Finnland steht nach dem Ende des Kalten Krieges noch stärker als andere europäische Länder vor der Herausforderung, seine Außen-, Wirtschafts-und Sicherheitspolitik neu konzipieren zu müssen. Da Finnlands Politik seit dem Zweiten Weltkrieg stark auf die Sowjetunion orientiert war, hat deren Auflösung große Auswirkungen auf die finnische Politik und Wirtschaft. Der Zusammenbruch des Osthandels trifft mit der fiskalischen und politischen Krise des Wohlfahrtsstaates zusammen. Die gegenwärtige Mitte-Rechts-Regierung, die das Land in die EG führen will, versucht, die Rezession (15 Prozent Arbeitslosigkeit) mit Hilfe einer Austeritätspolitik zu bewältigen. Nach Auflösung des Freundschaftsvertrages mit der UdSSR zu Beginn dieses Jahres hat die Ostorientierung der besonderen Neutralität Finnlands ihr Ende gefunden. Die Außen-und Sicherheitspolitik ist zunehmend westorientiert. Im März des Jahres ist in Brüssel der Antrag auf EG-Mitgliedschaft gestellt worden; seit Juni besitzt Finnland einen Beobachterstatus im Nordatlantischen Kooperationsrat; verschiedene Optionen sicherheitspolitischer Integration (proeuropäisch und/oder proatlantisch) stehen zur Debatte.
Mit dem Ende des Kalten Krieges und des militärischen und politischen Ost-West-Konfliktes müssen alle europäischen Staaten ihre Außen-und Sicherheitspolitik neu konzipieren. Neben den Veränderungen in Osteuropa -der Auflösung des War-schauer Paktes und dem Zusammenbruch der UdSSR -hat für Finnland, wie auch für die anderen EFTA-Länder, ein zweiter Faktor grundlegenden Einfluß auf diese Neuorientierung: Die sich vertiefende Integration im Westen des Kontinents, der für 1993 geplante Europäische Binnenmarkt und die Bildung einer Wirtschafts-und Währungsunion, stellen eine außenpolitische Herausforderung dar.
Das Primat finnischer Politik der Nachkriegszeit waren die Beziehungen zur UdSSR. Vertrauensvolle Beziehungen zwischen beiden Ländern zu schaffen und zu pflegen war Basis der gesamten Politik, der Neutralitätspolitik, der Westbeziehungen, ja sogar der Außenwirtschafts-und zum Teil auch der Innenpolitik.
Wie wirken sich die Veränderungen europäischer Politik auf Finnland aus? Gibt es noch die „Finnlandisierung“ (wenn es sie denn jemals gab)? Gibt es immer noch ein besonderes Verhältnis zwischen Finnland und seinem großen Nachbarland? Gibt es überhaupt noch die finnische Neutralität? Unter welchen Bedingungen begibt Finnland sich auf den Weg nach (West-) Europa?
I. Historische Grundlagen finnischer Politik
Finnland, das seit dem 12. Jahrhundert als arme Ostprovinz zu Schweden gehört hatte, wurde im Jahre 1809 autonomes Großfürstentum innerhalb des russischen Zarenreiches und bekam als dessen „Fenster zum Westen“ politische Rahmenbedingungen zugestanden, die dem Lande weitreichende wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungsmöglichkeiten ließen. Im Dezember 1917 wurde es im Gefolge der Oktoberrevolution selbständig Der Bürgerkrieg, der sich im Frühjahr 1918 an die proletarische Revolution anschloß, wurde mit deutscher Unterstützung von den „Weißen“ gewonnen. Das Parlament wählte den hessischen Prinzen Friedrich Karl zum König von Finnland. Die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg beendete das Vorhaben, Finnland zur Monarchie zu machen, noch ehe es vollständig in die Tat umgesetzt werden konnte; das Land wurde Republik. Die Teilnahme finnischer Soldaten an der Intervention der Westmächte in Sowjet-Ruß-land endete erst mit dem Friedensvertrag von Dorpat/Tartu im Jahre 1920, in dem das schwache Rußland Finnland auch territoriale Zugeständnisse machen mußte; so fielen Ost-Karelien und das Gebiet um Petsamo an der Eismeerküste an Finnland.
