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Frauenerwerbstätigkeit -Eine vergleichende Bestandsaufnahme | APuZ 28/1989 | bpb.de

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APuZ 28/1989 Artikel 1 Die Entwicklung des Frauenstudiums in Deutschland bis 1945 Frauenstudium nach 1945 — Ein Rückblick Frauenerwerbstätigkeit -Eine vergleichende Bestandsaufnahme Junge Frauen in Partnerschaft und Familie

Frauenerwerbstätigkeit -Eine vergleichende Bestandsaufnahme

Uwe Becker

/ 25 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Hinsichtlich der Stellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen hochindustrialisierten Ländern, die sich in den letzten 20 Jahren nicht verringert, sondern weiter ausgeprägt haben. Im Vergleich schneiden die skandinavischen Länder durchweg am besten ab. Die Bundesrepublik ist am unteren Ende der Skala zu finden. Die Unterschiede erklären sich aus divergierenden politischen Anstrengungen zur Förderung weiblicher Erwerbstätigkeit, voneinander abweichenden ökonomischen Strukturen sowie aus unterschiedlichen Auffassungen zur Rolle der Frau in Wirtschaft und Gesellschaft. Obwohl die Erwerbstätigkeit von Frauen in allen Ländern zugenommen hat — in der Bundesrepublik allerdings nur geringfügig —, ist die wirtschaftliche Emanzipation der Frauen noch längst nicht verwirklicht: Mit Ausnahme der skandinavischen Länder liegen die Löhne der Frauen immer noch erheblich unter denen der Männer. Zudem arbeiten die Frauen vor allem in Teilzeitarbeitsverhältnissen, deren Entlohnung meist nicht zu selbständiger Lebensführung ausreicht. Darüber hinaus sind die Arbeitsplätze der Frauen wegen der immer noch bestehenden geschlechtsspezifischen Teilung des Arbeitsmarkts durch die mikroelektronische Umstrukturierung der Wirtschaft stärker gefährdet als jene der Männer.

Eine der zentralen Zielsetzungen der Frauenbewegung ist seit jeher die Förderung wirtschaftlicher Selbständigkeit der Frauen. Ein Arbeitsplatz und eigenes Einkommen gelten hierfür als Schlüssel. Die Frage ist, inwieweit diese Zielsetzung realisiert ist und was die weiteren Aussichten sind. Eine Phase wenig stabiler ökonomischer Entwicklung, hoher Arbeitslosigkeit nahezu überall und die restriktive Haushaltspolitik vieler Länder bieten gewiß nicht die günstigsten Bedingungen zur Ausweitung der Frauenerwerbstätigkeit; und wie sich die gegenwärtige „industrielle Revolution“ auf ihre Erwerbstätigkeit auswirken wird, ist vorerst kaum abzuschätzen. Die Meinungen über die künftige Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt gehen dementsprechend auseinander. Einerseits gibt es Studien, die auf der Basis von statistischen Langzeittrends das Ende von Hausfrauenehe und „Ernährerprinzip" voraussagen Andererseits sind es vor allem Arbeiten aus dem Umfeld der Gewerkschaften, die die Lage der erwerbstätigen Frau durch die jüngsten und noch zu erwartenden technologischen Veränderungen bedroht sehen Tatsächlich verweisen beide Standpunkte auf reale Möglichkeiten: Immer weniger Frauen betrachten ihre Rolle als Hausfrau als naturgegeben und immer mehr streben nach bezahlter Arbeit Gerade in denjenigen Bereichen und Berufen aber, in denen sie überwiegend beschäftigt sind und in denen ihr Anteil in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark zugenommen hat — in Büros, im Banken-und Versicherungswesen sowie im Einzelhandel —, zeichnet sich bereits in vielen Ländern eine Stagnation oder gar ein Rückgang ihrer Beschäftigung ab. Zudem betrifft der Trend zu flexibleren Arbeitsverhältnissen in erster Linie die Frauen. Welche der beiden genannten Möglichkeiten sich schließlich durchsetzen wird, ist nicht zuletzt eine Frage der Politik und der Beharrlichkeit traditioneller Auffassungen der Männer. Da die ökonomische Position der Frauen in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ist, wird diese Frage sich jedoch jeweils anders darstellen.

Tabelle 4: Frauen in Teilzeitbeschäftigung 1973— 1985.3 Quelle: OECD, Employment Outlook 1985, Paris 1985. 1979 1985 in % der Teilzeitbeschäftigten insgesamt 1973 1979 1985

Anhand einer komparativen Inventarisierung der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten kann zunächst einmal über die Möglichkeiten einer weiteren Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit informiert werden, denn die bestehenden Unterschiede verweisen auf in vielen Ländern nicht ausgeschöpfte Potentiale.

I. Der globale Trend

Tabelle 1: Frauenerwerbsquote und -anteil von Frauen sowie allgemeine Erwerbsquote in 16 Ländern. Quelle: OECD, Labour Force Statistics 1966— 1986, Paris 1988.

Die Erwerbsquote der Frauen hat in allen hochindustrialisierten kapitalistischen Ländern während der vergangenen 20 Jahre beinahe stetig zugenommen. Wenngleich seit 1980 in einigen Ländern diese Zunahme geringer ausfällt und u. a. in der Bundesrepublik zwischen 1981 und 1984 gar ein Rückgang zu verzeichnen war, ist es doch seit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1974/75 nirgends zu einem grundlegenden Bruch in der Entwicklungstendenz gekommen. Tabelle 1 läßt dies deutlich erkennen. Soweit es ihre Teilhabe am Erwerbsleben betrifft, scheint der Emanzipationsprozeß der Frauen auf

Tabelle 5: Frauenstundenlöhne in Prozent der Männerstundenlöhne in Industrie und (ohne Landwirtschaft) 22) • 1978 Industrie 1983. Quelle: International Labour Office, Yearbook of Labour Statistics 1988, Genf 1988 (bzw. 1987 für Japan); eigene Berechnungen; für die USA; J. P. Smith/M. Ward, Women in the Labor Market and in the Family, in: The Journal of Economic Perspectives, 3 (1989) 1, S. 10. 1987 1978 „Gesamtwirtschaft“ 1983 1987

den ersten Bück also nicht ins Stocken geraten zu sein. Die Erwerbsquoten allein sind zu dieser Beurteilung allerdings nicht aussagekräftig genug. Wie weiter unten noch ausgeführt wird, müssen dabei auch die relativen Löhne der Frauen sowie das Ausmaß weiblicher Teilzeitbeschäftigung berücksichtigt werden. Außerdem besagt die Erwerbsquote nichts über die Art der Arbeit von Frauen.

Tabelle 6: Auffassungen der Bevölkerung über die ideale geschlechtliche Arbeitsteilung sowie Präferenz der Männer über die Rolle der Ehefrau in 7 EG-Staaten 1987 in Prozent . Quelle: EG-Kommission, Men and Women of Europe in 1987, in: Women of Europe, Supplement Nr. 26, Brüssel 1988; die Kategorie „keine Antwort“ wurde in der Tabelle nicht berücksichtigt.

