Die Entwicklung des Frauenstudiums in Deutschland bis 1945
Lothar Mertens
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Zusammenfassung
Die Entwicklung des Frauenstudiums in Deutschland war — neben der des Frauenwahlrechts und der Reform des höheren Mädchenschulwesens — ein wichtiger Schritt im Gesamtkontext der weiblichen Emanzipation, da der Ausschluß von der Hochschulbildung ein Ausschluß von qualifizierten Berufen und damit von gesellschaftlicher Macht darstellte. Die offizielle Zulassung der Frauen zu den Universitäten, die im Jahre 1900 begann, zog sich in den deutschen Einzelstaaten über eine Dekade hin. Der rasche Anstieg der Studentinnenzahlen war besonders in den Jahren der Weimarer Republik stetig. Die nationalsozialistische „Machtergreifung“ und die ideologische Beschränkung der Frauen auf Heim und Familie bewirkten zwar eine einschneidende Verzögerung der zahlenmäßigen Entwicklung, konnten aber die einmal errungenen Möglichkeiten trotz gedrosseltem Hochschulzugang und eingeschränkter Beschäftigungsmöglichkeiten nicht wieder rückgängig machen. Der wachsende Arbeitskräftebedarf am Ende der dreißiger Jahre und besonders in den Kriegsjahren führte zu einer Revidierung der NS-Hochschulpolitik. Im Gegensatz zur Weimarer Zeit, als auch zunehmend Frauen aus bildungsfemeren Sozialschichten die Chance zu studieren ergriffen, besuchten im Dritten Reich vor allem Akademikertöchter die Universitäten. Frauenstudium bedeutete zu dieser Zeit vor allem das Studium der klassischen „weiblichen“ Studienfächer, insbesondere der Medizin, da der Arztberuf auf ideale Weise gesellschaftliche Reputation und „ursprüngliche Weiblichkeit“ miteinander verband.
I. Allgemeine Entwicklung
Bis zur letzten Jahrhundertwende waren Frauen aus dem Wissenschaftsbereich nahezu völlig ausgeschlossen Infolge der fehlenden akademischen Ausbildung bestand für sie in vielen Berufsfeldern keine Möglichkeit zu einer qualifizierten Tätigkeit: „Der Ausschluß vom Wissen war demnach auch ein Ausschluß von der Macht.“
Die ersten ordentlich immatrikulierten Studentinnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Avantgardistinnen und mußten sich gegenüber einer ihnen, wenn auch nicht mehr vollkommen feindlich, so doch zumindest noch sehr skeptisch-distanziert gegenüberstehenden männlich geprägten Gesellschaft behaupten.
Im Wintersemester 1907/08 betrug der Frauenanteil an den Universitäten weniger als ein Prozent, in den sechs Jahren bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges stieg er auf über sechs Prozent an. In der Weimarer Republik war die Entwicklung des Frauenstudiums von einem prozentualen Aufwärtstrend gekennzeichnet, auch wenn Mitte der zwanziger Jahre die absolute Zahl der Studentinnen stagnierte. Erst im Dritten Reich sanken aus Gründen, die im weiteren noch zu erläutern sind, sowohl die absoluten Zahlen der Studentinnen als auch ihr prozentualer Anteil. Gegenüber dem Höchststand am Ende der Weimarer Republik ging der Frauenanteil an den Studierenden bis zum Wintersemester 1938/39 um ein Viertel zurück. In absoluten Zahlen lag er sogar deutlich unter denen des ausklingenden Kaiserreiches vor 1919.
Da Frauen heute in allen akademischen Studien-fächern und an fast allen Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland (die Hochschulen der Bundeswehr in Hamburg und München sind derzeit die einzigen Ausnahmen) gleichberechtigt neben den Männern studieren und danach in alle akademischen Berufe eintreten können, sind im Rückblick die schwierigen Anfänge des Frauenstudiums in Deutschland kaum mehr verständlich
II. Wilhelminisches Kaiserreich
Abbildung 2
Tabelle 2: Soziale Herkunft der Studierenden an preußischen Universitäten nach ausgewählten Väterberufen. Quelle: H. Titze 1987 (Anm. 13), S. 266f., Tab. 129 und Tab. 130 WS 1932/33
Tabelle 2: Soziale Herkunft der Studierenden an preußischen Universitäten nach ausgewählten Väterberufen. Quelle: H. Titze 1987 (Anm. 13), S. 266f., Tab. 129 und Tab. 130 WS 1932/33
