Die Republikaner Ideologie — Programm — Organisation
Norbert Lepszy
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Zusammenfassung
Trotz ihrer Anfangserfolge in Bayern 1986, in Berlin, bei den hessischen Kommunalwahlen und bei der Europawahl 1989 und trotz des damit verbundenen Mitgliederzuwachses in den letzten Monaten verfügen die Republikaner derzeit nur über einen mangelhaften organisatorischen Apparat und noch nicht über eine voll ausgebaute Organisationsstruktur auf allen Ebenen. Sie sind in ihrer Wählerschaft eine heterogene Protestpartei mit einer getrennt davon zu analysierenden populistischen, rechtsradikalen Programmatik und Ideologie mit fließenden Übergängen zum Rechtsextremismus. Ihr 1987 beschlossene Programm zeichnet sich durch mangelnde Systematik, inhaltliche und formale Ungleichgewichtigkeit sowie durch erhebliche politische Defizite aus. Von den Republikanern werden vor allem Themen besetzt, die sich entweder zur Propagierung nationalistischerGesinnung, zu Agitation gegen die „etablierten“ Parteien oder zur Schürung von Angst-und Protestgefühlen eignen. Den zentralen Fragen und Zukunftsproblemen der deutschen Politik stellt sich die Partei nicht; wichtige Problemfelder der Wirtschafts-und Sozialpolitik, der Umweltpolitik, aber auch der Außen-und Sicherheitspolitik werden meist nur mit wenigen Sätzen und sehr allgemein behandelt. In den einzelnen Programmabschnitten lassen sich antidemokratische Tendenzen sowie traditionelle, rückwärtsgewandte Werthaltungen feststellen. Eine beschönigende und verharmlosende Haltung gegenüber der NS-Zeit verbindet sich mit nationalistischen, antieuropäischen und neutralistischen Tendenzen sowie mit einer ausgeprägten Ausländerfeindlichkeit. In ihrer Selbstdarstellung dagegen versuchen die Republikaner, sich als eine verfassungstreue, demokratische und antiextremistische Partei darzustellen. Gleichzeitig versucht sie, sich als Partei der „kleinen Leute“, der Unzufriedenen, Benachteiligten und sozial Schwächeren zu profilieren. Obwohl in den Themen und teilweise auch in den Formen der politischen Agitation zwischen Rechtsextremisten und den Republikanern Übereinstimmungen festzustellen sind, können die Republikaner derzeit nicht als rechtsextremistische, d. h. verfassungsfeindliche Partei bezeichnet werden.
I. Entstehung und Entwicklung, Organisations-und Mitgliederstrukturen der Partei
Erstmals seit den kurzfristigen Erfolgen der NPD Ende der sechziger Jahre ist nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Januar 1989 mit den Republikanern wieder eine Rechtspartei in einem Landtag vertreten. Ihre Gründung ging von Bayern aus, wo die Republikaner bis heute eindeutig ihren regionalen Schwerpunkt haben. Nach ihrem CSU-Austritt, den sie mit der mangelnden innerparteilichen Demokratie in der CSU und der Politik von Franz-Josef Strauß (DDR-Kredit) begründeten, verfolgten die ehemaligen CSU-Abgeordneten Franz Handlos und Ekkehard Voigt die Formierung einer neuen Partei „rechts von der Mitte“ und gründeten gemeinsam mit dem Publizisten Franz Schön-huber am 27. November 1983 die neue Partei der „Republikaner“. Nach Auseinandersetzungen mit dem ersten Vorsitzenden Franz Handlos wurde Franz Schönhuber 1985 Vorsitzender der Partei. Das noch heute gültige „Programm der Republikaner“ wurde während des Bundesparteitages 1987 verabschiedet, auf dem auch Franz Schönhuber als Vorsitzender bestätigt wurde.
Im Oktober 1986 erzielten die Republikaner bei den bayerischen Landtagswahlen aus dem Stand heraus 3, Prozent. Ihren bundesweiten Anspruch erhob die Partei im Dezember 1988, als sie auf ihrem Bundesparteitag in Dinkelsbühl die Kandidatur für das Europäische Parlament beschloß. Bis zur Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Januar 1989 erzielte die Partei in den übrigen drei Landtagswahlen. an denen sie sich beteiligte, nur sehr bescheidene Ergebnisse (Bremen 1987: 1, 19 Prozent; Baden-Württemberg 1988: 0, 96 Prozent und Schleswig-Holstein 1988: 0, 6 Prozent). Diese niedrigen Wahlergebnisse sagen noch nichts über das gesamte Potential der Rechtsparteien in der Bundesrepublik aus, das wesentlich höher liegt. Für die Republikaner ist in Zukunft entscheidend, ob sie sich als die einzige Rechtspartei mit reellen politischen Chancen etablieren können.
Mit dem Wahlerfolg in Berlin im Januar 1989 (7, 5 Prozent) gelang den Republikanern erstmals der Einzug in ein Landesparlament; gleichzeitig werden sie — sollten bis dahin in Berlin keine Neuwahlen stattfinden — ab 1990 auf der Grundlage des Berliner Wahlergebnisses mit zwei Abgeordneten im Deutschen Bundestag vertreten sein. Bei der Europawahl am 18. Juni 1989 erreichten die Republikaner 7, 1 Prozent, wobei ihre höchsten Stimmen-anteile im Süden der Bundesrepublik Deutschland (Bayern 14, 6 und Baden-Württemberg 8, 7 Prozent) lagen.