Die Erwerbsquoten der einzelnen Länder differieren zum Teil erheblich. Der Versuch, diese Differenzen detailliert zu erklären, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Hier ist es nur möglich, den Sachverhalt zu beschreiben und des weiteren Zusammenhänge darzustellen, die ansatzweise die Ursachen dieser Unterschiede beleuchten.

Tabelle 7: Arbeitslosenquote von Frauen und Männern 1975— 1986. Quelle: OECD, Labour Force Statistics 1966— 1986. Genf 1986

Auffallend sind nicht nur die Unterschiede und der Platz der Bundesrepublik am unteren Ende der Skala mit einem Partizipationsgrad von nur 50 Prozent im Jahre 1986. Noch prägnanter ist, daß auf diesem Niveau die Frauenerwerbsquote sowohl in der Bundesrepublik als auch in Japan, Österreich und in der Schweiz während der gesamten, von der Tabelle erfaßten 20 Jahre und sogar noch weit darüber hinaus stagnierte, denn bereits 1907 war im Deutschen Reich ein ähnliches Niveau erreicht Man muß allerdings berücksichtigen, daß sich hinter der Fassade abstrakter Zahlen tiefgreifende Umschichtungen der sozio-ökonomischen Struktur abgespielt haben, die sich mit den Stichworten „Schrumpfen des — besonders auch landwirtschaftlichen — Mittelstands“ sowie „Bildungsboom“ andeuten lassen. Mehr oder weniger gilt dies jedoch für alle Länder.

In den traditionell sozialdemokratischen Staaten Skandinaviens ist die Frauenerwerbsquote am höchsten — in Schweden beinahe doppelt so hoch wie in den Niederlanden. Dieser Aspekt fügt sich ein in das Gesamtbild dieser Länder, das von niedriger Arbeitslosigkeit (außer zeitweise in Dänemark) und überaus entwickelter Sozialstaatlichkeit geprägt wird. Nicht das Auffangen der Folgen von Arbeitslosigkeit durch das „soziale Netz“ steht hier im Mittelpunkt, sondern die Förderung der Beschäftigung. Der Prototyp dieses Modells ist Schweden, wo der Anspruch des Rechts auf Arbeit sich weitgehend durchgesetzt hat. Die Gesamtzahl der Erwerbstätigen ist hier (ähnliches gilt für die anderen skandinavischen Länder) trotz Krise und Bevölkerungswachstum zwischen 1966 und 1986 von 73, 4 auf 81, 3 Prozent gestiegen. In deutlichem Gegen-23 satz dazu stehen die Bundesrepublik und die Schweiz (in geringerem Maße auch Frankreich und Österreich), wo die allgemeine Erwerbsquote trotz geringeren Bevölkerungswachstums im selben Zeitraum stark gesunken ist.

Der hohe Grad der Frauenerwerbstätigkeit basiert in Schweden zum einen auf der 1971 eingeführten Individualbesteuerung der abhängig Beschäftigten -Der Anreiz zu einer Erwerbstätigkeit von möglicherweise auch nur wenigen Wochenstunden ist hier wesentlich größer als in Ländern, in denen erwerbstätige Frauen die steuerlichen Vergünstigungen ihrer Ehemänner herabdrücken. Der zweite Grund der hohen Arbeitsmarktpartizipation skandinavischer Frauen liegt in der gut ausgebauten sozialen Infrastruktur der Frauenerwerbstätigkeit. So gab es z. B. in Schweden (1982) für 35 Prozent und in Dänemark für 40 Prozent der Kinder von bis zu drei Jahren sowie für 33 bzw. 55 Prozent der Kinder von drei bis sechs Jahren öffentliche (oder staatlich finanzierte) ganztägige Betreuungsmöglichkeiten in Kinderkrippen oder Tagesstätten. Die vergleichbaren Zahlen für die Bundesrepublik sind 1980 1, 4 bzw. 75 Prozent, wobei die letztere Zahl sich, abgesehen von einem Bruchteil, auf nicht-ganztägige Kindergartenplätze bezieht Außerdem sind noch die günstigen Mutterschafts-bzw. Elternregelungen, der ganztägige Unterricht mit Schulmahlzeit und die strikte Anti-Diskriminierungsgesetzgebung in Skandinavien zu nennen. Schließlich sollte erwähnt werden, daß man hier soweit säkularisiert ist, daß traditionelle religiöse Definitionen der Geschlechtsrollen einen vergleichsweise geringen Einfluß auf den Grad der Frauenerwerbstätigkeit haben.

Der kirchlich-religiöse Einfluß bestimmte dagegen lange Zeit die sehr niedrigen Partizipationsraten niederländischer und italienischer Frauen. War es in Italien der Katholizismus, so war es in den Niederlanden eine calvinistische Familienideologie, die die (verheirateten) Frauen dort fest an den heimischen Herd band und auch die Gesetzgebung in diese Richtung lenkte Deutfiche Veränderungen zeichnen sich hier erst während der vergangenen 15 bis 20 Jahre ab, in denen die niederländische Frauenerwerbsquote um mehr als ein Drittel anstieg.

Dies ist aber in erster Linie — wie mehr oder weniger in allen Ländern — der (übrigens zusammenhängenden) Expansion von Dienstleistungen und Teilzeitarbeit zuzuschreiben, denn veränderte Auffassungen schaffen allein noch keine zusätzlichen Arbeitsplätze.

