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Smogalarm Fünf Funktionen der unmittelbaren Gefahrenabwehr im Umweltschutz | APuZ 20/1985 | bpb.de

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APuZ 20/1985 Artikel 1 Die internationale Umweltpolitik als Herausforderung für die N) * ationalstaatlichkeit Waldsterben im Schnittpunkt von Ökologie, Ökonomie und Politik Smogalarm Fünf Funktionen der unmittelbaren Gefahrenabwehr im Umweltschutz

Smogalarm Fünf Funktionen der unmittelbaren Gefahrenabwehr im Umweltschutz

Volker Prittwitz

/ 28 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr im Umweltschutz, beispielsweise bei Smogalarm, dienen zunächst zur Warnung der möglicherweise Betroffenen (Warnfunktion) und zur kurzfristigen Verringerung der Umweltbelastung selbst (unmittelbare Steuerungsfunktion). Darüber hinaus jedoch werden sie üblicherweise auch als Signal dafür verstanden, daß die Umweltbelastung in dem betroffenen Gebiet allgemein zu groß ist, die bisherige Umweltpolitik also für einen sicheren Schutz von Mensch und Umwelt nicht ausreicht (Signalfunktion). Drohen den Verursachern der Umweltbelastung durch Auflagen im Fall akuter Gefahr erhebliche Kosten, so stellt dies für sie weiterhin einen Anreiz dazu dar, in umweltfreundliche Verfahren zu investieren (Anreizfunktion). Schließlich können in akuten Gefahrenfällen selbstverständlich erscheinende umweltbelastende Verhaltensweisen in Frage gestellt bzw. kann die Praktikabilität umweltfreundlicher Verhaltensweisen demonstriert werden (Beispielfunktion). Diese umweltpolitischen Funktionen der unmittelbaren Gefahrenabwehr im Umweltschutz werden in dem vorliegenden Aufsatz dargestellt und am Beispiel von Maßnahmen zur Smogbekämpfung in der Bundesrepublik untersucht.

I. Einleitung

Abbildung 1: Auslösekriterien für Smogalarm (Bundesrepublik Deutschland) in den 60-er,, 70-er u. 80-er Jahren

Laut Umweltprogramm der Bundesregierung, Bundesimmissionsschutz-Gesetz sowie zahlreichen Erklärungen von Politikern und Fach-beamten ist die Umweltpolitik in der Bundesrepublik Deutschland am Vorsorge-Grundsatz orientiert. Gehandelt werden soll also bereits, bevor Umweltschäden oder akute Gefahr für Mensch und Umwelt entstehen Nichtsdestoweniger sind Mensch und Umwelt immer wieder akuten Umweltgefahren ausgesetzt, etwa durch hohe Konzentrationen von Umweltgiften in Gewässern, Böden und Nahrungsmitteln oder durch hochgradige Luftverschmutzung in Smogsituationen

Derartige akute Umweltbelastungen zu bewältigen, die nicht nur große ökologische und gesundheitliche Schadwirkungen, sondern auch hohe ökonomische Schadenskosten mit sich bringen können, ist für die praktische Umweltpolitik von erstrangiger Bedeutung. Zudem kommen wirksame umweltpolitische Maßnahmen, wie sich u. a. am Beispiel des Waldsterbens gezeigt hat, in der Regel erst dann zustande, wenn Umweltschäden bereits eingetreten bzw. Umweltgefahren akut geworden sind.

Vor diesem Problemhintergrund wird im folgenden der Maßnahmekomplex der unmittelbaren Gefahrenabwehr im Umweltschutz analysiert. Dabei geht es zum einen um mögliche Zielsetzungen und Wirkungen von Umweltschutz-Maßnahmen dieses Typus, zum anderen um die Frage, wovon ihre Wirksamkeit abhängt. Untersuchungsbeispiel sind die in der Bundesrepublik zustande gekommenen Maßnahmen zur Smogbekämpfung während austauscharmer Wetterlagen und die ihnen zugrunde liegenden Regelungen verschiedener Bundesländer.

II. Der Begriff „Gefahrenabwehr"

Tabelle 1: Smogalarm-Fälle in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin (Stand: 15.2.1985)

Der Begriff „Gefahrenabwehr" stammt aus dem Polizei-bzw. Ordnungsrecht Während unter dem Begriff der „Polizey" bis zum 17. Jahrhundert ein Zustand „guter Ordnung" des Gemeinwesens einschließlich von Aspekten der Wohlfahrt des einzelnen verstanden wurde und auch der formal-organisatorische Polizeibegriff des 18. Jahrhunderts noch Sicherheits-und Wohlfahrtsaspekte einschloß, verengte sich der materielle Polizeibegriff im 19. Jahrhundert mit der Herausbildung des liberal-bürgerlichen Rechtsstaates auf die Gewährleistung der inneren Sicherheit und öffentlichen Ordnung. Die Polizei wird von da an als Institution angesehen, die Gefahren abzuwehren hat, durch die die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht werden.

Der implizierte (polizeirechtliche) Gefahren-Begriff bezieht sich also auf öffentliche Schutzgüter. Die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, besteht darin, Schaden von den unter diesem Titel zusammengefaßten Schutzgütern abzuwenden. Als „Schaden" gilt (nur) eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung eines Schutzgutes; bloße Belästigungen, Nachteile, Unbequemlichkeiten und Geschmacklosigkeiten reichen dafür nicht aus

Eine Gefahr wird polizeirechtlich als gegeben angesehen, wenn ein Schaden bei unbehindertem Ablauf des Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintritt. Dies ist der Fall „bei einer nach der Lebenserfahrung begründeten Befürchtung der Gefahrenverwirklichung" Dabei wird allerdings hinsicht-liehdes Grades der Wahrscheinlichkeit differenziert: Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, umso geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit gestellt werden können. Wo es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter geht, kann deshalb ausnahmsweise auch schon die entferntere Möglichkeit eines Schadens eine begründete Befürchtung auslösen

Was den Zeitpunkt betrifft, für den der Eintritt eines Schadens befürchtet werden muß, so reicht es aus, daß irgendwann, möglicherweise erst nach Jahren, freilich in überschaubarer Zukunft, mit diesem Ereignis zu rechnen ist. Damit eine unabhängige selbständige Verfügung getroffen werden kann, muß eine konkrete Gefahr (im einzelnen Falle) bestehen oder bevorstehen. Dagegen genügt für den Erlaß einer generellen Verordnung eine abstrakte Gefahr, d. h. eine Gefahr in gedachten typischen Fällen. Unmittelbar bevorstehen bzw. gegenwärtig sein muß die Gefahr, wenn ein unbeteiligter Dritter in polizeitlichem Notstand in Anspruch genommen werden soll (unmittelbare Gefahrenabwehr

Nach diesem herkömmlichen Konzept der Gefahrenabwehr kann der Staat also in bestimmten Gefahrensituationen in einer Weise tätig werden, durch die auch Bürgerrechte des einzelnen eingeschränkt werden. Solches staatliches Handeln gilt in akuten Gefahren-situationen für die Allgemeinheit als legitim und sogar als erforderlich. Derartige Situationen sind jedoch — zumindest theoretisch — streng abgegrenzt. Dadurch ist die Macht des Staates eingeschränkt respektive der Freiheitsraum des einzelnen gegenüber dem Staat im Regelfall geschützt.

Dieses historisch gewachsene Konzept der polizeilichen Gefahrenabwehr hat die Entwicklung des Umweltschutzes gerade in Deutschland stark beeinflußt: In der Spezial-gesetzgebung zum Umweltschutz, so z. B. im Immissionsschutz-Recht, spielt der Schutz vor Gefahren eine zentrale Rolle Dabei werden zwar einzelne Aussagen des allgemeinen Polizeitrechts modifiziert — so tritt z. B. an die Stelle der nach der allgemeinen Lebenserfahrung begründeten Befürchtung die mit sachverständigem Urteil zu treffende Schadens-prognose

Dennoch bleiben grundlegende Charakteristika der polizeilichen Gefahrenabwehr erhalten, so vor allem die Orientierung des Umweltschutzes an einem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit absehbaren Schaden und die Auffassung des Umweltschutzes als öffentliche Aufgabe. In diesem Zusammenhang kann auch das als umweltpolitisches Grundprinzip betrachtete „Verursacher-Prinzip" eingeordnet werden, das nicht nur einem volkswirtschaftlichen Kostenkalkül (Internalisierung externer Kosten) sondern auch dem dem polizeirechtlichen Konzept der Gefahrenabwehr zugehörigen Begriff des „Störers"

bzw.der „Störung" entspricht.

