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Kommunale Gewerbepolitik | APuZ 29/1988 | bpb.de

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APuZ 29/1988 Artikel 1 Politische Partizipation und kommunale Politik Strukturen, Bestimmungsfaktoren und Folgen kommunalpolitischer Partizipation Soziale und kulturelle Aufgaben der Stadtemeuerung Kommunale Gewerbepolitik

Kommunale Gewerbepolitik

Hiltrud Naßmacher

/ 24 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Obwohl zumindest die kommunale Verwaltung sich ständig mit der örtlichen Wirtschaftsentwicklung beschäftigt, geraten immer nur einzelne Maßnahmen ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Zur Zeit sind dies Technologieparks und Gründerzentren. Das Handlungspotential lokaler Akteure ist allerdings sehr vielfältig. Es umfaßt Maßnahmen, die direkt oder indirekt die örtliche Wirtschaft betreffen und sie positiv oder negativ beeinflussen. Die meisten Aktivitäten im Rahmen der kommunalen Gewerbepolitik vollziehen sich abseits der öffentlichkeitswirksam artikulierten Globalziele überwiegend durch Verwaltungshandeln unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Bei neuen und alten Standorten lassen sich Unterschiede im strategischen Vorgehen und in der Bearbeitungstechnik herausarbeiten. Restriktionen ergeben sich sowohl aus der meist reaktiven Bearbeitung, der Einbindung der Bearbeiter in das politisch-administrative Teilsystem oder durch die verfügbaren Programme/Instrumente. Die bisherige Gewerbepolitik ist durch Zufälligkeiten in bezug auf die Politikergebnisse gekennzeichnet. Sie hilft konfliktfähigen und störenden Unternehmen unter Einsatz von öffentlichen Mitteln, vor allem mit Standortfragen, zum Teil auch mit Kapitalausstattungsproblemen fertig zu werden. Eine Modernisierung der Wirtschaft ist damit kaum gewährleistet. Strategien, die primär auf den Faktor Arbeit abzielen, spielen noch kaum eine Rolle. Entwicklungspotentiale der Gewerbepolitik werden sowohl in aktiven Strategien auf der Basis betrieblicher und quartierspezifischer Informationssysteme wie auch in einer beruflichen Weiterbildungsoffensive gesehen.

I. Problemaufriß

Wirtschaftspolitische Aktivitäten — üblicherweise als kommunale Wirtschaftsförderung oder neuerdings als kommunale Gewerbepolitik bezeichnet — sind zwar aus dem öffentlichen Aufgabenbestand nicht wegzudenken, die wissenschaftliche und politische Aufmerksamkeit richtet sich aber in der Regel mehr auf gesamtstaatliche Aktivitäten oder Länderinitiativen. Dies ist auch in der aktuellen Situation wieder der Fall, wo insbesondere das Stichwort „Technologiepolitik“ in diese Richtung weist. Die Fülle der Initiativen verstellt oft den Blick dafür, daß die Programme auf der kommunalen Ebene nur zum Teil das Ziel erreichen. Einzel-betriebliche Entwicklungshemmnisse, die durch öffentliches Tun oder Unterlassen entstehen, werden eher bagatellisiert oder nicht zur Kenntnis genommen Dagegen erlangen kommunale Initiativen, in denen es darum geht, einzelnen jungen Unternehmen optimale Ausgangsbedingungen zu verschaffen. überdimensionale Aufmerksamkeit, z. B.

Gründerzentren und Technologieparks

* Wirtschaftspolitische Maßnahmen gelten zudem im kommunalen Bereich eher als Mittel zum Zweck: die Stadt braucht Arbeitsplätze, früher stand die Verbesserung der Einnahmensituation im Vordergrund. Da durch die Gemeindefinanzreform von Der Aufsatz faßt Ergebnisse aus verschiedenen empirischen Forschungsvorhaben zusammen, die in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen in den Jahren 1978 bis 1987 durchgeführt wurden. 1969 den Gemeinden ein Anteil an der Einkommenssteuererschlossen wurde, ist letztere unmittelbare Zweck-Mittel-Beziehungteilweise entkoppelt. Dies führte dazu, daß Ende der siebziger Jahre das Bemühen um die Wirtschaftsentwicklung am Ende der Prioritätsskala kommunaler Politik rangierte Erst bedingt durch stagnierendes Wirtschaftswachstum, sinkende Einnahmen und wachsende Arbeitslosenzahlen läßt sich wiederum ein Wandel in der Bedeutung beobachten. Allerdings konkurriert der Politikbereich heute deutlicher als früher mit der Umweltpolitik.

Die Debatte darüber, ob Umweltschutz und Wirtschaftsförderung Gegensätze seien, ist noch im Gange. Wenn Umweltschutz als Gut betrachtet und durch Umweltschutz das Industriesystem erneuert wird, ist dieser Gegensatz nicht vorhanden. Einerseits können kurzfristige private Gewinne langfristig von der Gesellschaft zu zahlende Schäden erbringen, andererseits lassen sich aber auch — wie immer häufiger betont wird — um Luftreinhaltung, Schadstoffbekämpfung, Gewässerschutz und Abfallwirtschaft wachstumsträchtige Industrien gruppieren. Vom einzelnen Unternehmen her betrachtet sieht die Umweltschutzproblematik jedoch anders aus: „Administrative Umweltschutzmaßnahmen widersprechen prinzipiell dem betriebswirtschaftlichen Gebot der Kostenminimierung.“ Aus mikroökonomischer Sicht sind Maßnahmen der Wirtschaftsförderung und Umweltschutzpolitik konfliktträchtige Politikbereiche. „Aus dieser Perspektive sind heute politische Steuerungsversuche des administrativen Systems als Balanceakt zwischen kontradiktorischen gesellschaftlichen Interessen zu verstehen.“

Dies bedingt auch, daß die Schwerpunkte der Aktivitäten im Zeitablauf unterschiedlich sind. Die ört-liehen Akteure finden eine (zum Teil über Jahrhunderte) gewachsene Wirtschaftsstruktur vor, die sich insbesondere durch Betriebsgrößenstruktur, Verteilung nach Wirtschaftssektoren, Branchen-struktur, Industriealtersstruktur sowie den Anteil der Arbeitskräfte nach ihrer Stellung im Beruf beschreiben läßt. Die Wirtschaftsentwicklung ist das Ergebnis aus Schrumpfungs-, Stagnations-und Wachstumsprozessen. Träger dieser Veränderungen sind die einzelnen Betriebe, deren Absatzpotential von der Entwicklung ihrer Märkte abhängt. Die Situation der Betriebe hat Auswirkungen auf die Flächennutzung der betrieblichen Standorte (Standortwechsel, Standortbeharrung, dichtere Nutzung, Brachfallen) sowie die Nutzung des örtlichen Arbeitskräftepotentials. Für die Gemeinden stellt sich die sozioökonomische Entwicklung von Betrieben als kommunalpolitisches Problem dar. Das Allokationsziel der Kommunalpolitik lautet: richtige Zahl von Betrieben mit ausreichender Steuerkraft und größtmöglicher Flexibilität bei der Nutzung/Auslastung von Flächen/Arbeitskräften unter ausreichender Versorgung der Bevölkerung mit betrieblichen Leistungen/Arbeitsplätzen und Minimierung der Umweltbelastungen. Mit kommunaler Wirtschaftsförderung sind üblicherweise alle bewußt herbeigeführten Maßnahmen gemeint, die dazu beitragen, eine Wirtschaftsentwicklung ohne Hemmnisse und Friktionen zu ermöglichen. Kommunales Handeln kann allerdings in bezug auf die Wirtschaftsentwicklung durchaus ambivalent sein. Darauf hebt der Begriff „Gewerbepolitik“ ab, der auch Aspekte politischen Handelns einschließt, die die Wirtschaft (also Betriebe und Unternehmen) negativ tangieren.