Die von den USA angeführte Mittelgruppe kennt weder eine intensive und institutionalisierte Förderung noch außergewöhnliche Hindernisse der Frauenerwerbstätigkeit. Hinsichtlich der nordamerikanischen Staaten muß jedoch angemerkt werden, daß dort das soziale Netz wesentlich grobmaschiger geknüpft ist als in Nordwesteuropa. Außerdem sind die Reallöhne dort in der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums wieder auf den Stand von 1971 zurückgefallen, wodurch bei steigenden Zins-und Hypotheklasten gerade die Hausbesitzer in finanzielle Schwierigkeiten kamen. Auch diese Faktoren können in Zusammenhang gebracht werden mit der in den USA und Kanada rapide gestiegenen Frauenbeschäftigung. Laut „The Economist“ vom 23. August 1986 wurden in den USA 73 Prozent der seit 1979 neu geschaffenen Arbeitsplätze von Frauen besetzt. Diese Frauen drängten in hohem Maße auf den Markt der „bad jobs“, z. B. in den „Fast food“ -Ketten 1. Wenig Dienstleistungen — geringere Frauenbeschäftigung Die differierenden Frauenerwerbsquoten in dem angelsächsischen/französischen Sprachraum einerseits und dem deutschen andererseits rühren auch von unterschiedlichen ökonomischen Strukturen der jeweiligen Länder her. Wie aus Tabelle 2 hervorgeht, ist der Dienstleistungssektor in den USA, Kanada und Großbritannien wesentlich größer als in der Bundesrepublik und in der Schweiz. Während in der Bundesrepublik nur gut die Hälfte aller Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor beschäftigt ist, sind es in Großbritannien rund zwei Drittel und in Nordamerika gar 70 Prozent — und dies bei einer insgesamt höheren Erwerbstätigkeit als hierzulande. Je höher die Erwerbstätigkeit im Dienstleistungssektor eines Landes, nicht nur relativ zur Gesamt-beschäftigung, sondern auch in absoluten Zahlen ist, desto größer ist bei der gegebenen geschlechtsspezifischen Teilung (Segregation) des Arbeitsmarktes auch das Potential an Arbeitsplätzen für Frauen. Wie Belgien und mehr noch die Niederlande illustrieren, impliziert ein nur relativ umfangreicher Dienstleistungssektor (68, 4 bzw. 67, 5 Pro-zent), der zudem einen sehr hohen Prozentsatz der Frauen (84, 3 und 85, 5) beschäftigt, keineswegs automatisch eine hohe Frauenerwerbsquote. In diesen Ländern ist die Erwerbstätigkeit insgesamt sehr niedrig, was auch darin zum Ausdruck kommt, daß der Anteil der Frauen im Dienstleistungssektor nicht nur unter 50 Prozent, sondern auch noch unter dem Niveau der Bundesrepublik und der Schweiz mit ihren relativ kleinen Dienstleistungssektoren liegt

Wenn weder die bestehenden Arbeitsplätze radikal zuungunsten der Männer umverteilt werden und/oder die Arbeitszeit radikal verkürzt wird, noch die Löhne im Dienstleistungssektor sowie durch die Ausweitung von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen die dortige durchschnittliche Wochenarbeitszeit pro Beschäftigtem herabgesetzt werden, dann ist eine wesentliche Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit in einem Land wie den Niederlanden nur über eine drastische Expansion der Beschäftigung in der Industrie zu erreichen, auf deren Basis sich der Dienstleistungssektor dann auch weiter ausdehnen könnte. Denn das autonome Wachstum dieses Sektors dürfte dort bei der gegebenen und in absehbarer Zukunft zu erwartenden industriellen Produktivität bald seine Grenzen erreichen. (Die Entwicklung in den nordamerikanischen Staaten, wo die Beschäftigung im Dienstleistungssektor in den letzten 20 Jahren nur noch leicht expandierte, deutet an, daß deren Grenze derzeit um die 70 Prozent liegen dürfte.) Dies bedeutet, daß zur Förderung der Frauenerwerbstätigkeit im Rahmen der vorherrschenden Arbeitsmarktsegregation zunächst neue Arbeitsplätze für die Männer geschaffen werden müßten. Statistisch gesehen, ist in der Bundesrepublik mit ihrer relativ starken industriellen Basis dagegen sehr wohl noch eine weitere autonome Vergrößerung des Dienstleistungssektors möglich — und damit eine Erhöhung der Frauenerwerbsquote auf diesem Weg.

Möglichkeiten gäbe es z. B. im sozialen Dienstleistungssektor (Gesundheit, Fürsorge verschieden-25 ster Art, Bildung), der hierzulande geradezu unterentwickelt ist. 1982 arbeiteten in diesem Sektor elf Prozent der Erwerbstätigen gegenüber 18 Prozent in den USA, 15 Prozent in Großbritannien und gar 26 Prozent in Schweden. Von den Frauen arbeiteten hier in'der Bundesrepublik 18, 3 Prozent, in Schweden waren es (1983) 44, 7 Prozent Im Hinblick auf die Segregation des Arbeitsmarkts, aufgrund der die Frauen in Dienstleistungsberufen konzentrier Prozent in Großbritannien und gar 26 Prozent in Schweden. Von den Frauen arbeiteten hier in'der Bundesrepublik 18, 3 Prozent, in Schweden waren es (1983) 44, 7 Prozent 11). Im Hinblick auf die Segregation des Arbeitsmarkts, aufgrund der die Frauen in Dienstleistungsberufen konzentriert sind und dort in erster Linie wieder in jenen — personenbezogenen, Einfühlungsvermögen, umsorgende und erzieherische Qualitäten erfordernden — Aufgabenbereichen, die dem dominanten Bild von Weiblichkeit entsprechen, ist der Umfang dieses Sektors ein bestimmender Faktor für das Ausmaß der Erwerbstätigkeit von Frauen. Ein Niveau wie in Schweden ist jedoch ohne politische Steuerung kaum zu erreichen. Denn daß dieser Sektor dort so umfangreich ist, hängt eng zusammen mit dem dortigen Grad der staatlichen Beschäftigung, die 1983 31, 8 Prozent betrug und damit genau doppelt so hoch war wie in der Bundesrepublik 12). Die in Schweden verhältnismäßig gut ausgebaute öffentliche ganztägige Kinderbetreuung, ein personalintensives (anstelle eines, wie hierzulande, apparateintensiven) Gesundheitswesen und ein Bildungssystem, das billiger ist als das deutsche und damit kleinere Klassen ermöglicht, erklären — abgesehen von der in Schweden mehr verbreiteten Teilzeitarbeit — einen Großteil der Beschäftigungsdifferenz zwischen beiden Ländern im sozialen Dienstleistungssektor und auch einen Teil jener im gesamten öffentlichen Dienst 13).

Ein ganz besonderer Fall ist Japan. Die Frauenerwerbsquote ist hier mit 57, 4 Prozent im Jahre 1986 (und auch schon mit 56, 2 Prozent im Jahre 1966) zwar relativ hoch, aber diese Zahlen sind anders zu bewerten als die Quoten der westlichen Länder. Zunächst einmal gehören 20. 5 Prozent (1984) der erwerbstätigen Frauen in Japan zur Kategorie der „mithelfenden Familienangehörigen“ (zum Vergleich: Bundesrepublik 7, 8, USA 0, 9, Schweden 0, 6 Prozent) und 13 Prozent sind selbständig oder „auf eigene Rechnung“ tätig (Bundesrepublik 5, 2, USA 6, 0, Schweden 4, 2 Prozent) 14). Mithelfende Familienangehörige können aber kaum als unabhängige Wirtschaftssubjekte betrachtet werden, und der japanische Prozentsatz dieser Gruppe verweist auf einen Umfang des traditionellen Mittelstands in der Sozialstruktur, wie er in Nordwesteuropa in den fünfziger Jahren gegeben war. Unter der Rubrik der auf eigene Rechnung Tätigen verbirgt sich in Japan eine große Anzahl von Heimarbeiterinnen und sonstigen Zwischenkategorien, die den „flexiblen“ japanischen Arbeitsmarkt charakterisieren. Bekanntermaßen gibt es dort zum einen die moderne, auf den Export gerichtete Großindustrie mit ihrer fest angestellten, meist männlichen Stammbelegschaft und zum anderen die kleineren, auf den Binnenmarkt orientierten Industrie-und Handelsbetriebe, die wesentlich niedrigere Löhne bezahlen und in denen der Großteil der lohnabhängigen Frauen beschäftigt ist. Die „selbständigen“, individuellen Zulieferer vervollkommnen das Bild dieser hierarchischen Verhältnisse 15), die von so manchem europäischen Politiker als nachahmenswert empfohlen werden.

