Die Analyse der Wahlbeteiligung macht deutlich: Bei der Europawahl profitierten die Rechtsparteien in einem beachtlichen Maße von bisherigen Nichtwählem. Es ist freilich davor zu warnen, sich von dieser Besonderheit der Europawahl täuschen zu lassen. Die Rechtsparteien mögen durch den Faktor Wahlbeteiligung etwas stärker geworden sein, als dies für Landtagswahlen oder Bundestagswahlen gegolten hätte. Doch zeigt die Analyse der Landtagswahl in Berlin und der hessischen Kommunalwahlen, daß die Rechtsparteien auch ohne zusätzliche Ausschöpfung des Nichtwählerlagers in direkter Konkurrenz mit den traditionellen Parteien stark sind. Was die Altersstruktur der Rechtsparteien angeht, so bekräftigt die Europawahl den Trend der Wahlen von Berlin und Hessen: Im Unterschied zur NPD der sechziger Jahre werden die Rechtsparteien nicht bevorzugt von den alten Ewiggestrigen gewählt. Der Zulauf im Jugendbereich ist besorgniserregend stark. Der härteste Befund der Analyse bezieht sich auf die Geschlechterstruktur der Rechtsparteien: Zwei Drittel der Wähler der Neuen Rechtsparteien — ob sie nun NPD, DVU oder Republikaner heißen mögen — sind Männer, nur ein Drittel Frauen. Das gilt im Süden wie im Norden und für alle Altersgruppen. Angesichts langfristiger Beobachtungen des Wahlverhaltens von Frauen darf es als eher wahrscheinlich gelten, daß sich die Frauendefizite der Neuen Rechte zwar mittelfristig abschwächen, nicht aber ausgleichen werden.
Wenn — wie in Berlin — eine Partei aus dem Stand in einen Landtag einzieht und anschließend bei Kommunalwahlen — wie in Hessen — deutlich wird, daß es sich nicht um ein Zufallsergebnis handelt, dann steht diese Parteiengruppierung im Mittelpunkt des öffentlichen und wissenschaftlichen Interesses. Die Rede ist hier vor allem von den Republikanern, aber auch von den anderen Parteien der Neuen Rechten, der NPD, der Deutschen Volksunion (DVU/Liste D) und der ÖDP. Anhand der Europawahl vom 18. Juni 1989 wird sich diese Analyse mit der Wählerbasis der Neuen Rechten nach Alter und Geschlecht beschäftigen.
I. Zur Datenbasis der Analyse
Angesichts der Vielzahl methodisch ungesicherter und eher agitatorisch als empirisch sozialwissenschaftlich ausgerichteter Veröffentlichungen in diesem Jahr zum Thema, muß ein strenger Blick auf die zugrunde liegende Datenbasis geworfen werden.
Abbildung 21
Tabelle 3: Parteipräferenzen in der Europawahl 1989. Republikaner und DVU nach Alter und Geschlecht in den Bundesländern Baden-Württemberg REP M. u. F. Männer Frauen Bayern REP M. u. F. Männer Frauen Hamburg REP M. u. F. Männer Frauen Hessen REP M. u. F. Männer Frauen Niedersachsen REP M. u. F. Männer Frauen Nordrhein-Westfalen REP M. u. F. Männer Frauen DVU M. u. F. Männer Frauen 10, 9 14, 1 7, 1 14, 6 18. 4 10, 3 6, 0 8, 9 3, 4 7, 7 10. 3 4, 7 4, 8 6. 5 3, 0 5, 0 6. 7 3. 1 1. 9 2. 5 1. 3 9, 2 11, 6 6, 5 1槠߸=
Tabelle 3: Parteipräferenzen in der Europawahl 1989. Republikaner und DVU nach Alter und Geschlecht in den Bundesländern Baden-Württemberg REP M. u. F. Männer Frauen Bayern REP M. u. F. Männer Frauen Hamburg REP M. u. F. Männer Frauen Hessen REP M. u. F. Männer Frauen Niedersachsen REP M. u. F. Männer Frauen Nordrhein-Westfalen REP M. u. F. Männer Frauen DVU M. u. F. Männer Frauen 10, 9 14, 1 7, 1 14, 6 18. 4 10, 3 6, 0 8, 9 3, 4 7, 7 10. 3 4, 7 4, 8 6. 5 3, 0 5, 0 6. 7 3. 1 1. 9 2. 5 1. 3 9, 2 11, 6 6, 5 1槠߸=
Der Forschung des Wahlverhaltens von Männern und Frauen verschiedener Altersgruppen steht seit 1953 bei allen Bundestags-und Europawahlen sowie nach und nach auch für die Landtagswahlen die amtliche Repräsentative Wahlstatistik zur Verfügung Das heißt: Für insgesamt 99 der 141 Bundestags-, Europa-und Landtags-Wahlen (im Zeitraum 1946— 1989) liegen Sonderauszählungen nach Alter und Geschlecht hinsichtlich der Wahlbeteiligung und für 93 hinsichtlich der Parteipräferenzen vor. Die Datenbasis für die amtliche Statistik bilden nicht Umfrageergebnisse, es kamen vielmehr in großen Stichproben (bei der Europawahl 1989 waren dies 3, 4 Prozent aller Stimmbezirke, das sind 1, 6 Millionen Wahlberechtigte bzw. 0, 9 Millionen Wähler) mit einem Alters-und einem Geschlechts-aufdruck versehene Stimmzettel unter Wahrung des Wahlgeheimnisses zum Einsatz.
