Zu den leisen, jedoch mit weitreichenden Folgen verbundenen strukturellen Veränderungen der deutschen Nachkriegsgesellschaft gehört die dramatische Steigerung der Bildungsbeteiligung von Frauen. Hauptsächlich profitierten davon die Töchter aus Mittelschichtfamilien, aber auch Arbeitertöchter. Im Gegensatz noch zur Jahrhundertwende ist es heute eine kulturelle Selbstverständlichkeit, daß junge Frauen ein Hochschulstudium aufnehmen und abschließen. Im Vergleich zu ihrem Anteil von 50 Prozent an den Hochschulzugangsberechtigten sind Frauen mit 40 Prozent an den Hochschulen immer noch unter-repräsentiert. Fachspezifische Unterschiede in der Beteiligung zeigen sich noch in extremer Weise, was einzelne Fachgebiete der Ingenieurwissenschaften und Kulturwissenschaften anbelangt. Diese „stille Revolution“ hat nicht nur quantitative Veränderungen, sondern auch qualitativ neue Ansprüche gebracht, deren Erfüllung noch ausstcht. Sie finden ihren Ausdruck vor allem in den Vorstellungen und Aktivitäten der neuen Frauenbewegung an den Hochschulen. Frauen in der Wissenschaft werden vom Objekt zum Subjekt der Forschung. An der neuen Protestbewegung haben sie sich mit eigenen Vorstellungen beteiligt und diese selbstbewußt vertreten.
I. Die stille Revolution
Zu den leisen, jedoch mit weitreichenden Folgen verbundenen strukturellen Veränderungen der deutschen Nachkriegsgesellschaft gehört die dramatische Steigerung der weiblichen Bildungsbeteiligung. Bereiteten insbesondere die Mütter den Weg, so hat sich die Töchtergeneration der in den sechziger Jahren Geborenen beharrlich im allgemeinen höheren Bildungssystem nach vorne geschoben und gegenüber dem männlichen Geschlecht intellektuell durchgesetzt In der Hochschulzugangsberechtigung haben Frauen die Männer leicht an Anzahl überrundet, so daß wir das Vorurteil umdrehen könnten: Das männliche ist das „lernschwache“ Geschlecht.
Von den gegenwärtig anderthalb Millionen Studierenden sind 40 Prozent weiblich. Damit sind Frauen mit einer Hochschulausbildung mittlerweile ein massenhaftes Phänomen. Mehr als ein Viertel (28 Prozent) eines Altersjahrgangs erwirbt inzwischen eine Hochschulzugangsberechtigung. Es kann zukünftig eher mit weiteren Steigerungen als mit einem Plateau gerechnet werden.
In den Zugangschancen hat sich das Hochschulstudium in zweierlei Richtungen demokratisiert: Gegenüber dem weiblichen Geschlecht sind die Schranken gefallen, und gegenüber bildungsfernen Bevölkerungsschichten sind die Grenzen durchlässiger geworden. Mit den quantitativen Veränderungen gehen auch qualitativ neue Ansprüche einher. Sie finden in der neuen Frauenbewegung an den Hochschulen ihren deutlichsten Ausdruck.
Mit der wachsenden Präsenz der Studentinnen sind weitere strukturelle Wandlungen im Geschlechter-Verhältnis verknüpft: Die Erwerbsquote hochqualifiziert ausgebildeter Frauen steigt in den letzten Jahren schneller als die anderer Frauengruppen; zudem verschiebt sich das Alter der Frauen bei der Geburt des ersten Kindes nach oben, wobei die Zahl der Geburten davon allerdings nicht tangiert, sondern eher zugunsten eines weiteren Kindes beeinflußt wird Diese Auswirkungen auf die Frauenerwerbstätigkeit, auf die Beschäftigten-struktur sowie auf das demographische Verhalten und das Familiengründungs-Verhalten dürften zukünftig nicht nur das gesellschaftliche Bild der Frau, der berufstätigen Mutter und damit auch das Frauenbild der Töchter und Söhne bestimmen, sondern auch das „Karriere“ -Verhalten im Beruf, die Aufteilung von Familien-und Berufstätigkeiten auf die Geschlechter; sie werden das Geschlechterverhältnis insgesamt mitgestalten.
Während Annäherungen zwischen jungen Frauen und Männern im Bildungsverhalten zu beobachten sind, bestehen Unterschiede fort, die sozial und kulturell Ungleichheiten im Berufswahlprozeß auf akademischem Niveau reproduzieren. Im Vergleich mit der allerersten Studentinnengeneration vor 80 Jahren finden die heutigen Frauen alle Qualifizierungswege zwar selbstverständlich offen, aber dennoch verteilen sich die Geschlechter nach wie vor asymmetrisch auf viele Fachgebiete, und erst in jüngster Zeit ist diese Tatsache problematisiert und ihre Konstanz kritisch hinterfragt worden. Auch in der Studienbeteiligung gibt es erklärungsbedürftige Unterschiede. Und doch: — Haben Frauen früher einen sozialen Aufstieg fast ausschließlich nur aufgrund ihrer Herkunft erreichen können, so schaffen sie ihn heute über eigene Qualifizierung: über Bildung. Dies ist ein völlig neues Aufstiegsmuster für Frauen — Studentin-Sein bedeutet Vorbereitung auf ein qualifiziertes Berufsfeld, aber für die Studentin in anderer Weise als für die männlichen Kommilitonen. Ihre Berufsvorbereitung ist nicht zu trennen von Sinnfragen zum Gesamtlebensentwurf und von der Suche nach Möglichkeiten, ihre Kinder-, Familien-und Partnerschaftswünsche zu vereinbaren. Dies legt es ihnen nahe, fachliche Identifizierungen im Studium flexibler zu handhaben und Ambivalenzen anderer Art auszuhalten — Studentin-Sein bedeutet ein . soziales Moratorium*, das früher nur den Söhnen privilegierter Familien zugestanden wurde und Zeichen einer bil-dungselitären Zunft war, während es gegenwärtig zur kulturellen Selbstverständlichkeit wird. Diese Normalisierung des Studentin-Seins bedeutet, einer zukünftigen Gruppe weiblicher Intellektueller, einer weiblichen Führungsschicht und einer neuen weiblichen Bezugsgruppe generell zugehören.