Auch die derzeitige Organisation des Umweltschutzes in der Bundesrepublik zeigt dessen historische Entwicklung unter dem Einfluß polizeirechtlichen Denkens der Gefahrenabwehr: So liegt die Verantwortlichkeit für die Genehmigung und die Kontrolle umwelt-belastender Anlagen i. d. R. bei gewerbepolizeilichen Institutionen, wie den Gewerbeaufsichtsämtern. Auf kommunaler Ebene sind vielfach Ordnungsämter, auf Bezirksebene Innenressorts für Umweltfragen zuständig; auf Bundesebene ist das für die „innere Sicherheit" zuständige Ministerium des Innern federführend in umweltpolitischen Angelegenheiten. Schließlich und nicht zuletzt entsprechen die vorrangig praktizierten Instrumente des Umweltschutzes dem Muster staatlicher Kontrolle zur Abwehr von Gefahren für die Öffentlichkeit: Im Vordergrund stehen behördliche Ge-und Verbote, Genehmigungen, nachträgliche Anordnungen u. ä. Marktbezogene Instrumente, wie Angaben einerseits und steuerliche Anreize andererseits, gewinnen dagegen erst neuerdings an Bedeutung

Geradezu idealtypische Regelungen nach dem Muster der unmittelbaren Gefahrenabwehr sind Verordnungen zur Verhinderung von Umwelteinwirkungen bei gefährlichen Umweltsituationen, so u. a. die Störfall-Verordnung und die Smogverordnungen verschiedener Bundesländer Diese Verordnungen beziehen sich auf Situationen, in denen Umweltschäden bereits eingetreten sind oder angesichts außergewöhnlicher äußerer Bedingungen einzutreten drohen. Ausgehend von diesem Konzept der unmittelbaren Gefahrenabwehr im Umweltschutz können mehrere idealtypische Funktionen der Gefahren-abwehr unterschieden werden.

III. Fünf Funktionen der Gefahrenabwehr im Umweltschutz

1. Warnfunktion Kommt es zu einer akuten Umweltgefahr, so müssen die Gefährdeten gewarnt werden — erste Voraussetzung dafür, daß sie sich vor möglichen Schäden schützen können (Warnoder Selbstschutzfunktion der Gefahrenabwehr). Warnung bedeutet dabei Information der Betroffenen über die Gefahrenentwicklung und mögliche Schäden. Die Verbreitung derartiger Information verlangt nur geringen Energie-bzw. Transportaufwand. Beim heutigen Stand der Kommunikationstechnologie lassen sich Warnungen dieser Art technisch leicht verbreiten; sie können abgestuft bzw. nur auf besondere Risikogruppen bezogen werden (bei Smog z. B. Bronchial-und Lungenkranke sowie Familien mit Kleinkindern). Sie sind also ein flexibles, technisch leicht handhabbares Instrument der Gefahrenabwehr. öffentliche Warnungen angesichts von Umweltgefahren richten sich an die Betroffenen selbst. Diese — und keine zentrale Instanz — entscheiden letztlich darüber, was infolge der Warnung praktisch geschieht. Die Warnfunktion ist also politisch wenig restriktiv (Freiheitsverlust des einzelnen, Handlungszwänge etc.); sie setzt am Eigeninteresse der Betroffenen an (Selbstschutz), und sie ermöglicht es den Angesprochenen, im Grundsatz rasch und direkt zu handeln.

Andererseits setzt die Warnung in der Verursachungskette der Umweltbelastung: Auslösung (Emission) — Eintritt (Immission) — Umweltschaden erst am letzten Kettenglied, nämlich dem drohenden Schaden an. Sie ist insofern symptomorientiert, hat also nur geringe Wirkungstiefe. Gemessen an der Vielzahl der durch Umweltbelastungen potentiell betroffenen Lebewesen und Materialien wirkt sie zudem nur in geringer Breite: Durch sie werden nämlich im allgemeinen nur Menschen erreicht, und hierbei wiederum nur solche, die sich durch Warnungen angesprochen fühlen bzw. sich im „Sendebereich" der Warnung befinden. Für Tiere, Pflanzen und Materialien dagegen bleiben Warnungen dieser Art ohne Wirkung. Auch sind Warnungen vor Umweltgefahren in der Regel nur auf unmittelbare Gefahrenaspekte abgestellt, nicht jedoch auf Fernwirkungen oder langfristige Wirkungen akuter Umweltbelastungen.

Gewarnt werden kann also mit geringem Kostenaufwand und in flexibler Weise. Warnungen setzen jedoch am Symptom an, wirken tendenziell spät und nur in geringer Breite. Sie berühren damit bestehende Interessenlagen nur wenig, und ihre Verwirklichung ist umweltpolitisch vergleichsweise leicht durchzusetzen. 2. Unmittelbare Steuerungsfunktion Abgesehen von der schadensbezogenen Warnung sind Maßnahmen der Gefahrenabwehr im Umweltschutz darauf ausgerichtet, einem gefährlichen Anstieg der Umweltbelastung entgegenzusteuern (unmittelbare Steuerungsfunktion). Im Gegensatz zur Warnfunktion, die allein darauf ausgerichtet ist, die Einwirkung von Umweltbelastungen auf den Menschen zu verhindern, ohne die Entwicklung der Umweltbelastung selbst zu beeinflussen, ist die unmittelbare Steuerungsfunktion also ursächlich orientiert: Es geht um die Umweltbelastung selbst.

Maßnahmen dieses Typus, beispielsweise die kurzfristige Verringerung der Schadstoffemission aus Kraftwerken, Betrieben, Haushalten und Autos während austauscharmer Wetterlagen, kommen nicht allein bestimmten Risikogruppen der Bevölkerung zugute, sondern allen potentiell gefährdeten Menschen. Darüber hinaus wirken sie sich zugunsten der natürlichen und gebauten Umwelt aus, also zugunsten von Tieren, Pflanzen, Materialien und Ökosystemen im allgemeinen. Schließlich tragen sie angesichts des üblichen großräumigen Transports von Umweltbelastungen (vorübergehend) auch dazu bei, Umweltbelastungen außerhalb des engsten Gefahrenbereichs zu verringern.

Um einen kurzfristigen Anstieg einer Umweltbelastung entgegensteuern zu können, müssen allerdings technische Prozesse umgestellt und eingefahrene Verhaltensweise verändert werden. Beides bedeutet im gegebenen Fall erhebliche ökonomische, psychische und politisch-legitimatorische Kosten. Gerade die Verwirklichung der unmittelbaren (kurzfristigen) Steuerungsfunktion stößt daher auf Interessenwiderstände seitens derjenigen gesellschaftlichen Gruppen bzw. Institutionen, die die notwendigen Maßnahmekosten zunächst zu tragen haben, so beispielsweise Industrie und Autofahrer bei Smogalarm. 3. Signalfunktion Werden akute Umweltbelastungen bei der Gefahrenabwehr sichtbar, so fühlen sich die Betroffenen nicht nur in bezug auf den konkreten Einzelfall alarmiert. Daß Maßnahmen zur Abwehr akuter Gefahren überhaupt notwendig sind, gilt vielmehr auch als Signal dafür, daß die Umweltbelastung in dem betroffenen Gebiet allgemein zu groß ist, die bisherige Umweltpolitik also für einen sicheren Schutz von Mensch und Umwelt nicht ausreicht (Signalfunktion).