Abbildung 22
Alter/J. Rheinland-Pfalz REP M. u. F. Männer Frauen Saarland REP M. u. F. Männer Frauen Schleswig-Holstein REP M. u. F. Männer Frauen Bremen REP M. u. F. Männer Frauen DVU M. u. F. Männer Frauen 18-24 5. 5 7, 3 3, 5 5, 6 7, 2 4, 0 5, 4 7, 6 2, 9 4. 5 5, 4 3, 4 3, 5 4, 3 2, 5 25-34 5, 0 6. 6 3, 3 6, 3 8, 2 4, 3 3, 9 5. 7 1, 9 3, 9 4, 9 2, 6 3, 4 4. 9 1. 6 35-44 3, 1 4, 6 1, 5 2, 7 3, 2 2, 1 4, 6 6, 3 2, 7 5, 3 7, 2 3, 5 3. 7 5, 4 1, 9 3. 9 4, 1 3. 7 2, 3 2. 9 1, 7 45-59 4, 5 6, 1 2, 8 5, 5 7, 2 3, 7 4. 4 5, =
Alter/J. Rheinland-Pfalz REP M. u. F. Männer Frauen Saarland REP M. u. F. Männer Frauen Schleswig-Holstein REP M. u. F. Männer Frauen Bremen REP M. u. F. Männer Frauen DVU M. u. F. Männer Frauen 18-24 5. 5 7, 3 3, 5 5, 6 7, 2 4, 0 5, 4 7, 6 2, 9 4. 5 5, 4 3, 4 3, 5 4, 3 2, 5 25-34 5, 0 6. 6 3, 3 6, 3 8, 2 4, 3 3, 9 5. 7 1, 9 3, 9 4, 9 2, 6 3, 4 4. 9 1. 6 35-44 3, 1 4, 6 1, 5 2, 7 3, 2 2, 1 4, 6 6, 3 2, 7 5, 3 7, 2 3, 5 3. 7 5, 4 1, 9 3. 9 4, 1 3. 7 2, 3 2. 9 1, 7 45-59 4, 5 6, 1 2, 8 5, 5 7, 2 3, 7 4. 4 5, =
Aus Gründen der strikten Sicherung des Wahlgeheimnisses werden Briefwähler in der Sonderauszählung nicht berücksichtigt. Auch wird bisher darauf verzichtet, die Daten mittels mathematischer Verfahren um diesen systematischen Fehler zu bereinigen. Gerade daher ist natürlich interessant, wie genau die Stichproben der amtlichen Sonderauszählungen von den amtlichen Endergebnissen in der gesamten Wahlgeschichte seit 1953 differieren: Die größte aufgetretene Abweichung war 2, 7 Prozentpunkte; im Durchschnitt betrug die Abweichung über die gesamte Zeitreihe nur 0, 4 Prozentpunkte. Auch wenn die Briefwahlquoten beachtlich sind, ist dennoch die Auswertung der Repräsentativen Wahlstatistik (neben der der reinen Wahlergebnisse) das sicherste Instrument der Wahlforschung. Wenn sich einerseits also aufgrund der amtlichen Sonderauszählungen ein sehr genaues Bild über Wahlbeteiligung und Parteipräferenzen von Männern und Frauen verschiedener Altersgruppen zeichnen läßt, so geben diese Daten aber andererseits keinerlei Aufschluß über die dahinter stehenden Motivlagen. Dies kann nur durch ergänzende Forschung mit Hilfe von individuellen, also mittels Umfrageforschung gewonnener Daten geschehen. Eine so angelegte Kontextanalyse entgeht damit auch der für Aggregatdatenanalysen sonst bestehenden Gefahr des „ökologischen Fehlschlusses“
II. Die Neue Rechte: Keine „Eintagsfliege“
Abbildung 16
Abbildung 1: Wahlbeteiligung in den Europawahlen (1979; 1984; 1989) in Prozent
Abbildung 1: Wahlbeteiligung in den Europawahlen (1979; 1984; 1989) in Prozent
Manche meinen, man solle nicht zuviel über die Neue Rechte schreiben. Man werte sie damit nur auf. Der Ratschlag ist ebenso gut gemeint wie unbrauchbar. Wenn eine neue Partei — wie die Republikaner — aus dem Stand in ein Landesparlament einzieht, bei Kommunalwahlen Achtungserfolge erzielt und bei einer bundesweiten Europawahl vor der FDP den vierten (addiert um die DVU sogar vor den GRÜNEN den dritten Platz, vgl. Tabelle 1) einnimmt, dann ist dieses Medienereignis nicht totzuschweigen. Von einer „Eintagsfliege“ oder einem Zufallsergebnis kann keine Rede sein
Abbildung 23
Abbildung 5: Parteipräferenz bei der Europawahl 1989 nach Alter und Geschlecht (in Prozent) Altersgruppen in Jahren
Abbildung 5: Parteipräferenz bei der Europawahl 1989 nach Alter und Geschlecht (in Prozent) Altersgruppen in Jahren
Angesichts der jahrzehntelangen Stabilität unseres Parteiensystems ist das Aufkommen der Neuen Rechten ohne Frage das zentrale Thema der Wahl-forschung, die sich sowieso in ihrem wissenschaftlichen Aufklärungsdrang nicht parteitaktischen Überlegungen unterordnen darf. So ist es zu begrüßen, wenn sich immer mehr Wissenschaftler ernsthaft mit der rechtsradikalen Herausforderung beschäftigen