Seit 1987 besitzen die Republikaner in allen Bundesländern, außer dem Saarland, Landesverbände. Der Ausbau derweiteren Organisationsstruktur auf Bezirks-und Kreisebene dürfte in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich weit fortgeschritten sein; von der Mitgliederzahl her und organisatorisch am stärksten ist die Partei in Bayern und in Berlin. Im einzelnen weisen die Landesverbände, wie entsprechenden, auf eigenen Angaben beruhenden Pressenotizen zu entnehmen ist, etwa folgende Mitgliederzahlen auf:
Der Parteivorsitzende Schönhuber gab Ende April 1989 die Gesamtmitgliederzahl seiner Partei mit „knapp 14 000“ an. Vor der Berlin-Wahl Ende Januar seien es erst 8 600 gewesen 1). 70 Prozent der neuen Parteimitglieder seit Januar 1989, so Schön-huber, seien unter 30 Jahre alt. Zwischen 20 und 30 Prozent von ihnen seien Beamte, vor allem Polizisten, Bundeswehrsoldaten, Angehörige des Bundesgrenzschutzes, Richter und Staatsanwälte Ein großer Teil der Gesamtzahl der Mitglieder ist älter als 50 Jahre; gegenüber der starken, anwachsenden Altersgruppe der 20-bis 30jährigen dürfte die Altersgruppe der 30-bis 50jährigen in der Mit-gliederschaft — ebenso wie in der Wählerschaft der Partei — unterrepräsentiert sein
Trotz des Mitgliederzuwachses der letzten Monate verfügt die Partei nur über einen mangelhaften organisatorischen Apparat und noch nicht über eine voll ausgebaute Organisationsstruktur auf allen Ebenen. Zudem wird die Entwicklung der Partei in einigen Landesverbänden — Berlin, Niedersachsen und auch in Teilen Nordrhein-Westfalens — durch schwere innerparteiliche, personalpolitische Auseinandersetzungen beeinträchtigt. Trotzdem dürfte durch die hohe Wahlkampfkostenerstattung aufgrund des Ergebnisses der Europawahl (über 16 Millionen Mark) der organisatorische Aufbau der Partei in nächster Zeit beschleunigt werden. So hat Schönhuber die Verlegung der Bundesgeschäftsstelle von München nach Bonn angekündigt, um im Vorfeld der Bundestagswahl 1990 seinen bundespolitischen Anspruch deutlich zu machen.
II. Die Programmatik der Republikaner
1. Inhaltliche und formale Defizite Die Republikaner sind in ihrer Wählerschaft eine heterogene Protestpartei mit einer davon getrennt zu analysierenden populistischen, rechtsradikalen Programmatik und Ideologie mit teilweise fließenden Übergängen zum Rechtsextremismus Generell gilt, daß aus der Programmanalyse nicht bereits pauschal auf die Motive ihrer Wähler geschlossen werden kann. Die Unterscheidung zwischen der „Programm-und Mitgliederpartei“ einerseits und der „Wählerpartei“ andererseits ist angesichts der heterogenen Wählerstruktur der Republikaner besonders bedeutsam Das 1987 beschlossene Programm der Republikaner zeichnet sich schon in seiner Gliederung durch inhaltliche und formale Ungleichgewichtigkeit, mangelnde Systematik und erhebliche politische Defizite aus Darüber hinaus hat die Partei zur Europawahl 1989 in Dinkelsbühl eine Erklärung mit dem Titel „Deutsche Interessen haben Vorrang“ verabschiedet (im folgenden: Europaerklärung).
Das Programm der Republikaner ist eindimensional. Im Mittelpunkt der Programmatik stehen nationalistische Themen und die nationalstaatliche Wiedervereinigung. Die Republikaner versuchen, sich damit als national-konservative Partei darzustellen, während sie den anderen Parteien vorwerfen, die nationalen Interessen des deutschen Volkes zu vernachlässigen. Ansonsten weist das Programm, das sowohl Grundsatzprogramm der Partei als auch politisches Aktionsprogramm sein soll, im Hinblick auf beide Funktionen erhebliche Defizite auf.
Den zentralen Fragen und Zukunftsproblemen der deutschen Politik stellt sich die Partei nicht. Zwar finden sich im Programm der Republikaner Aussagen zu fast allen politischen Problemfeldern, diese aber sind in ihrer Gewichtung völlig unausgewogen (so etwa Umweltschutz und Energiepolitik äußerst dürftig, Katastrophen-und Zivilschutz dagegen sehr ausführlich) und fügen sich nicht zu einer Gesamtkonzeption zusammen. Von den Republikanern werden vor allem Themen besetzt, die sich entweder zur Propagierung nationalistischer Gesinnung, zur Agitation gegen die „etablierten“ Parteien oder zur Schürung von Angst-und Protestgefühlen eignen.