Seit der ersten deutschen Frauenkonferenz im Jahre 1865 in Leipzig und der nachfolgenden Bildung von Frauenvereinen wie etwa dem „Deutschen Frauenverein Reform“ (1888) äußerten einzelne Frauen konkrete Vorstellungen über die Rolle der Frau in der Gesellschaft und die Überwindung ihrer bildungsmäßigen Benachteiligungen. Für die damalige Zeit klangen die Forderungen der seit 1865 im „Allgemeinen Deutschen Frauenverein“ institutionalisierten bürgerlichen Frauenbewegung und ihrer führenden Persönlichkeiten (etwa Helene Lange, Luise Otto-Peters, Käthe Windscheid und Gertrud Bäumer) nach einer grundlegenden Reform des höheren Mädchenschulwesens und einer Öffnung der Hochschulen für Frauen beinahe revolutionär. Sie rüttelten am Rollenverhalten und -Verständnis vieler Frauen besonders aber am Selbstverständnis der bis in fortschrittliche Kreise hinein monarchisch-restaurativ geprägten Gesellschaft der Wilhelminischen Zeit; zudem bedingten sie grundlegende sozio-ökonomische Veränderungsprozesse von ungeahnter gesellschaftlicher Tragweite
Die erregten Diskussionen, die in der interessierten Öffentlichkeit des Kaiserreiches — besonders in der wissenschaftlichen und publizistischen Literatur — geführt wurden, waren geprägt von unnachgiebigem und heftigem Streit um das Für und Wider Dabei sahen sich die befürwortenden Stimmen häufig mit grober Polemik und bornierter Überheblichkeit ihrer Gegner konfrontiert. Als männlich-patriarchalische Gründe gegen das Frauenstudium nannte die Schriftstellerin Hedwig Dohm, eine der ersten Vorkämpferinnen für die berufliche Emanzipation der Frauen: — die vorgebliche Gefahr der Vernachlässigung der Hausfrauen-und Mutterpflichten; — das Paradigma, daß gleiche Rechte gleiche Pflichten bedingen (wie z. B. Ableistung von Kriegsdienst); — und, als ästhetisches Unglück, den Verlust weiblicher Anmut und Liebenswürdigkeit durch das Studium
Extreme Gegner wie z. B.der Leipziger Neurologe Dr. Paul Möbius, dessen im Jahr 1900 erschienene Philippika „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“ bis 1922 zwölf Auflagen erlebte, vertraten die Ansicht, daß Frauen aufgrund physiologisch-biologischer Gegebenheiten nicht zu intellektuellen Höchstleistungen fähig seien. Auch die Einrichtung von Mädchengymnasien wurde energisch abgelehnt, da die „Natur“ die Mädchen auf das „praktisch Brauchbare“ hinweise Konservative Wissenschaftler sahen die Hochschulen bereits um die Jahrhundertwende „durch den schleichenden, alle Kraft verzehrenden Feminismus bedroht“ Und der Historiker Heinrich von Treitschke urteilte: „Es ist also eine schändliche moralische Schwäche so vieler wackerer Männer heute, daß sie angesichts der Schreierei der Zeitungen davon reden, unsere Universitäten der Invasion der Weiber preiszugeben und dadurch ihren ganzen Charakter zu verfälschen. Hier hegt eine unbegreifliche Gedankenschwäche vor . . . Soll wegen einer Zeitungsphrase die herrliche Institution unserer Universitäten korrumpiert werden?“ Der Kurator der Jenaer Universität, Heinrich Eggeling, verwahrte sich gegen die Zulassung von Frauen mit der ganz vom Zeitgeist geprägten Auffassung: „Solange die Weiber nicht zum Militärdienst ausgehoben werden, und solange das Gebären nicht beiden Geschlechtern obliegt, sollte man an der wohlbegründeten Ordnung festhalten und zu den in Weisheit allein für die männliche Jugend begründeten Unterrichtsanstalten nicht auch die weibliche Jugend zulassen.“
Doch ungeachtet solch ultra-konservativer Ansichten öffneten sich die Universitäten seit der Jahrhun-dertwende unter dem wachsenden Druck der bürgerlichen Frauenbewegung und infolge der eigenen inkonsequenten Haltung gegenüber Gasthörerinnen und Professorentöchtem — zunächst noch zögernd — auch für die Frauen. Ab dem Jahre 1909 schließlich durften sie sich an allen Universitäten des Deutschen Reiches immatrikulieren. Ihre offizielle Zulassung zum ordentlichen Universitätsstudium, die in den einzelnen deutschen Staaten zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgte sowie die generelle Zulassung von Frauen zu den staatlichen Prüfungen bedeuteten allerdings nur einen ersten Teilerfolg der bildungsmäßigen Emanzipation. Die Habilitation und damit der Zugang zum akademischen Lehramt wurden ihnen noch bis zum Jahre 1920 verwehrt.