Die Frontstellung gegenüber dem östlichen Nachbarn blieb bestehen; im Verlaufe der dreißiger Jahre bekamen ultrarechte politische Kräfte großen Einfluß und ein Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen Finnland und der Sowjetunion war nicht möglich. So reagierte die finnische Regierung im Herbst 1939 ablehnend auf Vorschläge der Sowjetunion zu einem Gebietsaustausch im finnisch-sowjetischen Grenzbereich, den diese aus strategischen Gründen zum Schutze von Leningrad, das nur dreißig Kilometer von der Grenze entfernt lag, gemacht hatte. Die unflexible finnische Haltung einerseits und die harte, machtpolitisch orientierte Politik der UdSSR andererseits führten dazu, daß die Sowjetunion ihre Interessen militärisch durchsetzte. Finnland unterlag im finnisch-sowjetischen Winterkrieg und verlor Teile seines Territoriums an die UdSSR Schon 1941 erhofften die Finnen sich durch eine Teilnahme am Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion die Rückgewinnung dieser Gebiete und die Schaffung eines „Großfinnland“ zu Lasten der UdSSR. Dieser sog. „Fortsetzungskrieg“ endete 1944 mit der Niederlage Finnlands.
1. Die Paasikivi-Kekkonen-Linie
Neben dem Verlust von zwölf Prozent seines Territoriums mußte Finnland 300 Mio. US-Dollar Reparationen zahlen und fast eine halbe Million Umsiedler aus den Ostgebieten integrieren. Ferner mußte Finnland sein Verhältnis zur UdSSR bereinigen und die politischen Voraussetzungen für die zukünftige Existenz eines unabhängigen Finnland schaffen.
Jenseits des traditionellen Parteienspektrums bildete sich eine Koalition politischer Kräfte, deren Ziel die Realisierung dieser neuen Ostpolitik war. Neben Kommunisten und linken Sozialdemokraten gehörten ihr einzelne führende Politiker der Konservativen (Paasikivi) und der Agrarunion (Kekkonen) an. Gegen erhebliche Opposition setzte sich die „Paasikivi-Linie“ und später) die “ Paasikivi-Kekkonen-Linie“ durch. Die Lösung für das bilaterale sicherheitspolitische Grundproblem zeigte eine Erklärung Präsident Paasikivis im Jahre 1947 auf, in der es hieß, daß Finnland im Falle eines über sein Staatsgebiet gegen die UdSSR gerichteten Angriffes mit allen zur Verfügung stehenden Kräften Widerstand leisten würde. Diese Erklärung wurde 1948 im finnisch-sowjetischen Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand (FZB-Vertrag) in eine völkerrechtlich verbindliche Form gebracht. Der FZB-Vertrag bildete bis Ende 1991 die Grundlage der finnisch-sowjetischen Beziehungen. Er sah die Möglichkeit militärischer Zusammenarbeit vor, allerdings nur für den Fall, daß Finnland nicht in der Lage wäre, einen gegen Finnland oder über finnisches Territorium gegen die UdSSR gerichteten Angriff von seiten Deutschlands oder seiner Verbündeten abzuwehren, und beschränkte sich auf die Verteidigung finnischen Gebietes
Die finnische Ostpolitik basierte seit Paasikivi auf der Annahme, daß die UdSSR legitime defensive Sicherheitsinteressen gegenüber Finnland besaß. Diese Grundannahme der Linie Paasikivis und der gesamten finnischen Außenpolitik der Nachkriegszeit ist bis zum Zusammenbruch der UdSSR Ende 1991 nicht widerlegt worden; das sowjetische Verhalten gegenüber Finnland im Verlaufe der vergangenen vier Jahrzehnte bestätigt eher diese Einschätzung.
2. „Finnlandisierung“?
Basierend auf dieser Regelung der Beziehungen zum östlichen Nachbarn konnte Finnland ab Mitte der fünfziger Jahre unter Führung von Präsident Kekkonen seine Neutralität entwickeln. Dies ging nicht ohne Rückschläge und Krisen in den sowjetisch-finnischen Beziehungen vonstatten; zu nennen sind vor allem die „Nachtfröste“ 1958/59 und die „Notenkrise“ 1961, als sich, die Sowjetunion unter Chruschtschow offen in die finnische Innenpolitik einmischte. Rücksichtnahme auf die Interessen der Sowjetunion und die Antizipation sowjetischer Empfindlichkeiten bestimmten in der Folgezeit die Art und Weise der Öffnung Finnlands zum Westen, so daß von einer Beschränkung der Bewegungsfreiheit finnischer Außenpolitik gesprochen werden kann. So wurde Finnland im Jahre 1961 nicht Vollmitglied der EFTA, sondern über die Bildung der FINEFTA (Abkommen zwischen Finnland und der EFTA) lediglich assoziiert; erst 1986, nach dem Amtsantritt Gorbatschows, wurde die volle Mitgliedschaft Finnlands formell beschlossen. Der finnische Freihandelsvertrag mit der EWG wurde im Jahre 1973 durch eine Vereinbarung über Zusammenarbeit mit dem RGW ausbalanciert.