Im Programm fehlen, abgesehen vom Bekenntnis zur deutschen Nation, Aussagen zum Selbstverständnis der Partei, zu den geistigen und historischen Grundlagen und insbesondere zum Grundwerteverständnis, wie dies bei anderen Parteien ausformuliert ist. Auch die Sachaussagen zu den einzelnen Politikfeldern sind wenig konkret, plakativ-allgemein gehalten und zudem lückenhaft. Es werden jeweils einige wenige Einzelpunkte, oft zusammenhanglos, herausgegriffen und als Forderung bzw. anklagende Zustandsbeschreibung aneinandergereiht. Es fehlen die zukunftweisenden Perspektiven; wichtige Problemfelder, in denen der Bürger Problembewußtsein und in die Zukunft weisende Aspekte erwartet, werden meist nur mit wenigen Sätzen und sehr allgemein behandelt. Dies gilt insbesondere für die Wirtschafts-und Sozialpolitik, aber auch für die Bereiche Umweltpolitik, neue Technologien sowie gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Strukturwandel. Besonders bemerkenswert sind die Defizite in den Bereichen Außen-und Sicherheitspolitik, einschließlich der Europa-, der Abrüstungs-und Entspannungspolitik.
Offenbar haben die Republikaner selbst mittlerweile einige Schwachpunkte und Defizite in ihrem Programm erkannt; so ist inzwischen nach einer Interview-Ankündigung Schönhubers vom Parteipräsidium die sprachliche und inhaltliche Überarbeitung und Ergänzung des Programms beschlossen worden 2. Antidemokratische Tendenzen im Programm der Republikaner Zumindest indirekt wird, „in nationaler Gesinnung“, eine beschönigende und verharmlosende Haltung gegenüber der NS-Zeit eingenommen. So wird in Punkt eins beklagt, daß die „Kriegspropaganda der Siegermächte in unsere Geschichtsbücher eingegangen“ sei und „ihre Übertreibungen und Fälschungen . . . von der Jugend weitgehend geglaubt werden“ müßten. Auch der Union wird vorgeworfen, sie fixiere „die deutsche Vergangenheit weiterhin auf zwölf Jahre nationalsozialistischer Herrschaft“ und tue nichts, „um mit der Entkriminalisierung deutscher Kultur, Geschichte und ihrer Menschen zu beginnen“. In einem Appell an „Deutsche aller Volksschichten“ wird zur „nationalen Selbstbesinnung und geistig-moralischen Erneuerung“ aufgerufen.
In Punkt zwei wird im Zusammenhang mit möglichen Verhandlungen über einen Friedensvertrag „die Forderung nach Offenlegung aller Archivunterlagen zur Klärung der , Alleinschuld‘-These“ erhoben. Auf dieser Grundlage solle die deutsche Verhandlungsposition bestimmt werden. Die alleinige Schuld und Verantwortung der Nationalsozialisten am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges werden damit in Frage gestellt.
Im Programm finden sich zahlreiche Sprachmuster, die der NS-Ideologie zumindest nahestehen und entsprechende Assoziationen hervorrufen. So wird von den „Deutschen aller Volksschichten“ und von der „Erhaltung des Bestandes des deutschen Volkes, seiner Gesundheit und seines ökologischen Lebensraumes als vorrangiges Ziel der Innenpolitik“ gesprochen. Inflationär werden die Begriffe „deutsches Volk“, „Volk und Staat“ verwandt. Der „Gesundheit des deutschen Volkes“ soll insbesondere die „Pflege und Übung der. . . körperlichen, seelischen und geistigen Kräfte von Jugend an“ dienen. Anklänge an NS-Phraseologie finden sich auch in der Beschreibung der Rolle der „Frau“ und „Mutter“, der Sozialordnung („Leistungsgemeinschaft aller Arbeitenden“) und insbesondere im Abschnitt über die Medienpolitik (Kritik an der „Verschmutzung der geistigen Umwelt“). 3. Traditionelle, rückwärtsgewandte, sozialideologische Werthaltungen Neben den mehr oder weniger eindeutig der NS-Ideologie entlehnten Sprachmustern finden sich im Programm durchgängig zahlreiche rückwärtsgewandte Denkfiguren, die im Überschneidungsbereich zwischen konservativen und reaktionären weltanschaulichen Positionen einzuordnen sind. Allerdings: Auch wenn durchaus ernst zu nehmende oder kritikwürdige Problembereiche angesprochen werden, wirken die Formulierungen immer etwas überzogen. So wird in der Ausgangsanalyse zur „Lage der geteilten Nation und des deutschen Volkes“ beklagt, „daß in ganz Deutschland die geistige und politische Kultur zunehmend verwahrlost, die Sitten mißachtet werden“ und ein „Verlust an ethischen Werten“ festzustellen sei. Traditionelle, gegen die gesellschaftlichen Veränderungen und Entwicklungen der letzten Jahrzehnte gerichtete Wertvorstellungen finden sich insbesondere im Kapitel über die „Frau und Familie“. So sei es „insbesondere der Frau gegeben, durch Wärme und Hingabe ein Klima der Geborgenheit zu schaffen, in welchem Familie und Kinder gedeihen können“. Hier liege „die besondere und von keinem . Hausmann'oder Kollektiv erfüllbare Berufung der Frau“. Und in einem anderen Zusammenhang (Beschäftigungspolitik) wird gesagt: „Ohne Familien mit Kindern und Heim ist ohnehin der Bestand und das Gedeihen des deutschen Volkes gefährdet.“