Für die Gesamtentwicklung des Frauenstudiums aufschlußreich sind die ersten Anfänge der Hochschulöffnungen für Gasthörerinnen; deren recht abweichende Handhabung im Vergleich zu den männlichen ordentlichen Studierenden dokumentiert den unterschiedlichen Grad der behördlichen und akademischen Opposition. Angesichts der oben zitierten Meinung des Universitätskurators Eggeling verwundert es nicht, daß in Jena die ersten Höre-rinnen erst im Sommersemester 1902 (und auch nur in der Philosophischen Fakultät) zugelassen wurden — zu einer Zeit, als sich anderenorts, z. B. in Freiburg, Frauen schon ordentlich immatrikulieren durften. Bereits im Sommersemester 1896 nahmen in Berlin 40 Hörerinnen mit Erlaubnis des jeweiligen Dozenten an diversen Vorlesungen teil; in Leipzig waren die ersten Frauen schon im Jahre 1871 zugelassen worden Ihr Interesse beschränkte sich vornehmlich auf die philosophischen Fakultäten, zu denen sie als Gasthörerinnen zugelassen wurden. Erschwerend war für sie „die Bestimmung, daß ihnen als Nichtimmatrikulierte die aktive Teilnahme an den Seminarübungen und die Benützung der Seminarbibliothek versagt“ war
In einem Erlaß aus dem Jahre 1895 lehnte der preußische Unterrichtsminister die verlangte generelle Zulassung aller Frauen, die sich im Besitz eines Lehrerinnenzeugnisses befanden, als Hörerinnen zu Universitätsvorlesungen ab Diese Verfügung — die Antwort auf eine Anfrage des Vereins Frauenwohl vom 30. September 1894 — betonte allerdings, daß „vorbehaltlich aller sonstigen Erfordernisse aus der Geschlechtszugehörigkeit ein Bedenken nicht herzuleiten“ sei und daß in der Vergangenheit „in geeigneten Fällen“ die Ersuche um Zulassung Befürwortung gefunden hätten. Dennoch zeigt sich in dem objektiv erscheinenden Argument der notwendigen Vorbildung deutlich die distanzierte Haltung des Unterrichtsministers, der überdies die für die studierwilligen Frauen unpopuläre Entscheidung, d. h. die Ablehnung, an die Universitäten zurückdelegierte. Dort blieb, neben dem Rektor, dem einzelnen Professor die Entscheidung Vorbehalten, „ob er die Einwilligung zum Besuch der Vorlesung zu ertheilen bereit“ war, so „daß also kein Universitätslehrer gezwungen war, wider seinen Willen Frauen in seinen Vorlesungen sehen zu müssen“ Bereits im Jahre 1896 hob ein weiterer ministerieller Erlaß hervor, daß bei der weiterhin aktuellen Frage der Zulassung von Antragstellerinnen zu bestimmten Universitätsvorlesungen „vorbehaltlich der Prüfung aller sonstigen Erfordernisse, insbesondere auch der genügenden Vorbildung, und vorbehaltlich des Einverständnisses der betreffenden Lehrer aus der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlechte ein Bedenken nicht herzuleiten“ sei
Für die politischen Parteien des Kaiserreichs war die Problematik des Frauenstudiums vor allem „eine Frage der sozialen Lage der Frauen“ Die zahlreichen Eingaben und Petitionen der verschiedenen Frauenvereine in den neunziger Jahren brachten für die studierwilligen Frauen keine positiven Ergebnisse. Die damit zusammenhängenden Fragen wurden zwar immer debattiert, jedoch nie politisch entschieden. Noch im Jahre 1893 ließ der Deutsche Reichstag eine mit 60 000 Unterschriften versehene Petition für die Freigabe des Medizinstu-diums für Studentinnen weitgehend unbeachtet und ging rasch zur Tagesordnung über. Das überaus große Desinteresse gegenüber der gesamten Frauenfrage hatte zur Folge, daß die Frauenorganisationen die Politiker nach der Jahrhundertwende nicht mehr bemühten, da diese in ihren Augen ein eher „retardierendes Element“ darstellten
Das größte Hindernis bei der Zulassung zum Studium war jedoch die fehlende Möglichkeit zum Erwerb des Reifezeugnisses; denn auch die Gymnasien standen den Mädchen nicht offen. Daraus resultierte ein Teufelskreis, der kaum zu durchbrechen war. Ohne die Möglichkeit des Gymnasialbesuches konnte kein Abitur erlangt werden — ohne Abiturzeugnis wiederum war die für das Studium „notwendige Vorbildung“ nicht nachzuweisen. Ein Ausweg aus diesem Dilemma bot sich — angesichts der unzureichenden staatlichen Initiativen zur Reform des höheren Mädchenschulwesens — nur über die Selbsthilfe an. So wandelte Helene Lange bereits im Jahre 1893 mit ministerieller Genehmigung ihre seit 1889 in Berlin bestehenden Realkurse in Gymnasialkurse um, die das volle Pensum des humanistischen Gymnasiums umfaßten. Die ersten sechs Absolventinnen bestanden Ostern 1896 die Abiturprüfung am Berliner Luisen-Gymnasium Wohlwollende Unterstützung und Förderung erhielten bereits die Realkurse von den Berliner Professoren Hans Delbrück, Wilhelm Dilthey, Adolf von Harnack und Hermann Helmholtz Ebenfalls im Jahre 1893 wurde in Karlsruhe das erste deutsche Mädchengymnasium eröffnet das in sechsjährigen Kursen zum Abitur führen sollte. Die ersten regulären Abiturientinnen, die die Karlsruher Anstalt 1899 hervorbrachte, wurden im Sommersemester 1900 an der Universität Freiburg immatrikuliert