II. Handlungsfelder der kommunalen Gewerbepolitik

Traditionelles Ziel der kommunalen Gewerbepolitik ist es, Unternehmen mit möglichst hohem Ertrag zur Ansiedlung zu bewegen und zur Verhinderung von Krisen der örtlichen Wirtschaft für eine umfassende Sicherung des Gewerbebestandes zu sorgen. Diese Ziele wollen alle Gemeinden mit möglichst geringem Kostenaufwand (einschließlich der Folgekosten für die Ansiedlung neuer Betriebe) oder zumindest unter Schonung der eigenen Finanzen (mit Hilfe staatlicher Förderprogramme) realisieren. Unternehmen versuchen in der Regel, sich eine langfristige Persistenz zu sichern; dies soll zu möglichst geringen Kosten, d. h. vor allem mit Hilfe von kommunalen Vor-und Sonderleistungen im Rahmen der Wirtschaftsförderung erreicht werden. 1. Entwicklung neuer Standorte Zur Ansiedlung neuer Betriebe entwickeln die Gemeinden neue Standorte. Dafür betreiben die Städte (zum Teil in erheblichem Umfang) Bodenvorratspolitik. Falls Städte nicht von Überschwappeffekten in Ballungszentren profitieren können, wie beispielsweise Mittelstädte in Verdichtungsräumen, fehlen häufig solche Ansiedlungsinteressenten. Aber auch die Expansion von bereits in der Stadt vorhandenen Betrieben erfordert neue Standorte. Heuer vertritt die These, daß der Handlungsspielraum in der Wirtschaftsförderung wesentlich durch „Stadtplanung“ und „Liegenschaftswesen“

beeinflußt wird Die Strategie der Ausweisung neuer Flächen wird immer schwieriger. Neue Gewerbegebiete gelten zunehmend als unerwünschter Landschaftsverbrauch, gegen den Umweltschützer, Regionalverbände und Genehmigungsbehörden getrennt oder gemeinsam vorgehen. Die Eigentümer bislang landwirtschaftlich genutzter Grundstücke sehen sich durch die Umwidmung der Flächen in ihrer beruflichen Existenz bedroht. Die Erfahrung, daß viele Grundstückseigentümer in der Vergangenheit zu billig verkauft haben, läßt heute selbst bei angemessenen Marktpreisen keine Verkaufsbereitschaft aufkommen.

Bei der Entwicklung neuer Standorte kommt es zu spezifischen Problemen. Während des Entwicklungsprozesses eines neuen Standortes wechselt die Zuständigkeit der beteiligten Ressorts, und auch die Koordinationsfunktion fällt je nach Bearbeitungsstand und Vorgehensweise vornehmlich einzelnen städtischen Ämtern zu, die dann sporadisch den Rat bzw.seine Fachausschüsse sowie die Öffentlichkeit einschalten. Damit ist zugleich die Gefahr eines insgesamt unkoordinierten Vorgehens verbunden. Verwaltungsinterne Restriktionen ergeben sich vor allem, wenn Behörden tangiert sind, die untereinander kaum Kontakt haben. Hier muß die städtische Verwaltung als Vermittler tätig werden. eine Aufgabe, die bereits zwischen den einzel-nen Fachämtern Schwierigkeiten bereitet, in der städtischen Verwaltung letztlich aber autoritativ zu lösen ist. Diese Strategie steht hier nicht zu Gebote. Um eine schnelle Nutzungsmöglichkeit für Investoren sicherzustellen, versuchen die städtischen Verwaltungen, schwierige Sonderinteressen durch entsprechenden Zuschnitt des Gebietes auszugrenzen oder die beabsichtigte Investition so zu beschränken, daß sich die Mitspracherechte reduzieren. Wenn das nicht möglich ist, muß in der Regel der Regierungspräsident als Schlichter fungieren. Hier kann die Bedeutung einer Sonderbehörde (je nach aktueller Diskussion ihres Aufgabenbestandes) stark durchschlagen -Eine Beschleunigung des Verfahrens kommt tendenziell eher zustande, wenn der Regierungspräsident selbst ein Interesse an der Entwicklung eines neuen Standortes hat, etwa um Mittelabflüsse nachzuweisen.

Schwerer als einzelne Träger öffentlicher Belange, deren Bedeutung die örtliche Verwaltung beim Genehmigungsverfahren noch relativ gut voraussehen kann, sind der Rat und die Vertreter der Öffentlichkeit als Repräsentanten organisierter Sonderinteressen (z. B.des Naturschutzes) sowie einzelne Bürger/Bürgergruppierungen einzuschätzen. Solche Gruppen werden als Unsicherheitsfaktoren von der Verwaltung nicht genügend beachtet. Sind die Bürgerproteste durch handfeste private finanzielle Interessen hervorgerufen, lassen sich solche Widersprüche selten beschwichtigen. Verwaltungen haben Bürgerproteste in der Vergangenheit aber auch zum Teil selbst mitverursacht, z. B. durch autoritative Entscheidungen (unter bewußter Umgehung von Mitspracheansprüchen). Versuchen die Entscheidungsträger, ihre Entscheidung unter Einsatz entsprechender Instrumente „durchzuziehen“, kann dies die Atmosphäre für folgende Entscheidungen vergiften. Dies gilt vor allem, wenn sich einzelne Gruppierungen für nicht rechtzeitig informiert halten. Dadurch kann Mißtrauen geschürt werden; die Glaubwürdigkeit der Verwaltung schwindet

Nicht nur die generelle Verfügbarkeit, sondern auch die Funktionsfähigkeit neuer Flächen ist häufig ein Problem. Da der gute Anschluß an das Fern-straßennetz die Standortvorteile stark beeinflußt, werden Industrie-/Gewerbeflächen häufig ganz in der Nähe entsprechender Auffahrten ausgewiesen.

