bis hin zu modernen Stahlbetonkonstruktionen, wo etwa die Wirtschaftswoche „einen ungeheuren Sanierungsbedarf voraus(sagt)"

Der Mensch ist offenbar robuster als so manche Pflanze, aber auch er ist nicht immun gegen die von ihm produzierten Schadstoffe. Nach einer Studie des amerikanischen Office of Technology Assessment (1982) sterben in den USA Jahr für Jahr etwa 50 000 Menschen an Folgen der Luftverschmutzung. Der statistische Wert der Studie ist zwar umstritten, doch zeigen auch andere Erhebungen, daß sie zumindest eine richtige Tendenz zeigt: bei. einer Reihe von Smogkatastrophen sind nachweislich mehr Menschen als „normal" gestorben (in einigen Fällen gab es mehrere Tausend Smogtote, so in London 1952); und in jüngerer Zeit häufen sich Meldungen über Krankheitsfälle durch Luftverunreinigungen in den sogenannten „Reinluftgebieten", vor allem in den Mittelgebirgen im Osten der Bundesrepublik — also dort, wo auch das Waldsterben katastrophale Ausmaße angenommen hat:

„Wo der Wald am schwersten geschädigt ist, wird auch am meisten gehustet" — so faßt die Stuttgarter Zeitung in journalistisch-salopper Manier das Ergebnis einer Untersuchung zusammen, in der der Lungenspezialist Prof. R.

Meister im Jahr 1981 die regionale Verteilung chronischen Hustens mit den Waldschäden verglich Besonders heftig diskutiert wird der Pseudocroup („Krupphusten"), der Kleinkinder befällt und bis zum Erstickungstod führen kann. Zwar ist unbestritten, daß der eigentliche Erreger des Pseudocroup ein Virus ist, doch gibt es deutliche Hinweise darauf, daß es bei hoher Schadstoffbelastung der Luft schneller und häufiger zu Anfällen kommt.

All das verursacht natürlich auch Kosten — teilweise in beträchtlicher Höhe, wie eine • Schätzung des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 1980 zeigt (Tabelle 3). Diese Schätzung ist inzwischen überholt, wofür allerdings weniger die Inflation verantwortlich ist, als vielmehr das rapide Anwachsen der (erfaßten)

Schäden, was wiederum das Beispiel Waldsterben besonders deutlich zeigt:

1980 errechnete das Umweltbundesamt Gesamtkosten von 400 Mio. DM für Forst-und Landwirtschaft. Schon 1983 wurden die Ertragseinbußen und Vermögensverluste allein der Forstwirtschaft auf 1 bis 1, 7 Mrd. DM geschätzt (s. o.). Und 1982 rechnete der Deutsche Bauernverband mit Kosten von 1, 5 Mrd. DM pro Jahr allein für die zusätzliche Kalkung zur Kompensation der Versauerung — wobei dieser Mehraufwand eine Minderung der Bodenfruchtbarkeit nicht verhindern konnte. — Ähnliches gilt für die übrigen Kategorien der Tabelle

Noch schwerwiegender ist das Problem, daß viele Schäden gar nicht in Mark und Pfennig ausgedrückt werden können. Die langfristige Gefährdung von Ernährungskapazität und Wasserversorgung, die Verschandelung der Landschaft, der Verlust der Erholungseignung von Wäldern, Seen und ganzen Regionen, das Verschwinden einer Art im Tier-oder Pflanzenreich, die Beeinträchtigung des menschlichen Wohlbefindens bis hin zu Krankheit und Tod — all das ist monetär nicht faßbar. Allenfalls können Teilaspekte herausgegriffen und in Geldeinheiten bewertet werden — aber selbst dann kommt man noch auf horrende Beträge.