III. Wahlbeteiligung
Abbildung 17
Abbildung 2: Parteipräferenz bei der Europawahl 1989 nach Altersgruppen (in Prozent)
Abbildung 2: Parteipräferenz bei der Europawahl 1989 nach Altersgruppen (in Prozent)
1. Verbreiterung des Parteienspektrums Von besonderem Interesse ist natürlich die Frage, ob die Verbreiterung des traditionellen Parteien-spektrums zu einer stärkeren Ausschöpfung des Nichtwählerpotentials führt. Der Analytiker ist gut beraten, eine Antwort auf diese Frage nicht allein auf die Europawahl abzustützen, die hier offensichtlich ganz eigene Gesetze hat. In Berlin und auch bei den hessischen Kommunalwahlen kamen die neuen Rechtswähler nur in geringem Maße aus dem Lager der bisherigen Nichtwähler. Hier waren nur geringe Steigerungsraten der Wahlbeteiligung in, den Gebieten feststellbar, in denen die Rechtsparteien gute Ergebnisse erzielten.
Die Neue Rechte rekrutierte ihr Wählerpotential also primär aus den Wählern traditioneller Parteien bzw. Erstwählern und nur in geringem Umfang aus bisherigen Nichtwählern. Die Verbreiterung des Parteienspektrums hat — wie schon ehedem beim Aufkommen der GRÜNEN — kaum Auswirkungen auf die Höhe der Wahlbeteiligung. Für sie ist vor allem die Parlamentshierarchie (an deren Spitze Bundestag und Landtage, dann Kommunalparlamente und unten das Europaparlament stehen) sowie die konkrete Bedeutsamkeit der jeweiligen Wahl (z. B. Entscheidung mit moralischer Bedeutung) maßgeblich.
Gut ein Drittel der Rechtswähler von 1989 haben bei der Europawahl von 1984 nicht gewählt, wie INFAS für die ARD und die Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF übereinstimmend feststelB len Das läßt vermuten, daß zu den „üblichen Motiven“ der Rechtswähler, die sich vor allem um die Ausländerfrage ranken, hier noch ein spezielles Anti-EG-Motiv hinzutrat, daß sich 1979 und 1984 offenbar auch in Wahlenthaltung niedergeschlagen hatte Jedenfalls darf die EG-Feindlichkeit der Mehrheit des Wählerpotentials der Rechtsparteien als empirisch gesichert betrachtet werden 2. Die Altersgesetzlichkeit von Wahlbeteiligung Natürlich ist es interessant, ob die Verbreiterung des Parteienspektrums zu Änderungen in der Altersgesetzlichkeit der Wahlbeteiligung, insbesondere bei der typisch geringen Wahlbeteiligung der Jungwähler (Jungwählerdefizit) führt. Auch die jugendattraktiven GRÜNEN bedienten sich zunächst aus dem Wählerreservoir der traditionellen Parteien; erst bei sehr starken Anteilen für die GRÜNEN unter den Jungwählern war eine leichte Reduktion des Jungwählerdefizits feststellbar Nichts anderes galt für das Aufkommen derjugendattraktiven Rechtsradikalen in Berlin und bei den hessischen Kommunalwählen
Die in Berlin und Frankfurt sichtbaren Tendenzen zeigen sich auch bei der Europawahl. Die typische Altersgesetzlichkeit der Wahlbeteiligung ist erhalten geblieben (vgl. Abbildung 1): Jungwählerdefizit, wobei die Wahlbeteiligung der Erstwähler höher ist als die der Zweitwähler; sodann systematischer Anstieg der Wahlbeteiligung mit zunehmendem Alter und Rückgang bei den Senioren über 70 Jahre (wobei hier die Verzerrung der Statistik durch die Nichtberücksichtigung der Briefwähler beachtet werden muß).
Vergleichen wir die Veränderung der Wahlbeteiligung bei der Europawahl 1989 gegenüber der Wahl von 1984 (differenziert nach Alter und Geschlecht), so wird sichtbar, daß die Wahlbeteiligung in allen Altersgruppen (mit Ausnahme der über 70jährigen) gestiegen ist. Am deutlichsten ist die Zunahme der Wahlbeteiligung in den Altersgruppen unter 40 Jahren. Die Wahlbeteiligung ist in allen Altersgruppen stärker bei Männern als bei Frauen ange-stiegen, was seinen Grund im Aufkommen der männerorientierten Neuen Rechtsparteien hat.