II. Reform und Restauration nach 1945 — Aufbruch (nur) für Männer
Abbildung 4
Tabelle 2: Veränderung der Fachwahlen von Studentinnen im Zeitraum 1956-1988 (in Prozent aller Studentinnen, ausgewählte Fächergruppen) Fächergruppen 1956 1988 .Quelle: 3. Sozialerhebung des Studentenwerkes; Statistisches Bundesamt/Fachserie 11, 4. 1. Vorbericht 1988/89.
Tabelle 2: Veränderung der Fachwahlen von Studentinnen im Zeitraum 1956-1988 (in Prozent aller Studentinnen, ausgewählte Fächergruppen) Fächergruppen 1956 1988 .Quelle: 3. Sozialerhebung des Studentenwerkes; Statistisches Bundesamt/Fachserie 11, 4. 1. Vorbericht 1988/89.
Viele Universitäten waren im Krieg zerstört worden. Ein großer Teil der Hochschullehrerschaft war emigriert (ca. 45 Prozent) im Krieg gefallen oder pensioniert. Ein geringerer Teil mußte entnazifiziert werden. Dennoch wurden die Hochschulen in den meisten Fällen bereits zum Wintersemester 1945/46 wieder geöffnet. Wer zum Studium zugelassen werden wollte, mußte nicht nur eine geeignete Vorbildung nachweisen, sondern auch politische Vorbedingungen erfüllen und Aufbauarbeit leisten Fast in jedem Fach gab es einen Numerus Clausus. Kriegsheimkehrer hatten vorrangig das Recht auf einen Studienplatz. Deshalb mußten Studentinnen jahrelang warten, bis sie ihr Studium fortsetzen konnten
Der Studienausschuß für Hochschulreform betonte 1948 in seinem Gutachten zwar die Gleichstellung weiblicher und männlicher Studierender, aber ansonsten wurden die Studentinnen bis zu Beginn der sechziger Jahre in den Gutachten und Schriften zu den Reformen der Hochschule nicht erwähnt. Das Verhältnis der Universität zu ihren Studentinnen wurde nur bei der Einrichtung der Kollegien relevant: Damals beschäftigte man sich mit der Frage, ob gemeinsames Wohnen von männlichen und weiblichen Studierenden dem Studium förderlich sei. Der Wissenschaftsrat sprach sich für eine Trennung der Geschlechter aus, da „das Zusammenleben eine psychologische Belastung mit sich bringen kann, die unnötig und störend“ sei. Als Gegenargument wurde angeführt, daß „die Anwesenheit von Studentinnen sich positiv auf die Atmosphäre auswirkt und oft Verkrampfungen entspannt“ Auf dem Studententag im Juli 1946 in Göttingen kam u. a. das Frauenstudium zur Sprache: „Der Staat fordert die Mitarbeit der Frau im öffentlichen und kulturellen Leben. Darum ist ihr die Hochschule genauso zugänglich wie allen, die dem öffentlichen Leben dienen wollen. Gleichberechtigt stehen Studenten und Studentinnen neben-und miteinander in der Hochschule, um sich das Rüstzeug für die später zu erfüllenden Aufgaben zu erwerben.“
Trotz Not und Zerstörung stieg die Zahl der Studierenden, auch die der Werkstudentinnen und -Studenten, die die Kosten für Lebensunterhalt und Studium selbst aufzubringen hatten. Schon bald wurden Überfüllungsdiskussionen geführt. Man unterstellte nicht nur, daß viele, die sonst nicht studiert hätten, jetzt studierten, sondern prognostizierte sogar, daß nicht alle Akademiker auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen seien
Bereits im Sommer 1947 studierten 105 900 Frauen und Männer, im Wintersemester 1947/48 stieg die Zahl auf 120 900, dies entspricht einer Zunahme von elf Prozent. Der Anteil der Frauen war mit 43 Prozent besonders in Berlin sehr hoch 1923 hatte ihr Anteil bei 25 Prozent gelegen, 1939 bei 12, 5 Prozent. An den übrigen Universitäten betrug der Frauenanteil durchschnittlich zwischen 20 und 30 Prozent. Tübingen (16 Prozent) und Würzburg (17 Prozent) wiesen die geringsten Anteile studierender Frauen auf. An den Technischen Hochschulen waren vier bis zwölf Prozent Frauen immatrikuliert. 15 bis 20 Prozent der Studierenden waren verheiratet. Einige Frauen studierten als Kriegerwitwen: in Heidelberg z. B. zwei Prozent der Studentinnen
In der Not der Nachkriegsjahre und in der wirtschaftlichen Wiederaufbauphase zwischen 1950 und 1965 wurden Hochschulreformen und die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit verdrängt, ein Neuanfang verpaßt und in vielen Bereichen an die Zustände vor 1933 angeknüpft: an die Ordinarienuniversität, die Frauen als Studentinnen zwar duldete, aber als Nachwuchswissenschaftlerinnen nicht vorsah
III. Konstanz und Veränderungen in den Studienmustern von Frauen seit 1945
Abbildung 5
Tabelle 3: Entwicklung der Anteile von Frauen an den Diplom-und Staatsprüfungen an wissenschaftlichen .Quelle: Anteil an allen Prüfungen Anteil an allen Statistisches Bundesamt; Anteil LA-Prüfungen von Frauen an allen Prüfungen von Frauen Prüfungen an Hochschulen.