Der Vorteil für die Gemeinde kann sich allerdings leicht zum Nachteil entwickeln. So ist bei einer generell guten oder akzeptablen Anbindung der Stadt an das überörtliche Verkehrsnetz die kleinräumige — also innerörtliche — Verkehrsanbindung keineswegs immer optimal gelöst. Die endgültige Regelung der äußeren Erschließung vollzieht sich in der Praxis mit erheblicher zeitlicher Verzögerung (meist ist das Gebiet dann schon völlig bebaut). Dies weckt natürlich den Unmut von Unternehmern gegenüber Verwaltung und Politikern, die das Argument dieses Standortvorteils verwendet haben, und lassen sie als handlungsunfähig erscheinen. Verzögerungen treten dadurch ein, daß Behörden (sowohl die Stadt als auch das Land, vertreten durch die Fachbehörde) versuchen, Geld bei der Realisierung von Kreuzungssystemen oder Zugängen zum Verkehrssystem zu sparen. Um insgesamt eine Planung nicht zu verzögern, setzt die städtische Verwaltung, zum Teil unter dem Druck von Rat und Bürgern, auf die Kompromißbereitschaft der Straßenbauverwaltung, Lösungsvorschläge werden in Erwartung der Akzeptanz von verkehrstechnisch einfacheren Lösungen über Jahre in der Schwebe gehalten. Dies hat für die örtlichen Politiker den scheinbaren Vorteil, daß sie Eigentümern betroffener Grundstücke oder zukünftigen Anliegern nicht weh tun müssen.

Nach der Ausweisung und der (zumindest rudimentären) Erschließung sehen die Städte kaum Einflußmöglichkeiten auf die Entwicklung eines neuen Standortes: Die Stadtverwaltung geht davon aus, daß sich zumindest innerstädtische Interessenten für die neuen Gewerbegebiete von selbst melden.

Dies ist aber keineswegs der Fall, weil der Angebotszeitpunkt mit den unternehmerischen Überlegungen nicht zwangsläufig zusammenfällt. Manchen Unternehmern ist mit neuen Standorten nicht gedient, weil sich die Unternehmen bereits am Standort verfestigt haben. Dies bezieht sich überwiegend auf den Kapitaleinsatz, aber auch auf Kunden-und sonstige Kooperationskontakte im Nahbereich und auf die Arbeitnehmer. Verlagerungen scheitern, weil die Arbeitskräfte den neuen Gewerbestandort schlechter erreichen können, bei Erwägungen der Verlagerung in eine andere Stadt nicht mitziehen wollen oder dort keine entsprechend qualifizierten Arbeitskräfte vorhanden sind. Die hohen Investitionskosten machen eine Verlagerung praktisch nur dann möglich, wenn der Betrieb seinen alten Standort angemessen verwerten kann und hohe öffentliche Investitionshilfen hinzukommen.

Die Untersuchungsergebnisse haben eindeutig gezeigt, daß es nicht die besseren Konditionen (Grundstückspreis, Steuer-und Gebührensätze) sind, die einen Betrieb zur Verlagerung in ein neues Gewerbegebiet anregen. Sie mögen bei Zweigbetrieben mittlerer Größe eine Rolle spielen, bei kleineren Unternehmen, in denen der Betriebsinhaber eine aktive Rolle spielt, sind es vielmehr die persönlichen Kontakte, das Gefühl, mit den eigenen Problemen ernst genommen zu werden die eine entsprechende Entscheidung forcieren können.

Der Prozeß der Aufsiedlung neuer Gewerbe-/Industrieflächen kann von Gemeinden, die über eigene Flächen in den aufzusiedelnden Gebieten verfügen, im Prinzip besser gesteuert werden als von anderen. Dann können beim Verkauf der Grundstücke wirtschaftspolitische Ziele der Stadt verfolgt und vertraglich abgesichert werden, z. B. die Vergabe an einen für die Gemeinde interessanten Investor, schneller Baubeginn. Dennoch führt das Vorgehen nicht immer zum Erfolg: Für eine gewünschte Verlagerung müssen dem Betrieb häufig erhebliche Zugeständnisse gemacht werden. Dabei geraten vertragliche Vereinbarungen leicht in Vergessenheit. Meist müssen aus mehreren Programmen Subventionen des Bundes und des Landes fließen, die — bei dem im Prinzip dichten Subventionsnetz — für die einzelbetriebliche Situation zunächst einmal nutzbar zu machen sind. Den Abfluß der Mittel mit der Bereitschaft des Eigentümers zeitlich zu koordinieren, ist dann eine schwierige Aufgabe. Die Androhung, ein bereits vergebenes Grundstück zurückzukaufen, ist dann ziemlich wirkungslos. Für andere Grundstücke gehen die ersten Bauanträge schon beim Baurechtsamt ein, bevor der Planungsprozeß (Genehmigung des Bebauungsplans) und die Erschließungsarbeiten zum Abschluß gekommen sind. Die Verwaltungen sind in der Regel bereit, den Investoren entgegenzukommen und ihre Bauwünsche vorab zu bearbeiten, damit sich möglichst schnell Ansiedlungserfolge sichtbar abzeichnen. Dadurch erfolgen Weichenstellungen, die durch die weitere investorenorientierte Bearbeitung noch verstärkt werden. Durch die isolierte Beurteilung einzelner Bauanträge gerät im Laufe der Jahre das ursprüngliche Konzept für einen Standort, zum Teil unter Mitwirkung der’Fachausschüsse und des Rates, aus dem Auge.

So können sich praktisch unbemerkt von den Akteuren, die mit den verschiedenen Einzelfällen befaßt sind, Fehlentwicklungen einstellen, die letztlich den Gewerbestandort für diese Nutzung entwerten, ihn möglicherweise aber zugleich städtebaulich aufwerten. Durch solche Fehlentwicklungen an knappen neuen Standorten können alte Produktionsstandorte nicht entsprechend entlastet werden. Ein Beispiel dafür ist die partielle Nutzung durch Wohnungen. Entgegen der ursprünglichen Zielsetzung sind nach einigen Jahren an neuen Standorten häufig Großhandels-, Transport-, Lager-und Einzelhandelsbetriebe, Bauhöfe, Material-und Gerätelager mit hohem Flächenbedarf bzw. geringer Arbeitsplatzdichte in der Überzahl.

Eine öffentliche Diskussion findet inzwischen bezüglich der Verbrauchermärkte statt. Die Unsicherheit bzw. Uneinigkeit bei der Bewertung solcher Vorhaben, die quer durch die Parteien/Fraktionen aber auch durch wirtschaftsnahe Organisationen (IHK) und Interessenvertretungen läuft, scheint die beste Garantie dafür zu sein, daß der Ansiedlungswunsch erfolgreich bearbeitet wird. Zu beobachten ist. daß sich Verbrauchermärkte immer häufiger (unterhalb der nur im Sondergebiet zugelassenen Größenordnung) in Gewerbegebiete einschleusen.