Wie Tabelle 3 zeigt, ist Japan auch das einzige hochindustrialisierte kapitalistische Land mit einer sehr hohen Erwerbsquote von Frauen, die bereits 65 Jahre oder gar älter sind. Weiter verdeutlicht diese Tabelle, daß die Erwerbsquote in allen Ländern besonders in der Altersgruppe der 25-bis 54jährigen Frauen gestiegen ist, also in derjenigen Altersgruppe, in der sich auch der Großteil verheirateter Frauen befindet. Am bemerkenswertesten sind die sehr hohen Erwerbsquoten der schwedischen und finnischen Frauen dieser mittleren Altersgruppe. Die verhältnismäßig größte Zunahme kann in den Niederlanden registriert werden, während die Frauenerwerbsquote in der Bundesrepublik einzig und zudem vergleichsweise gering in dieser Altersgruppe anstieg. Die Partizipation der 15-bis 24jährigen Frauen hat dagegen ebenso wie in Japan, Frankreich und der Schweiz abgenommen. Eine auf der Hand liegende Erklärung für diese Entwicklung ist die Verlängerung der Schulzeit und der zunehmende Besuch weiterführender Bildungseinrichtungen auch von Mädchen und Frauen. Sie ist jedoch ohne nähere Differenzierung unbrauchbar, da diese Entwicklung überall stattfand.

Eine Kategorie, die besonderer Aufmerksamkeit bedarf, ist die Gruppe der in der Tabelle nicht aufgeführten Frauen mit betreuungsbedürftigen Kindern. Einer Sich allerdings auf einige wenige Länder beschränkenden und nicht standardisiert vergleichenden Untersuchung der UNO zufolge liegt ihre Erwerbsquote in Schweden nicht unter jener gleichaltriger Frauen ohne Kinder. Von den Frauen mit Kindern von bis zu sechs Jahren arbeiteten 1983 81. 8 Prozent, von denen mit Kindern von 7 bis 16 Jahren 88, 3 Prozent. In der Bundesrepublik waren laut dieser Untersuchung im Jahre 1982 nur 44 Prozent der Frauen mit Kindern unter 18 Jahren berufstätig. Dies mag Zusammenhängen mit unterschiedlichem Mutterschaftsverständnis, aber es unterstreicht auch die Bedeutung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten für die Erwerbstätigkeit der Frauen.

Auffällig sind schließlich die niedrigen und fallenden Erwerbsquoten der 55-bis 64jährigen Frauen in Frankreich, Großbritannien, der Bundesrepublik, der Schweiz (zudem Italien, wenngleich dessen Statistik abweichend ist) und insbesondere in den Niederlanden. Eine Teilerklärung dieses Phänomens wird in Vorruhestandsregelungen zu suchen sein, die seit Ende der siebziger Jahre auch speziell angeboten werden, um die Arbeitslosenzahlen zu drücken.

II. Wirtschaftliche Emanzipation?

Tabelle 2: Frauenbeschäftigung nach Wirtschaftssektoren 1966 und 1986; Beschäftigung von Männer und Frauen im Dienstleistungssektor in Prozent der Gesamtbeschäftigung 1986 und Anteil der Frauen in Prozent der Gesamtbeschäftigung dieses Sektors . Quelle: OECD, Labour Force Statistics 1966— 1986, Paris 1988; für die Niederlande (1987) CBS, Statistisch Zakboek 1987, Heerlen 1988; eigene Berechnungen.

Wenn man wissen will, inwieweit die einzelnen Erwerbsquoten der Frauen ihre ökonomische Emanzipation ausdrücken, dann muß man zunächst in Erfahrung bringen, in welchem Maße ihre Erwerbstätigkeit ihnen finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht. Indikatoren hierfür sind der Grad der Teilzeitbeschäftigung sowie das Lohnniveau im Vergleich zu dem der Männer. 1. Teilzeitarbeit Die übergroße Mehrheit der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen, und in einigen Ländern beträgt ihre Quote um die 50 Prozent. Überraschend ist vielleicht, daß gerade in den skandinavischen Ländern, wo die Frauenerwerbsquote am höchsten ist, auch die Teilzeitbeschäftigung der Frauen den größten Umfang hat. Nur Finnland bildet da eine Ausnahme. Dies bedeutet, daß, gemessen in Arbeitsstunden, die Frauenbeschäftigung in diesem Lande, und nicht in Schweden, die höchste der westlichen Welt ist. Die Verdoppelung der Quote der teilzeitbeschäftigten Frauen in den Niederlanden zwischen 1973 und 1985 läßt darauf schließen, daß dort der Anstieg der Frauenerwerbsquote in der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums ausschließlich durch die Expansion der Teilzeitarbeit hervorgerufen wurde.

Beachtenswert am unteren Ende der Skala ist auch, daß die niedrige Teilzeitarbeitsquote der italienischen Frauen während der letzten Jahre, und entgegen der allgemeinen Tendenz, sogar noch gefallen ist. Dies hängt zusammen mit tarifvertraglichen und gesetzlichen Regelungen, die die Vollzeitbeschäftigten (de facto vor allem die Männer) privilegieren. Es ist aber auch nicht abwegig, wenn man annimmt, daß teilzeitbeschäftigte Frauen in Italien in überdurchschnittlichem Maße in der sehr umfangreichen „Schattenwirtschaft“ tätig sind Durchschnittlich ist ein Zuwachs zu verzeichnen, der mehrere Ursachen hat. Zunächst einmal gibt es eine spezifische Nachfrage nach Teilzeitarbeitsplätzen von verheirateten Frauen und insbesondere von Müttern betreuungsbedürftiger Kinder In der Bundesrepublik waren 1984 83 Prozent aller teilzeitbeschäftigten Frauen verheiratet, und 48 Prozent hatten Kinder unter 16 Jahren Teilzeitbeschäftigung eröffnet diesen Frauen am ehesten die Möglichkeit, mit der Doppelbelastung von Erwerbstätigkeit und Hausarbeit fertig zu werden, die ihnen von dem weitgehend intakten patriarchalen Geschlechtsrollenverständnis immer noch aufgebürdet wird. Daß dieser Nachfrage durch die Schaffung von mehr Teilzeitarbeitsplätzen auch — teilweise — entsprochen wurde, erklärt sich aus der veränderten ökonomischen Struktur sowie aus der politischen Förderung der Teilzeitarbeit, deren Bestreben es ist, die Arbeitslosigkeit zu begrenzen. Ob, inwieweit und in welchen Ländern die Zunahme der weiblichen Teilzeitarbeit auch bedingt ist durch eine spezielle Frauenförderungspolitik, müßte noch näher untersucht werden.