Auch Finnlands zunehmend aktive Neutralitätspolitik wurde erheblich behutsamer betrieben als beispielsweise die schwedische. Im Zusammenhang mit der Bezeichnung „Finnlandisierung“ ist der Vorwurf erhoben worden, Finnland betreibe eine einseitige Außenpolitik, indem es ungebührlich auf sowjetische Interessen Rücksicht nehme oder sich gar -etwa im Falle des Kekkonenplans für eine Atomwaffenfreie Zone in Nordeuropa oder der Initiative für eine Europäische Sicherheitskonferenz -zu einer Lancierung sowjetischer Konzepte mißbrauchen lasse. Zu entgegnen ist diesem Vorwurf, daß für Finnland die Lehre aus den Konflikten mit der UdSSR war, daß diese im Zusammenhang mit einer Zunahme internationaler Spannungen, insbesondere des Ost-West-Konfliktes, auftraten und es daher vor allem eine Wahrnehmung eigener finnischer Interessen war, diverse Initiativen für Entspannung und Abrüstung zu forcieren.
Ein Entgegenkommen der finnischen Politik auf sowjetische Empfindlichkeiten war, daß Finnland gewisse Rituale und Formalitäten sowjetischer Diplomatie akzeptierte, die die Finnen in der Substanz „nichts kosteten“, sondern eher verbale Vertrauensbeweise waren.
Eine weitere Konsequenz Finnlands aus den Problemen mit der UdSSR war, daß versucht wurde, dem sowjetischen Interesse an einer Kontinuität der freundschaftlichen bilateralen Beziehungen durch eine Kontinuität der politischen Persönlichkeiten Rechnung zu tragen. Präsident Kekkonen spielte diese Karte bei innenpolitischen Auseinan-dersetzungen besonders in den siebziger Jahren mehrfach sehr geschickt aus und profilierte sich als persönlicher Garant guter Beziehungen zur UdSSR. Dieser Glaube an die zentrale Bedeutung der persönlichen guten Kontakte hatte sich in Finnland so verfestigt, daß 1982 (als mit Mauno Koivisto erstmals ein nichtbürgerlicher Politiker Präsident wurde) in Finnland eine kurze Zeit Unsicherheit darüber herrschte, wie die UdSSR einen finnischen Präsidenten akzeptieren würde, der nicht aus der Agrarunion/Zentrumspartei stammte. Koivisto bemühte sich gleich zu Beginn seiner ersten Amtszeit, deutlich zu machen, daß er die Außenpolitik seines Vorgängers fortzusetzen gedenke und vereinbarte 1983 vorfristig eine Verlängerung des FZB-Vertrages um 20 Jahre. 80Prozent der Bevölkerung bewerteten den Vertrag Anfang der achtziger Jahre positiv, lediglich vier Prozent negativ
Aber auch während Koivistos Amtszeit lassen sich Beispiele für eine Politik finden, die als Zeichen für die „Finnlandisierung“ des Landes gedeutet wurden. Im Jahre 1985 stürzte in Lappland ein verirrter sowjetischer Marschflugkörper ab; die Informationspolitik der finnischen Regierung gegenüber dem Ausland kann nur mit großer Freundlichkeit als „zurückhaltend“ charakterisiert werden. Entsprechendes gilt für die Information der Bevölkerung nach dem Atom-Gau in Tschernobyl. In der Angst, die Sowjetunion zu verärgern, hielten die Verantwortlichen Informationen zurück und warnten die Bevölkerung unzureichend über die Gefahren durch die Strahlung.