3. Auswirkungen Bei der Europawahl profitierten die Rechtsparteien in einem beachtlichen Maße von bisherigen Nicht-wählern. Daraufdeuten auch die Wahlbeteiligungs-Veränderungsraten in den Ländern mit einem hohen Anteil an Wählern rechtsradikaler Parteien und in den Altersgruppen, vor allem der Männer, in denen ein großes Wählerpotential für diese Parteien existiert.
Man darf sich freilich von der Besonderheit dieser Wahl nicht täuschen lassen: Die Rechtsparteien mögen durch den Faktor Wahlbeteiligung etwas stärker geworden sein, als dies für Landtagswahlen oder Bundestagswahlen gegolten hätte. Doch zeigt die Analyse der Landtagswahl in Berlin und die der hessischen Kommunalwahlen, daß die Rechtsparteien auch ohne zusätzliche Ausschöpfung des Nichtwählerlagers in direkter Konkurrenz mit den traditionellen Parteien — zu denen jetzt auch die GRÜNEN gehören — stark sind.
IV. Parteipräferenzen nach Altersgruppen
Abbildung 18
Abbildung 3: Wahl in Berlin vom 29. Januar 1989. Die Anteile der Republikaner nach Alter und Geschlecht Altersgruppen
Abbildung 3: Wahl in Berlin vom 29. Januar 1989. Die Anteile der Republikaner nach Alter und Geschlecht Altersgruppen
1. Die Altersstruktur der Parteien Das Wahlverhalten ist in relevantem Ausmaß je nach Lebensalter und Generation der Wahlberechtigten unterschiedlich. Dies traf auch bei derjüngsten Europawahl zu (vgl. Abbildung 2). Die Altersstruktur der Parteien zeigt Charakteristika, die durchaus typisch sind für Wahltrends der letzten Jahre: — Die SPD ist in etwa ausgeglichen über die Altersgruppen, mit einem Schwerpunkt auf den mittleren. — Die CDU/CSU ist extrem schwach bei den Jungwählern und noch schwächer bei den 25-bis 34jährigen, ihre Zustimmungsraten wachsen mit dem Lebensalter. — Die GRÜNEN verbuchen gute Ergebnisse bei den Jungwählern, ihre stärksten Anteile liegen bei den 25-bis 34jährigen, doch auch bei den 35-bis 44jährigen kommen sie mittlerweile über die Zehnprozentmarke; — die FDP ist ausgeglichen über die Altersgruppen. — Auch die Republikaner sind ausgeglichen über die Altersgruppen, erreichen allerdings ihre besten Resultate bei den Jungwählern. Diese Charakteristika der Altersstruktur der Parteien gelten bundesweit, aber auch — mit nur geringfügigen Modifikationen, auf freilich unterschiedlichem Niveau — in den einzelnen Bundesländern. Hinter den Alterscharakteristika der Parteien in dieser Europawahl verbergen sich allerdings beachtliche Veränderungen gegenüber den vorhergehenden Wahlen. Sie hervorzuheben lohnt schon deshalb, weil damit endgültig die Lagertheorie Heiner Geißlers (Wanderungsbewegungen zwischen den Parteien hätten danach ihren Schwerpunkt innerhalb des rechten bzw.des linken Lagers) widerlegt werden kann.
Es wird nämlich deutlich, daß die SPD erheblich von der CDU/CSU gewonnen haben muß, was per Saldo durch Verluste der SPD an die Republikaner wieder abgeschwächt wurde. Die CDU/CSU hat bei der Europawahl ihre stärksten Verluste bei den 35-bis 44jährigen, bei denen sowohl FDP als auch Republikaner unterdurchschnittlich zulegen, die SPD aber gewinnt. Überdies verliert die Union gleichermaßen bei Männern und bei Frauen dieser Altersgruppe über Prozentpunkte, obgleich die Frauen dieser Altersgruppe nur zu 4, 9 Prozent Republikaner gewählt haben (hingegen 9, 0 Prozent der Männer). Die SPD gewinnt in dieser Altersgruppe 1, 6 Punkte bei den Männern und sogar 3, 5 Punkte bei den Frauen. Diese Zahlen unterstreichen, daß es bei der Europawahl ein hohes Maß an Bewegung zwischen den vermeintlichen Lagern gegeben haben muß. 2. GRÜNE profitieren vom positiven demographischen Trend Die GRÜNEN verzeichnen seit einiger Zeit regelmäßig ihr bestes Ergebnis nicht bei den Jungwählern, sondern in der Altersgruppe der 25-bis 35jährigen. Die Bundestagswahl von 1987 sowie die dann folgenden Wahlen liegen im für die Partei seit Jahren bundesweit feststellbaren positiven demographischen Trend: Die grünen Wähler werden älter. Waren sie ursprünglich eine reine Jungwählerpartei, so sind sie allmählich in die mittleren Altersgruppen hineingewachsen (z. B. GRÜNEN-Anteile bei der Bundestagswahl 1980: 18— 24jährige 4, 8 Prozent/25— 34jährige 2, 4 Prozent/35— 44jährige 0, 9 Prozent; 1983: 13, 9/10, 8/4, 4 Prozent; 1987: 15, 5/17, 4/9, 6 Prozent).