Die am 28. Februar 1900 im Großherzogtum Baden erfolgte ministerielle Zustimmung zur Immatrikulation von Frauen an den beiden badischen Landes-universitäten Freiburg und Heidelberg erging „zunächst . . . nur Versuchs-und probeweise“ Im April 1900 wurde sie zudem durch einen — später allerdings abgelehnten — Antrag des Freiburger Senats relativiert, der den Ausschluß von Frauen von bestimmten Veranstaltungen oder die Errichtung separater Lehrveranstaltungen für diese forderte. Die Medizinische Fakultät in Freiburg äußerte in einer Erklärung ihre Besorgnis darüber, daß bei einer nur auf Baden beschränkten Freigabe des Frauenstudiums sich möglicherweise alle deutschen Abiturientinnen an den dortigen Hochschulen einschreiben könnten. Als Konsequenz befürchteten die Professoren „praktische Nachteile und Schädigungen des Renomms" der badischen Universitäten
Infolge fehlender beruflicher Perspektiven im juristischen und theologischen Bereich konzentrierten sich die studierenden Frauen auf die philosophische und die medizinische Fakultät Vor dem Ersten Weltkrieg wurden Frauen nur in Bayern zum ersten juristischen Examen zugelassen; aber auch dort blieben sie von der Zulassung zum Vorbereitungsdienst und dem zweiten (Assessor-) Examen ausgeschlossen. Erst seit 1922 dürfen Frauen in Deutschland öffentliche Ämter in der Rechtspflege bekleiden
Vollkommen anders gestalteten sich das medizinische Studium und die Zulassung zum heilkundlichen Berufszweig. Denn die deutsche Gewerbeordnung gestattete, wie Albisetti betont, allen interessierten Personen (also auch Frauen) die Ausübung der „Heilkunst“. Außerdem war es — nach einem Bundesratsbeschluß von 1893 — Gasthörerinnen erlaubt, in Medizin Prüfungen abzulegen Infol-gedessen konnten alle ausgebildeten Ärztinnen auch in Deutschland praktizieren. Allerdings führten „Versuche, sich als nach schweizerischen Examina zugelassene Ärztinnen anzuzeigen“, zu Konflikten mit den lokalen Polizeibehörden.
Studierten 1908 weniger als zwei Drittel der Studentinnen an den philosophischen Fakultäten der deutschen Universitäten, so waren es 1914 bereits über 70 Prozent Die große Beliebtheit der philosophischen Fakultät ist darauf zurückzuführen, daß es sich bei der anhaltend großen Zahl weiblicher Studierwilliger um Lehrerinnen handelte, die durch ein Hochschulstudium die Befähigung für das höhere Lehramt (Oberlehrerin) erwerben wollten. So waren in Preußen von den 160 Anstalten, deren Abschluß Frauen zum Universitätsstudium berechtigte, 124 Lehrerinnenseminare. Überdies bot der Lehrberuf in den ersten beiden Jahrzehnten dieses Jahrhunderts für die Frauen „noch die attraktivste und sicherste Aussicht“ auf eine spätere Berufsausübung Zu berücksichtigen bleibt allerdings, daß dieses Faktum in Preußen nur für unverheiratete Lehrerinnen galt. Bei einer Eheschließung wurde das Dienstverhältnis aufgrund eines Erlasses aus dem Jahre 1892 zum Ende des Schuljahres aufgekündigt Diese vor dem Hintergrund der akademischen Überfüllungskrise der achtziger Jahre erlassene Zölibatsklausel für Lehrerinnen, die in Preußen erst 1920 endgültig aufgehoben wurde, bedeutete einen tiefen Einschnitt in die Privatsphäre der betroffenen Frauen
Bereits im Jahre 1917 konstatierte die Publizistin Marianne Weber, die Ehefrau des berühmten Soziologen Max Weber, einen Typenwandel der studierenden Frau. Die erste Generation der Studentinnen war geprägt vom Typus der „Kämpferin, die sich hier und dort als einzelne und aus eigener Kraft Zutritt zu den Hörsälen erzwungen hatte“ und deren „Siegespreise, um die allein es sich schon lohnte, zu studieren“, die Umstimmung widerwilliger Professoren, die Erkämpfung der Seminarbesuche sowie die Zulassung zu den Prüfungen und die „Überraschung der Welt mit gut bestandenen Examina oder wertvollen Abhandlungen“ waren Die nachfolgende Generation traf auf eine vorurteilsfreiere Universitätswelt und konnte den diversen noch vorkommenden Anfechtungen, dem Spott und dem Zweifel an der geschlechtsspezifischen Qualifikation in einer rasch anwachsenden Gemeinschaft von Gleichgesinnten begegnen und dort Geborgenheit finden. Außerdem wurden diese Studentinnen nun häufig mit spürbarem Wohlwollen beobachtet und fanden oft die bereitwillige Förderung und Unterstützung durch die Dozenten und männlichen Studierenden.