Trotz des absoluten Zuwachses ist der Anteil der Frauen an der Gesamtheit aller Teilzeitbeschäftigten im Durchschnitt weitgehend konstant geblieben. In Ländern wie Schweden und den Niederlanden, aber auch in Dänemark, Finnland und Großbritannien hat die Teilzeitbeschäftigung von Männern ebenfalls erheblich zugenommen — allerdings von einem sehr viel niedrigerem Niveau aus. Vier Fünftel aller Teilzeitbeschäftigten sind Frauen, und in der Bundesrepublik und Großbritannien sind es sogar ca. 90 Prozent.

Hinter dem Begriff „Teilzeitarbeit“ verbergen sich Beschäftigungsverhältnisse unterschiedlicher Wochenarbeitszeiten mit einer — meist genannten — Obergrenze von 35 Stunden. In der Bundesrepublik hatte 1984 nur eine kleine Minderheit der teilzeitbeschäftigten Frauen (drei Prozent) eine Wochenarbeitszeit von mehr als 30 Stunden. Die meisten, 48 Prozent, arbeiteten 20 bis 25 Stunden, bei jeweils 14 Prozent betrug die Arbeitszeit 26 bis 30 bzw. weniger als zehn Stunden, zehn Prozent kamen auf eine Wochenarbeitszeit von 10 bis 20 Stunden, weitere zehn Prozent hatten keine feste Arbeitszeit. Insgesamt 16 Prozent befanden sich im Bereich unterhalb der 15-Wochenstunden-Grenze der gesetzlichen Renten-und Krankenversicherung, der zwischen 1970 und 1984 doppelt so schnell angewachsen war wie die gesamte Teilzeitarbeit von Frauen. Diese 16 Prozent bilden zusammen mit den Frauen ohne feste Arbeitszeit die Kategorie der „geringfügig und unregelmäßig Beschäftigten“; insgesamt immerhin ein Viertel aller teilzeitbeschäftigten Frauen. 73 Prozent der in relativ instabilen und auch sozial wenig abgesicherten Verhältnissen beschäftigten Frauen dieser Kategorie hatten Kinder von unter 16 Jahren, und die Hälfte verfügte über keine abgeschlossene Berufsausbildung

Teilzeitbeschäftigung impliziert ein niedrigeres Einkommen. Bei einer durchschnittlich etwas mehr als 20stündigen Wochenarbeitszeit der teilzeitbeschäftigten Frauen und dementsprechend ungefähr der Hälfte des Bruttoeinkommens bei Vollzeitbeschäftigung kann davon ausgegangen werden, daß ein hoher Anteil kein Einkommen bezieht, das finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht. Wahrscheinlich hat das Einkommen der verheirateten Frauen oftmals eher den Stellenwert eines Zubrots für die Familie als den einer Basis wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Dies wird bestätigt von der Tatsache, daß der Grad der Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen um so höher ist, je niedriger das Einkommen ihrer Männer ist. So waren z. B. 1979 in Familien in der Bundesrepublik, in denen der Mann netto bis zu 1250 DM verdiente, selbst bei drei Kindern noch mehr Frauen berufstätig als in kinderlosen Familien, in denen das Nettoeinkommen des Mannes mehr als 2000 DM betrug 2. Löhne, Segregation, Geschlechtsrollenidentitäten Betrachtet man die in Tabelle 5 wiedergegebene Relation der Frauenlöhne zu den Männerlöhnen, dann verstärkt sich der Eindruck, daß viele Frauen aufgrund ihres Einkommens nicht in der Lage wären, unabhängig ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Denn zu der hohen Quote teilzeitbeschäftigter Frauen kommt hinzu, daß die Löhne der Frauen immer noch erheblich unter denen der Männer liegen. Die Annäherung der Frauen-an die Männer-löhne, die in den letzten zehn Jahren in nahezu allen Ländern stattfand, ändert an diesem Sachverhalt wenig.

Auch wenn die Industrie nicht identisch ist mit der Gesamtwirtschaft und die Industrielöhne daher nur bedingt aussagekräftig sind (die Zahlen für die „Gesamtindustrie“ sind weniger exakt und nicht für alle Länder verfügbar), so kann man doch konstatieren, daß die Diskrepanz zwischen den relativen Frauen-löhnen einzelner Länder sehr groß ist. In Schweden sind sie durchschnittlich doppelt so hoch wie in Japan und erreichen annähernd das Niveau der Männerlöhne. Bemerkenswert ist das Lohnniveau der australischen Frauen sowie das der Italienerinnen. Ihre relativen Löhne (84, 5 Prozent im Jahre 1984 entsprechen in etwa denen in Norwegen und Dänemark und werden nur noch von den schwedischen übertroffen Die Bundesrepublik befindet sich wieder einmal am unteren Ende der Skala. Hier gab es — ähnlich wie in den Niederlanden — während der letzten zehn Jahre keinerlei nennenswerte Verbesserung in der relativen Lohn-position der Frauen.

Auch in den USA sind die Einkommen der Frauen sehr niedrig. Die Steigerung um fünf Prozent von 1980 bis 1986 auf 65 Prozent steht im übrigen nicht im Gegensatz zu der These, daß der Zuwachs der Frauenerwerbstätigkeit vor allem im Bereich der „bad jobs" stattgefunden hat. Auch die Männer strömen stark in diesen Bereich. Zudem verlagerte sich der wirtschaftliche Schwerpunkt in den USA in den letzten zehn Jahren, u. a. aufgrund des Niedergangs der gewerkschaftlich gut organisierten Schwer-und zum Teil auch Automobilindustrie, von der „frost belt" im Nordosten und Mittelwesten in die gewerkschaftlich wenig entwickelte „sun belt“ des Westens und Südwestens. Hier wiederum drücken die aus Mexiko und der Karibik eingewanderten und grenzgehenden „Hispanics" das Lohnniveau

Daß die relativen Frauenlöhne in Japan auf ihrem ohnehin niedrigen Niveau auch noch eine stark fallende Tendenz aufweisen, könnte mit dem seit Mitte der siebziger Jahre rapiden Anstieg des japanischen Exports, besonders von Automobilen und elektronischen Konsumgütem, Zusammenhängen. Denn diese Exportoffensive wird begleitet von einer Akzentuierung jener oben beschriebenen Segmentierung des Arbeitsmarkts, auf dem sich gut bezahlte männliche Stammbelegschaften der Großkonzeme und schlecht bezahlte, in „flexiblen“ Anstellungsverhältnissen Beschäftigte und zu einem hohen Anteil aus Frauen bestehende Arbeitnehmer der Zulieferfirmen gegenüberstehen Diese Struktur, deren Opfer die weiblichen Erwerbstätigen sind, bedingt zum Teil die relativ niedrigen Preise der japanischen Produkte. Vielleicht kann das „japanische Modell“ auch erklären, warum Japan die einzige kapitalistische Industrienation ist, in der die Frauenbeschäftigung in der Industrie während der letzten 20 Jahre noch zugenommen hat (siehe Tabelle 27).