Die GRÜNEN verzeichnen insgesamt einen leichten Aufschwung, weil sie bei den Frauen aufholen und weil sie mittlerweile mit beachtlichen Zuwachsraten von über 3 Prozentpunkten in den mittleren Altersgruppen angelangt sind (wodurch sie die entsprechenden Verluste bei den Jungwählern verkraften können).
Natürlich verfestigen sich Parteipräferenzen erst allmählich. Daher sind Jungwähler in der Regel ungebundener als Senioren. Doch ein guter Teil der Wählerschaft bleibt bei der einmal getroffenen Entscheidung und trägt die Parteipräferenz über die Altersgruppen im weiteren Lebenszyklus mit sich. Ihr Anteil wird auf 60 Prozent geschätzt. 3. Die Rechtsradikalen im Aufwind In den Analysen zu den Wahlen in Berlin und Hessen wurde sichtbar, daß die Rechtsradikalen in beiden Städten ihre besten Ergebnisse bei den Jungwählern erzielten (vgl. Abbildungen 3 und 4).
Auch wenn sich die Rechtsparteien in Berlin und Frankfurt als jugendattraktiv erwiesen haben, Jungwählerpartei 13) — wie dies einmal vor zehn Jahren für die GRÜNEN galt — sind sie damit noch lange nicht. Die 5, 3 Millionen Wahlberechtigten im Jungwähleralter (18— 24 Jahre) stellten bei der letzten Europawahl nur 12, 8 Prozent der 41, 7 Millionen Wahlberechtigten; die 11, 1 Millionen Senioren (60 Jahre und älter) hingegen 26, 7 Prozent. In ab-soluten Zahlen bilden die Senioren das Schwergewicht der Rechtsparteien, auch wenn diese relativ jugendattraktiv sind. Gleichwohl liegt hier der strukturelle Unterschied zu den NPD-Wahlerfolgen in den späten sechziger Jahren, die stets auf überdurchschnittliche Ergebnisse bei den Alten gestützt waren, während die Rechten bei den Jungen kaum Erfolge erzielen konnten Die erschrekkende Brisanz dieses Befundes ist offensichtlich: Haben die rechtsradikalen Parteien Bestand, so be-steht die Gefahr, daß sich der für die GRÜNEN nachgewiesene positive demographische Trend auch für sie einstellt. Dann würden sie selbst bei künftig sinkenden Jungwähleranteilen insgesamt anwachsen.
Dieser Befund stützte sich auf Berlin und Frankfurt. Wie nun ist es mit der Jugendattraktivität der Rechtsparteien bei der Europawahl bestellt?
Die Republikaner erreichen hierbei im Durchschnitt 7, 1 Prozent (vgl. Tabelle 2). Ihr bestes Ergebnis mit 7, 9 Prozent verbuchen sie bei den Jungwählern, ihr relativ schwächstes Ergebnis mit 6, 8 Prozent bei den Senioren. Wenngleich von einer leicht überdurchschnittlichen Sympathie unter den Jugendlichen für die Republikaner gesprochen werden kann, so überwiegt doch eher der Eindruck von Ausgeglichenheit über die Altersgruppen. Jedenfalls bleibt in der Europawahl der Befund „Jugendattraktivität“ weit hinter den Ergebnissen der Rechtsparteien in Berlin und Frankfurt zurück.
Vergleicht man die Altersstruktur der Rechtsparteien in den Bundesländern, so ergibt sich ein sehr uneinheitliches Bild. Dieser Blick auf die Bundesländer ist hinsichtlich der Neuen Rechten schon deshalb erforderlich, weil sie sich in der Zusammensetzung regional ungemein differenziert. Die Forscher der Konrad-Adenauer-Stiftung haben das auf den Begriff „Doppelprofil“ gebracht Die Anhänger der Republikaner seien sowohl in großstädtischen Ballungsräumen als auch in struktur-schwachen ländlichen Regionen „Sammelbecken ökonomischen und sozialen Protestes“. Andernorts artikuliere sich ein „ideologisierter Nationalismus“. Dahinter ständen vermutlich teilweise auch unterschiedlich motivierte Wählergruppen.
Auch die INFAS-Analyse der Europawahl (die regional differenzierteste zur Zeit vorliegende Republikaner-Wähleranalyse) macht deutlich, wie sehr die Wählerschaft der Republikaner regional unterschiedlich ist. Es handelt sich bei den Republikanern, so INFAS im Ergebnis der Regionalanalyse um eine „Partei mit zwei Gesichtern“. 4. Typologie der Altersstruktur der Neuen Rechten Auf der Ebene der Bundesländer (vgl. Tabelle 3) kann die Altersstruktur der Republikaner in vier unterschiedliche Typen aufgeteilt werden.
-Typ 1: Hauptgewicht Senioren, zweiter Schwerpunkt Junge; dieser Typ ist in Bremen (und dort bemerkenswerterweise sowohl bei den Republikaner als auch bei der DVU) und in Niedersachsen anzutreffen. — Typ 2: Zwei gleichrangige Schwerpunkte, Junge und Alte; dieser Typ ist in Hamburg und Schleswig-Holstein vertreten.
— Typ 3: Ausgeglichene Altersbilanzen; in diesen Typ fallen die Länder Bayern und Saarland.