Dadurch können akute Mängel bzw. dringende Erfordernisse des Umweltschutzes in der Öffentlichkeit deutlich werden — eine Art Vitaminspritze zugunsten der politischen Legitimation eines intensiveren Umweltschutzes. Obwohl die Signalfunktion der Gefahrenabwehr also über den jeweiligen Einzelfall hinausreicht, ist sie doch durch ihren Ausgangspunkt geprägt: die räumlich, zeitlich und hinsichtlich des Betroffenenspektrums als begrenzt angesehene Gefahrensituation. Entsprechend zeigt sie auch Umweltprobleme in der Tendenz begrenzt an, z. B. im Fall Smog-alarm vor allem bezogen auf Ballungsräume. Dies schließt Signalwirkungen zugunsten des Umweltschutzes auch in nicht akut betroffenen Gegenden nicht aus, kann aber möglicherweise die Tendenz fördern, Umweltbelastungen aus akuten Gefahrenregionen in Gebiete mit weniger’deutlich sichtbarer Belastung zu „verschieben".

Schließlich kann sich die Signalfunktion der Gefahrenabwehr auch in eine Entwarnung bzw. eine Delegitimation der Umweltpolitik umkehren. Dies ist dann der Fall, wenn bestehende Gefahren nicht oder nicht entsprechend der gegebenen Dringlichkeit und Schärfe angezeigt werden. Wenn es zu keinen Maßnahmen der unmittelbaren Gefahrenabwehr kommt, wird daraus möglicherweise geschlossen, daß auch weitergehende langfristig wirkende Maßnahmen der Umweltpolitik nicht dringlich seien. 4. Anreizfunktion Über den eben dargestellten Bewußtseinszusammenhang hinaus beeinflussen Maßnahmen der unmittelbaren Gefahrenabwehr die Entwicklung des längerfristigen Umweltschutzes auch vermittelt über Kostenzusammenhänge: Um akuten Umweltgefahren kurzfristig entgegenwirken zu können, sind außergewöhnliche Anstrengungen erforderlich, so bei Smoggefahr etwa, nurmehr schwefelarme Brennstoffe zu verfeuern, aufs gewohnte Auto zu verzichten oder den Betrieb emittierender Anlagen einzuschränken. Drohen den Verursachern der Umweltbelastung durch entsprechende Auflagen im Fall akuter Gefahr erhebliche Kosten, so stellt dies für sie einen Anreiz dazu dar, in umweltfreundliche Verfahren bzw. Anlagen zum längerfristigen Umweltschutz zu investieren. Dadurch nämlich können sie — zumindest auf längere Sicht — das Risiko vermindern, Maßnahmekosten für die unmittelbare Gefahrenabwehr tragen zu müssen.

Hinsichtlich der Breite und Qualität dieser Funktion sind allerdings ähnliche Einschränkungen zu machen wie im Fall der Signalfunktion. Auch die langfristige Anreizwirkung der Gefahrenabwehr ist durch ihren Ausgangspunkt, die punktuelle Gefahrensituation, geprägt. Sie wirkt dementsprechend in erster Linie darauf hin, solche Gefahrensituationen längerfristig zu vermeiden. Latente Umweltbelastungen bzw. Belastungen außerhalb des engsten Gefahrenkreises bleiben dabei häufig unberücksichtigt. 5. Beispielfunktion In akuten Gefahrensituationen ist die Notwendigkeit, von gewöhnlichem Verhalten abzuweichen, vergleichsweise leicht einsichtig. Beispielsweise räumen Autofahrer für einen mit Blaulicht anfahrenden Krankenwagen nicht nur aufgrund entsprechender Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung, sondern meist auch aus eigener Einsicht rasch die Fahrbahn. Es scheint möglich, daß derar35 tige Verhaltensweisen in besonderen Gefahrensituationen auch allgemeine Verhaltensmuster beeinflussen.

So können Autofahrer, die angesichts einer Verkehrssperrung bei Smogalarm seit langer Zeit zum ersten Mal öffentliche Verkehrsmittel benutzen, neben den ärgerlichen Umständen der Umstellung möglicherweise auch Vorteile dieser Verkehrsmittel gegenüber dem Auto entdecken (kein Parkplatzproblem, Möglichkeit zum Zeitungslesen während der Fahrt, Preisvorteil u. ä.) oder überhaupt erstmals zur Kenntnis nehmen, daß ihnen öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung stehen. Als selbstverständlich angesehene umweltbelastende Verhaltensweisen können infrage gestellt, umweltfreundlichere Alternativen zu festeingefahrenen Verhaltensformen demonstriert werden. Im Überblick gesehen stehen also zwei unmittelbaren Schutzfunktionen der Gefahrenabwehr (Warnfunktion und unmittelbare Steuerungsfunktion) mehrere mittelbare, längerfristige Wirkungen gegenüber (Signal-, Anreiz-und Beispielwirkung). Diese Wirkungen, die oft gar nicht bewußt angestrebt werden, können auch als Beitrag zu einer längerfristigen ökologischen Anpassung von Produktion und Konsumtion angesehen und insofern als umweltpolitische Funktionen verstanden werden. Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr sind zwar in jeden Fall durch ihren Ausgangspunkt, die begrenzte Gefahrensituation, geprägt und können dementsprechend eine langfristig angelegte strukturbezogene Umweltpolitik nicht ersetzen; sie stellen jedoch über das bloße Management von Gefahrensituationen hinaus einen ergänzenden eigenständigen Beitrag auch zum längerfristigen Umweltschutz dar.

IV. Wirksame Gefahrenabwehr? Das Beispiel Smogverordnung

Wieweit treten nun die dargestellten idealtypischen Funktionen der unmittelbaren Gefahrenabwehr in konkreten Fällen ein? Dies hängt von verschiedenen Voraussetzungen ab, so insbesondere von Erfordernissen bei der Wahl und Gestaltung der umweltpolitischen Instrumente der Gefahrenabwehr. Diese sind häufig jedoch nur bruchstückhaft gegeben, wie sich am Beispiel der Smogverordnung zeigen läßt. Die Auslösekriterien und die konkreten Smogalarm-Fälle in der Bundesrepublik sind in Abbildung 1 und Tabelle 1 dargestellt. 1. Die Realisierung der Warnfunktion Die erste Voraussetzung für die Erfüllung der Warnfunktion besteht in dem zunächst banal klingenden Erfordernis, daß angesichts einer gefährlichen Situation überhaupt gewarnt wird.

Im Fall der Smogverordnung zeigt sich hier ein gewaltiges Defizit: Nach Untersuchungsergebnissen von Jahn und Palamides in den Wintermonaten der Jahre 1976— 1982 steigt die Sterblichkeit bei Schwefeldioxyd-Konzentrationen von mehr als 300 ug SO; /m 3 im Tagesdurchschnitt statistisch signifikant an Auch der MIK-Wert (Maximale Immissions-Konzentration) des Vereins Deutscher Ingenieure für die Kurzzeitbelastung durch Schwefeldioxyd liegt bei 300 ug SO 2/m 3

In der Vergangenheit wurde nun diese Maximale Immissions-Konzentration häufig überschritten. In Berlin-Kreuzberg war dies in den Jahren 1976 bis 1983 beispielsweise rund 200 mal der Fall, im Berliner Wedding gar rund 300 mal Verschiedentlich ergaben sich Tagesmittel, die ein Mehrfaches der MIK-Werte betrugen. Trotz der hohen Belastungen wurde bis 1978 in keinem dieser Fälle offiziell gewarnt. Eine gewisse Wirkung in diesem Sinne dürften allenfalls einige Zeitungsberichte ausgeübt haben, die sich auf besonders hohe Schadstoffkonzentrationen der Vortage bezogen Erst seit dem Jahr 1979 kam es in einer Reihe von Fällen zu Smogwarnungen der zuständigen Behörden Dabei unterblieben teilweise

Warnungen an Tagen mit extrem stark verschmutzter Atemluft, während an einzelnen Tagen mit geringerer Schadstoffbelastung Appelle an die Bevölkerung ergingen, die Fenster zu schließen, keine Sport im Freien zu treiben usw.