Zum Verständnis dieses Verhaltens der finnischen politischen Elite gehört auch eine gewisse Kenntnis der finnischen politischen Kultur. Finnland ist über Jahrhunderte zunächst vom schwedischen und dann vom russischen politischen System geprägt worden, was einen extremen Zentralismus bewirkte. Lutheranertum und preußische Einflüsse auf die Entwicklung der Bürokratie kommen hinzu. Die Hierarchie mit einem starken Präsidenten an der Spitze und der relativ gering entwickelte Parlamentarismus treffen sich mit demographischen Entwicklungen (recht junge Urbanisierung) und einer sehr schwach entwickelten demokratischen, kritischen Öffentlichkeit -im Unterschied etwa zur Bundesrepublik Deutschland. Finnland liegt nicht nur geographisch an der europäischen Peripherie, auch seine Sprache und Kultur sowie die Nach-kriegsgeschichte bewirken, daß Finnland isolierter ist als die meisten anderen europäischen Länder.
Nach dem Amtsantritt Mauno Koivistos hat sich zwar eine freiere politische Atmosphäre entwickelt, da Koivisto nicht wie Kekkonen Experte und letzte Instanz in allen Fragen des politischen Lebens ist, aber der Begriff des Konsenses dominiert weiterhin die Politik. War der Konsens über Fragen der Außen-und Sicherheitspolitik des Landes über lange Jahre bestimmend, so herrscht jetzt eine übermäßige innenpolitische Einigkeit; Oppositionspolitik gibt es nur graduell.
II. Politisches System und Parteien
1. Parlamentarische Demokratie
Finnland ist aufgrund der seit 1919 nur unwesentlich geänderten Verfassung parlamentarische Republik Der Staatspräsident steht an der Spitze der Exekutive, er ernennt und entläßt die Regierung und den Premierminister, kann das Parlament auflösen, hat weitgehende Vetorechte hinsichtlich der Gesetzgebung, leitet und verantwortet die Außenpolitik und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Die legislative Macht liegt beim Parlament, dem Reichstag (Eduskunta). Der Reichstag besteht aus 200 Abgeordneten, die aufgrund freier, geheimer und gleicher Wahl per Verhältniswahlrecht auf vier Jahre direkt gewählt werden. Aktives und passives Wahlrecht besitzen alle mindestens 18 Jahre alten Staatsbürger. Bereits 1906 erhielten Frauen das Wahlrecht.
2. Die Stellung des Präsidenten
Mauno Koivisto wurde im Januar 1982 als Nachfolger Urho Kekkonens Staatspräsident. Er stammt aus der Sozialdemokratie. Im Februar 1988 wurde er für eine zweite Amtszeit von 6 Jahren wiedergewählt. Die Position des finnischen Präsidenten war bisher mit der des französischen oder US-amerikanischen Präsidenten zu vergleichen. Nach der Verfassungsreform im Sommer 1991 wurden seine Machtbefugnisse jedoch eingeschränkt. Dies betrifft vor allem das Recht des Präsidenten, das Parlament aufzulösen, eine Möglichkeit, von der Urho Kekkonen mehrfach Gebrauch gemacht hatte. In Zukunft ist dies nur auf Antrag des Premierministers nach Anhörung von Reichstagspräsident und Reichstagsfraktionen möglich. Außerdem muß Einigkeit darüber bestehen, daß die Legislative nicht mehr funktionsfähig ist und eine Regierungskrise vorliegt. Auch bei der Regierungsbildung werden zukünftig umfassendere Rechte der Fraktionen wirksam. Ferner wird die Amtszeit des Präsidenten auf zwei Amtsperioden begrenzt Im Januar 1994 wird erstmals auf das Elektorensystem (indirekte Wahl durch ein vom Volk gewähltes Wahlmännergremium) verzichtet und es finden direkte Präsidentwahlen statt; gegenwärtig wird darüber diskutiert, ob der Staatspräsident zukünftig überwiegend nur repräsentative Funktionen erfüllen soll.
3. Wahlen und neue Regierung 1991
Bei den letzten Wahlen zum Reichtstag am 17. März 1991 (vgl. Tabelle) wurde die bisher oppositionelle Zentrumspartei (KESK) stärkste Partei und überrundete damit die Sozialdemokraten (SDP) und die moderat konservative Nationale Sammlungspartei (KOK), die die bisherige Regierung unter dem Konservativen Harri Holkeri dominiert hatten. Der Vorsitzende der Zentrumspartei, Esko Aho, bildete im April 1991 eine Koalitionsregierung mit Konservativen, Schwedischer Volkspartei (RKP) und der Christlichen Union (SKL), die sich auf 115 der 200 Abgeordneten stützen kann. Damit ist erstmals seit 25 Jahren in Finnland eine Regierung gebildet worden, der keine Linkspartei angehört.