— Typ 4: Jugendattraktiv, bestes Ergebnis bei den Jungwählern; dieser Typ ist vor allem in Baden-Württemberg sowie — abgeschwächt — in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zu beobachten. Es dominiert also der Typ 4 (wie auch abgeschwächt im Bund), wobei das Phänomen selbst bei relativ hoher Ausprägung (d. h., in Baden-Württemberg) nicht so kraß auftritt, wie für die Landtagswahl in Berlin und die Kommunalwahl in Frankfurt aufgezeigt wurde. Auf der anderen Seite ist deutlich, daß die entwarnenden Erklärungen über das jugendliche Potential vor der Europa-wahl und aufgrund der Ergebnisse einiger Großstädte in dieser Wahl verfrüht waren.
Insgesamt betrachtet kann für die Europawahl gesagt werden: Im Unterschied zur NPD der sechziger Jahre werden die Rechtsparteien nicht hauptsächlich von den alten Ewiggestrigen gewählt. Der Zulauf im Jugendbereich ist besorgniserregend stark. Hinzu kommt die Einschätzung, daß die bisherigen rechtsradikalen Wahlerfolge nur die Spitze eines Eisberges sein könnten. Schließlich wurde bisher nur das Wahlverhalten analysiert, nicht aber die Einstellungen, die dem Wahlverhalten vorausgehen bzw. die latent bleiben. Sollten jedoch rechte Einstellungen weiter verbreitet sein, als sich dies jetzt schon im Wahlverhalten manifestiert, dann wäre das Potential dieser Parteien weitaus größer, als dies heute die Daten des Wahlverhaltens indizieren.
In der Tat liegen Befunde aus der Jugendforschung vor, die in diese erschreckende Richtung deuten. Wenn Wilhelm Heitmeyer in einer breiten Jugendstudie aus dem Jahre 1987 (1 257 interviewte 16-bis 17jährige), 43, 5 Prozent Zustimmung zu „Deutschland den Deutschen“ und 37, 4 Prozent Zustimmung zu „Kanaken raus“ feststellen mußte, dann wird das Ausmaß der Problematik spürbar. Nicht die bereits bei Jugendlichen manifest gewordenen Wahlerfolge rechtsextremer Parteien, sondern die dahinter stehenden, weitgehend noch öffentlich verdrängten Einstellungen und Ängste sind das eigentlich zu bearbeitende Problem. Es kann nur dringend empfohlen werden, die sicher noch nicht gefestigten, aber latenten rechtsextremistischen und nationalistischen Orientierungen bei Jugendlichen sehr ernst zu nehmen. Vielen dieser Jugendlichen fehlt es an politischer Orientierung und emotionaler Geborgenheit. Diese Defizite auszugleichen, erscheint als gemeinsame Aufgabe demokratischer Parteien.
V. Die Neuen Rechtsparteien: Für Frauen wenig attraktiv
Abbildung 19
Abbildung 4: Kommunalwahl in Frankfurt vom 12. März 1989. Die Anteile der NPD nach Alter und Geschlecht 18 -24 25 -34 35 -44 Altersgruppen 45 -59 M u.
Abbildung 4: Kommunalwahl in Frankfurt vom 12. März 1989. Die Anteile der NPD nach Alter und Geschlecht 18 -24 25 -34 35 -44 Altersgruppen 45 -59 M u.
NPD wie Republikaner erwiesen sich in Berlin und Frankfurt als die Männerparteien schlechthin. Rund zwei Drittel ihrer Wähler sind Männer, nur ein Drittel sind Frauen. Dieser Befund hat sich bei der Europawahl (vgl. Abbildung 5) mit einer beachtlichen Konstanz für das Bundesgebiet und alle Bundesländer für Republikaner wie für DVU (vgl. Einzelheiten in Tabelle 3) stabilisiert. Bei keiner anderen Partei sind die Unterschiede im Wahlverhalten bei Männern und Frauen ausgeprägter.
Kaum ein sozialstruktureller Befund bezüglich der Wählerbasis der Neuen Rechten erweist sich als vergleichbar eindeutig: Die Neue Rechte besteht aus Männerparteien. Es wäre verkürzt, dies nur aus der Gegenwart heraus zu interpretieren. Die weibliche Abstinenz gegenüber der Neuen Rechten ist im historischen Kontext der siebzigjährigen Geschichte des Frauenwahlverhaltens nicht verwunderlich Zwar neigten die Frauen schon in der Weimarer Republik eher der Rechten als der Linken zu, aber ihre Abneigung gegenüber den Extremen traf — entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil, daß angeblich besonders die Frauen Hitler an die Macht gebracht hätten — auch die NSDAP. Erst unmittelbar vor der Machtergreifung lockerte sich die weibliche Zurückhaltung gegenüber der NSDAP, was wiederum zeigt, daß die Frauen keineswegs quasi historisch naturgesetzlich resistent gegenüber dem Rechtsradikalismus sind;
Dieses Muster wiederholte sich in der Frühphase der Bundesrepublik Deutschland. KPD wie rechtsextreme SRP (Sozialistische Reichspartei) stießen bei den Frauen, wie auch die NPD in den sechziger Jahren, eher auf reservierte Skepsis.