Tabelle 3: Entwicklung der Anteile von Frauen an den Diplom-und Staatsprüfungen an wissenschaftlichen .Quelle: Anteil an allen Prüfungen Anteil an allen Statistisches Bundesamt; Anteil LA-Prüfungen von Frauen an allen Prüfungen von Frauen Prüfungen an Hochschulen.
1. Steigende Studienbeteiligung Die Hochschulstatistik zeigt eine kontinuierliche Entwicklung der Studienbeteiligung von Frauen an wissenschaftlichen Hochschulen und insgesamt mehr als eine Verdoppelung des Anteils weiblicher Studierender von 17, 3 Prozent im Jahre 1949 auf 40, 9 Prozent im Jahre 1988 (vgl. Tabelle 1).
Nach einem Absinken infolge der Währungsreform stieg ihr Anteil in den fünfziger Jahren wieder an. Ende der sechziger Jahre und in den siebziger Jahren kletterte er um zehn Prozent und liegt seit 1982 stabil bei 40 Prozent. Diese allgemeine Entwicklungslinie bekommt allerdings ein anderes Gesicht, sobald einzelne Hochschularten und Fachgebiete gesondert betrachtet werden. An den Universitäten (ohne Pädagogische Hochschulen) ging die weibliche Studienbeteiligung bis 1952 noch auf knapp 21 Prozent und an den Technischen Hochschulen sogar bis zu Beginn der sechziger Jahre auf 4, 5 Prozent zurück, nachdem im Sommersemester 1948 die Prozentsätze noch 24 Prozent bzw. fünf Prozent betragen hatten. Den gleichen Stand erreichten die Studentinnen an den Universitäten erst wieder im Sommersemester 1957 und an den Technischen Hochschulen im Sommersemester 1968
Wie ein einmal gewonnenes Terrain in den Naturwissenschaften wieder verloren ging, zeigt die Entwicklung im Fach Chemie (ohne Lehramt), in dem die Frauen 1952 9, 3 Prozent der Studierenden stellten, Dieser Anteil halbierte sich bis Anfang der sechziger Jahre. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Anteil weiblicher Diplomprüflinge nur ca. vier Prozent. Gegenwärtig liegt er bei 26 Prozent
Das stetige Anwachsen der Zahl der Studentinnen wie auch ihre Fachentscheidungen sind eine sensible Reaktion auf veränderte Rahmenbedingungen. die auch die Handlungsspielräume erweitern. Konzentrierte sich bis Ende der siebziger Jahre die weibliche Nachfrage nach Studienplätzen noch zu einem großen Teil auf die Lehramtsstudiengänge, so stagniert sie in den achtziger Jahren. Die Krise des Lehramtsstudiums hat gleichzeitig jedoch eine Umorientierung von Frauen in andere Studiengänge bewirkt; wie langfristig dies allerdings ist, muß noch offen bleiben. 2. Vom Abitur zum Studium — ein zwiespältiger Weg Frauen stellen in den achtziger Jahren die Hälfte der Abiturienten — in manchen Bundesländern sogar geringfügig mehr und insgesamt ebenfalls etwas mehr, als ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht. Dieser erhöhte Anteil der Abiturientinnen (zum Vergleich: 1975 40 Prozent) hat sich aber nicht in gleicher Weise in dem der Studentinnen umgesetzt, so daß trotz absoluter Steigerung die relative Studienbeteiligung konstant geblieben bzw. zeitweise zurückgegangen ist.
Die regelmäßigen Befragungen der Schülerinnen in den Abschlußklassen der Sekundarstufe II haben in den letzten 15 Jahren eine massive Auseinander-entwicklung in der „Studierwilligkeit“ der Geschlechter gezeigt. Während die Befragungen 1971 sowohl bei den Mädchen als auch bei den Jungen noch zu 90 Prozent Studienabsichten ermittelten — d. h. es gab einen nahezu selbstverständlichen Übergang von der Schule in ein Studium —, ergeben sich bei ihnen in den achtziger Jahren erhebliche Unterschiede. Die „Studierwilligkeit“ der Abiturientinnen im Jahr ihres größten „Studienverzichts“ (1985) sank auf 50 Prozent, die der Abiturienten auf 70 Prozent. Offensichtlich reagieren Frauen empfindlicher auf antizipierbare Schwierigkeiten der beruflichen Verwertung von Studienabschlüssen, hauptsächlich jedoch auf die Einschränkung des Lehramtsstudiums. Bei gleichbleibend hoher Berufsmotivation wenden sich Abiturientinnen vermehrt einer betrieblichen Berufsausbildung zu. 1988 war etwa jede fünfte Schülerin der Abschlußklasse der Sekundarstufe II ohne Studienabsicht gegenüber 7, 5 Prozent ihrer Mitschüler, wobei der Anteil der Unentschiedenen jeweils 30 Prozent betrug. Offensichtlich entscheiden sich dann aber doch mehr Abiturientinnen zu einem Studium, denn die Bruttostudierquote von Frauen (4, 5 Jahre nach Schulabgang) lag im Jahre 1986 bei 65 Prozent (gegenüber 82 Prozent bei den Männern). Allerdings ist sie damit ebenfalls stärker gesunken — nämlich von 81 Prozent im Jahre 1976 — als bei den Männern, bei denen sie 1976 91 Prozent betrug.