Die niedrige Wahlbeteiligung (72, 1 Prozent, die niedrigste seit 1945) ist als Ausdruck der Unzufrie denheit der Bevölkerung mit den Parteien und der weitverbreiteten Desillusionierung über traditionelle Parteipolitik zu werten.
Ein bemerkenswertes Ergebnis der letzten Parlamentswahlen ist, daß Frauen im Parlament 77 Abgeordnete (= 38, 5 Prozent) und in der Regierung 7 von 17 Kabinettsmitgliedern stellen. Dies ist Weltrekord. Relativiert wird dies allerdings dadurch, daß selbst von den Ministerinnen kritisiert wird, daß alle wichtigen Entscheidungen von einigen Männern gefällt werden.
4. Parteien
Finnland hat ein Vielparteiensystem; gegenwärtig sind neun Parteien im Reichstag vertreten:
Die moderat konservative Nationale Sammlungspartei (KOK), 1918 gegründet, war bis 1987 stärkste Oppositionspartei, dann zum ersten Mal seit 21 Jahren Regierungspartei. Sie stellt in der neuen Regierung die Minister der zentralen Ressorts, um die konservative Wende in der Finanz-und Wirtschaftspolitik durchzusetzen.
Die Zentrumspartei (KESK), 1906 gegründet, hieß bis 1965 Agrarunion. Der Versuch, eine Basis auch außerhalb ihrer traditionellen ländlichen Klientel in den Städten zu gewinnen, ist ihr erst ansatzweise gelungen. Ihre im Nachkriegsfinnland traditionell starke Position ist erstens damit zu begründen, daß sie eine breite soziale Basis besitzt, und zweitens damit, daß Präsident Urho Kekkonen aus der Agrarunion stammte. Die Verteidigungsministerin und der Verkehrsminister werden von der Schwedischen Volkspartei (rkp) gestellt. Sie wurde 1906 gegründet und ver-tritt die sechs Prozent schwedischsprachige Bevölkerung. Die Christliche Union (SKL) wurde 1958 gegründet; sie stellt den Minister für Alkoholpolitik und Entwicklungshilfe. Die Partei vertritt christliche Werte, tritt gegen Alkoholkonsum auf und hat zu Beginn des Jahres 1992 gegen einen finnischen EG-Beitritt argumentiert, da die EG nicht gottgewollt sei.
Die Finnische Landvolkpartei (SMP) wurde 1959 als Abspaltung von der Agrarunion gebildet. Ihr langjähriger populistischer Vorsitzender Veikko Vennamo galt lange als Symbol grundsätzlicher Opposition gegen Präsident Kekkonen. Die SMP war von 1983 bis 1990 Regierungspartei.
Die Liberale Volkspartei (LKP), 1965 gegründet, war von 1982 bis 1987 „Mitgliedsorganisation“ der Zentrumspartei. Die Sozialdemokratische Partei (SDP) wurde 1899 gegründet. Sie ist programmatisch eng mit dem finnischen Sozialstaat verbunden und hatte seit Mitte der sechziger Jahre fast ununterbrochen in verschiedenen Koalitionen (Volksfront, Mitte-Links, Mitte-Rechts) Regierungsverantwortung. Der Linksbund (Vas) ging im April 1990 aus dem Demokratischen Bund des Finnischen Volkes (SKDL) und der Demokratischen Alternative (DEVA) hervor. Die 1918 gegründete Kommunistische Partei war erst 1944 nach dem finnisch-sowjetischen Waffenstillstand legalisiert worden und hatte den SKDL gebildet, in dessen Rahmen sie bei Wahlen antrat. Seit Mitte der sechziger Jahre waren Kommunisten und Volksdemokraten innerparteilich in Reformer („Eurokommunisten“) und Minderheit („Stalinisten“) gespalten. 1986 war es auch formal zur Parteispaltung gekommen. Hatte der SKDL in den fünfziger und sechziger Jahren noch ca. ein Fünftel der Wählerstimmen erhalten, hegt er nun bei ca. zehn Prozent.
Die Grünen (Vihreä liitto) sind seit 1983 im Reichstag vertreten. 1991 konnten sie ihr Ergebnis von vier Prozent (197) auf 6, 8 Prozent verbessern und haben nunmehr zehn Sitze inne.