An mehreren Stellen des Programms lassen sich antipluralistische Tendenzen und antimoderne Affekte nachweisen. So werden überaus häufig Begriffe wie „Gemeinsinn“ und „Gemeinwohl“ gebraucht und gefordert, „daß Staatsräson und Gemeinwohl Vorrang vor Parteiräson und Gruppeninteressen haben“ müßten. Auch von den Medien wird verlangt, daß sie sich am „Sittengesetz“ und am „Gemeinsinn“ orientieren und „parteipolitisch neutral, staatsfem und ohne ideologische oder verzerrende Darstellung der Tatsachen“ berichten sollten. Insbesondere dürften sie nicht „nivellierende, verrohende und verdummende Zeitströmungen einer alles hinnehmenden Wohlstands-und Massengesellschaft fördern, indem sie Darstellungen von Gewalt. Brutalität, Kriminalität, Sexualismus, Materialismus und Klassenkampf bevorzugen und ohne ethischen Wertbezug darbieten“. Falls die Selbstkontrolle der Medien „weiterhin versagt“, wollen die Republikaner auch die Presse-und Mei5 nungsfreiheit einschränken und „für die Schaffung partei-und gruppenunabhängiger Kontrollorgane zum Schutze des von Einschüchterung und Verschmutzung der geistigen Umwelt bedrohten Freiheitsraumes des Bürgers sorgen“. 4. Nationalistische, antieuropäische und neutralistische Tendenzen in der Programmatik der Republikaner In den programmatischen Aussagen der Republikaner verbinden sich die legitime Betonung deutscher, nationaler Interessen und die Forderung nach der Wiedervereinigung Deutschlands mit nationalistischen Untertönen und gefährlichen, den Standort der Bundesrepublik Deutschland als Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft in Frage stellenden Tendenzen.
Hauptziel der Republikaner ist „ein wiedervereinigter und durch einen Friedensvertrag völkerrechtlich und menschenrechtlich erneuerter deutscher Nationalstaat“. Gefordert wird hierzu „die Aufnahme von Friedensverhandlungen gemäß den Beschlüssen der Siegermächte von 1944 (London) und 1945 (Berlin) . . ., ausgehend von der völkerrechtlichen Grundlage des fortbestehenden Deutschen Reiches in allen seinen Teilen“. In diesem Zusammenhang seien die Klärung der „Alleinschuld“ -These sowie der Fortfall der diskriminierenden Feindstaaten-Artikel der Vereinten Nationen notwendig.
Die nationale Wiedervereinigung ist die zentrale Ideologie der Republikaner. Prinzipiell sind alle anderen politischen Fragen nachgeordnet und werden von diesem politischen Ziel abgeleitet. Implizit wird der Eindruck vermittelt, mit der Wiedervereinigung seien auch alle anderen politischen Probleme im wesentlichen gelöst. Insofern stellt die Wiedervereinigungsfrage die ideologische Essenz des Programms der Republikaner dar.
Folglich ist für die Republikaner das Ziel der „Wiedervereinigung Gesamtdeutschlands . . . vorrangig und höher zu bewerten als ein Verbleib der Bundesrepublik Deutschland in der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft. Deshalb darf die Bündnispartnerschaft auf dem Weg zur Einheit Deutschlands kein unüberwindliches Hindernis darstellen.“ Die Souveränität des wiedervereinigten Deutschlands sei durch „eigene Verteidigungsfähigkeit und Sicherheitsvereinbarungen auf Gegenseitigkeit mit Frankreich, Großbritannien, den USA und der Sowjetunion zu garantieren“. Diese Vorstellungen implizieren neutralistische Tendenzen, die gegen die Westbindung der Bundesrepublik gerichtet sind. Der Vorrang der Freiheit vor der Einheit wird damit aufgegeben.
Diese Vermutung bestätigt sich im Punkt drei des Programms über die „Staatliche Wiedervereinigung des deutschen Volkes“. Mit einem überzogenen Anspruch wird verkündet, daß die Republikaner „die friedliche Wiedervereinigung des deutschen Volkes zu staatlicher und nationaler Einheit. . . ohne weiteren Aufschub in Angriff nehmen“ würden. Trotz dieser Forderung nach einer operativen Wiedervereinigungspolitik („die Bundesregierung hat daher als frei wählbare und handlungsfähige deutsche Regierung in pflichtgemäßer Erfüllung der Aufforderung des Grundgesetzes die Initiative für die Wiedervereinigung zu ergreifen und unabweisbar zu betreiben“), wird, abgesehen von dem Hinweis auf internationale Deklarationen (Schlußakte von Helsinki), nichts zur konkreten Umsetzung dieses Ziels gesagt. Insbesondere fehlen in diesen Abschnitten des Programms konkrete Aussagen zur demokratischen und freiheitlichen Qualität des wiedervereinigten Deutschlands sowie zu seiner — auch für die Nachbarländer akzeptierbaren — Einordnung in das europäische Staatengefüge.