Dadurch wird zumindest eine latente Gefahr für die alten Versorgungsstandorte mit ihren Problemen für die Zugänglichkeit für den motorisierten Verkehr geschaffen.

Aus einzelbetrieblicher Sicht ist problematisch, daß nach erfolgter Verlagerung/Ansiedlung der einzel-betrieblichen Entwicklung keine Aufmerksamkeit mehr durch Wirtschaftsförderung und von lokalen Politikern zuteil wird. Die Verantwortlichen gehen davon aus, daß mit der Verlagerung zumindest das Ziel „Modernisierung der örtlichen Wirtschaft“ erreicht werden konnte. Dabei wird aber zuweilen der Erfolg einer neuen Technologie, die im Produktionsprozeß zur Anwendung kommt, zu hoch eingeschätzt: Denn nicht die neue Technologie, sondern das marktfähige Produkt sichert das Überleben des Unternehmens. Auch wird leicht übersehen, daß der notwendige Aufwand für den Neubau von Betriebsgebäuden am neuen Standort in Verbindung mit einem verbreiteten Kapitalmangel — insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen — zu erheblichen Belastungen führt und den Einsatz modernster Technologie gerade verhindert. Diese Probleme können selbst durch die kumulierte Inanspruchnahme öffentlicher Programme nicht beseitigt werden, so daß durch innerörtliche Verlagerungen die Modernisierung der Wirtschaft durchaus nicht garantiert ist. Die Probleme am neuen Standort können — bedingt durch Nachbamutzung und schlechte Verkehrsanbindung — denen am alten Standort durchaus bald ähnlich sein. 2. Gewerbepolitik an alten Standorten Die Besinnung der Gemeinden auf ihren Gewerbe-bestand bei schrumpfendem Ansiedlungs-und Verlagerungspotential lenkt die gewerbepolitische Aufmerksamkeit auf Problemlagen der Betriebs-und Stadtentwicklung, die bislang allenfalls sekundär eine Rolle spielten. Durch die Verlagerung von Betrieben oder nach Konkursen werden immer wieder gewerblich genutzte Standorte freigesetzt. Bei ungestörtem Wirtschaftswachstum sorgte der Grundstücksmarkt rasch für neue Nutzungsmöglichkeiten (je nach Lage entweder Dienstleistungsbetriebe oder Wohnnutzung). In den letzten Jahren ist dies zugleich schwieriger und weniger erstrebenswert geworden. Städte mit „alten“ Industrien und strukturschwache Räume stoßen bei der Wiedemutzung auf erhebliche Schwierigkeiten, verbunden mit zum Teil jahrelangen Leerständen Gemeinden mit Entwicklungspotential müssen versuchen, der drohenden Umnutzung entgegenzuwirken, um die später nahezu automatische Verdrängung des örtlichen Gewerbes aus solchen alten Produktionsstandorten („Gemengelagen“) zu vermeiden.

Alte Standorte sind dadurch gekennzeichnet, daß sich verschiedene Nutzungsarten in vielfältiger Weise mischen. Diese Nähe von Wohnen und Arbeiten war in der Vergangenheit mangels geeigneter Verkehrssysteme durchaus üblich und gewollt. Typisch ist auch, daß Betriebe unterschiedlicher Entwicklungsphasen hier ihren Standort haben. Betriebsneugründungen erfolgen häufig aus Gründen der Kapitalknappheit und der Risikominimierung an provisorischen Standorten in Wohngebieten, z. B. in Garagen, Kellern, Wohnstuben, Nebengebäuden. Eine Verfestigung am Standort sieht zum Teil jahrelang niemand als Problem an und diese wird durch die Genehmigung einer Fülle von Bauanträgen, die wegen der diskontinuierlichen Änderung der örtlichen (und auch der überörtlichen) Rahmenbedingungen mit einer anderen Bewertungsgrundlage erfolgen, noch sanktioniert. Je stärker der Betrieb ist, um so eher gelingt es ihm meist, Nachbarnutzungen zu vereinnahmen (kleine Gewerbebetriebe, Wohngebäude), was wiederum das Verbleiben des Betriebes am Standort ermöglicht, ohne Probleme im Betriebsablauf (Produktionslärm, Verkehrslärm, Luftverunreinigung) zu beseitigen. Zugleich wird dadurch häufig die an sich notwendige Verlagerungsentscheidung um Jahre hinausgeschoben, um sie schließlich zu einem nicht mehr durchführbaren Unternehmen zu machen.

Eine andere Entstehungsmöglichkeit für Mischstrukturen ergibt sich dadurch, daß ein Betrieb zwar irgendwann unter Mithilfe der Verwaltung einen geeigneten Standort zugewiesen erhält, dieser aber im Laufe der Jahre immer stärker von Wohnbebauung eingekreist wird. Die Betriebe sind dann irgendwann nicht mehr am „richtigen“ Standort, wobei Akteure und Öffentlichkeit die Lage recht unterschiedlich beurteilen. Ein latenter Konflikt ist angelegt.

Die unterschiedlichen Einschätzungen sind auch teilweise einem Wandel unterworfen. Dieser kann durch überörtliche Programme ausgelöst werden. Problematisch wird dies aber nur, wenn einzelne Akteure Konflikte artikulieren. Anwohner können sich nur dann Gehör verschaffen, wenn sie artikulationsfähig sind, also öffentlichkeitswirksam agieren. Häufig können nachgewachsene Generationen im Umfeld eines Betriebes durch eine bessere Ausbildung als die ihrer Eltern den latenten Unmut besser kanalisieren; neue Anwohner bewirken zum Teil ähnliches. Zuweilen sind auch die Betriebe selbst die Auslöser dafür, daß sich das Konfliktpotential vergrößert, wenn sie beispiels-’ weise neue Produktionsverfahren einführen wollen oder im Vorgriff auf die Genehmigung tatsächlich einführen. Öffentliche Akteure haben selten ein Interesse am Aufgreifen des Falles, es sei denn aus stadtgestalterischen Gründen.

Die Bearbeitungsstrategien bei störenden Betrieben hängen eng mit dem perzipierten Problem-druck zusammen. Dieser ist offenbar bei Lärmbelästigung am größten. Zwar läßt sich der Handlungsdruck unter Umständen unter Einbeziehung des Rates dadurch vorübergehend vermindern, daß die öffentliche Verwaltung zunächst eine Art Moderatorenfunktion zwischen den Kontrahenten wahrnimmt. Dabei wird eine Strategie angesteuert, die die Zahl der Beteiligten möglichst überschaubar hält. Die Akteure der Verwaltung gehen in der Regel nicht davon aus, daß durch die Mitwirkung von Politikern und Öffentlichkeit sich Synergie entfalten ließe. Vielmehr werden Verzögerungen befürchtet. Die von Ratsmitgliedern erwogenen Lösungen, z. B. Betriebe anstelle der öffentlichen Hand zu belasten, sind auch zum Teil dazu geeignet, die Kooperationsbereitschaft der Unternehmer zu verspielen.