III. Die Wirtschaftskrise
1. Die Wirtschaft
Finnlands Wirtschaft war noch nach dem Zweiten Weltkrieg stark durch die Land-und Forstwirtschaft geprägt. Der entscheidende Impuls für die Industrialisierung ging von den Reparationslieferungen an die Sowjetunion aus, die zum Großteil in Form industrieller Erzeugnisse (Maschinen-und Schiffbau) geliefert werden mußten. Der erforderliche Strukturwandel gewann Kontinuität, da es gelang, die Lieferverpflichtungen in die UdSSR in Handelsverträge umzuwandeln und somit Absatzmärkte für den Export mittel-und langfristig zu sichern. 1950 waren noch 43 Prozent der Erwerbstätigen in der Land-und Forstwirtschaft tätig. Im Jahre 1985 war ihr Anteil auf 11 Prozent gesunken; aufgrund effektiver Bewirtschaftung (Aufforstung; Erhöhung des Veredlungsgrades der Erzeugnisse) war es jedoch gelungen, den Ertrag der Forstwirtschaft zu steigern. Der Anteil der holzverarbeitenden Industrie an der Bruttowertschöpfung der industriellen Produktion Finnlands lag 1991 bei 15, 9 Prozent, der von Maschinenbau und Metallindustrie bei 33, 3 Prozent. Finnland hat sich seit den fünfziger Jahren durch eine „Nischenstrategie“ auf die Herstellung von Papiermaschinen, Eisbrechern und Passagierschiffen spezialisiert; seit den achtziger Jahren gibt es jedoch eine Tendenz weg vom Schwermaschinenbau, hin zu Produkten mit hohem technischen Niveau und im Elektronikbereich. Die finnische Wirtschaft ist hochgradig abhängig von Exporten der holzverarbeitenden und der Metallindustrie. Das Wirtschaftssystem basiert auf Privateigentum und freiem Unternehmertum. Das einzige staatliche Monopol bilden Import, Produktion und Verkauf von Alkohol. Faktisch kontrolliert der Staat Radio und Fernsehen, die Eisenbahn, den (relativ unbedeutenden) Bergbau, den Import und die Verarbeitung von Öl und einige andere Unternehmen mit staatlicher Aktienmehrheit. Diese Betriebe werden jedoch wie private betrieben und müssen Gewinn erwirtschaften.
Der Lebensstandard ist in Finnland nach dem Kriege schnell gestiegen; das Bruttosozialprodukt (BSP) pro Kopf hat sich von 1948 bis 1980 real vervierfacht. Aufgrund der Überbewertung der Finnmark (Fmk) lag es 1988 mit 21189 US-Dollar vor dem der USA, der Bundesrepublik und Schwedens. Das kaufkraftbezogene BSP lag aber im gleichen Jahr bei 14000 Dollar und damit etwa auf dem Niveau Frankreichs, hinter dem der Bundesrepublik, der USA und Schwedens. Im Jahre 1989 war Finnland das teuerste Land der OECD; es war 55 Prozent teurer als die USA 81.
Das skandinavische Modell des Wohlfahrtsstaates hat bis zum Beginn der neunziger Jahre die Wirtschafts-und Sozialpolitik bestimmt. Die Steuerpo-litik hatte lange eine Nivellierung der Einkommen zum Ziel. Die Sozialpolitik der sechziger und siebziger Jahre ermöglichte die Schaffung eines umfassenden Systems der Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsversorgung, ein Krankenversicherungssystem, Arbeitslosenversicherung, Rentengesetze etc.
Das „Japan des Nordens“ erlebte in den achtziger Jahren einen einmaligen Wohlstand und Konsumrausch. Staatliche Großprojekte, ein großzügiger Ausbau von Schulen und Universitäten, der Ausbau des öffentlichen Dienstes und die zunehmende Staatsverschuldung basierten auf der Vorstellung, daß es wirtschaftlich immer nur weiter aufwärts gehen könne. Der durch langfristige Verträge gesicherte Osthandel ließ einen Strukturwandel der Wirtschaft als weitgehend überflüssig erscheinen. Eine Reduzierung der staatlichen Subventionen der Landwirtschaft wurde unterlassen, wozu auch die weiterhin gültige Vorstellung beigetragen hat, daß Finnland aus sicherheitspolitischen Gründen in der Nahrungsmittelproduktion autark sein müsse.