Dieser groteske Zustand resultiert daraus, daß Smogwarnungen bisher grundsätzlich an die Auslösung von Alarm gebunden sind. Die Auslösekriterien für Smogalarm, der auch Appelle bzw. Auflagen zur Verringerung des Schadstoffausstoßes einschließt, sind jedoch so gehalten, daß der notwendige Verwaltungsapparat für die Durchführung eines solchen Alarms nur selten in Bewegung gesetzt werden muß: Alarm wird nur ausgelöst, wenn bestimmte Auslösewerte der Schadstoffkonzentration der Atemluft überschritten sind (z. B. 800 ug SO 2/m 3 nach der bis zum Jahr 1984 geltenden Musterverordnung, 600 ug SO 2/m 3 nach der seit 1985 in Nordrhein-Westfalen, Hessen und anderen Bundesländern in Kraft gesetzten Verordnung). Diese Werte müssen zumindest über einen Zeitraum von drei Stunden hinweg gemessen werden. Weiterhin muß für die nächsten 24 Stunden eine anhaltende austauscharme Wetterlage vorausgesagt werden, wozu u. a. auch das Kriterium niedriger Windgeschwindigkeit und fehlender Niederschläge gehört. Die kritische Luftverschmutzung muß zudem an einer Mindestzahl von Meßstellen gleichzeitig gemessen werden. Bis zum Jahr 1984 war dies die Hälfte aller Meßstellen eines Gebiets; nach der neuen Verordnung genügt die Überschreitung der Auslösewerte an zwei benachbarten Meßstationen

Selbst wenn es nun zu einer Warnung an die Bevölkerung kommt, erfüllt diese ihre Warnfunktion

nicht in jedem Fall. Voraussetzung ist dafür zunächst, daß der Informationsgehalt der Warnung der gegebenen Gefahrensituation entspricht, die Angesprochenen also ihre Gefährdung ausreichend einschätzen können.

Auch hier bestanden im Fall der Smogwarnung in der Vergangenheit häufig Defizite: Insbesondere bei den ersten Alarmfällen 1979 im Ruhrgebiet und Anfang der achtziger Jahre in Berlin schwankten die zuständigen Behörden zwischen dem Appell an die Bevölkerung, sich der verschmutzten Luft nicht über Gebühr auszusetzen, und der Aussage, es handele sich nur um eine gesundheitlich nicht relevante Vorwarnstufe

Weiterhin muß die Information die Betroffenen so frühzeitig erreichen, daß sie sich auf die gefährliche Situation einstellen können (notwendige Vorlaufzeit der Warnung). Auch dieses Kriterium war — soweit ersichtlich — im überwiegenden Teil der Smogalarmfälle bzw. Smogwarnungen nicht erfüllt. Besonders krass trat dies in den wenigen Smogalarmfällen entsprechend der alten Smogverordnung zu Tage, so beispielsweise in Berlin am 17. und 18. sowie 24. und 25. Januar 1980, als der Höhepunkt der Schadstoffbelastung bereits jeweils um mehrere Stunden überschritten war, ehe die Bevölkerung gewarnt wurde

Schließlich kann eine Warnung nur dann wirksam sein, wenn sie verständlich formuliert ist, Aufmerksamkeit erregt und die Adressaten auch wirklich erreicht (Aufnahmeeigenschaften der Warnung). Zwar gab es auch unter diesem Gesichtspunkt Wirkungsdefizite der Smogwarnung — so wurde etwa des öfteren erst dann über hohe Schadstoffkonzentrationen in der Luft informiert, wenn die Adressaten bereits auf dem Weg zur Arbeit waren und kaum mehr erreicht werden konnten —, doch schlägt das Kriterium „Aufnahmeeigenschaften der Warnung" noch am ehesten zugunsten der Smogverordnung zu Buche. Denn vor Smog gewarnt wird danach ja nur durch Smogalarm, der vergleichsweise große Aufmerksamkeit erregt.

In der Zusammenschau hat sich die Smogverordnung bisher nicht als ausreichendes Instrument zur Warnung vor gesundheitsgefährlicher Luftverschmutzung erwiesen. Ausschlaggebend dafür waren vor allem die Un-Zuverlässigkeit und die häufige Verspätung der Warnung.

Hierbei zeichnen sich jedoch zwei Entwicklungen zum besseren ab: Zum einen kann nach der im November 1984 von den Bundesländern grundsätzlich verabschiedeten neuen Muster-Smogverordnung flexibler Alarm ausgelöst und damit auch gewarnt werden. Ausschlaggebend hierfür sind niedrigere Auslösewerte (siehe Abbildung 1) sowie geringere sonstige Auslöseerfordernisse (Meßstellenzahl, Windgeschwindigkeit). Zum anderen ist inzwischen in einem Ballungsraum (Ruhrgebiet) die Möglichkeit gegeben, sich kontinuierlich über die aktuelle Luftverschmutzung zu informieren — ein Service, der angesichts der gegebenen technischen Möglichkeiten und der absehbaren Nachfrage auf längere Sicht auch von anderen Bundesländern angeboten werden sollte 2. Die Realisierung der unmittelbaren Steuerungsfunktion Die für die Erfüllung der Warnfunktion genannten Kriterien gelten entsprechend auch für die unmittelbare Steuerungsfunktion. Ausschlaggebend ist u. a.:

— wie verläßlich Maßnahmen bei gefährlichen Situationen zustande kommen, — ob die steuernden Maßnahmen in Qualität \ und Schärfe der Situation entsprechen, — ob gegen sich abzeichnende gefährliche Umweltbelastungen frühzeitig genug gegengesteuert wird, und schließlich, — ob die vorgesehenen Maßnahmen anwendbar bzw. durchsetzbar sind.

Hinsichtlich der Verläßlichkeit, mit der bisher gegen die Bildung gesundheitsgefährdender Luftverschmutzung bei austauscharmen Wetterlagen vorgegangen wurde, ergibt sich eine ähnliche Bilanz wie bezüglich der Realisierung der Warnfunktion: Nur in einem Bruchteil der Fälle, in denen die „Maximalen Immissions-Konzentrationen“ in der Luft überschritten wurden, kam es zu dem Versuch, etwas gegen den Belastungsanstieg tun, so in den dargestellten Smogalarm-Fällen.

Selbst dabei wurde jedoch größtenteils keine nennenswerte Steuerungswirkung erzielt.

Denn bis 1984 wurde ausschließlich Alarm der Stufe 1 ausgerufen, bei der ohne verbindliche Auflagen zu umweltgerechtem Verhalten aufgefordert wird (Auto stehen lassen, Heizung herunterdrehen). Diese Appelle jedoch fanden, soweit aus Zeitungsberichten, Befragungsergebnissen und Einzelbeobachtungen ersichtlich nur wenig Gehör. Eine spürbare emissionssenkende Wirkung von Smogalarm war bisher nur einmal, nämlich vom 16. bis 20. Januar 1985, im Ruhrgebiet gegeben, als von der nordrhein-westfälischen Landesregierung entsprechend der novellierten Smogverordnung Smogalarm der Stufen 2 und 3 ausgerufen wurde, womit es zu Verkehrssperrungen und Betriebseinschränkungen kam.