Auch wenn nach herrschender Verwaltungsmeinung den Betrieben an ihren Standorten Entwicklungsmöglichkeiten verschafft werden sollen, ist dies häufig mit unübersehbaren Schwierigkeiten verbunden, weil die Lösung zu spät gesucht wird.

Zunächst haben die Akteure die dauernde und schleichende Problementstehung nicht ausreichend wahrgenommen. Wenn der Problemfall konkret zur Lösung ansteht, müssen die Informationen erst aufwendig beschafft werden. Dies gilt auch für das Normenwissen, also die einschlägigen, fallbedeutsamen Regelungen. So nimmt es nicht wunder, daß die Akteure Problemlösungsverfahren bevorzugen, die ihnen schon geläufig sind. Dazu gehört auch die scheinbar einfache Strategie, den Betrieben die Verlagerung an neue Standorte zu empfehlen. Daher läßt sich in manchen Städten von einer Strategie der „Verlagerung um jeden Preis“ sprechen.

Die Durchsetzung bestimmter Normen durch Gebote, Verbote und Strafandrohungen gilt innerhalb der Verwaltung als letztes Mittel. Weil Widerstand bei den Betroffenen antizipiert wird, versuchen es Behörden zunächst mit Überzeugungsstrategien. Nach Feststellung von Hucke/Bohne gibt es auch hier die Möglichkeit, zunächst auf informelle Absprachen auszuweichen. Dies ist dann besonders häufig, wenn konfliktfähige Betriebe betroffen sind Da Entscheidungen zu Lasten der Betriebe häufig keine Problemlösung bringen, werden Anreize miteingeplant. Sie beinhalten oft neben der reinen Aufforderung noch direkte und indirekte Förderungsmittel, z. B. neben entsprechenden Planungen Vorleistungen durch öffentliche Investitionen oder Grundstücke und direkte Subventionen.

Die Anreize beziehen sich zum Teil auf den alten 'oder auf einen neuen Standort (Verlagerungskosten). Im Rat ist bei dieser Lösungsstrategie häufig der von der öffentlichen Hand zu leistende Zuschuß umstritten, weil dadurch andere kommunalpoliti.sehe Ziele gefährdet erscheinen. Dort, wo es entsprechende Landesprogramme gibt, die sicherstellen, daß die Verteilung öffentlicher Zuschüsse an Unternehmen auf städtischer Ebene distributiv und nicht redistributiv erfolgen kann, ist auch bei den Kommunalpolitikern eher ein Anreiz zum Handeln gegeben: Die Vergabe von Subventionen geht leicht von der Hand, wenn dabei die eigenen Mittel geschont werden können

Wenn regulative Maßnahmen unvermeidlich sind, gehen Verwaltungen davon aus, daß sie sich besser durchsetzen lassen, wenn sie sich nicht gegen einen einzelnen Betrieb richten, und steuern „Bereinigungen“ im Rahmen von Flächennutzungsplanberatungen an. Das ist dann recht langwierig. Kurzfristig überlassen städtische Verwaltungen regulative Maßnahmen gern Sonderbehörden. Bei diesen Behörden staut sich Ärger an, weil sie bei der schwierigen Durchsetzung von Geboten häufig gegenüber den Gerichten allein dastehen. Vage Formulierungen (z. B. Auflagen müssen betriebswirtschaftlich vertretbar sein) machen den Behörden zu schaffen.

Im Gegensatz zur Bearbeitung von Problemen bei störenden Betrieben wird die zuständige Verwaltung bei Erneuerungs-, Modernisierungs-oder Erweiterungsinvestitionen durch Bauvoranfragen und Bauanträge zu konkreten Entscheidungen in einer angemessenen Frist gezwungen, will sie sich nicht verwaltungsintern oder von den politischen Akteuren Vorwürfe einhandeln. Auch die Unternehmer sind in dieser Situation eher kooperationsbereit, weil sie in der Regel an der schnellen Abwicklung des Genehmigungsverfahrens interessiert sind. Allerdings spielen sie auch zuweilen ihr Potential als Steuerzahler und Arbeitgeber voll aus. Gemengelagen befinden sich überwiegend im sogenannten unbeplanten Innenbereich, für den über die Zulässigkeit baulicher Vorhaben nach § 34 BauGB zu entscheiden ist. Einzelgenehmigungen von Bauvorhaben und gewerblichen Anlagen haben zudem alte Standorte schleichend an eine Belastungsgrenze geführt: Neue Betriebe sind auch dann nicht mehr zulässig, wenn sie viel modernere Technologie verwenden. Die Verschärfung der Situation, die im konkreten Einzelfall bewußt wird, ist häufig durch Wohnbauvorhaben bedingt, die nicht unmittelbar an den Betrieb angrenzen, den Charakter des Gebietes insgesamt aber verändert haben und insofern zum Überdenken der Situation bei konkreten Investitionsinteressen Anlaß geben. Häufig ist die Wohnbebauung so dicht an den Betrieb herangewachsen, daß dieser, selbst wenn er noch Freiflächen hat oder die Stadt benachbarte Freiflächen einbringen könnte, diese nicht mehr mit Betriebsgebäuden bebauen kann, so daß Erweiterungsprobleme am Standort unlösbar erscheinen. Zwar unterliegt das Heranrücken der Wohnbebauung an Gewerbebetriebe inzwischen stärkeren Restriktionen jedoch muß sich das Problembewußtsein dafür, daß Wohnbebauung eine betriebliche Entwicklung verhindern kann, zunächst einmal durchsetzen. Die Baugenehmigungsbehörden berücksichtigen die Investitionsinteressen nach der Reihenfolge ihres Einganges: „Wer zuerst kommt, der mahlt zuerst.“

Sofern Investitionen in beplanten Gebieten anstehen, spielen Befreiungen und Ausnahmen von meist inzwischen veralteten Planungsgrundlagen im engen Kontakt zwischen Klientel und Baurechtsamt in der Regel eine bedeutende Rolle. So hat die These, die eigentliche Gewerbebestandspflege finde über Befreiungen im Baurechtsamt statt, sicherlich ihre Berechtigung. „Befreiungen ... entstehen so zum Teil als Gefälligkeit für den Betrieb, ohne daß diesem bewußt wird, daß sein Standort in der Tat auf Dauer nicht zu halten ist.“ Meist scheint irgendwann rasche Hilfe nicht mehr möglich, weil vom Instrument der Befreiungen und Ausnahmen bei anderen Unternehmen im gleichen Quartier schon vorher ausgiebig Gebrauch gemacht wurde. Die Fallstudien zeigen allerdings, daß immer dann, wenn Unternehmer es verstanden haben, sich bei den städtischen Akteuren genügend Aufmerksamkeit zu verschaffen (z. B. durch ehrenamtliche Tätigkeit in Standesorganisationen oder gute Kontakte zum Rat), mit verschiedenen Hilfskonstruktionen bis an die Grenze des eben noch Vertretbaren nach Lösungen gesucht wurde. Andere Unternehmen können von dieser erhöhten Aufmerksamkeit nicht profitieren. Für sie ist eine Runderneuerung der Produktionsstätten am Standort, die den Vorteil hätte, daß die gesamten Neben-anlagen weiterverwendet werden könnten, dann nach strenger baulicher Beurteilung nicht mehr genehmigungsfähig. Ein Anreiz zum Einsatz innovativer Technologien entfällt.