Die fiskalische und politische Krise des skandinavischen Wohlfahrtsstaates hat Ende der achtziger Jahre Finnland erreicht. Gegenwärtig befindet sich das Land in der schwersten Wirtschaftskrise seit den frühen dreißiger Jahren, die zu einer grundlegenden gesellschaftlichen Umgestaltung des Landes führen wird. Sie folgt drei Jahren rapiden wirtschaftlichen Wachstums, die zu einer Überhitzung der Konjunktur mit überhöhter Kreditexpansion und Verschuldung sowie zu einem Preisniveau geführt hatte, das die internationale Wettbewerbsfähigkeit der finnischen Exportindustrie erheblich beeinträchtigte. Nachdem der reale Zuwachs des Bruttosozialproduktes im Jahre 1989 noch bei 5, 2 Prozent gelegen hatte, gab es 1990 im Jahres-durchschnitt nur noch ein Nullwachstum, in den letzten Monaten des Jahres aber schon ein Minus von drei Prozent. 1991 ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um real 6, 2 Prozent zurück. 1991 sank die Industrieproduktion um Prozent, wobei die Bauwirtschaft ein Minus von 15 Prozent hinnehmen mußte. Die Investitionen sanken im gleichen Jahr um 16, 5 Prozent, der private Konsum um real 4, 5 Prozent. Die Einkommen stiegen nominal um 6 Prozent, aufgrund der Inflation von 4 Prozent real aber nur um 2 Prozent. Der private Verbrauch sank im gleichen Zeitraum um real 4, 5 Prozent
Die Arbeitslosenquote erreichte im Dezember 1991 13, 6 Prozent (1989: 3, 5; 1990: 3, 4) und stieg bis Juli 1992 auf 15, 1 Prozent an -mit weiter steigender Tendenz Die Importe sanken von 1990 auf 1991 um 15 Prozent, die Exporte um 8 Prozent.
Neben dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der finnischen Exportindustrien auf den internationalen Märkten ist als wesentlicher Grund für die Wirtschaftskrise der Zusammenbruch des Außenhandels mit der UdSSR anzuführen. Die Aus-fuhren in die UdSSR sanken von 1990 auf 1991 um 65 Prozent, die Importe (hauptsächlich Erdöl) um 27 Prozent; der Warenaustausch mit der UdSSR machte nur noch 5 Prozent des finnischen Außenhandels aus, nach 13, 5 im Jahre 1990 und ca. 25 Prozent zu Beginn der achtziger Jahre.
Hauptursachen für das Wegbrechen des finnischen Osthandels sind der Verlust der Quasi-Monopolstellung im Handel mit der Sowjetunion, die in den letzten Jahren ihre Wirtschaftsbeziehungen mit westeuropäischen Ländern verstärkt hatte, und die Umstellung des sowjetischen Außenhandels ab Anfang 1991 auf normale Devisenbasis 11. Da die UdSSR aber selbst nicht über ausreichend Dollars verfügte, konnte sie finnische Lieferungen nicht bezahlen und stand Mitte 1991 mit ca. fünf Mrd. US-Dollar bei Finnland im Soll. Bei einem Besuch Präsident Koivistos in Moskau im Juni 1991 standen die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen im Vordergrund der Gespräche; der finnischen Forderung nach Bezahlung der Schulden stand die sowjetische nach mehr Wirtschaftshilfe gegenüber.