So verursacht nach einer US-Studie die SO, - Belastung in den USA jedes Jahr Arzt-, Krankenhaus-und Arzneimittelkosten zwischen $2. 50 und $63 pro Kopf der Bevölkerung holländische Untersuchungen ermittelten für das Jahr 1970 rund 70 Gulden je Einwohner Ließen sich diese Zahlen einfach auf die Bundesrepublik übertragen, so erhielte man Werte von 7 bis 200 DM pro Person, was sich bei einer Bevölkerungszahl von ca. 60 Millionen auf 0, 4 bis 12 Milliarden DM summiert. Deutsche Schätzungen sprechen von jährlich 20 Milliarden DM Folgekosten allein der Bronchialerkrankungen, die ihrerseits zu einem guten Teil auf die Luftverschmutzung zurückzuführen sind 1981 schätzte die OECD die Schäden durch Luftverschmutzung in ihren Mitgliedsländern (das sind die 24 wichtigsten Industriestaaten) auf 3 bis 5% des Bruttosozialprodukts. In der Bundesrepublik Deutschland wären dies 1983 zwischen 50 und 85 Mrd. DM gewesen.

VI. Gegenmaßnahmen

Abbildung 4: Schadstoffbelastungen und Pseudokrupp-Anfälle in Duisburg, 1978 -1982 in Mannheim, Mittelwerte 1970-1982 (aus: Goez, S. 111) (aus; Wemmer, S. 248) (• ppb • ein Teil auf eine Milliarde; die SO 2-Konzentration ist an dem gepunkteten Bereich erkennbar)

1. Erfordernisse Geht man davon aus, daß für das Waldsterben in erster Linie Schadstoffe aus der Atmosphäre verantwortlich sind, geht man weiterhin von einer Emittentenstruktur aus, wie sie in Tab. 2 dargestellt ist, so erhält man die Energiewirtschaft im weitesten Sinne als Hauptverursacher der Schäden:

gerade SO, und NO, lassen sich auf Energieerzeugung und -Umwandlung (in Kraftwerken und Industrie) sowie auf den Energieverbrauch (in Industrie, Haushalten und Verkehr) zurückführen. •

So bieten sich drei Wege zur Verringerung der Emissionen und damit zur Rettung unserer Wälder an:

Verringerung des Verbrauchs von Produkten, deren Herstellung sehr schadstoffintensiv ist. Also vor allem: Energiesparen, da jede Form von Energieumwandlung und -verbrauch Auswirkungen auf die Umwelt hat.

Tabelle 4 zeigt, wo Einsparungen im Energieverbrauch — durchaus auch ohne Beeinträchtigung des Lebensstandards — am ehesten möglich sind: Demnach hat die Industrie noch Möglichkeiten, den Verbrauch von Heiz-und vor allem von Prozeßwärme zu reduzieren. Das größte Sparpotential liegt aber in den privaten Haushalten, denen ja auch ein guter Teil des Verkehrs zuzurechnen ist. Bei der Warmwasser-erzeugung, vor allem aber bei der Raumheizung und beim privaten Kraftfahrzeugverkehr können noch weitere Sparerfolge gesucht werden.

Besondere Bemühungen sollten auf das Stromsparen gerichtet werden, da die Strom-erzeugung mit beträchtlichen Umweltbelastungen verbunden ist und da der Wirkungsgrad im Elektrizitätssektor sehr gering ist: In Wärmekraftwerken gehen zwischen 60 und 70% der Primärenergie als . Abwärme" verloren, dazu kommen noch Verluste bei der Verteilung und beim Verbrauch. Das bedeutet: Mit jeder Einheit Strom, die weniger verbraucht wird, sinkt der Primärenergieeinsatz um drei bis fünf Einheiten — und entsprechend sinkt die Umweltbelastung durch Kraftwerke.

Wo es aber nicht möglich ist, auf bestimmte Dinge ganz zu verzichten, wäre zu überlegen, ob nicht wenigstens umweltfreundlichere Produkte an die Stelle solcher Güter treten könnten, deren Herstellung und Verwendung die Umwelt besonders stark belasten.

Gute Beispiele für derartige Möglichkeiten liefert wieder der Energiebereich. Im Grunde geht es hier ja um die „Energiedienstleistung", wobei es eigentlich irrelevant ist, mit welcher Art von Energieeinsatz die Leistung erbracht wird: „sich fortbewegen" kann man mit dem Auto (wobei hier schon eine Wahl möglich ist zwischen Modellen mit unterschiedlichem Schadstoffausstoß), man kann es aber auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln; eine Wohnung kann man heizen mit Strom — was wegen der hohen Energieverluste besonders ineffizient und umweltbelastend ist —, mit herkömmlichen Energieträgern. wie Kohle, öl und Gas, oder auch mit Alternativenergien, beispielsweise durch Sonnenkollektoren. Eine besondere Bedeutung könnte hier der Abwärmenutzung im Rahmen einer Kraft-Wärme-Kopplung zukommen.