Die GRÜNEN haben mit dem Frauendefizit stets zu kämpfen gehabt. Erst in jüngster Zeit beginnt sich dieses — vor allem bei den jüngeren Frauen — aufzulösen. Dafür dürfte ein Wandel im Erscheinungsbild der GRÜNEN (Parlamentarisierung. Pragmatisierung), verbunden mit einer frauen-freundlichen Programmatik (Umweltschutz, Frieden und Abrüstung werden von Frauen wichtiger genommen als von Männern verantwortlich sein.
Kann daher davon ausgegangen werden, daß auch die Rechtsradikalen auf mittlere Sicht ihre Frauen-defizite schließen können? Das ist allerdings nicht zu erwarten. Die hier vorgetragene Einschätzung unterscheidet sich von Dieter Roths Beitrag in diesem Heft. Er erklärt die weibliche Abstinenz aus dem geringeren politischen Interesse der Frauen: „Das unterschiedliche Interesse an Politik führt dazu, daß neue politische Entwicklungen verschieden, möglicherweise auch nur zeitverschoben aufgenommen werden. Für die letztere Hypothese spricht die Entwicklung bei den GRÜNEN. In ihrer Wählerschaft waren zunächst die Männer über-repräsentiert, inzwischen entspricht die Geschlechterverteilung der Wähler der GRÜNEN der der Gesamtheit.“
Zunächst muß die These vom geringeren politischen Interesse der Frauen differenziert werden. Unterscheidet man nämlich bei den Frauen nach dem Grad der Berufstätigkeit, dann erreichen die voll berufstätigen Frauen fast die Durchschnitts-werte aller Befragten Daß die Variable „politisches Interesse“ entscheidend für das Frauendefizit der Neuen Rechte sein könnte, ist auch angesichts der Beständigkeit dieses Phänomens unwahrscheinlich. Das Frauendefizit bleibt konstant in der Stadt wie auf dem Land, im Stadtstaat wie im Flächenstaat, im Norden wie im Süden, obgleich es erhebliche Unterschiede hinsichtlich politischer Information und politischem Interesse gibt.
Die wachsende Frauenattraktivität der GRÜNEN kann nicht mit dem „Nachzugseffekt“ begründet werden. Die GRÜNEN liegen thematisch näherbei Frauen als bei Männern und gelten heute weit weniger als früher als radikale Partei. Dazu dürfte die Normalität ihrer zehnjährigen parlamentarischen Arbeit beigetragen haben.
Gewiß könnten künftige Erfolge der Rechtsradikalen bei Parlamentswahlen Reserven gegenüber diesen Parteien bei den Frauen mildem. Doch im Grundsatz ist davon auszugehen, daß die Rechtsradikalen auch auf längere Sicht eher Männer-als Frauenparteien bleiben werden.
Der wichtigste Grund für eine solche Annahme ist, daß nur bei einer Minderheit der rechtsradikalen Wähler ein geschlossenes rechtsradikales Weltbild vorhanden ist. Die meisten sind wohl eher Protest-wähler. Daß dies so ist, ergibt sich daraus, daß überall dort, wo die Alternative NPD oder Republikaner für den Wähler greifbar war, sie die Republikaner bevorzugten und dort, wo nur die NPD auftrat, sie weniger Stimmen erhielt als sonst die Republikaner. Wilhelm Heitmeyer hat daher den Begriff Statusverunsicherung als zentrale Erklärungskategorie dieses Wählerverhaltens angeboten. Wenn dem so ist, dann gehört wohl auch der gesellschaftliche Prozeß der Gleichstellung von Männern und Frauen zu den die Verunsicherung auslösenden Komponenten. Dieser Anteil kann jedoch nicht quantifiziert werden, und es kann daher auch nicht angenommen werden, daß hier eine entscheidende Erklärungsvarianz für das Wahlverhalten zugunsten der Neuen Rechten liegt. Aus vielen empirischen Studien der Frauenforschung ist bekannt, daß für breite Schichten der Bevölkerung der Gleichstellungsanspruch zur demokratischen Selbstverständlichkeit geworden ist. Aber es gibt Minderheiten, mehr Männer als Frauen, die sich damit nicht abfinden können und wollen. Das gilt für die Rollenverteilung zu Hause, aber auch in der Arbeitswelt.