Damit wird die Wirtschaftsstruktur zunächst festgeschrieben. Um eine mögliche Veränderung einzuleiten, muß die Standortsituation meistens großflächiger überdacht werden. Dazu fehlt aber zudem für die Planungsämter ein unmittelbarer Anreiz, weil Konflikte antizipiert werden. Die Erfahrung zeigt, daß nahezu jeder Bebauungsplan in der Gefahr schwebt, wegen Verfahrensfehlern und Abwägungsdefiziten angefochten zu werden. Auch Stellungnahmen von Handwerkskammer und Industrie-und Handelskammer zur Überplanung alter Standorte erscheinen eher ambivalent: Einerseits wünschen die Kammern Klarheit und Rechtssicherheit, andererseits befürchten sie, daß die Entwicklung von Betrieben am Standort nicht mehr möglich sein könnte. Das Ausweichen vor diesen Problemen in die Verlagerung erscheint naheliegend. Dabei zeigt sich an den in Industriegebieten neu errichteten Betrieben, daß genehmigungspflichtige Anlagen durch entsprechende Ausführung des Bauvorhabens auch an alten Standorten (mit angrenzender Wohnbebauung) nach den zulässigen Immissionsschutzwerten auszuführen wären. Die Tendenz zur Verlagerung wird auch durch die Bemühungen um die Verbesserung des Stadtbildes und entsprechende Programme noch verstärkt. 3. Orientierung am Faktor Arbeit Zur Sicherung der Entwicklungsfähigkeit der Betriebe gehört auch ein entsprechendes Führungspersonal und Mitarbeiterangebot. Auf diese Potentiale zielen arbeitsmarktorientierte, neuerdings innovative bzw. technologieorientierte Wirtschaftspolitik. Besonders Existenzgründer sowie kleine und mittlere Betriebe sind erklärte Ansprechpartner, da sie im Zugang zum wissenschaftlich-technischen Know-how bislang benachteiligt erscheinen. Die neue Form der Wirtschaftsförderung will dabei noch mehr als die Gewerbebestandspflege/Gewerbebestandsentwicklung an die Innovationskapazität des endogenen Entwicklungspotentials anknüpfen. Bei Technologie-und Gründerzentren ist die städtische Wirtschaftsförderung in Konzeption, Finanzierung, materielle und personelle Infrastruktur eingeschaltet und bemüht sich zudem um Akquisition von Unternehmern und Unternehmensgründem. Innovationsberatungsstellen haben sich bei fast allen Industrie-und Handelskammern sowie Handwerkskammern etabliert, Transferstellen gibt es in fast allen Universitätsstädten Die meisten Landesregierungen haben die Entwicklung solcher Stellen gefördert. Die Frage ist, ob aufgrund der geringen personellen Ressourcen in diesen Stellen eine intensive Kommunikation zwischen vielen kleinen Unternehmen und ihren Hauptinformanten in Gang gebracht werden kann. Die städtische Verwaltung allein dürfte kaum in der Lage sein, geeignete Unternehmer für die Technologie-und Gründerzentren auszusuchen.

Eine kontinuierliche Anpassung bestehender Unternehmen verlangt vor allem von dessen Führungspersonal einerseits Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Strategien, andererseits aber auch Voraussicht im Hinblick auf weltwirtschaftliche, nationale und regionale Entwicklungen, technologische Neuerungen und soziale Trends. Solche Informationen sind kaum von einer Seite bereitzustellen. Als sehr wichtig wird immer häufiger die Kooperation der Wirtschaftsbetriebe untereinander, also der Erfahrungsaustausch, angesehen. Mehr Voraussicht soll insbesondere durch die enge Verbindung der Wirtschaftsbetriebe mit Forschungs-und Wissenschaftseinrichtungen gewährleistet werden. Bei Produkt-und Prozeßinnovationen kommt es vor allem auf aufnahmebereite Entscheidungsträ-ger in den Unternehmen an. Zum Erfolg gehört — neben Informationsverarbeitungskapazität — das nötige Augenmaß bei der Risikobereitschaft. Befürchtet wird, daß jene, die sich helfen lassen, sich auch selbst helfen könnten. Zuweilen wird vermutet, daß ein wenig wirtschaftsfreundliches Klima — mitverursacht durch die Umweltschutzdebatte aber auch durch die aufgezeigten Bearbeitungsstrategien für neue und alte Standorte — die Motivation für innovatives Verhalten hemmt. Die aktuelle Debatte hebt demgegenüber mehr auf das Umfeld der Wirtschaftstätigkeit ab: die Kultur in der Stadt. Der Gedanke ist nicht neu und wie damals haben die Promotoren in einzelnen Ländern und Städten vor allem die Bedürfnisse des Managements im Auge

Technologieorientierte Wirtschaftsförderung ist bislang vor allem Unternehmer-bzw. führungskräfteorientiert. Zur endogenen Entwicklung gehört aber nicht nur die ständige Weiterqualifikation des Managements und dessen Förderung. Auch eine hochqualifizierte und sich ständig weiterbildende Belegschaft ist Voraussetzung für die Erneuerung der Wirtschaft. Dies haben bislang nur die großen Unternehmen ausreichend berücksichtigt. Daneben hat die immer wieder formulierte These, daß eine Verbesserung der konjunkturellen Lage auch durch Engpässe auf dem Arbeitsmarkt erschwert wird, nicht an Gewicht verloren Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sowie Existenz-gründer sind in der Konkurrenz um qualifizierte Arbeitskräfte gegenüber großen Unternehmen benachteiligt. Eine auf die Mitarbeiter abzielende örtliche Wirtschaftspolitik wird daher immer nachhaltiger von einzelnen Akteuren, z. B. Industriegewerkschaften, von innovationsfreundlichen Arbeitsamtsdirektoren und zunehmend auch von sozialhilfebelasteten Städten für nötig gehalten. Erst allmählich setzt sich bei den Akteuren die Einsicht durch, daß vielfältige Programme zur Beschäftigungsförderung auch im Rahmen der Wirtschaftsförderung positive Wirkungen erzielen könnten. Nach wie vor wird von Kritikern die starre Haltung von Unternehmern beklagt, die nicht bereit sind, sich auf jene Förderprogramme einzustellen, die Arbeitnehmern zugute kommen sollen. Dies gilt besonders für kleine und mittlere Unternehmer. Gleichzeitig fördern manche Städte durch billiges Wohnbauland unversehens die Immobilität der Arbeitnehmer. Durch solche Entwicklungen entsteht die Gefahr, daß sich die berufliche Qualifikation der Arbeitnehmer in einzelnen Regionen auf niedrigem Niveau einpendelt. Damit werden die Unternehmer zusätzhch veranlaßt, Arbeitsplätze durch Kapitalinvestitionen zu ersetzen. Insoweit trägt die Wirtschaftspolitik „von unten“ in Verbindung mit der kommunalen Wohnungspolitik dazu bei, die Probleme des technischen Fortschritts zu verschärfen.