Die japanischen Frauen sind nicht nur Opfer der geschilderten intersektoralen Differenzierung des Arbeitsmarkts, sondern auch, wie das mehr oder weniger in allen Ländern der Fall ist, der intrasektoralen Differenzierung, d. h. sie befinden sich'in den unteren Positionen der betrieblichen Lohnhierarchien. Auch die US-amerikanischen Frauen sind in diesem doppelten Sinne benachteiligt. In der Bundesrepublik — wie in vielen anderen europäischen Staaten — ist die intersektorale Differenzierung dagegen verhältnismäßig gering. Die Hauptursache für das Zurückbleiben der Frauenlöhne ist daher in der intrasektoralen Differenzierung oder vertikalen Segmentierung der Arbeitsmärkte zu sehen. In Schweden — und mit Abstrichen in den anderen skandinavischen Ländern — ist es mit Hilfe der von Gewerkschaften und vom Staat getragenen „solidarischen Lohnpolitik“ gelungen, beide Formen der Segmentierung auf ein Minimum zu reduzieren. Das Resultat ist die egalitärste Gesellschaft der westlichen Welt, und die weiblichen Erwerbstätigen haben von dieser, nicht speziell auf Frauen gerichteten Politik profitiert

Die anhaltende Konzentration in den unteren Lohngruppen ist zum einen auf die mindere berufliche Qualifikation vor allem der (etwas) älteren Frauen zurückzuführen, zum anderen — auch unterbrechungsbedingt (Kinder) — auf weniger kontinuierliche Erfahrung und Dienstjahre. Zudem haben Teilzeitbeschäftigte geringere Möglichkeiten beruflichen Aufstiegs, da die höheren Positionen eher von Vollzeitbeschäftigten besetzt werden. Aber in einem nicht zu unterschätzenden Maße beruht dieser Sachverhalt auch auf der bewußten, in Vorurteilen und Machtverhältnissen zwischen den Geschlechtern gründenden Ghettoisierung berufstätiger Frauen sowie der Behinderung ihrer Aufstiegsmöglichkeiten. Hinzu kommen Fälle, in denen sie trotz identischer Arbeit und gleicher Dienstzeit schlechter bezahlt werden als Männer

Die Segregation als solche beinhaltet auch eine, vielleicht weniger offensichtliche Form der Diskriminierung. Mädchen und Frauen strömen überwiegend in Tätigkeitsfelder, die dem vorherrschenden Bild einer als natürlich erachteten Weiblichkeit entsprechen. Diese sogenannten Frauenberufe werden geringer entlohnt als vergleichbare „Männerberufe“. Im Einzelhandel Nordrhein-Westfalensz. B. können ungelernte kaufmännische Angestellte (meist Frauen) laut Tarifvertrag vom 15. Mai 1985 bis zu 1652 DM verdienen, die (männlichen) unge-lernten Arbeiter bis zu 2141 DM. Auffallend ist in diesem Zusammenhang, daß hohe Vergütungsgruppen in den Tarifverträgen oftmals männliche Berufsbezeichnungen tragen, die niederen dagegen weibliche schlechter bezahlt als die weibliche Domäne der Krankenpflege werden nur wenige Berufe.

Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung erweist sich als Barriere der wirtschaftlichen Emanzipation der Frauen. Der Kem dieser Arbeitsteilung ist immer noch jene zwischen der sorgenden Hausfrau und Mutter und dem erwerbstätigen Vater. Ihre Basis sind u. a. Geschlechtsrollenidentitäten, die sich zwar in einem Prozeß der Erosion befinden, aber offensichtlich immer noch eine Institution darstellen. Auch in diesem Punkt sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern allerdings erheblich, wie die Auffassungen über den Platz der Frauen in Familie und Arbeitsleben dokumentieren. Obwohl diese Auffassungen in vielen Ländern nicht linear mit den Erwerbsquoten der Frauen sowie ihren relativen Löhnen korrespondieren, steht ihre regulative Bedeutung außer Frage.

In einer EG-Enquete nach der idealen Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern (vgl. Tabelle 6) sprechen sich 41 Prozent der befragten Personen für eine auf Gleichheit basierende Arbeitsteilung aus, d. h. für eine Arbeitsteilung, bei der beide Geschlechter gleichermaßen an der Haus-und Erwerbsarbeit beteiligt sind. 29 Prozent bevorzugen eine Situation, in der die Frau überwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, die Hausarbeit übernimmt. 25 Prozent befürworten die traditionelle Option der reinen Hausfrauenehe. Fragt man nur die Männer, dann haben 47 Prozent lieber eine berufstätige Ehefrau, während 43 Prozent der Hausfrauenehe den Vorzug geben. In Dänemark liegen die Prozentsätze deutlich über diesem Durchschnitt und entsprechen der dortigen relativ günstigen wirtschaftlichen Position der Frauen. Ein überraschend hoher Anteil äußert sich auch in den Niederlanden und in Italien zugunsten einer auf Gleichheit beruhenden Arbeitsteilung. Hier allerdings stehen die Auffassungen in auffälligem Kontrast zur ökonomischen Wirklichkeit.

Die Bundesrepublik ist „Schlußlicht“, hier überwiegen deutlich die traditionellen Auffassungen. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß sich nur 16 Prozent der Männer (zwischen 20 und 50 Jahren) für eine ausreichende Bereitstellung öffentlicher Kinderbetreuungsmöglichkeiten aussprechen, während 80 Prozent meinen, die Frau solle bei Kindern bis zu zehn Jahren im Hause bleiben Es ist aber nicht zu übersehen, daß auch die Frauen hierzulande noch in überdurchschnittlichem Maße traditionellen Geschlechtsrollenidentitäten verhaftet sind. 3. Arbeitslosigkeit und Mikroelektronisierung Abschließend soll das Problem der Arbeitslosigkeit und in diesem Zusammenhang der Einfluß der Mikroelektronisierung von Industrie-und vor allem Büroarbeit auf die Frauenerwerbstätigkeit erwähnt werden. Tabelle 7 illustriert das generell (außer im stark deindustrialisierten Großbritannien) höhere Niveau weiblicher Arbeitslosigkeit. Ein allgemeiner Trend ihres überproportionalen Anstiegs bis zum Jahre 1983 ist jedoch nicht zu erkennen. Für die Zeit erneuten wirtschaftlichen Wachstums nach 1983. in der die Arbeitslosenrate außer in Frankreich, Großbritannien und Italien fiel, zeichnet sich in den meisten Ländern aber eine leicht ungünstige Tendenz für die Frauen ab. Nur in Finnland, Österreich und Schweden fiel die Frauenarbeitslosigkeit in diesem Zeitraum stärker als die der Männer. Ebenso wie Dänemark, Norwegen und die Schweiz sind dies Länder mit aktiver Arbeitsmarktpolitik und ohnehin nur relativ geringer Arbeitslosigkeit In bezug auf Arbeitslosigkeit darf man allerdings nicht vergessen, daß die statistische Unter-erfassung gerade bei Frauen prägnant ist.