Die Erwartung wäre allerdings utopisch, man könnte den Schadstoffausstoß in ausreichendem Maße senken, indem man Energie im allgemeinen und Strom im besonderen einsparte bzw. herkömmliche durch alternative Energieträger ersetzte. Wichtiges Element der Energie-und Umweltpolitik muß deshalb das Bestreben sein, möglichst überall zu einer umweltfreundlicheren Produktionsweise zu gelangen, also auch innerhalb der gegebenen Güter-und Produktionsstruktur durch technische, organisatorische und andere Maßnahmen die Umweltverschmutzung auf ein Minimum zu reduzieren.

Auch hier müssen sich die Maßnahmen wohl auf den Energiesektor konzentrieren, wobei die Stromerzeugung im Mittelpunkt des Interesses steht: hier kann der Schadstoffausstoß durch neue Verfahren (Wirbelschichtfeuerung) und durch Abgasreinigung noch deutlich gesenkt werden; aber auch im Haushalts-und Verkehrsbereich bestehen noch zahlreiche Möglichkeiten, die Emissionen zu verringern

Daß die bekannten Verfahren auch wirksam sind, daß also die Schadstoffbelastung auf einem deutlich niedrigeren Niveau zu halten ist, als dies etwa in der Bundesrepublik der Fall ist, das zeigen die Erfolge, die einige andere Länder bereits erzielt haben, so vor allem die USA, Japan oder Schweden. 2. Maßnahmen Angesichts der Verursacherstruktur (vgl. Tab.

2 + 4) bedarf es wohl einer Doppelstrategie, um der Schadstoffbelastung Herr zu werden: Jeder einzelne ist aufgerufen, sich im täglichen Leben um einen schonenderen Umgang mit Umwelt und natürlichen Ressourcen zu bemühen. Und die Palette der Möglichkeiten ist breit, so daß jederman helfen kann, die Situation zu verbessern — oft ohne oder mit nur geringer zusätzlicher Anstrengung: durch entsprechendes Heiz-und Fahrverhalten, durch bewußtes Stromsparen, durch Bevorzugung umweltfreundlicher Produkte bei Neuanschaffungen usw. usf.

So wichtig die Mitwirkung des einzelnen auch ist — unerläßlich bleibt politisches Han- dein: es muß eine Umweltpolitik betrieben werden, die mit den Herausforderungen der Konsum-und Wachstumsgesellschaft fertig zu werden vermag. Auch hier ist die Zahl der Möglichkeiten groß. Denkbar ist beispielsweise eine Förderung privaten Wohlverhaltens durch eine intensivierte Informationspolitik oder durch entsprechende Subventionen. Eine höhere Wirksamkeit ist wohl von strengeren Auflagen zu erwarten, etwa einer Verschärfung der Emissionsgrenzwerte der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft oder der Großfeuerungsanlagenverordnung. Eine Politik, die sowohl ökologischen als auch ökonomischen Anforderungen gerecht werden will, sollte die Umweltpolitik mit marktwirtschaftlichen Instrumenten ausstatten, also auf eine strikte Einhaltung des Verursacherprinzips achten, beispielsweise mit Hilfe von Schadstoffabgaben oder Umweltlizenzen 3. Die Kosten Schadstoffabgaben, die in die Preise für Strom, Heizöl und zahlreiche Industriegüter eingehen; Rauchgasentschwefelung und -entstickung für Kraftwerke; Wärmedämmung, neue Ölbrenner oder Solarkollektoren in Haushalten; bleifreies Benzin und Katalysatoren für Autos — wer soll das alles bezahlen? Kein Zweifel: Umweltschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben, und dafür aufkommen müssen wir alle: als Verbraucher, auf die letztlich alle Kosten überwälzt werden.