Ergänzend zu den Bestimmungen der Smog-verordnung sind hier allerdings die „stillen" Regelungen bei austauscharmen Wetterlagen zwischen einzelnen Kraftwerken bzw. Betrieben und Umweltschutzbehörden verschiedener Bundesländer zu nennen, so beispielsweise im Fall des Raffineriezentrums Ingolstadt (Bayern) und des West-Berliner Kraftwerks Lichterfelde-West Nach diesen Regelungen kam es in den zurückliegenden Jahren verschiedentlich zur Umstellung auf schwefelarme Brennstoffe bzw. zur Verringerung der Kraftwerksleistung in gefährlichen Belastungssituationen Ein weiterer kritischer Punkt ist der häufig zu eng gesteckte räumliche Bereich emissionssenkender Maßnahmen: Beispielsweise bestehen Smogwarngebiete bisher in Nordrhein-Westfalen nur im engeren Ruhrgebiet, nicht aber im Gebiet der Rheinschiene, das ebenfalls hohe Schadstoffkonzentrationen aufweist Grundsätzlicher stellt sich dieses Problem angesichts der großräumigen Luft-verschmutzung und der verschiedentlich auftretenden großräumigen Smoglagen, gegen die durch Emissionssenkung ausschließlich in einzelnen Ballungsräumen nicht wirksam anzukommen ist Besondere Bedeutung hat dieser Gesichtspunkt im Rahmen des deutsch-deutschen Verhältnisses und hier wiederum für Berlin: Emissionssenkende Maßnahmen allein in West-Berlin können bei stabilen Wetterlagen mit südlichen bis östlichen Winden, wie sie typisch für ausgeprägte Smogsituationen in Berlin sind, nur geringe Wirkung haben, solange aus Ost-Berlin und aus den im südlichen Teil der DDR gelegenen Industrierevieren hohe Schadstoffimporte in die Stadt gelangen

Eine weitere Steuerungsschwäche nach der alten wie der neuen Smogverordnung ergibt sich daraus, daß die Auslösung entsprechender Maßnahmen an bestimmte Werte des Spätindikators „Immissionskonzentration“ der Luftverschmutzung gebunden ist. Da sich eine hohe Schadstoffbelastung der Atemluft in der Regel über viele Stunden, häufig sogar über Tage hinweg bei anhaltenden austauscharmen Wetterlagen aufbaut, wird damit die Chance, frühzeitig anhand der Indikatoren der Schadstoffemission und der meteorologischen Bedingungen zu reagieren, nicht genutzt. 3. Die Realisierung der Signalfunktion Wieweit es zu einer Signalwirkung der Maßnahmen der unmittelbaren Gefahrenabwehr kommt, hängt eng damit zusammen, inwieweit die Warnfunktion der Gefahrenabwehr erfüllt worden ist: Wurde angesichts realer Gefahren wirksam gewarnt, so wird auch eine entsprechende Signalwirkung über längere Sicht hinweg festzustellen sein — und umgekehrt: Bleiben Gefahrensituationen unbemerkt oder werden sie vertuscht, so fehlt auch eine entsprechende Signalwirkung. Appelle bzw. Auflagen zur Verminderung der Umweltbelastung in Gefahrensituationen dürften dagegen das Signal verstärken.

Im Gegensatz zu den nur kurzfristig realisierbaren Funktionen der Warnung und der unmittelbaren Steuerung spielen zeitliche Zwänge für die Realisierung der Signalfunktion kaum eine Rolle, denn diese entwickelt sich in einem längerfristigen Prozeß der Meinungsbildung bzw.der Entstehung und Multiplikation von Umweltbewußtsein.

In bezug auf die Entwicklung der Smogverordnung hatte und hat die Signalfunktion, soweit ersichtlich, überragende Bedeutung. Dafür spricht zum einen das gesamte „Strickmuster" der Verordnung: Ihr Titel „Verordnung zur Verhinderung schädlicher Umwelteinwirkungen bei austauscharmen Wetterlagen" gibt Anlaß zu der Hoffnung, man sei aufgrund der Verordnung vor schädlichen Umwelteinwirkungen geschützt. Die Auslösewerte und die sonstigen Voraussetzungen für die Auslösung von Smogalarm wurden in den sechziger Jahren (in Nordrhein-Westfalen) und nach der Musterverordnung verschiedener Bundesländer aus dem Jahre 1974 jedoch so bestimmt, daß eine konkrete Auslösung von Smogalarm wegen des Negativ-Images für die Region kaum in Frage kam. So waren die Mitte der sechziger Jahre in der nordrhein-westfälischen Verordnung enthaltenen Auslösewerte der Schwefeldioxyd-Konzentration geradezu Katastrophenwerte, bei deren Erreichen mit dem Tod zahlreicher Menschen gerechnet werden mußte Diese Werte wur-den bis zur Mitte der siebziger Jahre zwar schrittweise gesenkt; dies geschah jedoch im Nachzug zur allgemeinen Verringerung der Schwefeldioxyd-Belastung des Ruhrgebiets bis zur Mitte der siebziger Jahre Damit konnten einerseits „Verschärfungen" der Verordnung in der Öffentlichkeit präsentiert werden; andererseits war aber weiterhin kaum ein Alarm zu „befürchten". Der Eindruck, die getroffene Umweltpolitik sichere den Bürger vor gesundheitlichen Schäden und lasse Spielraum für weitere wirtschaftliche Investitionen in der Region, blieb bestehen. Die Bedeutung der Signalfunktion zeigt sich zum anderen anhand von Erklärungen von Fachbeamten zur vorgesehenen Zielsetzung der Smogverordnung Danach sei die Smog-verordnung kein — in ihrer Wirkung überprüfbares — Instrument dazu, für die Einhaltung bestimmter Grenzwerte der Luftverschmutzung, z. B.der MIK-Werte, zu sorgen. Die Verordnung sei vielmehr nur zum „Katastrophenschutz" gedacht, „der möglichst niemals notwendig werden soll".

Für sich spricht schließlich, daß der in der Verordnung angelegte Ermessensspielraum, so vor allem durch die meteorologische Abschätzung der weiteren Entwicklung der Situation, bis 1978 in allen Zweifelsfällen dahin gehend „genutzt" wurde, keinen Alarm auszurufen

Die Tatsache, daß es seit dem Beginn der achtziger Jahre zu einer Reihe von Smog-alarm-Fällen kam, spricht in diesem Sinne weniger für einen Belastungsanstieg, als für einen umweltpolitischen Umbruch. Das Bewußtsein für die Bedeutung von Umweltaspekten ist allem Anschein nach auch innerhalb der verantwortlichen Umweltbehörden gewachsen. Die genannten Smogalarmfälle (Tabelle 1) hatten ihrerseits eine starke Signalwirkung zugunsten intensiverer Luftreinhaltung. Dies läßt sich aus allen verfügbaren Belegmaterialien wie Zeitungsberichten, Gesprächen mit betroffenen Fachleuten, Parlamentsdebatten etc.deutlich ablesen Diese positive Wirkung dürfte sich, gekoppelt mit der Signalwirkung des Waldsterbens, in Zukunft noch verstärken. 4. Die Realisierung der Anreizfunktion Die praktische Bedeutung der Anreizfunktion der Gefahrenabwehr hängt stark davon ab, inwieweit ihre kurzfristige Steuerungsfunktion realisiert worden ist und welche Maßnahme-kosten dabei angefallen sind: Je höher die kurzfristigen Maßnahmekosten, desto höher vermutlich die langfristige Anreizwirkung zugunsten einer Investition in umweltfreundliche Produktionsverfahren und Produkte.

Die Smogverordnung hatte bis zum Ende der siebziger Jahre keine wirtschaftliche Anreiz-wirkung in dem genannten Sinn, da ja kein einziger Alarm ausgelöst wurde. Die Alarm-fälle von 1979 bis 1984 der Stufe 1 hatten keine nennenswerten Steuerungsfunktion und damit auch keine nennenswerte wirtschaftliche Anreizwirkung. Mit dem nordrhein-westfälischen Smogalarm der Stufen 2 und 3 im Januar 1985 hat sich diese Situation verändert. Von der Industrie wurden betriebswirtschaftliche Kosten in einer zweistelligen Millionenhöhe reklamiert Dies dürfte sich als ein nicht unerheblicher Impuls zugunsten einer intensiveren, rascher wirksamen Luftreinhaltepolitik niederschlagen. 5. Die Realisierung der Beispielfunktion Ob Situationen, in denen Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr notwendig werden, Beispielcharakter für das Alltagshandeln des Durchschnittsbürgers haben, dürfte wesentlich davon abhängen, inwieweit sich das Verhalten des einzelnen während der jeweiligen Gefahrensituation verändert hat. Die mögliche Rolle von Bewußtseinsprozessen in diesem Zusammenhang wäre vor allem von Psychologen und Kommunikationswissenschaftlern zu untersuchen. Empirische Forschungsergebnisse liegen zu diesem Fragenkomplex bisher weder bezüglich der Smog-verordnungen noch anderer Formen der Gefahrenabwehr im Umweltschutz vor. 6. Zusammenfassung Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Umweltschutz können nur dann ihre Schutzfunktion erfüllen, wenn sie — bei Gefahr verläßlich eintreten, — in Qualität und Schärfe der Gefahrensituation gerecht werden, — früh genug getroffen werden und — aufnehm-bzw. durchsetzbar sind.