Allensbach befragte in den siebziger Jahren berufstätige Arbeitnehmer (1972, 1974, 1978), ob sie „mit einer Frau als Vorgesetzten“ einverstanden seien. Die Zustimmung hat sich Jahr für Jahr erhöht, bei Männern wie bei Frauen. Doch immerhin 17 Prozent erklärten sich noch 1978 ausdrücklich „nicht einverstanden“, darunter acht Prozent der Frauen und immerhin 21 Prozent der Männer
Ein bekanntes Element im Wählerbewußtsein ist die Klage, daß „nichts mehr so ist, wie es früher einmal war“. Das macht es durchaus spannend zu beobachten, wie die Republikaner an ihrer frauen-politisch reaktionären Programmatik zu feilen gedenken. „Frau und Mann“, so heißt es im derzeit noch geltenden Grundsatzprogramm der Republikaner, „sind im Falle gleicher Bedingungen und Anforderungen trotz ihrer Wesensunterschiede von gleichwertiger Tüchtigkeit im Leben und Beruf. Es ist jedoch insbesondere der Frau gegeben, durch Wärme und Hingabe ein Klima der Geborgenheit zu schaffen, in welchem Familie und Kinder gedeihen können. Hier hegt die besondere und von keinem . Hausmann 1 oder Kollektiv erfüllbare Berufung der Frau.“
Ein weiterer Grund für die Vermutung eines langfristig geringen Frauenanteils der Neuen Rechten ist. daß die GRÜNEN mit dem Umweltschutz ein eher frauenattraktives Thema besetzen, während die rechtsradikalen Parteien mit der Ausländerpolitik ein eher männliches Thema in den Mittelpunkt stellen. Wie auch immer die rechtsradikalen Parteien es semantisch verdecken wollen, ihre zentrale emotionale Botschaft ist: Ausländer raus! Eine aggressive Ausrufezeichen-Botschaft. Eine Botschaft eher der männlichen Ellenbogenpolitik.
VI. Fazit
Abbildung 20
Tabelle 2: Parteipräferenzen in der Europawahl 1989 nach Alter und Geschlecht CDU/CSU Amtl. Erg. M. u. F. Männer Frauen Diff. F. -M. SPD Amtl. Erg. M. u. F. Männer Frauen Diff. F. -M. FDP Amtl. Erg. M. u. F. Männer Frauen Diff. F. -M. GRÜNE Amtl. Erg. M. u. F. Männer Frauen Diff. F. -M. REP Amtl. Erg. M. u. F. Männer Frauen Diff. F. -M. DVU Amtl. Erg. M. u. F. Männer Frauen Diff. F. -M. Sonstige Amtl. Erg. M. u. F. Männer Frauen Diff. F. -M. 27, 7 28, 4 27, 0 -1, 4 36, 8 34, 4 39, 4 5, 0 5, 5 5, 7 5, 2 -0, =
Tabelle 2: Parteipräferenzen in der Europawahl 1989 nach Alter und Geschlecht CDU/CSU Amtl. Erg. M. u. F. Männer Frauen Diff. F. -M. SPD Amtl. Erg. M. u. F. Männer Frauen Diff. F. -M. FDP Amtl. Erg. M. u. F. Männer Frauen Diff. F. -M. GRÜNE Amtl. Erg. M. u. F. Männer Frauen Diff. F. -M. REP Amtl. Erg. M. u. F. Männer Frauen Diff. F. -M. DVU Amtl. Erg. M. u. F. Männer Frauen Diff. F. -M. Sonstige Amtl. Erg. M. u. F. Männer Frauen Diff. F. -M. 27, 7 28, 4 27, 0 -1, 4 36, 8 34, 4 39, 4 5, 0 5, 5 5, 7 5, 2 -0, =
Es ist deutlich geworden, daß die Neue Rechte keine „Eintagsfliege“ ist. Werden die Parteien der Neuen Rechten bei der Europawahl 1989 als Einheit betrachtet, so kamen sie in allen Bundesländern über die Fünf-Prozent-Hürde. Freilich hat sich der Trend innerhalb der Neuen Rechten zu den Republikanern unterschiedlich stark vollzogen. Er dürfte jedoch in der nächsten Zeit zunehmen. Ob die Republikaner — wie ehedem die NPD in den sechziger Jahren — den Sprung in den Deutschen Bundestag nicht schaffen werden, hängt sehr stark von den bevorstehenden acht Kommunal-und Landtagswahlen ab. Jedenfalls wäre es ein analytischer Fehlschluß, von der hohen Bedeutung des Faktors Wahlbeteiligung bei der letzten Europa-wahl aufgeringe Chancen bei einer Bundestagswahl zu schließen. Dieser Faktor mag die Höhe des 2
Wahlerfolgs beeinflußt haben, war aber nicht entscheidend für das Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde. Die in Berlin, Frankfurt und nun abgeschwächt auch im Bund sichtbar gewordene Jugendattraktivität der Rechtsparteien ist sehr ernst zu nehmen, zumal sich hier erst die Spitze eines Eisberges zeigt. Die Jugendattraktivität impliziert die Chance der Rechtsparteien, auf der Basis eines positiven demographischen Trends quasi naturwüchsig noch stärker zu werden.
Die Wählerschaft keiner anderen Partei unterscheidet sich so extrem nach Männern und Frauen. Zwei Drittel der Wähler der Neuen Rechtsparteien — ob sie nun NPD. DVU oder Republikaner heißen — sind Männer, nur ein Drittel Frauen. Angesichts langfristiger Beobachtungen des Wahlverhaltens von Frauen darf es als eher wahrscheinlich gelten, daß sich die Frauendefizite der Neuen Rechte zwar mittelfristig abschwächen, nicht aber ausgleichen werden.
Joachim Hofmann-Göttig, Dr. phil., geb. 1951; stellvertretender Leiter der Saarländischen Landesvertretung in Bonn. Veröffentlichungen u. a.: Die jungen Wähler, Frankfurt 1984; Emanzipation mit dem Stimmzettel. 70 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland, Bonn 1986.