Der Anteil der Studienanfängerinnen im Wintersemester 1988/89 an wissenschaftlichen Hochschulen und Kunsthochschulen belief sich auf 43, 8 Prozent bei einer Gesamtstudienbeteiligung von 40, 9 Prozent. An den Fachhochschulen (mit kürzeren Studiengängen) lag der Anteil der Anfängerinnen bei nur 31, 4 Prozent, bei einem Frauenanteil an allen Fachhochschulstudierenden von 29, 2 Prozent
Bei den weiblichen Studienberechtigten, die kein Hochschulstudium aufnehmen, liegt ein in seiner Größe variables Potential brach. Frauen stellen den größeren Unsicherheitsfaktor dar in bezug auf die Prognose der Studienanfängerzahlen. Bei einer Fünfzig-Prozent-Quote der Abiturienten sind die Schwankungen im Übergangsverhalten zur Hochschule demnach stärker auf den „Frauenfaktor“ zurückzuführen.
Grundsätzlich ist jedoch zu bemerken, daß Begriffe wie „Studienverzicht“ oder „Studienwilligkeit“ irreführend sind. Sie suggerieren eine Freiwilligkeit, die in Wirklichkeit nicht gegeben ist. Das Phänomen der größeren Studiendistanz von Frauen ist insofern erklärungs-und kritikbedürftig, als diese Distanz nachweislich nicht in den Frauen selbst begründet liegt, sondern in den sozialen Zumutungen (zum Beispiel den schlechteren Berufschancen für Frauen), denen sie in den männlich geprägten Studien-und Berufszusammenhängen ausgesetzt sind. 3. Studienfachwahlen im Zeitvergleich — geschlechtsspezifisch oder arbeitsmarktbedingt?
In den ersten Jahren des Frauenstudiums zu Beginn dieses Jahrhunderts hatte sich die Anzahl der Studentinnen in Mathematik und Naturwissenschaften prozentual stärker erhöht als diejenige in den Geisteswissenschaften — ein Anstieg, der jedoch nicht anhielt. Die Fachwahl der Frauen zugunsten der Sprach-und Kulturwissenschaften gilt seither als traditionell und frauentypisch. Waren 1956 noch 40, 5 Prozent aller Studentinnen in der Fächer-gruppe Sprach-und Kulturwissenschaften eingeschrieben, so betrug der entsprechende Anteil im Wintersemester 1988/89 nur noch 31 Prozent (vgl. Tabelle 2).
Deutlich gestiegen ist die Entscheidung der Frauen zugunsten der Rechtswissenschaft, der Wirtschaftswissenschaften (und der Soziologie). Im Wintersemester 1987/88 waren die Wirtschaftswissenschaften das auch von Frauen am häufigsten gewählte Studienfach. Steigerungen — wenn auch vergleichsweise geringfügige — ergeben sich ebenso bei der Mathematik, in den Naturwissenschaften sowie den Ingenieurwissenschaften. Gesunken ist anteilsmäßig die Entscheidung für Medizin — eine „Abwahl“, die sicherlich mit den knappen Studienplätzen zusammenhängt.
Wird hingegen die Frauenbeteiligung auf alle Studierenden bezogen und damit mit der von männlichen Studierenden verglichen, so hat sich entsprechend der allgemeinen Erhöhung in den einzelnen Fachgebieten eine „frauentypische“ Studienfachwahl noch verstärkt und im Geschlechtervergleich polarisiert. Dies gilt für die Sprach-und Kulturwissenschaften, in denen die Frauen ihre studentische Domäne weiter ausgebaut haben. Sie stellen nun 62 Prozent aller Studierenden in diesen Fächern gegenüber 40 Prozent im Jahre 1956. In der Medizin beträgt der Frauenanteil heute über 40 Prozent gegenüber 33 Prozent im Jahre 1956.
Erhöht hat sich aber auch der Anteil der Frauen in eher als untypisch charakterisierten Studienfächern. Dies gilt für die Rechtswissenschaft: inzwischen 40 Prozent gegenüber zehn Prozent; für die Chemie (inkl. Lehramt): inzwischen 28 Prozent; für die Mathematik (inkl. Lehramt): inzwischen 33 Prozent. Auch die Ingenieurwissenschafteh weiB sen einen weitaus höheren Anteil von Frauen im Vergleich zu 1956 auf — nämlich elf Prozent gegenüber 1, 5 Prozent —, wobei allerdings der Anteil in den verschiedenen Fachgebieten sehr unterschiedlich ist (Architektur: 40 Prozent, Elektrotechnik und Maschinenbau: ca. drei Prozent) (vgl. Tabelle 3 und Tabelle 4).