Aus-und Weiterbildung sind aus der Sicht der Unternehmer unproblematisch, sofern innerbetrieblich eine Qualifikation für vorhandene, neue Arbeitsaufgaben erfolgt. Für den Auszubildenden und Arbeitnehmer lohnen sie sich immer dann, wenn nach der entsprechenden Aus-und Weiterbildungsanstrengung ein sicherer Arbeitsplatz im Rahmen der Stammbelegschaft winkt. Im ländlichen Raum und in alten Industriegebieten sind diese Bedingungen nicht oder noch nicht vorhanden. Hier müssen zunehmend schulische Angebote und Werkstätten die Chancen einer Erst-oder Wiederbeschäftigung derjenigen verbessern, die erstmals auf den Arbeitsmarkt drängen oder durch Betriebsstillegungen freigesetzt wurden. Wirtschaftsförderung über Infrastrukturleistungen muß die Verbesserung des beruflichen Aus-und Weiterbildungswesens einbeziehen. Aber auch die Qualifikation für Berufe der Zukunft wirft Probleme auf. Eigentlich wird bislang nur die These akzeptiert, daß die Arbeitskräfte der Zukunft höher qualifiziert sein müßten, wenn die Wirtschaftsentwicklung nicht im internationalen Vergleich und Wettbewerb Schaden nehmen soll. Es ist daher dringend erforderlich, daß die schulisehe Ausstattung dem modernen technischen Standard entspricht. Daß dieser Anforderung zu genügen sei, wurde bislang zumindest von den Befürwortern einer dualen Ausbildung bezweifelt. Diese Befürchtungen werden auch jetzt wieder laut, wenn es darum geht, verlassene Betriebe mit hohem Aufwand zu Berufsbildungszentren für die Aus-und Weiterbildung umzuwandeln. Hinter den aktuell erkennbaren Friktionen werden Defizite erkennbar, die im Sinne der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung zügig bearbeitet werden sollten.

III. Entwicklungspotentiale der Gewerbepolitik

Die bisherige Gewerbepolitik ist durch Zufälligkeiten bei den Politikergebnissen und sporadische Aktivitäten gekennzeichnet. Sie hilft einem Teil der Unternehmer, die durch Störungen (Lärm/Stadtbild) in Konflikt geraten und überdies konfliktfähig sind (Gewerbesteuerzahler), unter Einsatz von öffentlichen Mitteln vor allem in bezug auf Standort-und Kapitalausstattung, mit den entsprechenden Hemmnissen fertig zu werden. Dies bindet die Verwaltungskapazität oft über Jahre bzw. Jahrzehnte, ohne daß immer eine Lösung gefunden wird.

Die Stadtverwaltung wird diskontinuierlich und reaktiv tätig, wenn eine bestimmte Fachbehörde sie zum Einschreiten gegen bestimmte Betriebe auffordert oder der Betrieb selbst mit konkreten Anliegen (meist Bauanträgen) an sie herantritt. Dabei ließe sich mit den in der Verwaltung vorhandenen Informationen über die Entwicklung aller Betriebe durchaus eine vorausschauende Politik aufbauen. Denn in jeder Phase der betrieblichen Entwicklung ergeben sich spezifische Risiken und Engpässe in bezug auf Kapitalausstattung, Standort und Arbeitskräfte, deren Kenntnis als Beurteilungsgrundlage von Vorteil sein könnte. Aufgrund der wissenschaftlichen Diskussion und nach jahrelanger Beobachtung kann von der These ausgegangen werden, daß bestimmte Problemkonstellationen der unternehmens-und städtebaulichen Entwicklung die gleiche Problembearbeitung erfordern und rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, daß gewisse Routinisierungen im Entscheidungsablauf möglich sind, die es gestatten, problemadäquater und vor allem vorausschauender zu agieren

Dazu braucht die Stadtverwaltung aber eine systematische Informationsgrundlage: einen Satz von Daten, die als Indikatoren für die betriebliche und quartierspezifische Entwicklung dienen können

Weiterbildungsnotwendigkeiten und Qualifika-tionserfordernisse sind zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Geldgebern und Veranstaltern besser zu koordinieren. Nur so können entsprechende Angebote auch in Beschäftigungsverhältnisse einmünden. Informationssysteme sind zur Fundierung betrieblicher Entscheidungsprozesse längst üblich und sie werden für öffentliche Entscheidungen in verschiedenen Politikfeldern, z. B. auch in der Umweltpolitik, gefordert.

Ein weiteres Problem ist die Weiterbildungsmotivation. Unternehmer sind offenbar solange kaum für Innovationen aufgeschlossen, wie das bisherige Verhalten nicht zu Krisen führt Bei genereller Hochschätzung der Weiterbildung zeigen Arbeitnehmer bislang wenig einschlägige Aktivitäten. Zwar werden in der Zukunft wachsende Freizeit, flexible Arbeitszeit und die Verbreitung des Bildungsurlaubs für die notwendigen zeitlichen Ressourcen in der Weiterbildung sorgen. Parallel dazu gilt es, eine neue Bildungsoffensive zu initiieren, die nunmehr die berufliche Weiterbildung in den Mittelpunkt stellt. Wie die Industrialisierung zunächst den Schulzwang und dann jene öffentliche Fortbildungsschule gebracht hat, die sich dann zur Berufsschule entwickelte, so ist es möglicherweise jetzt an der Zeit, das differenzierte Weiterbildungsangebot zu neuen, das Lebensalter betreffend nicht fixierten, aber gleichwohl obligatorischen Bildungsphasen zusammenzufassen, damit der technische Fortschritt sozial beherrschbar bleibt. Der Schwerpunkt der örtlichen Technologiepolitik darf nicht mehr in der Subventionierung von hochmodernen Maschinenparks und neuen Gebäuden liegen, sondern muß sich in Richtung auf den Aufbau einer angemessenen Kapazität der beruflichen Erwachsenenbildung verlagern, die auf die Bedürfnisse der örtlichen/regionalen Wirtschaft bezogen ist.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Begriffe werden zunächst synonym verwendet.