Abhängig davon, inwieweit wirksame Maßnahmen zur Warnung und zur Verringerung der Umweltbelastung in Gefahrensituationen zustande kommen, ergeben sich auch längerfristige Folgewirkungen zugunsten intensiveren Umweltschutzes (Signal-, Anreiz-und Beispielfunktion). Im Fall der Smogverordnung wurden die genannten Kriterien bisher nicht oder nur bruchstückhaft erfüllt: Weder kam es aufgrund der Verordnung zu einer verläßlichen Warnung der Bevölkerung bezüglich gesundheitsgefährdender Konzentrationen der Luft-verschmutzung, noch gelang es auch nur ansatzweise, sich anbahnende Smogsituationen durch steuernde Maßnahmen „abzubiegen".

Der bisher einzige Fall, in dem von einer zumindest teilweisen Steuerungsfunktion der Smogverordnung ausgegangen werden kann, war die Smogalarmphase von 17. bis 21. Januar, als es zu Verkehrssperrungen und Betriebseinschränkungen kam. Doch auch die hier zustande gebrachte Verringerung des Schadstoffausstoßes war räumlich wesentlich zu eng gefaßt, als daß sie eine ausreichende Wirkung hätte entfalten können. Zudem trat sie, entsprechend dem am Spätindikator „Schadstoff-Immission" orientierten Auslöse-verfahren der Verordnung, erst ein, als bereits hohe Belastungen bestanden, d. h. ohne den für eine wirkungsvolle Steuerung notwendigen zeitlichen Vorlauf.

Nach dem „Strickmuster" der Verordnung, ihrer Handhabung in den sechziger und siebziger Jahren sowie der anläßlich mehrerer Alarmfälle aufgekommenen neueren umwelt-politischen Diskussion um die Smogproblematik zu schließen, waren und sind nicht die unmittelbaren Schutzfunktionen der Gefahrenabwehr (Warnfunktion, unmittelbare Steuerungsfunktion) hauptsächliche Kriterien für die Gestaltung der Verordnung. Von weit größerer Bedeutung war und ist allem Anschein nach die durch die Verordnung ausgelöste umweltpolitische Signalwirkung: Während die Verordnung in den sechziger und siebziger Jahren, einer Phase ohne Smogalarm, eine Art „Beruhigungspille" für die Öffentlichkeit darstellte, geht der Streit in den achtziger Jahren zwischen den verschiedenen Interessengruppen und den staatlichen Umweltbehörden vor allem darum, welches Image eine Region bzw. die dort praktizierte Umweltpolitik durch Smogalarm erhält.

ökonomische Anreizwirkungen und Beispielswirkungen für das Verhalten von Produzenten und Konsumenten sind, soweit erkennbar, aufgrund der bisher nur sehr geringen Steuerungsfunktion der Verordnung nicht in nennenswertem Maß eingetreten.

Mit der neuen Musterverordnung vom November 1984 bleiben zwar die Struktur und damit die Schwächen der bisherigen Verordnung grundsätzlich bestehen — beispielsweise ist die Auslösung von Alarm weiterhin an meteorologischen Parametern und dem Spätindikator „Schadstoff-Immission" orientiert. Dennoch kann nun früher und verläßlicher gewarnt werden, und die Möglichkeit wirksamer Emissionsverminderung im Gefahrenfall ist eher als bisher gegeben. Damit ist schließlich absehbar, daß die Verordnung in der Zukunft eine gewisse ökonomische Anreizwirkung und möglicherweise auch eine Beispielwirkung ausüben wird. Insofern erscheint die Novellierung auch als ein möglicher Impuls für die längerfristige Umweltpolitik.

V. Schlußfolgerungen

Akute Umweltgefahren können nur aufgrund einer Lebens-und Produktionsweise entstehen, die auf die natürliche Umwelt zu wenig Rücksicht nimmt — und damit letztlich für den Menschen selbst zerstörerischen Charakter hat. Eine auf Dauer tragfähige Wendung zugunsten der Umwelt und zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen setzt daher eine strukturelle Ökologisierung der Technik und Wirtschaft voraus. Diese gestalterische Aufgabe, die auch gerade darin bestehen kann, Natur Natur sein zu lassen, muß angesichts akuter Umweltbedrohungen durch effiziente Instrumente des defensiven Umweltschutzes ergänzt werden. Die unmittelbare Gefahrenabwehr stellt hierbei eine Art Auffangbecken oder Sicherheitsnetz für sonstige längerfristige Anstrengungen zum Umweltschutz dar.

Neben ihren unmittelbaren Schutzfunktionen der Warnung und Steuerung hat sie auch indirekte Funktionen zugunsten längerfristig angelegten Umweltschutzes (Signal-, Anreiz-, Beispielfunktion), die je nach der Gestaltung der Instrumente zum Tragen kommen. Es greift daher zu kurz, Smogalarmregelungen als reines „Management" hochgradiger Luft-verschmutzung zu bezeichnen. Auch die strukturbezogene Umweltpolitik sollte vielmehr als systematisches Zusammenwirken von längerfristig wirkenden Maßnahmen und kurzfristigen Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr betrachtet und gestaltet werden

Diese Forderung gilt nicht nur für den Bereich der Luftreinhaltepolitik, sondern z. B. auch für den Bereich des Gewässerschutzes, des Bodenschutzes (Mülldeponien), der Umweltchemikalien u. a. Sichtbare, verständliche Alarmregelungen könnten auch in diesen Bereichen zu spürbaren umweltentlastenden Wirkungen führen. So wäre beispielsweise vorstellbar, daß ein Verschmutzungsalarm in Flüssen mit der Folge eingeschränkten Schiffsbetriebes eine beträchtliche ökonomische Anreizwirkung zugunsten rascherer Verbesserungen im Gewässerschutz haben könnte.

Die unmittelbaren Schutzfunktionen der Gefahrenabwehr, Warnung und kurzfristigen Steuerung, sollten allerdings nicht durch ihre Instrumentalisierung im Sinne der längerfristigen Umweltpolitik beeinträchtigt werden.

Da dies durch „laute“ Instrumente der Gefahrenabwehr (wie Smogalarm) ständig einzutreten droht, erscheint es als sinnvoll, daneben auch „stille" Instrumente der Gefahrenabwehr zu nutzen. Hierzu zählen im Bereich der Luftreinhaltung z. B. ein kontinuierlich arbeitendes Informationssystem der aktuellen Luftbelastung, das die prognostische Angabe der Luftverschmutzung ermöglicht. Zum anderen sollten Unternehmen mit hohen Schadstoff-emissionen, insbesondere Altanlagen, die dem Stand der Technik nicht entsprechen, stärker dazu verpflichtet werden, bei zu erwartenden länger anhaltenden austauscharmen Wetterlagen die allgemein verbindlichen Emissionsgrenzen einzuhalten, sei es durch Umstellung auf schadstoffärmere Brennstoffe oder durch Betriebseinschränkungen. Auch hierdurch dürfte ein Kostendruck entstehen, der die dauerhafte Umstellung auf umweltfreundliche Technologien und Produkte anregt.