Zusammengenommen hat sich demnach nach 1945 der insgesamt verdoppelte Anteil von Frauen an den Studierenden breit auf alle Studienfächer verteilt, dennoch blieben eindeutige Prioritäten und „Abwahlen“, die trotz geringer bis markanter Steigerungsraten einige geschlechtsspezifische Schranken aufrechterhalten. Sie sind sowohl in der Studienorganisation als auch in der Berufstradition und -Organisation begründet. Eine der interessanten Ausnahmen bildet zur Zeit das Fach Chemie, das als Naturwissenschaft neben Biologie eine besondere Anziehungskraft auf Frauen ausübt — möglicherweise aufgrund der Ökologiebewegung und der Veralltäglichung der Chemie, einschließlich der mit der chemischen Produktion verbundenen Umwelt-katastrophen. Ein anderes „Fach in Bewegung“ ist die Rechtswissenschaft Möglicherweise werden in der späteren Berufsausübung als Richterin den Frauen zeitliche Spielräume bzw. eine Arbeitszeit-souveränität gewährt, die eine Vereinbarkeit mit Familientätigkeit ermöglichen, die Ingenieurinnen noch nicht eingeräumt wird. 4. Verschiebung in den Studienabschlüssen: Die Umorientierung der Frauen und die Festigkeit der qualifizierten Berufsorientierung Die Beteiligung von Frauen an den Abschlußprüfungen hat sich entsprechend ihrer Anteile ebenfalls erhöht. Damit sind sie ebenso erfolgreich im Studium wie ihre Kommilitonen, d. h. sie brechen nicht häufiger ab. Dies ist ein markanter Unterschied zu den Studienabbrüchen noch der sechziger Jahre Bemerkenswert ist jedoch eine Verschiebung der Proportionen zwischen den Lehramts-und anderen Prüfungen bei den Frauen. Im Jahre 1955 machten die Lehramtsprüfungen 68 Prozent aller Prüfungen von Frauen aus. Dieser Anteil stieg in den siebziger Jahren auf fast 80 Prozent weiter an (vgl. Tabelle 3). Im Jahre 1985 sank er auf 43 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit Einbeziehung der Prüfungen an Pädagogischen Hochschulen in die Prüfungsstatistik seit 1954 Da aber der Rückgang bei den männlichen Studenten noch größer war — von 40 Prozent aller Prüfungen im Jahre 1975 auf nur 18 Prozent im Jahre 1985 — ist der Anteil von Frauen an allen Lehramtsprüfungen hingegen noch auf 63 Prozent gestiegen.
Trotzdem zeigt dies eine starke Umorientierung der Frauen: weg von einer traditionell prioritär angestrebten (zugeschriebenen) Berufsrichtung (der Lehrämter) hin zu anderen Studienabschlüssen und beruflichen Einsatzfeldern — insbesondere hin zu den Magister-und Diplomprüfungen. Insofern wirft der Arbeitsmarkt seine Schatten voraus, und die Frauen reagieren flexibel auf Verengung oder Ausweitung von Berufschancen, die in Abhängigkeit von der Vereinbarkeit mit Familientätigkeiten gesehen werden.
Nachdem der Lehrerinnenarbeitsmarkt in den achtziger Jahren fast zusammengebrochen war, suchten Abiturientinnen nach Berufsmöglichkeiten jenseits einer Hochschulausbildung suchten also andere Wege der Realisierung ihrer außerordentlich gestiegenen Berufsorientierung. Sie wenden sich aber sogleich erneut dem Lehrerinnenberufzu, wenn der Arbeitsmarkt wieder mehr Stellen/Berufschancen signalisiert. Nachdem sich 1986 nur noch zwölf Prozent aller Studienanfängerinnen für ein Lehramtsstudium entschieden hatten, waren es 1988 bereits wieder knapp 19 Prozent
Daneben gibt es (kleine) ausgesprochene „Frauenfächer“ wie Romanistik (85 Prozent), Haushalts-und Ernährungswissenschaften (87 Prozent). Anglistik (75 Prozent), Dolmetscher/Übersetzer (85 Prozent). Auch in der Psychologie, Pharmazie, Lebensmittelchemie, Biologie stellen Frauen fast die Hälfte bzw. mehr als die Hälfte der Prüfungskandidaten, so daß generelle Aussagen — sieht man von den Spitzen ab — über frauenspezifische Fachinteressen nicht haltbar sind, zumal — wie die Beispiele Medizin und Chemie, aber auch Biologie zeigen — Frauen ihre Interessen an einem größeren Themenfeld orientieren und auch auf berufliche Verwendungsmöglichkeiten achten und im zeitlichen Verlauf variabel handhaben.
Gleichwohl bedarf es einer Erklärung, warum Frauen gegenüber den Ingenieurwissenschaften (Maschinenbau, Elektrotechnik) nach wie vor strikt auf Distanz gehen. Allerdings läßt sich die Frage auch umkehren: Warum laden diese Fächer Studentinnen so wenig zum Studium ein? Die Studenten-forschung hat sich den fachspezifischen Deutungen bisher mit dem Konzept differentieller Fachkulturen und mit dem vermittelnden Konstrukt des Habitus zugewandt. Damit ist gemeint, daß die einzelnen Fächer Eigenarten oder gar Eigenwelten entwickeln, die bestimmte Verkehrsformen, Denkweisen und Berufsauffassungen prägen, aber auch Persönlichkeitstypen selektieren, die mit diesen differentiellen „Fachkulturen“ zurechtkommen, sie aktiv ausüben oder zumindest mit ihnen harmonisieren. Die Anknüpfung an Geschlechterstereotype, mehr aber noch die Distanz zu Familientätigkeiten in der dominierenden Berufspraxis, die Konzentration auf einen engen Radius „tiefen“ Expertenwissens schließen Frauen dann aus, wenn sie selbst — was sie bisher tun — mit ihren Studienentscheidungen Lebensentscheidungen insgesamt verbinden, nämlich die Frage: Wie langfristig können studienmäßig erworbenes Wissen und Fähigkeiten beruflich in Verbindung mit Familientätigkeiten so genutzt werden, daß die eigene Person nicht dabei verbogen oder gründlich geändert werden muß? Zur Zeit hat es in der Tat den Anschein, als müßten tiefgreifende „Veränderungen“ in der Studienorganisation, der Vermittlung eines frauenfreundlichen Ingenieur-Berufsbildes und einer flexiblen Organisation der beruflichen Ausübung erst gegeben sein, damit Frauen sich diesen Berufsfeldern stärker zuwenden 5. Wohnen und private Verhältnisse: Der Trend zur Verselbständigung Wie sehr studentische Existenz eine eigenständige Lebensform geworden ist, läßt sich an der Wohnform am klarsten ablesen. 1953 wohnten 30 Prozent der Studentinnen bei den Eltern, 65 Prozent in Untermiete und nur fünf Prozent hatten eine eigene Wohnung. 1985 zeigt sich ein ganz anderes Bild. Nur noch 22 Prozent wohnten bei den Eltern (das sind allerdings drei Prozent mehr als noch 1982, was die schwierigere Lage durch die BAFöG-Kürzungen andeutet), 18 Prozent bewohnten allein eine eigene Wohnung, 24 Prozent zusammen mit ihrem Partner. 18 Prozent der Studentinnen lebten in einer Wohngemeinschaft (drei Prozent davon zusammen mit ihrem Partner), zehn Prozent hatten ein Zimmer in einem Wohnheim und nur noch neun Prozent eines in Untermiete Zur Finanzierung des Studiums verfügten Studentinnen über weniger Geld als ihre Kommilitonen. Sie setzten auch andere Prioritäten, nämlich lieber eine eigene Wohnung als ein eigenes Auto.