Die Deutschlandpolitik der jetzigen Bundesregierung und aller Bonner Parteien wird von den Republikanern scharf angegriffen, da sie „die deutsche Teilung zementiert“ habe und sich darauf beschränke, die Teilung „nur erträglicher zu machen, ohne sie zweifelsfrei in Frage zu stellen“. Dem „unwürdigen Menschenhandel“ („Freikauf“ von DDR-Häftlingen?) solle ein Ende gemacht werden.
In der Europaerklärung werden die europäische Einigungspolitik und die Westintegration der Bundesrepublik Deutschland in einen Gegensatz zum Wiedervereinigungsziel gestellt: „Wir Republikaner bekunden hiermit unsere Erkenntnis, daß eine einseitige Westintegration der Bundesrepublik Deutschland, d. h.deren Aufgehen in einer übernationalen, mit eigenen Souveränitätsrechten ausgestatteten Europäischen Union 1, die Wiedervereinigung Deutschlands unmöglich macht.“ Die Ergebnisse einer 40jährigen europäischen Einigungspolitik der Bundesrepublik werden damit in Frage gestellt.
Auch in ihren programmatischen Aussagen zur Europapolitik setzen die Republikaner auf Ressentiments und Vorurteile, wenn unter Verkennung der wahren politischen und ökonomischen Zusammenhänge „gegen deutsche Benachteiligung“ in der EG, „gegen Aufgabe der Souveränität“ und „gegen ausufernde Bürokratie“ (jeweils Kapitelüberschriften der Europaerklärung) polemisiert wird. Die Europafeindlichkeit der Republikaner kommt auch in dem großgedruckten „NEIN zu dieser EG“ gegenüber dem vorangestellten kleinen „Ja zu Europa“ zum Ausdruck. Die Perspektiven des europäischen Binnenmarktes werden von den Republikanern fast ausschließlich unter negativen Aspekten gesehen. Insbesondere werden von ihnen genannt: die Gefährdung der Währungsstabilität, die Gefährdung von Arbeitsplätzen und der befürchtete weitere Zustrom von Ausländern: „Wir Republikaner wehren uns gegen den unter dem Begriff . europäischer Freizügigkeit'drohenden weiteren Kriminellen-Import und den weiteren Zustrom von Ausländem aus EG-, EG-assoziierten oder anderen Staaten ins Bundesgebiet, was die sozialen Spannungen, die technischen Gegensätze und die finanziellen Belastungen für die Haushalte des Bundes, der Länder, Bezirke und Kommunen ins Unerträgliche steigern und unser Volk überfremden wird“ (Europaerklärung). Diese ressentimenthafte Europafeindlichkeit bedeutet in der Konsequenz die Ablehnung der europäischen Einigungspolitik insgesamt. Die politischen und wirtschaftlichen Folgen werden dabei nicht bedacht. 5. Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhaß Neben der nationalen Frage stehen in der Propaganda und Agitation der Republikaner die Ausländer-und Asylproblematik an zentraler Stelle. Im Programm selbst nimmt sie im Punkt zehn zwar nur wenig Raum ein; die markigen und eindeutigen Formulierungen werden ihre emotionalisierende • Katalysatorwirkung bei jenen Bevölkerungsgruppen vermutlich nicht verfehlen, die sich in ihrer eigenen wirtschaftlichen Existenz, ihrem Sozialstatus und ihrer Sicherheit durch den „Ausländerzustrom“ gefährdet sehen. Der schroffe Ton rechtfertigt durchaus den Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit. So wird von der „Einwanderungswelle der letzten Jahre“ gesprochen, vom dadurch entstandenen „Mißbrauch und Schaden deutscher Bürger, ihrer Sicherheit und ihres Gemeinwesens“ und betont, daß die Bundesrepublik Deutschland „kein Einwanderungsland“ sein dürfe: „Es muß das Land der Deutschen bleiben.“ Selbstverständlich sind „Ausländer. . . Gäste“. „Wahlrecht und Parteimitgliedschaft für Ausländer sind abzulehnen“ und:
„Ausländer, welche gegen die Gesetze verstoßen, werden nach zeitlich befristetem Rechtsverfahren ohne Verzug ausgewiesen“.
Entgegen dem Grundgesetzartikel 16 („Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“) wird lediglich gefordert: „Asylbewerber können Asyl erhalten, wenn sie politisch Verfolgte sind.“ Dies bedeutet, daß Asylanten kein Recht auf Anerkennung haben, auch wenn ihre Verfolgung im Herkunftsland aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen nachgewiesen ist. Die Rückführungsbestimmungen sowohl für Asylanten als auch für andere Ausländer wollen die Republikaner entscheidend verschärfen: „Der Mißbrauch des Asylbegehrens führt zu sofortiger Ausweisung“; und weiter: „Lernende und studierende Ausländer kehren nach Beendigung ihrer Ausbildung in ihre Heimatländer ebenso zurück wie nach geltendem Recht arbeitslose Ausländer.“
Abgesehen von diesen harten Positionen zeigen die Republikaner auch in diesen für sie doch zentralen Fragen kein adäquates Problembewußtsein. Die Probleme der deutschstämmigen Aussiedler etwa werden im Programm überhaupt nicht angesprochen. Die Republikaner befinden sich hier in einer prekären Situation. Auf der einen Seite müßten sie, ihrer nationalen Ideologie folgend, den Zuzug der Spätaussiedler aus den osteuropäischen Ländern begrüßen, auf der anderen Seite nutzen sie die auch gegen diese Bevölkerungsgruppe bestehenden Ressentiments in ihrer Propaganda — zumindest unterschwellig — mit aus.