Die Kosten des Studiums einer Tochter waren allerdings selten im Familienbudget eingeplant und stellten daher ein erhebliches finanzielles Opfer für die Familien dar. Der Jahresbedarf eines Studenten lag um die Jahrhundertwende je nach Studienfach und Hochschulort zwischen 1000 und 2000 Mark; das jährliche Schulgeld an den höheren Schulen betrug zwischen 80 und 120 Mark. Zum Vergleich: Das Jahreseinkommen eines preußischen Volksschullehrers schwankte im Jahre 1906 zwischen 1700 Mark auf dem Land und 2600 Mark in der Stadt
III. Weimarer Republik
Nach dem Ersten Weltkrieg zeichnete sich die Entwicklung des Frauenstudiums in Deutschland bis Anfang 1933 durch ein kontinuierliches, wenn auch zum Teil nur geringfügiges Anwachsen der Studentinnenzahlen aus. Der prozentuale Anteil der Frauen an der Gesamtstudentenzahl sank im Som-mersemester 1919 im Vergleich zum Wintersemester 1918/19 zwar leicht ab (von 9. 5 auf 9, 1 Prozent), jedoch muß hier — neben den nachkriegsbedingten ökonomischen Schwierigkeiten — die verstärkte Rückkehr der Studenten von der Front an die Hochschulen berücksichtigt werden. Außerdem verwendete — nach Ansicht von Helene Lange — die bildungsinteressierte Bürgerschicht ihre inflationsbedingt zusammengeschrumpften Vermögen bevorzugt für eine Universitätsausbildung der Söhne Das läßt den naheliegenden Schluß zu, daß die akademische Ausbildung der Töchter noch immer als ein leicht verzichtbarer Luxus angesehen wurde. Mitte der zwanziger Jahre, nach dem Abklingen der Wirtschaftskrise, kam es dann zu einem raschen Wachstum der Zahl der Studentinnen. Allerdings blieb dieser Anstieg immer noch stark unterproportioniert — besonders im Vergleich zur Zahl der Abiturientinnen, die sich zwischen den Jahren 1925/26 und 1931 vervierfachte (bei den Männern lag die Steigerungsrate nur bei 66 Prozent) Insgesamt gesehen verdoppelte sich bis zum Wintersemester 1932/33 der Studentinnenanteil auf 18, 6 Prozent der Studierenden.
Ähnlich wie im Kaiserreich bevorzugten die Studentinnen auch während der Zeit der Weimarer Republik die Hochschulen in den Großstädten. Wie Kater betont, wurden hier weniger Vorurteile und Vorbehalte gegen das Frauenstudium erwartet als an den kleineren Universitäten in der Provinz; allerdings erfüllten sich diese Hoffnungen nicht immer Neben Berlin, das als Reichshauptstadt eine besondere, weltstädtische Anziehungskraft auf alle Studenten ausübte, bevorzugten die Studentinnen insbesondere die großstädtischen Universitätsneugründungen in Hamburg und Köln. Im Sommersemester 1932 waren in Berlin 22 Prozent, in Hamburg 25, 7 Prozent und in Köln 20, 7 Prozent der Studierenden weiblich, am den provinzielleren Universitäten Göttingen und Greifswald hingegen nur 15 Prozent Noch deutlicher wird der Zusammenhang zwischen Stadt-und Universitätsgröße und dem Anteil weiblicher Studierender am Beispiel Bayerns. Während in Erlangen nur 8, 8 Prozent der Studierenden Frauen waren, war der Studentinnenanteil an der viermal so großen Münchner Universität mit 18, 6 Prozent doppelt so hoch.
Bei der Studienfachwahl gab es — analog zur Studienortpräferenz — eine hohe Kontinuität zur Kaiserzeit. Medizin und die philologischen Fächer lagen weiter an der Spitze der Beliebtheitsskala. Ungeachtet des in der Weimarer Verfassung verbrieften Rechts auf Gleichbehandlung entschieden sich nur wenige Frauen für das Studium der Jurisprudenz, denn auch im Staatsapparat der Weimarer Republik wurden weibliche Bewerber weiterhin diskriminiert Überdies wurden die Frauen — wie bereits erwähnt — erst ab dem Jahre 1922 zu den Ämtern der Rechtspflege zugelassen.
Die soziale Rekrutierung der Studentinnen hatte sich in der Weimarer Republik zwar gegenüber dem Kaiserreich verbreitert (besonders bei der Angestelltenschaft sowie den mittleren und unteren Beamten), jedoch blieb die soziale Herkunft der Studentinnen im Vergleich zu den Männern immer noch sehr stark auf die höhere Beamtenschaft und die freien Berufe beschränkt (vgl. Tabelle 2).