Da Ende der sechziger und in den siebziger Jahren die Heirat der einzige gesellschaftlich anerkannte Weg war, sich von den Eltern zu lösen und mit einem Partner zusammenzuwohnen, stieg auch die Heiratshäufigkeit der Studentinnen an (1976: 15 Prozent). Diese hat sich zwar wieder verringert (1985: neun Prozent), doch leben (1982) 50 Prozent der Studentinnen in fester Partnerschaft und nicht als Single.
Die Absicht zu heiraten bedeutete früher auch vielfach die Aufgabe oder Abkürzung des Studiums durch einen schnellen Abschluß bzw. Wechsel in einen kürzeren Studiengang 1982 führte eine Heirat nur noch bei vier Prozent der Studentinnen zu einem Wechsel in der Studienorientierung. Vielmehr ist diese dominant gegenüber dem „privaten“ Familienstand. Hingegen verändert sich der Studienablauf nach wie vor für Frauen entscheidend, wenn ein Kind geboren wird. 20 Prozent der studierenden Mütter unterbrachen 1982 ihr Studium. Mehr als die Hälfte gingen von einer dadurch bedingten Verlängerung ihres Studiums aus und nur für ein knappes Viertel ergaben sich keine Veränderungen im Studienverlauf 6. Die soziale Herkunft der Studentinnen Die soziale Selektion der Studentinnen war in den fünfziger Jahren im Vergleich zu den achtziger Jahren extrem ausgeprägt. Nur ein Prozent der Studentinnen kam aus Arbeiterfamilien und fast jede zweite Studentin hatte einen Akademiker als Vater. Nahezu selbstverständlich war das Studium nur für Töchter aus Hochschullehrer-und Apothekerfamilien. Jeweils 48 Prozent aller Studierenden mit Vätern dieser Status-und Berufsgruppen waren 1956 weiblich. Überproportional studierten auch Töchter von Juristen und Ärzten. Hingegen waren von 100 studierenden Arbeiterkindern nur vier weiblich
Das Studium von Frauen hat sich inzwischen auf die breiten Mittelschichten ausgedehnt. So ist auch der Anstieg in der Bildungsbeteiligung auf die Töchter der Mittelschichten zurückzuführen. Im Zeitraum von 1970 bis 1987 ist der Prozentsatz studierender Arbeitertöchter an den weiblichen Erstsemestern konstant geblieben, wenn nicht leicht gesunken (von 10, 1 auf 9 Prozent), nachdem er zu Beginn der achtziger Jahre einen Höhepunkt mit 13, 2 Prozent erreichte. Diese Daten für die wissenschaftlichen Hochschulen (einschließlich der Kunsthochschulen) werden von den Daten der Fachhochschulen übertroffen, aber auch hier haben wir seit fünf Jahren einen relativen Rückgang der Anteile der Frauen aus den Arbeiterschichten bei einer leichten Steigerung der Anteile von Beamten-und Angestelltentöchtern zu verzeichnen. Nimmt man die Daten der Hochschulen insgesamt, so ist der Anteil der Arbeitertöchter im Zeitraum von 1975 von 14, 2 Prozent auf 10, 6 Prozent im Jahre 1987 gesunken.
Dieser Rückgang steht sicherlich im Zusammenhang mit der Veränderung der Studienfinanzierung und zeigt die Gleichgültigkeit von Politikern gegenüber den weiblichen Interessen aus benachteiligten Schichten — eine Gleichgültigkeit, die frauen-und bildungspolitisch nicht zu akzeptieren ist. Gleichwohl gibt es eine bedeutsame Veränderung in der Art und Weise, wie Chancengleichheit bzw. Chancengerechtigkeit in letzter Zeit von den Arbeiter-töchtern selbst thematisiert wird. War dies in den sechziger und siebziger Jahren ein (vordergründiges) Anliegen der Bildungsreform und ihrer Träger — hauptsächlich der Mittel-Schichten-Männer —, so wird dieses Problem der „Bildungsdistanz“ von Arbeiterkindern/Arbeitertöchtern inzwischen von den Frauen selbst aufgegriffen: „Chancengleichheit selbstgemacht“ ist der neue Ton, der sich in einigen Selbstdarstellungen von studierenden Arbeiter-töchtern ausdrückt
Doppelte Diskriminierung — so unsere These — wirkt besonders bildungsmotivierend. Die aufgrund dieser Diskriminierungen erworbenen Fähigkeiten und Sozialisationserfahrungen als Stärke zu begreifen — wie es in diesem Prozeß der gemeinsamen neuen Definitionsversuche von den Arbeitertöchtem versucht wird —, bietet überhaupt erst die Chance, daß sie vom Objekt zum Subjekt ihrer Bildungswege werden. Damit unterscheidet sich diese Sichtweise von den Selbstzweifeln, Orientierungsschwierigkeiten der studierenden Arbeitertöchter, wie sie noch in den Studien: „Ich gehöre irgendwie so nirgends hin“ oder „Vielleicht wär ich als Verkäuferin glücklicher geworden“ zum Ausdruck kommt. „Kein Ort nirgends“ — intellektuelle Heimatlosigkeit — dies als Chance zu begreifen und eine „eigene“ Kultur zu bilden, wer kann es den Arbeitertöchtem, den Frauen an den Hochschulen verwehren?