Deutlichere Warnungen vor der „Überfremdung“ (ein Reizwort, das auch von anderen rechtsradikalen und rechtsextremistischen Gruppen benutzt wird) und sogar vor weiterem „Kriminellen-Import“ finden sich in der bereits zitierten Passage der Europaerklärung. Die Partei, insbesondere die Parteispitze, versucht aus taktischen Gründen jeden zu offensichtlichen Anschein von Ausländerfeindlichkeit oder Fremdenhaß zu vermeiden. Entsprechenden Vorwürfen wird mit dem Hinweis auf die restriktivere Asylpraxis in anderen demokratischen europäischen Ländern und auch auf das Rotationsprinzip für ausländische Arbeitnehmer in der Schweiz begegnet. Bürgerliche Wähler sollen nicht verschreckt werden. Gleichwohl wird unterschwellig bei der Bevölkerung Ausländer-und Fremden-feindlichkeit mobilisiert. Bekanntestes Beispiel in diesem Zusammenhang dürfte der Wahlspot der Republikaner zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses 1989 sein. In diesem geschmacklosen Fernsehspot wurden spielende türkische Kinder gezeigt, während im Hintergrund die Titelmusik aus dem Film „Spiel mir das Lied vom Tod“ erklang.
III. Die Selbstdarstellung der Partei
Gerade weil die Partei nur über bescheidene programmatische Ansätze verfügt, auf die sie in der politischen Auseinandersetzung festgelegt werden könnte, kommt ihrem Bemühen um eine möglichst positive Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit besondere Bedeutung zu. Da sie ihre Wähleransprache nicht auf das verschwindend kleine rechtsextreme Wählerpotential beschränken kann, sondern — wenn auch vermessen — ein erreichbares Potential von 15— 20 Prozent (Schönhuber) anpeilt, versuchen sich die Republikaner als eine verfassungs treue, demokratische und antiextremistische Partei darzustellen. Dementsprechend berufen sie sich ausdrücklich auf das Grundgesetz und den demokratischen und sozialen Rechtsstaat. Links-und Rechtsextremismus werden — verbal — von den Republikanern gleichermaßen abgelehnt und angegriffen. So hat das Bundespräsidium der Republikaner eine Aufnahmesperre für (auch ehemalige?) Mitglieder links-und rechtsextremistischer Parteien, vor allem der NPD und der Deutschen Volks-union (DVU) verhängt; ferner soll auf den Mit-7 gliedsausweisen der Partei in Zukunft ein „Bekenntnis zur freiheitlichen Verfassung der Bundesrepublik Deutschland“ festgehalten werden
Als Beweis für die Richtigkeit und demokratische Qualität ihrer Ansichten und Forderungen wird ferner häufig auf Übereinstimmungen mit Aussagen „rechter“ Unionspolitiker hingewiesen, während auf der anderen Seite „linke“ Unionspolitiker besonders scharf angegriffen werden. Diese Taktik zielt eindeutig auf unzufriedene Unionsanhänger, denen ein angeblicher, auch von der seriösen konservativen Presse so vermittelter „Linkskurs“ der Partei(-führung) nicht behagt. Mit extremistischen Positionen wäre dieses für den Wahlerfolg der Republikaner vermutlich entscheidende Potential nicht anzusprechen.
Zur Abwehr eines möglichen Vorwurfs des Rechts-extremismus gehört vor allem die wiederholte Versicherung, die Partei sei weder ausländerfeindlich noch rassistisch oder gar antisemitisch. Ihre Verfassungstreue und demokratische Qualität versucht die Partei mit der nicht überprüfbaren Behauptung zu beweisen, daß ein großer Teil ihrer Mitglieder Polizisten, Soldaten und Beamte seien. Diese stünden als Staatsdiener besonders loyal zu Staat und Demokratie, mithin sei auch an der demokratischen Qualität der Partei insgesamt nicht zu zweifeln.
Dementsprechend versuchen sich die Republikaner als Partei für Recht und Ordnung, als Partei der inneren Sicherheit darzustellen. Mit der Betonung der inneren Sicherheit sollen insbesondere Polizisten, Soldaten der Bundeswehr und Grenzschutzbeamte angesprochen werden. Dabei gehen sie von der offenbar nicht ganz unberechtigten Vermutung aus. daß sich große Teile dieser Berufsgruppen von den „etablierten“ Parteien und der Politik im Stich gelassen fühlen. Eine Identifikation der Republikaner als Partei der Polizisten und Soldaten und damit als Partei für Recht und Ordnung, könnte darüber hinaus auch positive Auswirkungen auf weitere Bevölkerungskreise haben, die in der angeblichen Gefährdung der inneren Sicherheit in der Bundesrepublik ein großes Problem sehen.