Inwieweit die jüngsten Entwicklungen der Beschäftigung bereits das Resultat technologischer Um-Strukturierungender Wirtschaft sind, ist nicht zu sagen. Wohl aber kann man feststellen, daß unter den gegenwärtigen Bedingungen (der Segregation) in erster Linie die Frauen den Preis der Mikroelektronisierung zu zahlen haben. Dies gilt vor allem im Bereich der Büroarbeit. Die Einführung der Computertechnologie führt hier zu einer Neustrukturierung „berufsfachlicher Kompetenz“ sowie zur Weg-rationalisierung einfacher Tätigkeiten. Zum ersten sind Frauen gerade in diesen Tätigkeiten der Büro-hilfskräfte (Schreibkräfte und Kassierer beispielsweise) konzentriert, die während der vergangenen Jahre bereits rückläufige Beschäftigtenzahlen aufweisen. Wenn der Philips-Konzem (laut NRC Handelsblad vom 2. November 1988) allein in den Niederlanden in den Jahren 1988/89 20 000 Büroarbeitsplätze wegzurationalisieren beabsichtigt, dann ist das eine Bestätigung dieser Tendenz. Zum zweiten bleibt der Mehrheit der Frauen mit Sachbearbeitertätigkeiten der Zugang zu den neu geschaffenen und höher qualifizierten Stellen verwehrt

III. Fazit

Tabelle 3: Frauenerwerbsquote in Prozent nach Altersgruppen 1966— 1985 .Quelle: OECD, Labour Force Statistics 1964— 1984, Paris 1986. 1966 55-64 Jahre 1975 1985

Soweit hier eine allgemeine Schlußfolgerung möglich ist, lautet diese, daß das Niveau der Frauenerwerbstätigkeit eng zusammenhängt mit den spezifischen politisch-ökonomischen Verhältnissen und der Kraft ideologisch-kultureller Traditionen der beschriebenen Länder. Wo der Staat, wie in Skandinavien, der Massenarbeitslosigkeit aufgrund einer aktiven Arbeitsmarktpolitik die Stirn bieten kann, sind auch die Erwerbsquoten und die relativen Löhne der Frauen am höchsten. Auch die anderen Länder könnten durch die Übernahme bestimmter Aspekte des skandinavischen „Modells“ (Individualisierung der Steuern, großzügige öffentliche Kinderbetreuung) ihre Frauenerwerbsquote bis zu einem gewissen Grad erhöhen.

Die skandinavischen Verhältnisse lassen sich jedoch nicht importieren. Darüber hinaus ist der vor allem in Schweden schon in den fünfziger Jahren eingeschlagene Weg einer generellen Erhöhung der Arbeitsmarktpartizipation heute, im Zeichen der Deindustrialisierung oder wenigstens stagnierenden Industrialisierung, kaum noch zu beschreiten. Die einzigen, mehr als nur marginalen Erfolg versprechenden Möglichkeiten der Förderung der Frauenerwerbstätigkeit sind die radikale Verkürzung der Wochenarbeitszeit und die Neustrukturierung der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. In diesem letzten Punkt sind auch die skandinavischen Länder den anderen nicht voraus. Dort ist die traditionelle Segregation des Arbeitsmarkts wie auch die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau gleichfalls noch weitgehend intakt. Änderungen werden kaum ohne tiefgreifende Konflikte möglich sein. Aber ohne diese Änderungen bleiben wir weiterhin weit von der wirtschaftlichen Emanzipation der Frauen entfernt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Für nützliche Hinweise danke ich Maike Köper, Henriette Rombouts, Mirjam van Tiel und Marjan Visser. Vgl. K. Davis, Wives and Work. The Sex Role Revolution and its Consequences, in: Population and Development Review, 10 (1984) 3, S. 404.

  2. Vgl. K. Gottschall, Frauen auf dem Arbeitsmarkt: Verdrängung statt Integration?, in: WSI Mitteilungen, 39 (1986) 8.

  3. Vgl. U. Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt 1986, Kap. IV.

  4. Die Prozentsätze beziehen sich auf die Erwerbstätigen einschließlich der registrierten Arbeitslosen. Die - auch in den folgenden Tabellen beibehaltene - Reihenfolge der Länder ergibt sich aus dem Partizipationsgrad (der Erwerbsquote) der Frauen im Jahre 1986. Die Auswahl der Länder beschränkt sich auf die hochindustrialisierten OECD-Mitgliedstaaten, von denen hier wegen zu fragmentarischer Daten nur Neuseeland nicht aufgeführt wurde. Auch wegen unvollständiger Daten ist die Anzahl der in den folgenden Tabellen aufgeführten Länder kleiner. Des weiteren sollten alle in diesem Text wiedergegebenen Statistiken mit einer gewissen Portion Skepsis betrachtet werden. Die Daten unterschiedlicher Organisationen wie der OECD, der EG oder der ILO zu ein und demselbsen Gegenstand weichen ebenso voneinander ab wie auch von den jeweils nationalen Erhebungen. Dennoch sind die hier präsentierten Zahlen exakt genug, um Trnads und golable Differnenzen anzuzeigen.

  5. Vgl. R. Winkler, Sechs Thesen zur Frauenerwerbsarbeit, in: I. Wettig-Danielmeier/R. Winkler (Hrsg.), Frauenerwerbsarbeit. Fallstrick oder Lebensperspektive?, Marburg 1987, S. 23.

  6. Vgl. Ch. Jonung, Sexual Equality in the Swedish Labor Market, in: Monthly Labor Review vom Oktober 1978, S. 33 sowie generell zu Schweden die Studie von M. Ruggie, The State and Working Women: A Comparative Study of Britain and Sweden, Princeton, N. J. 1984.

  7. Vgl. zu Dänemark: B. Siim, A Comparative Perspective on Women and the Welfare State, Paper presented at the ECPR Joint Session of Workshops, Göteborg, April 1986, S. 52; zu Schweden: L. Pot, Kinderopvang in Europa vergeleken, in: De kleine wereld, 172 (1986), S. 8f.; zur Bundesrepublik; Arbeitskreis Frauenfragen des Instituts für marxistische Studien und Forschungen (Hrsg.), Emanzipation in der Krise?, Frankfurt 1986, S. 38.