Allerdings: auch in der Vergangenheit traten Kosten auf. Nur entstanden diese Kosten als Folge der Umweltzerstörung. In Zukunft sollen sie entstehen, weil Umweltverschmutzung vermieden werden soll. Und angesichts der Höhe der bisherigen Folgekosten (s. Kapitel IV) ist es gewiß sinnvoller, einen gewissen Aufwand zu treiben, um die Umweltbelastung zu reduzieren, als die Folgen in Kauf zu nehmen. Vieles spricht dafür, daß rechtzeitig und sinnvoll betriebener Umweltschutz sogar billiger ist als ein Verzicht auf „teure" Maßnah-men. Zumindest bei konsequenter Anwendung des Verursacherprinzips ist Umweltschutz auch gerechter als die derzeitige Politik, bei der die Allgemeinheit unter Schäden zu leiden hat, die von einzelnen Verursachern verschuldet werden.

Im übrigen halten sich die Umweltschutzkosten in engen Grenzen: zwar wird die Elektrizitätswirtschaft Milliarden aufwenden müssen, um ihre Kraftwerke mit Abgasreinigungsanlagen auszustatten, wenn diese Milliarden aber auf die gesamte Stromerzeugung umgelegt werden, so ergeben sich noch Preis-erhöhungen von ein bis zwei Pfennig je Kilowattstunde. Und selbst ein teurer Katalysator wird den Fahrpreis um allenfalls ein bis zwei Pfennig pro Kilometer erhöhen Andererseits läßt sich durch umweltbewußtes Verhalten nicht nur Energie sparen, sondern — damit — auch Geld: freiwillige Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Verzicht auf unnötige Fahrten können — außer dem Schadstoff-ausstoß — auch die Benzinkosten so stark senken, daß die Kosten für den Katalysator mehr als ausgeglichen werden.

Aber selbst wenn man von diesen Sparmöglichkeiten absieht, stellt sich die Frage, ob wir-auf einen Umweltschutz zu relativ geringen Mehrkosten verzichten sollen — um den Preis, — daß unsere Wälder sterben — mit unermeßlichen Folgen für das gesamte ökologische System Mitteleuropas;

— daß unser (Trink-) Wasserhaushalt ernsthaft bedroht ist und daß möglicherweise in wenigen Jahren eine Nahrungsmittelproduktion auf unseren zerstörten Böden nicht mehr möglich ist;

— daß jahrhundertealte Kulturdenkmäler innerhalb weniger Jahrzehnte verloren gehen und daß jährlich Milliarden aufgewandt werden müssen, um säurezerfressende Gebäude zu sanieren und rostende Autos zu reparieren; — daß wir — über unsere Krankenkassenbeiträge —-immense Arzt-und Heilungskosten bezahlen und Krankheiten und vorzeitigen Tod in Kauf nehmen. Seit 1973, dem Jahr der ersten Ölkrise, war der deutsche Autofahrer bereit, 50— 60 Pfennig mehr für den Liter Treibstoff zu bezahlen; hat der Stromkunde eine Preiserhöhung um 5— 10 Pfennig pro Kilowattstunde hingenommen. Und diese Beträge gingen entweder an die Ölscheichs bzw. an die multinationalen

Mineralölkonzerne oder sie wurden von der allgemeinen Inflation geschluckt. Vor diesem Hintergrund sind die oben genannten Preissteigerungen zu sehen, die diesmal unserer Umwelt, uns selbst und unseren Kindern zugute kämen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. J. Naisbitt, Megatrends. 10 Perspektiven, die unser Leben verändern werden, Bayreuth 1984, S. 26.

  2. B. Ulrich u. a., Depositionen von Luftverunreinigungen und ihre Auswirkungen in Waldökosystemen im Solling, Frankfurt/M. 1979.

  3. Auf die Schadbilder wird hier nicht weiter eingegangen. Vgl. dazu etwa SRU (Sachverständigenrat für Umweltfragen), Waldschäden und Luftverunreinigungen (Sondergutachten März 1981), Bundestags-Drucksache 10/113 v. 8. 6. 1983, Bonn 1983, S. 64 ff.; Farbfotos geschädigter Bäume findet man bei S. Gampe/P. Mayer, Die Symptome des Waldsterbens, in: AK Chemische Industrie oder bei P. Schütt u. a., So stirbt der Wald. Schadbilder und Krankheitsverlauf, München — Wien — Zürich 1983.