IV. Frauenbewegung an den Hochschulen: Studentinnen mischen sich ein
Abbildung 6
Tabelle 4: Anteil von Frauen an den abgelegten Diplom-und Magisterprüfungen im Jahr 1986. Quelle: Wissenschaftsbeirat; Fachstudiendauer an Universitäten 1986, Bonn 1989.
Tabelle 4: Anteil von Frauen an den abgelegten Diplom-und Magisterprüfungen im Jahr 1986. Quelle: Wissenschaftsbeirat; Fachstudiendauer an Universitäten 1986, Bonn 1989.
Die Studentenbewegung der sechziger Jahre verstand sich als emanzipatorisch und sozialrevolutionär, allerdings waren die weiblichen Studenten weitestgehend ausgeschlossen. Sie waren in den Augen der Kommilitonen gut genug zum Tippen und Verteilen von Flugblättern, aber wurden nicht für fähig erachtet, die Politik mitzubestimmen. Die Studentinnen hatten meistens nur einen abgeleiteten Status als Freundin eines Genossen Helke Sander vom „Aktionsrat zur Befreiung der Frauen“ forderte auf der 23. SDS-Delegiertenkonferenz 1968 in Frankfurt, daß der Verband eine Zusammenarbeit nur erwarten könne, wenn der SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) die spezifische Problematik der Frauen begreife. Die Konferenz war irritiert und brach das Treffen ab: Die Diskussion wurde vertagt. Die Genossen definierten die Schwierigkeiten der Frauen mit der linken Politik als deren „private Probleme“. Der SDS erwies sich, wie in den Ausführungen von Helke Sander angekündigt, als „aufgeblasener konterrevolutionärer Hefeteig“.
Dies war der Beginn der Konstitution von Frauen-gruppen Themen wie Hausarbeit, Beziehungsarbeit, Kindererziehung, geschlechtsspezifische Sozialisation, Sexualität, Gefühle wurden in den sich bildenden Gruppen diskutiert. Ihr Unbehagen äußerte sich in der Patriarchatskritik und wurde in der Analyse der Geschlechterverhältnisse differenziert.
Eine Wurzel dieser Frauenbewegungswelle ist in dieser Auseinandersetzung von Studentinnen in der studentischen Protestbewegung zu sehen. Eine weitere Wurzel liegt in den Aktionen gegen den § 218, die 1971/72 auf breiter Basis stattfanden. Agierten Studentinnen zunächst außerhalb der Universitäten, so nahmen sie bald auch die Frauenfrage mit in die Hochschulen. Das traf sich mit den Interessen der vereinzelt forschenden und lehrenden Dozentinnen. Die Frauenfrage hielt zu Beginn der siebzigerJahre in Gestalt von Frauenseminaren Einzug in den Wissenschaftsbetrieb
Die Thematisierung auch der eigenen Situation im Wissenschaftsbetrieb schärfte den Blick für das in der Wissenschaft existierende androzentrische Selbstverständnis der Männerinstitution Universität.
Als 1976 die erste Berliner Sommeruniversität für Frauen stattfand, war sie der Ausdruck einer gemeinsamen kritischen Frauenöffentlichkeit an den Hochschulen, die die Benachteiligungen von Frauen im Wissenschaftsbetrieb behandelte. Studentinnen und Dozentinnen forderten eine Veränderung der Hochschulstrukturen und den Abbau von Hierarchie zwischen Männern und Frauen. Sie forderten, daß die Lehr-und Forschungsinhalte von Studentinnen, Dozentinnen und anderen Frauen in der Universität bestimmt und bearbeitet werden können, so daß sie den Bedürfnissen aller Frauen und den Erfordernissen des Kampfes um ihre Emanzipation entsprechen. Sie forderten bereits 1976:
— zusätzliche familienunabhängige Stipendien für Frauen, — die Einrichtung von Frauenarchiven und -bibliotheken,
— Einrichtung von Studienschwerpunkten zur Situation der Frau an allen Fachbereichen und Instituten, — Anerkennung von Examensarbeiten zu Frauen-themen,
— mehr Arbeitsplätze für Frauen in Lehre und Forschung, — frauenspezifische Lehrstühle, Assistenzprofessuren, Assistentinnenstellen
Nach der ersten Sommeruniversität in Berlin, der weitere folgten, entstanden noch zahlreiche Uni-Frauengruppen. Studentinnen und Dozentinnen organisierten fachspezifische, regionalbezogene oder hochschulübergreifende Treffen für Frauen. Dazu gehören beispielsweise:
— die bundesweiten Treffen der Naturwissenschaftlerinnen und Technikerinnen (das erste Treffen fand 1977 in Aachen statt);
— das „ 1. Frauenforum im Revier“ in Dortmund 1979 mit ca. 5 000 Frauen (ihm folgten weitere), — und später die Veranstaltungen der AStA-Frauenreferate und des Projektbereichs Frauenpolitik in der VDS (Vereinigte Deutsche Studentenschaft). Anfang der achtziger Jahre begann an den Hochschulen eine neue Phase: Schlechte Berufsperspektiven bewirkten offensichtlich einen Rückgang bei den Studienanfängerinnen. Außerdem zeigten Erfahrungsberichte und Situationsbeschreibungen von studierenden Frauen die frustrierenden Erleb35) nisse von Studentinnen in allen Studiengängen Hatten Sozialforscher in den sechziger Jahren aufgrund der empirischen Untersuchungen geäußert, Frauen seien nicht weniger geeignet für ein Studium, sondern nur weniger vorbereitet auf die männlich geprägte Hochschule so sind die Schwierigkeiten in den achtziger Jahren immer noch nicht beseitigt. Studentinnen sehen sich in den Männerinstitutionen starken Inter-und Intrarollen-Konflikten ausgesetzt.