  8. Vgl. E. Blök, Loonarbeid van vrouwen 1945— 1955, Nijmegen 1978.

  9. Vgl. zu den hier angesprochenen Punkten W. Rügemer, Strukturveränderungen in Zusammensetzung, Einkommen, Arbeits-und Lebensbedingungen der abhängig Beschäftigten in den USA, in: WSI Mitteilungen, 39 (1986) 6; D. Myers, Wives’ Eamings and Rising Costs of Homeownership, in: Social Science Quarterly, 66 (1985) 2,

  10. Anhand runder Zahlen läßt sich der dargestellte Sachverhalt verdeutlichen: In den Niederlanden sind von je 100 Einwohnern im erwerbsfähigen Alter (15— 64 Jahre) 58 erwerbstätig. Davon arbeiten 38 im Dienstleistungssektor, und 17 hiervon sind Frauen. Anderweitig sind nur drei der insgesamt 20 erwerbstätigen Frauen beschäftigt. In der Bundesrepublik kommen auf 100 erwerbsfähige Einwohner 65 Erwerbstätige. von denen 35 im Dienstleistungssektor arbeiten. 17 hiervon sind Frauen. Die restlichen acht deutschen Frauen sind im Verhältnis vier zu eins in Industrie und Landwirtschaft beschäftigt. Trotz eines wesentlich kleineren Dienstleistungssektors und trotz einer prozentual erheblich geringeren Beschäftigung der Frauen in diesem Sektor gibt es hierzulande also ebensoviel „dienstleistende“ Frauen wie in den Niederlanden. Berücksichtigte man weiter, daß Teilzeitarbeitsverhältnisse (gerade von Frauen; siehe Tabelle 4. S. 28) in den Niederlanden verbreiteter sind als in der Bundesrepublik. dann zeigte sich, daß — in Stunden gerechnet — die Frauenbeschäftigung im Dienstleistungssektor hier sogar höher ist als in den Niederlanden.

  11. Vgl. M. Rein, Women in the Social Welfare Labor Market; Discussion Paper I 1M/LMP 85— 18, Berlin 1985, insbesondere S. 37 ff.

  12. Vgl. zu Japan: H. Tanaka, Working Woman in Japan, in: Equal Opportunities International, 5 (1986) 1; sowie I. M. Lenz, Der große Unterschied und die kleine Gleichheit. Zur Bedeutung der geschlechtlichen Arbeitsteilung für die Japanischen industriellen Beziehungen“, in! Prokla. (1987) 66.

  13. The Economic Role of Women in the EEC Region, in: Economic Bulletin for Europe. The Journal of the United Nations Economic Commission for Europe, 37 (1985) 1.

  14. Vgl. P. Auer/G. Bruche/J. Kühl (Hrsg.), Chronik zur Arbeitsmarktpolitik. Nürnberg 1987, S. 468 u. S. 476, sowie C. W. Macke, Wohnzimmerindustrien, in: links. Dezember 1988. S. 27.

  15. Einer Umfrage zufolge suchten in den EG-Ländern 1983 48 Prozent der stellensuchenden Frauen eine Teilzeitbeschäftigung und 49 Prozent eine Vollzeitbeschäftigung. Bei den Männern lauten die entsprechenden Zahlen 14 und 85 Prozent; vgl. Commissie der Europese Gemeenschappen, Vrouwen van Europa. Supplement 16, Vrouwen en mannen van Europa in 1983, Brüssel 1984, S. 23.

  16. Vgl. C. F. Büchtemann/J. Schupp. Zur Sozio-Ökonomie der Teilzeitbeschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland, Discussion Paper IIM/LMP 86-15, Berlin 1986, S. 16.

  17. Alle Daten aus C. F. Büchtemann/J. Schupp (Anm. 19), S. 10-13, S. 18 u. S. 29 f.

  18. Vgl. A. Ruby/B. Göttgens/S. Koeppinghoff, Rentenreform ‘ 84. Frauen bleiben diskriminiert, in: Prokla. (1982) 49. S. 81.

  19. ) Die sich auf die Gesamt

  20. Vgl. Eurostat Review 1975- 1984, Luxemburg 1985, Tabelle 3. 6. 5.

  21. Es sollte hier nicht unerwähnt bleiben, daß die relativen Frauenlöhne 1981 in den Entwicklungsländern Burma und Sri Lanka ein Niveau von 86, 1 Prozent bzw. 86, 5 Prozent erreichten; vgl. ILO, Women atWork, (1983) 1, S. 5.

  22. Vgl. zu diesem Komplex M. Davis, The Political Economy of Late Imperial America, in: New Leit Review, (1984) 143.

  23. Vgl. K. Dohse/U. Jürgens/T. Malsch, From , Fordism‘ to Toyotism"? The Social Organization of the Labor Process in the Japanese Automobile Industry, in: Politics & Society, (1985) 2.

  24. Vgl. zum Inhalt dieses gesamten Absatzes W. Sengenberger, Struktur und Funktionsweise von Arbeitsmärkten. Die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich, Frankfurt 1987, insbesondere S. 234— 257.

  25. Vgl. Der Spiegel vom 25. August 1986, S. 32 u. S. 39, in dem eine Reihe von Beispielen systematischer Diskriminierungen berufstätiger Frauen angeführt werden.

  26. Vgl. I. Kurz-Scherf, Von der Emanzipation des Brunnenmädchens in Heilbädern. Frauendiskriminierung, Frauenförderung durch Tarifvertrag und Tarifpolitik, in: WSI Mitteilungen, 39 (1986) 8, S. 539 ff.

  27. Vgl. S. Metz-Göckel/U. Müller, Die Partnerschaft der Männer ist (noch) nicht die Partnerschaft der Frauen, in: WSI Mitteilungen, 39 (1986) 8, S. 551.

  28. Vgl. G. Therborn, Why Some Peoples are More Unemployed than Others, London 1986. In Japan ist die niedrige Arbeitslosigkeit jedoch weniger einer aktiven Arbeitsmarkt-politik als vielmehr einem höheren wirtschaftlichen Wachstum zuzuschreiben. Die Schweiz ist ein Sonderfall, da hier die niedrige Arbeitslosigkeit nur durch das Abschieben ausländischer Arbeitskräfte und die Beschränkung weiblicher Erwerbsmöglichkeiten erreicht wurde.

  29. Die Grundlage dieses Absatzes bildet M. Baethge/H. Oberbeck, Zukunft der Angestellten. Neue Technologien und berufliche Perspektiven in Büro und Verwaltung,

Weitere Inhalte

Uwe Becker, Dr., geb. 1951; seit 1979 Dozent an der Universität von Amsterdam. Veröffentlichungen u. a.: Kapitalistische Dynamik und politisches Kräftespiel, Frankfurt 1986; (zus. mit K. v. Kersbergen) The Netherlands: A Passive Social Democratic Welfare State in a Christian Democratic Ruled Society, in: Journal of Social Policy, 17 (1988) 4.