IV. Drittes Reich
Die durch die nationalsozialistische Ideologie erfolgende Beschränkung der Frauen auf ihre „ursprüngliche“ Rolle als Gattin und Mutter führte bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zu einem stetig absinkenden Frauenanteil an den deutschen Universitäten. Nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ im Jahre 1933 wurde durch das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ vom 25. April 1933 der Hochschulzugang insgesamt gedrosselt. Für das Jahr 1934 wurde überdies vom Reichsinnenministerium die Zahl der Abiturienten mit Hochschulreife-zeugnis (Studienerlaubnis) auf maximal 15 000 begrenzt; von diesen sollten nur zehn Prozent weiblichen Geschlechts sein Fast 10000 Schülerinnen bestanden 1934 das Abitur, jedoch nur 1699 von ihnen erhielten die Hochschulreife zuerkannt. Ein Studium nahmen hingegen lediglich 774 Abiturientinnen auf. Bereits im Februar 1935 wurde die Zulassungsbeschränkung für Frauen wieder aufgehoben
Die Quoten bei den weiblichen Studienanfängern sind sehr unterschiedlich und schwankend. Die niedrigsten prozentualen Anteile von Studentinnen (WS 1933/34: 13, 9 Prozent; SS 1939: 11, 9 Prozent) wechseln unsystematisch mit den Semestern, die die höchsten Zulassungsziffem aufweisen (SS 1935: 21, 8 Prozent; WS 1938/39: 22, 1 Prozent). Kriegs-bedingt schnellte ihr Prozentsatz im Jahre 1940 auf über 40 Prozent und im Jahre 1941 auf 59 Prozent aller Neuimmatrikulationen hoch, da es — absolut gesehen — zu einer Verdoppelung der (geringen) Studentinnenzahlen kam
Die ablehnende Haltung der Nationalsozialisten gegenüber weiblichen Studierenden wird besonders deutlich in Aussagen von Hans Schemm, dem NS-Lehrerbundführer. Dieser forderte in bezug auf die Mädchenschulbildung: „Lieber zehn Pfund Wissen weniger und zehn Kalorien an Charakter mehr!“ Allerdings wurde Bildung im NS-Staat auch bei Männern gering geschätzt. Männliche Intellektuelle erlangten nur dann ein gewisses Ansehen, wenn sie den nationalsozialistischen Plänen nützlich waren (z. B. als Ingenieure oder Chemiker). Das Verdikt traf die Studentinnen also doppelt, da sie nach der herrschenden Anschauung ihre eigentliche Bestimmung zweifach verrieten, d. h. sich sowohl den Hausfrauen-und Mutterpflichten entzogen als auch der „nutzlosen“ Bildung widmeten.
Vor der Immatrikulation hatte ab Februar 1934 die Teilnahme am zehnwöchigen „freiwilligen“ Arbeitsdienst zu erfolgen. Seit März 1935 wurde durch eine Verfügung des Reichserziehungsministeriums für die zukünftigen Studentinnen die Ableistung des nun sechsmonatigen Reichsarbeitsdienstes der weiblichen Jugend (RADwJ) obligatorisch. Während im Frühjahr 1934 ca. 1400 Abiturientinnen mit Hochschulreife ihrer Arbeitsdienstpflicht nachkamen, verdoppelte sich 1935, als Folge der bereits erwähnten Aufhebung der weiblichen Zulassungsquotierung, die Zahl der studierwilligen Abiturien-tinnen auf mehr als 3000 Da nur eine beschränkte, für den großen Andrang unzureichende Anzahl von Einsatzstellen im RADwJ zur Verfügung stand, wurde die allgemeine Dienstzeit 1935 auf 13 Wochen halbiert, um allen die Ableistung zu ermöglichen. Im Frühsommer 1936 bestand nur für 1900 der 2500 Bewerberinnen die Möglichkeit, ihren Arbeitsdienst abzuleisten. Die übrigen unberücksichtigt gebliebenen Abiturientinnen wurden bis zum Herbst des gleichen Jahres zurückgestellt und konnten deshalb ihr Studium erst im Sommersemester 1937 aufnehmen. Alle bei den medizinischen Untersuchungen für den RADwJ dienstuntauglich erklärten Abiturientinnen wurden zum Dienst im „Arbeitsdank“ verpflichtet. Den Ausgleichsdienst mußten sie im NS-Hilfswerk „Mutter und Kind“ der NS-Volkswohlfahrt ableisten
Bemerkenswert war die Neuregelung des Arbeitsdienstes vom Jahre 1939 an. Dem offiziellen (rein wirtschaftspolitischen) Interesse an einer Steigerung der Akademikerinnenzahl entsprechend, brauchten die Studentinnen seit dem Frühjahr 1939 zum Arbeitsdienst nicht mehr vor dem Studienbeginn anzutreten, sondern konnten die Ableistung auf die Semesterferien oder sogar auf das Ende des Studiums verschieben. Da die gesamtgesellschaftlichen ökonomischen Notwendigkeiten durch den immer deutlicher werdenden Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft nicht länger unbeachtet bleiben konnten, ist nach Klinksiek diese Neuregelung des RADwJ „ein Zeichen dafür, daß das Festhalten an der idealtypischen Frauenrolle nur durch wirtschaftspolitische Zwänge aufgegeben wurde“