1985 organisierte der Projektbereich Frauen der VDS seine dritte Frauenkonferenz in Münster — und zwar diesmal zur Situation von Studentinnen. Das Motto hieß: „Frauen! Nicht resignieren, gemeinsam studieren! Gegen die Vertreibung der Frauen aus den Wissenschaften!“ Diese Frauen-konferenz wehrte sich gegen die Vertreibung von Studentinnen und Wissenschaftlerinnen aus den Universitäten, gegen die Spar-und Umverteilungspolitik an den Hochschulen, gegen die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes, den Abbau des zweiten Bildungsweges, den BAFöG-Kahlschlag, den Sexismus gegen Frauen und die ungünstigen Beschäftigungsverhältnisse von Akademikerinnen Diese Konferenz war eine unter vielen Aktivitäten in den letzten Jahren.
Die Frauenpolitik als Hochschulpolitik war bislang nur wenig erfolgreich: Einige Professuren für Frauenforschung wurden eingerichtet. Das Hochschulrahmengesetz erhielt einen Passus, daß die Benachteiligungen von Frauen in der Wissenschaft aufzuheben seien. Die Hochschulgesetze der Länder schreiben mittlerweile die Einrichtungen von Frauenbeauftragten vor, allerdings sind sie weder mit Kompetenzen noch mit finanziellen und personellen Etats ausgestattet worden und daher letztlich wirkungslos
Ein Förderungsprogramm für Frauen in der Wissenschaft wird an den Hochschulen bislang nur diskutiert. Seine Realisierung steht in den meisten Fällen noch aus.
V. Fazit
Zu den strukturellen Veränderungen der deutschen Nachkriegszeit gehört die dramatische Steigerung der Bildungsbeteiligung von Frauen. Hauptsächlich profitierten davon die Töchter aus Mittelschichtfamilien, aber auch Arbeitertöchter. Im Vergleich zu ihrem Anteil von 50 Prozent an den Abiturientinnen, sind Frauen mit derzeit Prozent an den Hochschulen immer noch unterrepräsentiert. Darüber hinaus zeigen sich noch extreme Unterschiede in der Wahl einzelner Studiengänge.
Mit den quantitativen Veränderungen in der Studienbeteiligung gehen neue Ansprüche an die Wissenschafts-und Lehrorganisation Hochschule einher, da diese immer noch als Männerinstitution zu charakterisieren ist — nicht nur wegen der zu 95 Prozent männlichen Professorenschaft, der Hierarchie in den Umgangs-und Verkehrsformen, sondern auch wegen der fehlenden oder verzerrten Darstellung von Frauen in den Forschungsfragen und -ergebnissen 40).
Frauen streiten für die Aufhebung ihrer Diskriminierungen: Dies begann vermehrt mit den Aktivitäten der studentischen Frauenbewegung in den siebziger und achtziger Jahren und setzt sich in der neuen Protestbewegung der letzten Semester fort. In diesen Streiks standen die Studentinnen oft vorn. Das Bedürfnis, die Universitätsstrukturen zu verändern, wurde von weiblichen und männlichen Studierenden getragen. Sobald die Frauen jedoch die Veränderung der Beziehungsstrukturen, die Beseitigung des Dominanzverhaltens von Männern gegenüber Frauen forderten, erhielten sie keine Unterstützung von ihren Kommilitonen Sie machten die Erfahrung, daß der Feminismus auch an den Hochschulen immer noch notwendig ist.
Sigrid Metz-Göckel, Dr. phil., geb. 1940; Professorin; seit 1980 Leiterin des Hochschuldidaktischen Zentrums der Universität Dortmund; seit 1988 als Sachverständige Mitglied in der Bundestags-Enquetekommission: Zukünftige Bildungspolitik — Bildung 2000. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit E. Nyssen) Einführung in die Frauenforschung, Weinheim 1989; (zus. mit S. Frohnert und J. Kauermann-Walter) Geschlechtsspezifischer Umgang mit dem Computer, Dortmund 1989. Christine Roloff, Dr. phil., geb. 1942; seit 1985 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hochschuldidaktischen Zentrum der Universität Dortmund; seit dem WS 1988/89 Lehrbeauftragte am Fachbereich Mathematik und Informatik der Universität Bremen für „Frauen in der Informatik“. Veröffentlichungen u. a.: Männerberufe für Frauen? Zum Selbstverständnis von Chemikerinnen und Informatikerinnen, in: Studium feminale, Bd. 3, Bonn 1989; Von der Schmiegsamkeit zur Einmischung — Professionalisierung von Chemikerinnen und Informatikerinnen, Pfaffenweiler 1989. Anne Schlüter, Dr. phil., geb. 1950; seit 1984 Lehrbeauftragte an der Universität/GHS Essen für Frauenstudien; wiss. Mitarbeiterin am Hochschuldidaktischen Zentrum der Universität Dortmund. Veröffentlichungen u. a.: Forschung in Nordrhein-Westfalen: Frauenforschung — Dokumentation. Im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung NRW, Düsseldorf 1988; (Hrsg.) Wohin geht die Frauenforschung? Dokumentation des gleichnamigen Symposions zur Frauenforschung am 11. und 12. November 1988 in Dortmund (erscheint 1990).
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