In ähnlicher Weise versuchen sich die Republikaner als „Partei des kleinen Mannes“ darzustellen. Auch hier wird der Anspruch, diese Gruppen zu vertreten und sich für ihre Interessen einzusetzen, mit dem Vorwurf an die anderen Parteien und an die Bundesregierung verbunden, sich um die Nöte und Probleme der „kleinen Leute“ nicht genügend zu bemühen. Angesprochen werden von den Republikanern vor allem die sozialen Probleme der ärmeren Leute, älterer Menschen, der Bauern und der kleinen Selbständigen und Handwerker. Vorhandene Benachteiligungsgefühle und Sozialneid werden dabei ohne Bedenken ausgenutzt. Als „soziale“ Partei weisen die Republikaner in ihrer Selbstdarstellung auf einige — zumindest punktuelle — Übereinstimmungen mit sozialpolitischen Aussagen der SPD (etwa zur Gesundheitsreform) hin. Auch diese Strategie dient der Abwehr des Vorwurfs, eine nur „rechte“ oder gar rechtsextreme Partei zu sein. Gleichzeitig wird ein Wählerpotential von Unzufriedenen. Benachteiligten und sozial Schwächeren angesprochen, die sich ansonsten eher in SPD-Richtung orientieren könnten. Damit versucht die Partei darüber hinwegzutäuschen, daß sie über kein sozialpolitisches Programm verfügt und statt dessen in ihrem Programm eine „Überprüfung des Leistungskataloges . . .des Sozialstaates“ fordert.
Zur Selbstdarstellung und Profilierung der Partei in der Öffentlichkeit trägt die von einem Teil ihrer entschiedenen Gegner praktizierte Form derpolitischen Auseinandersetzung ebenfalls bei. Der gegen die Republikaner entfachte Protest auf breiter politischer und gesellschaftlicher Grundlage hat — ob gewollt oder nicht — objektiv auch den für die Republikaner positiven Effekt, diese bereits als eine in der Gesellschaft fest etablierte Partei mit tiefen Verankerungen erscheinen zu lassen.
IV. Die Republikaner: Eine populistisch-rechtsradikale Partei
Die Republikaner sind eine populistisch-rechtsradikale Protestpartei, deren Anfangserfolge, zunächst in Bayern, dann in Berlin und in einigen hessischen Wahlkreisen bei der Kommunalwahl sowie bei der Europawahl dieses Jahres aufdie Mobilisierung von Stimmungen, Affekten und Ressentiments zurückzuführen sind; gleichzeitig konnten sie, insbesondere bei sozial schwächeren und benachteiligten Gruppen an reale, soziale und ökonomische Probleme anknüpfen und die gerade hier verbreitete Politik-und Parteienverdrossenheit ausnutzen. Es ist ihnen bei ihren Wählern gelungen, ein latent bereits vorhandenes, in sich äußerst heterogenes Protestpotential unterschiedlicher politischer Herkunft mit Hilfe des Katalysatoreffekts einiger weniger. dafür aber emotional-affektiv besetzter Themen zu bündeln und zur Stimmabgabe zu mobilisieren. So werden die Ausländer als Sündenbock für eigene und gesellschaftliche Probleme hingestellt, zu deren Lösung lediglich ein neuer deutscher Nationalismus mit dem Ziel der nationalstaatlichen Wiedervereinigung angeboten wird.
In ihrer derzeitigen Struktur sind sie eher eine rechtspopulistische Protestbewegung als eine politische Partei modernen Typs. Den Republikanern fehlen ein umfassendes Politikangebot und Programm ebenso wie eine in allen Gliederungen aus-B gebaute Organisations-und Infrastruktur mit entsprechenden Partizipationsmöglichkeiten der Mitglieder. Die innerparteiliche Willensbildung ist kaum entwickelt; die Partei ist als „Ein-MannShow“ ganz auf die Person Schönhubers ausgerichtet. In dem Maße, in dem sich die Partei personell und organisatorisch weiterentwickelt, werden auch die innerparteilichen Konflikte zunehmen. Derzeit ist das personelle Angebot der Republikaner — vor allem auf der Landes-und der kommunalen Ebene -nur als ausgesprochen dürftig zu beurteilen.
Obwohl in den Themen und teilweise auch in den Formen der politischen Agitation zwischen den Rechtsextremisten und den Republikanern Übereinstimmungen festzustellen sind, können die Republikaner derzeit nicht als rechtsextremistische, d. h. verfassungsfeindliche Partei bezeichnet werden. Sie verfolgen — glaubt man ihren Programm-aussagen und den Äußerungen ihrer führenden Repräsentanten — nicht das Ziel, die Demokratie, die Gewaltenteilung und den Rechtsstaat zu beseitigen. Allerdings tragen sie durch ihre demagogische Sprache, durch ihr geschicktes Ausnutzen von Ängsten und Emotionen und durch die Diffamierung ihrer politischen Gegner zu einer Verschärfung des politischen Klimas bei. Insofern können sie auch unserer Demokratie — von der Außenwirkung einmal abgesehen — erheblichen Schaden zufügen.