Die Smogverordnung selbst ist — als Alarm-regelung — auf wenige Alarmfälle ausgerichtet. Käme es häufig zu Alarm, so wäre damit möglicherweise ein negativer Gewöhnungseffekt bei den Angesprochenen verbunden. Dieses allgemein als Optimierungsproblem zwischen den kurzfristigen und den langfristigen Funktionen der Gefahrenabwehr auffaßbaren Dilemma kann der Verordnungsgeber allerdings nicht dadurch lösen, daß er stillschweigend über reale Gefahrensituationen für Mensch und Umwelt hinweggeht. Legitimatorische Kosten von Maßnahmen der unmittelbaren Gefahrenabwehr im Umweltschutz lassen sich vielmehr auf zweierlei Weise senken: Zum einen durch größere Umweltflexibilität — zu denken ist dabei z. B. an einen forcierten Ausbau des Netzes der öffentlichen Verkehrsmittel, womit der Autofahrer leichter auf Bahn und Bus umsteigen kann. Beispielcharakter hat hierfür auch der im Februar 1985 im Berliner Abgeordnetenhaus gefaßte Beschluß eines Nulltarifs für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bei Alarmstufe 1. Zum anderen und vor allem durch die rasche Einführung umweltfreundlicher Verfahren der Produktion und Konsumtion, durch umweltentlastende Verkehrsplanung usw., womit sich das Risiko, daß es zu akuten Umweltgefahren kommt, grundsätzlich verringert Maßnahmen der Gefahrenabwehr können damit über ihre unmittelbare Schutzfunktion hinaus ein Hebel zur Durchsetzung einer umweltfreundlicheren Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft sein.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zur durchaus kontroversen rechtlichen Interpretation des Vorsorge-Prinzips in der Umweltpolitik siehe u. a. J. Salzwedel, Umweltvorsorge durch Emissionsverminderung und Verhältnismäßigkeitsprinzip. Ein Problemausschnitt aus dem Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen über Waldschäden und Luftverunreinigungen, in: Aktuelle Umweltfragen 1983. Berichte über die IWL-Kolloquien, 1983, Bd. 20, Nr. 3, S. 19— 39. H. W. Rengeling, Die immissionsschutzrechtliche Vorsorge als Genehmigungsvoraussetzung, in: Deutsches Verwaltungsblatt, Bd. 97, (1982) 13, S. 622— 629. E. Kutscheid, Die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden. Die Problematik des unbestimmten Rechtsbegriffs und seiner Konkretisierung. Aus der Sicht der Rechtsprechung, in: R. Lukes, 6. Deutsches Atomrechts-Symposion, Köln 1980, S. 71— 82. G. Feldhaus, Der Vorsorgegrundsatz des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, in: Deutsches Verwaltungsblatt, (1980) 4, S. 133— 139.

  2. Siehe A. Jahn/H. Palamidis, Kurzfristige Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Mortalität in Berlin (West) 1976— 1982, in: Berliner Statistik (1983) 5, S. 112— 115. Ein historischer Überblick von Smogperioden und ihren erkennbaren gesundheitlichen Folgewirkungen ist enthalten in: W. Kuttier, Einflußgrößen gesundheitsgefährdender Wetterlagen und deren bioklimatische Auswirkungen auf potentielle Erholungsgebiete dargestellt am Beispiel des Ruhrgebietes und des Sauerlandes, Paderborn 1979. Allgemein: Umweltbundesamt, Materialien zum Immissionsschutzbericht 1977, Berlin 1977. S. 135— 143.

  3. T. Darnstaedt, Gefahrenabwehr und Gefahren-vorsorge. Eine Untersuchung über Struktur und Bedeutung der Prognosebestände im Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, 1983; F. Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, im Ordnungsrecht und im Technischen Sicherheitsrecht, Köln 1981; D. Schipper, Gefahrenabwehr und Zwangsmittel der Polizei, Stuttgart 1981.

  4. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr. Allgemeines Polizeirecht (Ordnungsrecht) des Bundes und der Länder, Bd. 2; W. Martens, Wandlungen des Polizeibegriffs, Generalklausel und Spezialermächtigungen, Die Generalermächtigung zur Gefahrenabwehr, Polizeipflichtige Personen, Köln, Berlin 1977, S. 106— 107.

  5. Ebd., S. 109.

  6. Ebd., S. 109.

  7. Ebd., S. 111/112.

  8. § 5 Abs. 1 BImSchG (vom 15. 3. 1974/BGB 11 S. 721, ber. S. 1193); Kap. 2 Abs. 2, insbesondere 2. 2. 1. 1 und 2. 2. 1. 3 TA Luft (Fassung vom 23. 2. 1983/GMB 1. S. 94; § 2 Abs. 2, §§ 3, 5, 6 Störfallverordnung vom 27. Juni 1980 (BGBl 772); allgemeinen I S. zur Charakterisierung und Kritik des Sachverhalts siehe: H. Sendler. Wer gefährdet wen: Eigentum und Bestandsschutz den Umweltschutz — oder umgekehrt?, in: Umwelt-und Planungsrecht, (1983) 2, S. 38.

  9. Wichtigstes Kriterium der Schadensprognose sind nach Recht und Praxis der Luftreinhaltung in der Bundesrepublik die in der TA Luft enthaltenen (von Sachverständigen erarbeiteten) Immissionswerte; immissions-, schadens-und emissionsseitige Belastungsangaben sowie Maßnahmekonzeptionen sollen in Luftreinhalteplänen sachverständig miteinander verkoppelt werden (§ 47 BImSchG); diese werden bisher jedoch nur in Belastungsgebieten (mit besonders aktuen Gefahren für die menschliche Gesundheit) erstellt.

  10. Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1978 (Drucksache 8/1938 des Deutschen Bundestages), S. 534— 551; R. Hohen-schild, Das Verursachungsdenken in der betriebswirtschaftlichen Kostenlehre, Frankfurt a. M., Bern usw. 1974; E. Rehbinder, Politische und rechtliche Probleme des Verursacherprinzips, Berlin 1973.

  11. Deutsche Stiftung für Umweltpolitik, Umwelt-politisches Gespräch: ökonomische Instrumente der Umweltpolitik — Neuer Weg oder Sackgasse? Beiträge zur Umweltgestaltung A 93, Berlin 1984.

  12. Zum Beispiel Nordrhein Westfalen: Zwölfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Störfallverordnung) — 12. BImSchG — vom 27. Juni 1980 (BGBl. I S. 772).

  13. 3. Verordnung zur Änderung der Smog-Verordnung (des Landes Nordrhein-Westfalen) vom 18. 12. 1984, in: GVB 1 für das Land Nordrhein-Westfalen, (16. 1. 1985) 2. Ein Überblick über die Smog-Verordnungen der Bundesländer Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland aus den Jahren 1974 bis 1981 ist enthalten in: Umwelt, (8. 6. 1982) 89, (Anhang).

  14. A. Jahn, H. Palamidis, Kurzfristige Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Mortalität in Berlin (West) 1976— 1982, in: Berliner Statistik 5/83, S. 112— 115.

  15. Richtlinie 2310 des Vereins Deutscher Ingenieure/Kommission Reinhaltung der Luft, Ausgabe-Datum: 8/84 in: VDJ-Kommission Reinhaltung der Luft (Hrsg.), VDJ-Handbuch Reinhaltung der Luft Bd. 1, Stand August 1984.

  16. Anzahl der Tage mit „starker Luftverschmutzung" im Zeitraum 1976— 1983 an den 31 Schwefeldioxid-Meßpunkten des Berliner Luftgüte-Meßnetzes, in: P. Haushalter, Schwefelluft an der Spree — Was dabei herauskommt, wenn der Umweltschutz auf der Strecke bleibt, in: Stattbuch Berlin 3, Berlin 1984, S. 848— 851.

  17. Beispielsweise: „Die Voraussetzungen für Smog-alarm waren erfüllt. 19 Meßstellen zeigten zu hohe Schwefeldioxid-Konzentration", in: Der Tagesspiegel vom 22. 2. 1978, S. 8.

  18. Siehe Tabelle 1 (Smogalarm-Fälle in der Bundesrepublik und West-Berlin). Weiterhin wurde die Öffentlichkeit in einigen „Fast-Alarmfällen" gewarnt, so an mehreren Tagen des Januar 1982 im Ruhrgebiet sowie an mehreren Tagen mit „erhöhter Schadstoffbelastung" während des Winters 1981/82 in West-Berlin. Die Berliner Praxis — Warnung ab 600 ug SO, /m 3 — war sogar Gegenstand einer offiziellen Anordnung des Senators für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Bereits im folgenden Winter wurde die Regelung jedoch nicht mehr praktiziert.