Als konkretes Ergebnis dieser rein ökonomisch bedingten Relativierung der Frauenrolle im NS-Staat ist der absolute Anstieg der Studentinnenziffer zu werten, der prozentual gesehen — durch die kriegs-bedingte Einberufung vieler männlicher Kommilitonen — noch deutlich höher ausfiel. In Publikationen der NSDAP wurde die tradierte und ideologisch eigentlich auch gewollte Einteilung der Studiengebiete in rein männliche und/oder gemischte Fachgebiete nun als „zu mechanisch“ hingestellt: „Zu sagen: eine Frau studiert nicht Jura oder nicht Physik ist Unsinn.“ Gleichzeitig wurden jedoch der staatliche Dirigismus und die praktische Anwendbarkeit des Studiums betont, ja geradezu ge-fordert: „Es geht heute nicht mehr an, ziellos zu studieren. Aber gerade die Studentin bedarf der Führung, die ihr aufzeigt, Studium und spätere Einsatzmöglichkeit auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.“
Nachhaltige Verschiebungen sind bei der Studienfachwahl zu konstatieren. Besonders das Medizin-studium und die benachbarte Pharmazie übten eine gesteigerte Anziehungskraft auf die Studentinnen aus Der Anteil der Medizinstudentinnen an der Gesamtzahl der weiblichen Studierenden stieg von 24, 6 Prozent (SS 1932) auf 41, 3 Prozent im Sommer 1939 an Nach Pauwels sind die Ursachen für diesen Boom in den verbesserten ökonomischen Bedingungen zu suchen. Außer dem weitgehenden Ausschluß von jüdischen Ärzten ist die stärkere Orientierung der Männer auf medizinische Karrieren im Staats-und Parteiapparat zu nennen Neben dem wachsenden Bedarf der Wehrmacht sind auch die Parteiorganisationen zu beachten; so gehörten z. B. 3 000 Ärzte der SS an, von denen viele in den Konzentrationslagern beschäftigt und an den dortigen verbrecherischen medizinischen Versuchen beteiligt waren. Der gesundheitlich-medizinische Sektor bot den Frauen ein staatlich sanktioniertes berufliches Tätigkeitsfeld, zumal sie — aus der Sicht der NS-Ideologie — für die „Pflegeberufe wie geschaffen“ waren
Beim Studium der Leibeserziehung, dessen prozentualer weiblicher Anteil sich zwischen 1932 und 1939 von 0. 9 Prozent auf 4, 6 Prozent aller immatrikulierten Frauen verfünffachte, ist die gesteigerte Bedeutung des Sports im Dritten Reich zu berücksichtigen. Genährt aus der NS-Ideologie („völkische“ und „körperliche Auslese“) und dem paramilitärischen Kampf-und Ausdauertraining für den Krieg, avancierte das Fach zu einem wichtigen Erziehungsbereich. In den schulischen Stundenplänen rückte die Leibeserziehung mit insgesamt 40 Wochenstunden (vor Deutsch mit 33 Wochenstunden) an die Spitze des Fächerkanons der in der gesamten Schulzeit zu durchlaufenden Pflichtstundenzahl Für die Frauen kam überdies noch der „biologische Aspekt“ der „rassischen“ Fortpflanzungsaufgabe hinzu, der die Bedeutung der Leibeserziehung für das Gesundheitsverhalten betonte. Außerdem dürften die verkürzten und modifizierten Studien-bedingungen (zum Teil war ein Studium ohne Reifezeugnis möglich) zur wachsenden Attraktivität dieses „neuen“ Studienganges beigetragen haben
Größere Einbußen mußten hingegen die philologischen Fächer hinnehmen: Germanistik studierten nur noch 4, 7 Prozent aller Studentinnen im Sommersemester 1939 gegenüber 9, 1 Prozent im Sommersemester 1932; in den neuen Sprachen sank der Anteil von 9, 3 Prozent (SS 1932) auf 3, 4 Prozent (SS 1932). Gravierend wirkte sich die staatlich sanktionierte Benachteiligung von Frauen im öffentlichen Dienst auf die Rechtswissenschaft aus, für die im Sommersemester 1939 nur noch 0, 9 Prozent aller Studentinnen (SS 1932: 5, 7 Prozent) eingeschrieben waren
An den ideologisch gleichgeschalteten Universitäten setzte mit dem ersten Semester für die Studentinnen eine , frauenspezifische* Schulung ein. Sie bezog neben hauswirtschaftlichen Kursen auch Volkstanz und Heimatkunde ein. Überdies wurden, ganz im Sinne der militärischen Mobilmachung der „Volksgenossenschaft“, Kurse in Erster Hilfe, Nachrichtendienst und Luftschutz abgehalten
Das starke Absinken der absoluten Studentenzahlen im Dritten Reich war gekoppelt mit einer wachsenden Selbstrekrutierungsrate aus den akademischen Schichten: Während im Sommersemester 1932 bei 32, 1 Prozent aller weiblichen Studierenden der Vater eine abgeschlossene Hochschulbildung besaß (männlicher Anteil: 20. 8 Prozent), stieg der Anteil der Väter mit Hochschulstudium bis zum Wintertrimester 1941 auf 34, 1 Prozent aller Studentinnen (bzw. 23, 9 Prozent der Studenten) an. Dies zeigt, daß im Dritten Reich sich der Hoch-schulbesuch wieder stärker auf die „höheren Töchter“ beschränkte. Das hatte vor allem zwei Ursachen. Zum einen konnten Mädchen, die in akademischen Kreisen aufgewachsen waren (bzw. ihre Eltern), den Wert einer solchen Ausbildung eher erkennen. Zum anderen bot die Partei mit ihren Nebenorganisationen Karrieristinnen aus nichtakademischen Familien preiswertere Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs als ein Hochschulstudium. Das Gleichschaltungsprinzip galt auch für geistige Leistungen („Arbeiter der Stirn und der Faust“); hier erwies sich der Nationalsozialismus als beklemmend „modern“.