Bis jetzt schätzt auch der Verfassungsschutz die Republikaner noch nicht als rechtsextremistische Partei ein, betont aber, daß sie sich „am äußersten rechten Rand des demokratischen Spektrums, nicht mehr weit entfernt von der Schwelle zum Extremismus“ (so der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Gerhard Boeden) befinden. Verständlicherweise versuchen die Republikaner, sich scharf gegenüber rechtsextremen, neo-nazistischen Parteien (NPD und DVU) und anderen Organisationen abzugrenzen. Schon aus taktischen Gründen ist dies erforderlich; eine nachgewiesene Verbindung zu den Rechtsextremen würde sie bei einem Großteil ihres Wählerpotentials diskreditieren. Nur ein Bruchteil ihrer derzeitigen potentiellen Anhänger würde vermutlich eine deutlich rechtsextreme, neo-nazistische Partei wählen. Gleichwohl könnten rechtsextreme Kreise versuchen, unter Einbeziehung der Republikaner ein gemeinsames „rechtes, nationales Lager“ zu bilden.
Trotz der — vielleicht nur taktischen — Abgrenzung gegenüber den Rechtsextremisten waren zahlreiche, auch führende Mitglieder der Republikaner in früheren Jahren in der NPD oder auch in anderen rechtsextremen Organisationen engagiert. Auch die Wahl der Themen ihrer politischen Agitation und die damit verbundenen inhaltlichen Positionen lassen weitgehende Übereinstimmungen zwischen Republikanern und Rechtsextremen erkennen. Europa-und ausländerfeindliche sowie antiamerikanische Positionen sind beiden gemeinsam. Die verharmlosende Bewertung des Nationalsozialismus und die subtile Relativierung der deutschen Kriegs-schuld stellen weitere verbindende Elemente dar.
Die Mobilisierung diffuser, latent vorhandener Protestgefühle, nicht die Propagierung rechtsextremer, verfassungsfeindlicher Positionen — dies ist das bisherige Erfolgsrezept der Republikaner. Eine in den letzten Jahren zunehmende allgemeine Politik-und Parteienverdrossenheit kommt ihnen dabei ebenso zugute wie die nachlassende Bindungs-und Integrationskraft der großen Volksparteien, hier der Union. Im Zuge des Generationenwechsels, der Individualisierung der Lebensstile, der Pluralisierung der Lebenswelten und tiefgreifender Säkularisierungsprozesse erweisen sich die alten gesellschaftlichen Verwurzelungen und geistigen Bindungen der Volksparteien allein nicht mehr als tragfähig. Von diesem Erosionsprozeß profitieren die politischen Parteien an den Rändern, so auch die Republikaner als rechtspopulistische Protestpartei. Ob damit ihr Erfolg auch auf Dauer gesichert ist, erscheint angesichts der heterogenen Wählerstruktur der Partei und ihrer organisatorischen Schwächen noch höchst zweifelhaft.
Die mit dem Generationenwechsel zunehmende Enttabuisierung rechtsradikaler Themen und Positionen hat gleichfalls zum Aufstieg der Republikaner beigetragen. Das nationalistische Grundmotiv der Partei spielt hier eine wichtige Rolle. Damit streben die Republikaner den Brückenschlag zwischen national eingestellten, konservativen Wählern einerseits und dem Wählerpotential der traditionellen rechtsextremistischen Parteien andererseits an. Die Problemlösungskompetenz der Partei tritt demgegenüber zurück. Die entscheidende Motivation für die Wähler der Republikaner ist nicht die positive Unterstützung der Partei wegen ihrer überzeugenden Lösungskonzepte für die zentralen Probleme der Gesellschaft — über diese Konzepte verfügt die Partei nicht. Statt dessen mobilisieren die Republikaner Protestgefühle gegen einzelne Mißstände in Staat und Gesellschaft, gegen die „etablierten“ Parteien, insbesondere die Ünion und die Bundesregierung. Soziale Abstiegsängste und Bedrohungsgefühle gegenüber dem gesellschaftlichen Wandel, gegenüber der Modernisierung und den komplizierten Veränderungen der Gesellschaft werden von der Partei geschürt und ausgenutzt. An zukunftsweisenden Konzepten zur rationalen Bewältigung dieses sozialen Strukturwandels und seiner Probleme hat die Partei jedoch nichts anzubieten. Ihre Blickrichtung und ihre Themen sowie ihre bescheidenen Lösungsansätze sind rückwärtsgewandt.
Norbert Lepszy, Dr. phil., M. A., geb. 1948; Studium der Anglistik, Soziologie und Politischen Wissenschaft in Bonn und Canterbury; seit 1989 Forschungsbereichsleiter im Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung; Lehrbeauftragter an der Universität Münster. Veröffentlichungen u. a.: Regierung, Parteien und Gewerkschaften in den Niederlanden. Entwicklung und Strukturen, Düsseldorf 1979; (zus. mit W. Woyke) Belgien, Niederlande, Luxemburg — Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Leverkusen 1985.