  4. SRU (Anm. 3), S. 63.

  5. Erste Beobachtungsergebnisse von den Baden-Württembergischen Beobachtungsflächen zeigen, daß sich das Waldsterben auch im Sommer 1984 fortsetzte. Obwohl sich viele Forstleute zumindest eine Atempause erhofft hatten, bot der kühle und regenreiche Sommer doch ideale Bedingungen für eine Erholung des Waldes und minimierte gleichzeitig die Borkenkäfergefahr. Trotzdem zeigte sich lediglich bei der Tanne eine leichte Trendumkehr, und auch das nur in einigen Gebieten. Bei Fichte und Buche haben die Schäden weiter zugenommen (vgl. Stuttgarter Zeitung vom 27. 2. 1984; Stuttgarter Nachrichten vom 27. 2. 1985). Es ist zu befürchten, daß der harte Winter 1984/85 all das wieder zunichte machte, was der günstige Sommer dem Wald an Nutzen gebracht hatte.

  6. SRU (Anm. 3), S. 79f.

  7. Vgl. etwa Naturwiss. Rundschau, (1983) 11, S. 488.

  8. SRU(Anm. 3), S. 81.

  9. SRU (Anm. 3), S. 82.

  10. SRU (Anm. 3), S. 83.

  11. K. Möhring, Zwischenbilanz in einem Forstamt, in: AK Chemische Industrie, S. 72.

  12. Vgl. Der Spiegel, (1983) 37 und Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 1. 8. 83.

  13. Der Spiegel, (1983) 42.

  14. Global 2000. Der Bericht an den Präsidenten, Frankfurt/M. 19818, S. 689 ff.

  15. W. Sauter, Ökologie und Ökonomie — Ein Gegensatz? 25 Thesen zur Diskussion, Waiblinger BUND-Schriften 4, Waiblingen 1985.

  16. Ders., Waldsterben: Ökologie — Ökonomie — Politik, Waiblinger BUND-Schriften 3, Waiblingen 1984.

  17. Zit. nach Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. 7. 1984, Stuttgarter Zeitung vom 19. 7. 1984.

  18. J. Pampe (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände), Wirtschaftliche Aspekte des Waldsterbens, in: BUND (= Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), Waldsterben — Rettet unsere Wälder, Globus-Begleitmappe 2/84, Köln — Stuttgart 1984, S. 61 f.

  19. W. Sauter (Anm. 16), S. 42.

  20. Die Zeit (1984), 43.

  21. SRU (Anm. 3), S. 46 ff.

  22. G. Reichelt, Was wird, wenn wir keinen Wald mehr haben? Vortrag auf dem 1. Kreisnaturschutztag der BUND-Kreisgruppe Rems-Murr in Waiblingen am 7. 10. 1984.

  23. W. Sauter (Anm. 16), S. 22 ff.

  24. Wirtschaftswoche, (1985), 9.

  25. Stuttgarter Zeitung vom 18. 7. 1984.

  26. Die Zeit, (1984) 29; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. 4. 1984 und vom 21. 5. 1984.

  27. W. Sauter (Anm. 16), S. 35 ff.

  28. R. Griesshammer, Letzte Chancen für den Wald? Die abwendbaren Folgen des sauren Regens, BUND-Information 26, Freiburg 1983, S. 86.

  29. UBA (Umweltbundesamt), Was Sie schon immer über Luftreinhaltung wissen wollten, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1983, S. 19.

  30. Zit. n. Der Spiegel, (1984) 2.

  31. Ausführlich: H. Scholz, Technische Gegenmaßnahmen, in: AK Chemische Industrie; W. Sauter (Anm. 16), S. 50 ff.

  32. Ausführlicher dazu: W. Sauter (Anm. 16), S. 57 ff. und ders., Wirtschaftliche Grundlagen einer umweltorientierten Energiepolitik der Europäischen Gemeinschaft (Diss., erscheint 1985).

  33. W. Sauter (Anm. 16), S. 83.

Weitere Inhalte

Walter Sauter, geb. 1950; Studium der Germanistik, Geographie und Wirtschaftswissenschaft; 1981 Abschluß als Diplom-Geograph; seither Angestellter am Seminar für Wirtschaftswissenschaft in Tübingen; Arbeitsschwerpunkte: Landschaftsökologie, Umweltökonomie, Energiewirtschaft, Entwicklungsländer und Ökologie der Tropen. Derzeit Arbeit an einer Dissertation zum Thema „Wirtschaftliche Grundlagen einer umweltorientierten Energiepolitik der Europäischen Gemeinschaft".