Wie Lorenz zu den Ergebnissen ihrer Untersuchung lapidar bemerkte, kam es innerhalb ihres Untersuchungszeitraumes (SS 1932 — Wintertrimester 1941) zu „tendenzmäßigen Verschiebungen“ Prägnante Veränderungen betreffen insbesondere die Beamtenschaft; hier sank der Anteil der mittleren und unteren Bediensteten bei den Vätern der Studentinnen mit 23, 5 Prozent (1941) sogar unter die Werte des Kaiserreichs, der Anteil der höheren Beamten wie auch der der Ärzte (von fünf auf sechs Prozent) stieg jedoch. Dies bedeutet, daß die Verbreiterung der sozialen Rekrutierung, die sich vor allem in der Weimarer Zeit vollzogen hatte, minimiert bzw. revidiert wurde.
Während die Berufsgruppe der Handel-und Gewerbetreibenden als soziales Rekrutierungsfeld — u. a. durch den zwangsweisen Ausschluß der jüdischen Studierenden — nachhaltig an Bedeutung verlor, wuchs die prozentuale Beteiligung der Großindustriellen um ein Drittel; auch die absoluten Zahlen für diesen Personenkreis weisen die geringsten Verluste aller Berufsgruppen auf. Die ohnehin schon geringe Relevanz (1, 4 Prozent) der Arbeiterschaft als beruflich-sozialem Herkunftsmilieu halbierte sich in den dreißiger Jahren und erreichte in seiner Bedeutung als Rekrutierungsfeld der weiblichen Studierenden die Bedeutung der Apothekerschaft, d. h. eines Berufsstands, dessen männliche Erwerbstätige lediglich ein Promille der gesamten Arbeiterschaft darstellten.
Zur Kontrastierung dieser Diskrepanz sollen kurz die Anteile einiger ausgewählter Berufsgruppen an den hauptberuflichen Erwerbstätigen am Äusgang der Weimarer Republik ihrem jeweiligen Anteil an der sozialen Herkunft der Studentinnen gegenübergestellt werden. Während auf je 41 000 Arbeiter eine Studentin aus dieser Sozialschicht kam, waren die Proportionen bei den übrigen Berufsgruppen deutlich kleiner. So entfiel bereits auf je 68 Volksschullehrer, je 62 Apotheker, je 47 Ärzte und je 37 protestantische Geistliche eine studierende Frau aus der jeweiligen Berufsgruppe Diese Differenzen zwischen der Arbeiterschaft einerseits und Volksschullehrem, Apothekern sowie Ärzten und Geistlichen andererseits zeigen deutlich den Fortbestand sowohl finanzieller Barrieren als auch tradierter Bildungs-und Sozialwerte, die sich im Frauenstudium in Deutschland bis 1945 nachhaltig manifestierten.
V. Resümee
Die Entwicklung des Frauenstudiums in Deutschland war ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur weiblichen Emanzipation; denn der Ausschluß vom Studium bedeutete für die Frauen zugleich einen Ausschluß von qualifizierten Berufen, gesellschaftlichem Einfluß und Macht. Ihre offizielle Zulassung zu den Universitäten begann im Jahre 1900, hatte sich jedoch erst neun Jahre später in allen deutschen Einzelstaaten durchgesetzt. In der Weimarer Republik stieg die Zahl der Studentinnen rasch an. Die ideologische Beschränkung der Frauen auf „ihre ursprüngliche Rolle“ in Familie und Haushalt nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ ergab kurzfristig eine Verzögerung vor allem der zahlenmäßigen Entwicklung, doch der wachsende Arbeitskräftebedarf und die ökonomischen Schwierigkeiten besonders in den Kriegsjahren bewirkten rasch eine Revidierung der NS-Hochschulpolitik. Allerdings führten die für Frauen während der dreißiger Jahre wenig aussichtsreichen Arbeitsmarktchancen und die allgemein drastisch verringerten Studierendenzahlen dazu, daß das Hochschulstudium wieder zum Privileg „höherer Töchter“ und abhängig von den finanziellen Möglichkeiten des Elternhauses wurde.
Lothar Mertens, geb. 1959; seit 1988 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Veröffentlichungen u. a.: Die Neulehrer. Die „grundlegende Demokratisierung der deutschen Schule“ in der SBZ und die Veränderungen in der Lehrerschaft, in: Deutsche Studien, 26 (1988); (zus. mit D. Voigt) Stichwort „Sozialismus“, in: Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart 1989.
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