  19. So zum Beispiel am 14. und 15. Januar sowie am 28. und 29. Januar 1980 in West-Berlin (s. V. Prittwitz, Vorausgreifende Smogbekämpfung, discussion paper 81— 5, Internationales Institut für Umwelt und Gesellschaft, Wissenschaftszentrum Berlin, 1981, S. 38.

  20. Zu Ausnahmefällen siehe Anmerkung 18.

  21. Neben diesem Kriterium der Meßstellenzahl sind auch das — der früheren Praxis entsprechende — Kriterium: Überschreitung der Auslöse-werte an „mindestens der Hälfte der maßgebenden Meßstellen" sowie das Kriterium: Überschreitung der Auslösewerte „berechnet über alle maßgebenden Meßstellen" in der Musterverordnung 1984 enthalten. Der Länderausschuß Immissionsschutz vertritt die Auffassung, die Auswahl der Meßstellenkriterien solle sich nach den jeweiligen Gegebenheiten in den Smog-Gebieten der einzelnen Bundesländer richten (Musterverordnung § 3 Abs. 1).

  22. „Smog: Kein Alarm, nur ein Signal ..." (Berliner Morgenpost, 1. 2. 1980). „Eine reine Vorsichtsmaßnahme“ — Der nordrhein-westfälische Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales zum ersten Smog-alarm am 17. 1. 1979, nach: „Als der Ruhrpott die Luft anhielt", in: Die Zeit, Nr. 5 vom 26. 1. 1979.

  23. So zum Beispiel der Fall bei den Berliner Alarm-fällen am 17. /18. 1. und 24. /25. 1. 1980; Quelle: Senator für Gesundheit und Umweltschutz (Hrsg.), Monatsbericht Januar 1980/Berliner Luftgüte-Meßnetz.

  24. In verschiedenen Ballungsräumen der USA, so in Los Angeles, ist die regelmäßige Information der Öffentlichkeit über den aktuellen Stand der Luft-verschmutzung bereits seit den 70er Jahren selbstverständlich. Zu den dabei verwendeten, seit 1977 vereinheitlichten Verschmutzungs-Indices siehe: Council of Environmental Quality, Environmental Quality 1982, S. 17 ff.

  25. Gesicherte Untersuchungsergebnisse liegen hierzu nicht vor. Nach Zufallsinformationen, zum Beispiel von Taxifahrern im Januar 1985, nimmt der Verkehr bei Smogalarm (Stufe 1) nicht ab, „eher im Gegenteil". Gleichlautend zahlreiche Zeitungsberichte Anfang der 80er Jahre, zum Beispiel: „Der zweite Smog-Alarm dauerte knapp 25 Stunden. Autoverkehr nahm nicht ab ...", in: Der Tagesspiegel vom 26. 1. 1980; „Wenig Widerhall ..." in: Der Tagesspiegel vom 20. 1. 1982. Entgegengesetzt der Tenor der Berliner Bildzeitung am 27. 2. 1982: „Smog vorbei — 8 000 Berliner ließen ihr Auto stehen".

  26. Dargestellt in: V. Prittwitz, Vorausgreifende Smogbekämpfung (Anm. 19), S. 43— 46.

  27. „Zum ersten Mal Smog-Alarm, Stromerzeugung gedrosselt", in: Der Tagesspiegel vom 7. 2. 1975, S. 8; „Nach Smog-Alarm verheizt die Bewag schwefelarmes öl", in: Der Tagesspiegel, 24. 12. 1976; „Meteorologen alarmierten Bewag", in: Der Tagesspiegel, 19. 10. 1977.

  28. Nach Aussagen des nordrhein-westfälischen Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Anschluß an die Alarmphase soll diese Schwachstelle der Smog-Alarmplanung in Nordrhein-Westfalen in kurzem behoben werden (Berichte verschiedener Tageszeitungen am 22. 1. 1985).

  29. Die Berliner Senatsbehörde für Stadtentwicklung und Umweltschutz nimmt als äußere 3SO 2, Belastung West-Berlins im Jahresmittel 35 ug SO-, /m 3 an, was ca. 50 Prozent der SO, -Belastung im arithmetischen Jahresmittel der Jahre 1983 und 1984 entsprechen würde. Nach: „Der . Trabbi'und die DDR-Schornsteine“, in: Der Tagesspiegel vom 26. 1. 1985; siehe auch: Luftreinhalteplan Berlin — Teilplan Schwefeldioxid, 1984 2, S. 47.

  30. Der . Auslösewert" der zweiten Alarmstufe von 5 000 ug SO, /m 3 liegt nur wenig unter den während der Smogkatastrophe vom Dezember 1961 im Ruhrgebiet gemessenen Spitzenbelastungen. Siehe hierzu auch Anmerkung 2.

  31. Berichte der Landesanstalt für'Immissionsschutz (LIS), (1982) 18, S. 52.

  32. Diskussionsargument nach einem Referat des Autors im Rahmen einer Sitzung des Länderausschusses für Immissionsschutz am 18. 8. 1981; gleichsinnig die Erklärung der Senatsbehörde für Stadtentwicklung und Umweltschutz im Rahmen eines von der Interessengemeinschaft für gesunde Luft e. V. angestrengten verwaltungsgerichtlichen Prozesses zur Berliner Smogverordnung: „Die Verordnung sei kein Luftreinhalteinstrument, sondern eine Art . Notbremse’ bei katastrophenähnlichen Situationen im Zusammenhang mit langandauernden austauscharmen Wetterlagen" (VG 13 A 473. 81/S. 9).

  33. 1979 wurde zwar zum ersten Mal (im Ruhrgebiet) Alarm ausgerufen; auch in der Folgezeit, so zum Beispiel im Januar 1980 in West-Berlin, kam es wegen meteorologischer Prognosen zu keinem Alarm. „Wegen günstiger Prognose am Smog-Alarm vorbei“, in: Der Tagesspiegel, 15. 1. 1980.

  34. S. z. B. zahlreiche Tageszeitungsberichte in der Zeit vom 18. bis 25. Januar 1985, „Smog-Signale“, in: Die Zeit, 25. 1. 1985; „Smog-Alarm: Alle Räder stehen still" und „Politischer Schwefel“, in: Der Spiegel, 21. 1. bzw. 28. 1. 1985. Vgl. vor allem auch die Diskussion der nordrhein-westfälischen Smog-Alarm-maßnahmen im Bundestag am 24. 1. 1985.

  35. Diesbezügliche Schadensersatzforderungen wurden jedoch an das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales laut einer Erklärung des Ministers in keinem Fall gestellt (Bericht zahlreicher Tageszeitungen vom 24. 1. 1985).

  36. Dieser Gesichtspunkt ist in die bisherige Konzeption einer „Präventiven Umweltpolitik" nur in geringem Maß eingegangen. S. T. O'Riordan, Anticipatory Environmental Policy. Impediments and Opportunities, discussion paper 85— 1, Internationales Institut für Umwelt und Gesellschaft, Wissenschaftszentrum Berlin, 1985. M. Jänicke, Preventive Environmental Policy as Ecological Modernisation and Structural Policy, discussion paper 85— 2, Internationales Institut für Umwelt und Gesellschaft, Wissenschaftszentrum Berlin, 1985.

Weitere Inhalte

Volker Prittwitz, Dr. rer. pol., geb. 1950; Studium der Sozial-und Wirtschaftswissenschaften in Regensburg und Berlin; seit 1980 Forschungsarbeit am Internationalen Institut für Umwelt und Gesellschaft (Wissenschaftszentrum Berlin); Lehraufträge für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Umweltaußenpolitik. Grenzüberschreitende Luftverschmutzung in Europa, Frankfurt/M. 1984; Politikfeldanalyse und traditionelle Politikwissenschaft. Das Beispiel Umweltpolitik, in: H. -H. Hartwich (Hrsg.), Policy-Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. Ihr Selbstverständnis und ihr Verhältnis zu den Grundfragen der Politikwissenschaft, Opladen 1985.