  2. W. Bruder/N. Dose, Forschungs-und Technologiepolitik in der Bundesrepublik Deutschland, in: W. Bruder (Hrsg.), Forschungs-und Technologiepolitik in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1986, S. 11 ff.

  3. Vgl. F. Lehner u. a., Wirtschaftsförderung als kommunale Aufgabe, in: U. Andersen (Hrsg.), Kommunale Selbstverwaltung und Kommunalpolitik in Nordrhein-Westfalen, Köln 1987, S. 184.

  4. Vgl. U. Hahne, Technologieparks. Orientierungshilfe zur Gestaltung, Bonn 1985; N. Dose/A. Drexler (Hrsg.), Technologieparks, Opladen 1987; C. Schneider/J. Siebke, Technologieparks als Instrument der Wirtschaftspolitik, in: R. Henn (Hrsg.), Technologie, Wachstum und Beschäftigung, Berlin 1987, S. 669ff.; R. Sternberg. Technologie-und Gründerzentren als Instrument kommunaler Wirtschaftsförderung, Dortmund 1988.

  5. K. -H. Naßmacher/H. Naßmacher, Lokale Eliten in der Gewerbepolitik, in: Bodenstedt u. a. (Hrsg.), Gewerbepolitik im Verdichtungsraum, Stuttgart 1982. S. 22ff.

  6. Vgl. H. Flassbeck/G. Maier-Rigaud. Umwelt und Wirtschaft, Tübingen 1982; C. Leipert/E. Simonis, Arbeit und Umwelt, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 32/85, S. 3 ff.

  7. H. H. Hartwich (Hrsg.), Vollzug und Wirkungen regionaler Umweltpolitik. Opladen 1984. S. 15.

  8. Ebda., S. 30.

  9. H. Naßmacher, Wirtschaftspolitik „von unten“, Basel-Boston-Stuttgart 1987, S. 15.

  10. H. Heuer, Instrumente kommunaler Gewerbepolitik, Stuttgart 1985, S. 50.

  11. Welche Sonderbehörde von der Mittelbehörde besonders beachtet wird, haben R. Schäfer/G. Schmidt-Eichstaedt, Praktische Erfahrungen mit dem Bundesbaugesetz, Melle 1984, S. 118ff., erhoben.

  12. Beispielfälle dazu in: H. Naßmacher (Anm. 9), S. 185 ff.

  13. Insbesondere der Grundstückspreis spielt bei der Entscheidung über einen Standort nur eine untergeordnete Rolle, vgl. K. -H. Naßmacher, Hebesatz im Hintergrund, in: Wirtschaftswoche, (1980) 8, S. 30 ff.

  14. Vgl. dazu H. Heuer/K. -H. Naßmacher/R. Schäfer, Kommunale Wirtschaftspolitik in der Region Stuttgart, in: Robert Bosch Stiftung (Hrsg.), Beiträge zur Stadtforschung, Bd. 2, Stuttgart 1982, S. 524.

  15. Vgl. H. Naßmacher (Anm. 9). S. 366ff.

  16. Z. B. solche für die Wohnumfeldverbesserung, Verkehrsberuhigung, den Umweltschutz, die Stadtsanierung.

  17. J. Hucke/E. Bohne, Bürokratische Reaktionsmusterbei regulativer Politik und ihre Folgen, in: H. Wollmann (Hrsg.), Politik im Dickicht der Bürokratie, Opladen 1980, S. 183, 193; J. Hucke /A. A. Ullmann, Konfliktregelung zwischen Industriebetrieb und Vollzugsbehörde bei der Durchsetzung regulativer Politik, in: R. Mayntz (Hrsg.). Implementation politischer Programme, Königstein/Ts. 1980. S. 106, 109, 115.

  18. Ein Beispiel dafür ist das Schmiedeprogramm für den bergischen Raum.

  19. Seit der Neufassung des § 34 BBauG im Jahre 1977.

  20. D. Bullinger/R. Schäfer, Gemengelagen, in: Robert Bosch Stiftung (Hrsg.), Beiträge zur Stadtforschung, Bd. 4, Gerlingen 1987. S. 213.

  21. M. Sinz/W. Strubelt, Zur Diskussion über das wirtschaftliche Süd-Nord-Gefälle unter Berücksichtigung entwicklungspolitischer Aspekte, in: J. Friedrichs/H. Häußermann/W. Siebel (Hrsg.), Süd-Nord-Gefälle in der Bundesrepublik, Opladen 1986. S. 12 ff.

  22. H. Naßmacher, Wirtschaftsförderung — ohne den Menschen?, in: Demokratische Gemeinde, (1979) 5, S. 397ff.

  23. Vgl. H. Albach/D. Hunsdiek, Die Bedeutung der Unternehmensgründungen für die Anpassung der Wirtschaft an geänderte Rahmenbedingungen, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, (1987) 5/6, S. 562 ff.

  24. K. -H. Naßmacher, Gewerbepolitik als prozeßorientierte Querschnittaufgabe, in: Robert Bosch Stiftung (Hrsg.), Beiträge zur Stadtforschung, Bd. 4, Gerlingen 1987, S. 269 ff.

  25. H. Naßmacher/H. Schmidt. Informationsgrundlagen in der kommunalen Gewerbepolitik, in: Robert Bosch Stiftung (Hrsg.), Beiträge zur Stadtforschung, Bd. 4, Gerlingen 1987, S. 285 ff.

  26. D. Hahn, Frühwarnsysteme, Krisenmanagement und Unternehmensplanung, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, (1979) 2, S. 25 ff.; T. Reichmann/L. Lachnit, Das Rechnungswesen als Management-Informationssystem zur Krisenerkennung und Krisenüberwindung, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, (1978) 3, S. 203 ff.

  27. M. Perlitz/H. Löbler, Brauchen Unternehmen zum Innovieren Krisen?, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft. (1985) 5, S. 424 ff.

Weitere Inhalte

Hiltrud Naßmacher, Dr. rer. pol., geb. 1942; Studium der Wirtschafts-und Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln; 1. und 2. Staatsprüfung für das Lehramt an berufsbildenden Schulen; Promotion 1976 in Köln; Habilitation für Politikwissenschaft 1986 an der Universität Oldenburg; Vertreterin einer Professur für Regional-und Kommunalpolitik an der Universität Konstanz 1987/88. Veröffentlichungen u. a.: Bildungsurlaub und Berufsbildung, Köln 1976; (zus. mit Karl-Heinz Naßmacher) Kommunalpolitik in der Bundesrepublik, Opladen 1979; (Hrsg.) Wohnen und kommunale Politik, München 1985; Wirtschaftspolitik „von unten“, Basel-Boston-Stuttgart 1987.