Die Umorientierung jener Teile der finnischen Exportindustrie, die bisher für die Sowjetunion produziert hatten, auf westliche Märkte ist wegen ihrer Struktur und auch der Qualität der Güter problematisch. Die EG stand 1991 an der Spitze von Finnlands Außenhandel mit 51 Prozent der Exporte und 46 Prozent der Importe. Ihr folgte die EFTA (21 Prozent der Exporte, 20 Prozent der Importe). Die Bundesrepublik Deutschland war im Jahre 1991 wichtigster Außenhandelspartner Finnlands: Exportanteil 15, 4 Prozent; Importanteil 16, 9 Prozent; Schweden (13, 9/12, 3) nahm den zweiten Platz vor Großbritannien (10, 4/7, 7) und den USA (6, 1/6, 9) ein (UdSSR/Rußland: 4, 9/8, 5) Die finnischen Exporte in die Bundesrepublik Deutschland umfassen zu fast 50 Prozent Halbwaren und Vorerzeugnisse der holzverarbeitenden Industrie (zum Großteil Papier und Pappe). Sie erhöhten sich von 1990 auf 1991 um 12 Prozent
2. Die Regierungspolitik
Die bürgerliche Mehrheitsregierung mit dem Zentrumspolitiker Esko Aho an der Spitze war im April 1991 mit dem Programm angetreten, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der finnischen Exportwirtschaft wiederherzustellen. Neben der Bewältigung der Rezession durch eine radikale Sparpolitik sollte die zunehmende Westorientierung des Landes einen politischen Rahmen erhalten. Die Sparpolitik, die reale Einkommenseinbußen und den Abbau sozialer Leistungen für den Großteil der Bevölkerung mit sich bringt, konnte aufgrund einer (im Vergleich zu Deutschland erstaunlichen) weitgehenden Einigkeit zwischen den Sozialpartnern im Verlaufe des letzten Jahres durchgesetzt werden. Die Proteste der Gewerkschaften hatten eher Symbolcharakter. Prominentestes Opfer der Austeritätspolitik war die Sozialministerin Eva Kuuskoski, die den Abbau des Wohlfahrtsstaates nicht mittragen mochte und im April 1992 zurücktrat. Die staatliche Sparpolitik zielt auf einen Abbau des Haushaltsdefizits sowie auf eine Senkung der Lohnnebenkosten. Maßnahmen hierzu sind eine Senkung der Staatsausgaben im Sozialbereich, Stellenkürzungen im öffentlichen Dienst, Steuererhöhungen, der Abbau von Sozialleistungen und diverse Gesetze zur Kostendämpfung.
Im November 1991 wurde die Finnmark um 12, 3 Prozent abgewertet, was im Verlaufe von wenigen Monaten die Exporte des Landes wieder ansteigen ließ Schon am 7. Juni 1991 hatte die Zentralbank beschlossen, den Wechselkurs der Finnmark an den ECU zu koppeln und so den ersten Schritt getan, gemäß dem Regierungsprogramm vom April 1991 die finnische Währung an das Europäische Währungssystem zu binden. Finnland war damit Norwegen und Schweden gefolgt, die ihre Währungen schon im Oktober 1990 bzw. im Mai 1991 an den ECU gekoppelt hatten. Mitte Juli 1992 kam schließlich eine Devisenmarkt-Vereinbarung zwischen der finnischen Zentralbank und den Zentralbanken der EG-Länder zustande. Schon anläßlich einer Finanzkrise im April 1992 hatte die finnische Zentralbank eine Stützungsvereinbarung mit den Zentralbanken Schwedens, Norwegens, Dänemarks und Deutschlands getroffen. Damit sind die entscheidenden Schritte getan, die finnische Währung in die westeuropäischen finanzpolitischen Mechanismen zu integrieren.
Auch auf wirtschaftlicher und politischer Ebene wurde die Teilnahme Finnlands an der europäischen Integration vorangetrieben. Im Mai 1992 wurde zwischen EFTA und EG der Vertrag über die Einrichtung eines gemeinsamen Europäischen Wirtschaftsraumes unterzeichnet, nachdem Finnland schon im März die Mitgliedschaft in der EG beantragt hatte.
Im Sommer 1992 erklärten sich führende Gewerkschaftsvertreter dazu bereit, zwischen Gewerkschaften, Arbeitgebern und Regierung eine Vereinbarung abzuschließen, die einen dreijährigen Lohnstopp vorsieht, wenn die Kaufkraft der privaten Haushalte durch ein Sinken der Wohnkosten und der Lebensmittelpreise aufrechterhalten werden könne
IV. Außenpolitik
Die finnische Außenpolitik wurde traditionell definiert als eine aktive Neutralitätspolitik, die auf Wohlfahrt und Sicherheit des finnischen Volkes abzielt. Die „Paasikivi-Kekkonen-Linie“ basierte auf freundschaftlichen Beziehungen zur UdSSR und dem Bestreben, außerhalb der Konflikte der Großmächte zu stehen. Die nordische Zusammenarbeit mit Schweden, Norwegen, Dänemark und Island führte seit Mitte der fünfziger Jahre nicht nur zu gemeinsamem Arbeitsmarkt, Paß-und Sozialunion, sondern auch zu umfassender politischer Konsultation und Zusammenarbeit. Das Interesse Finnlands an internationaler Entspannung führte dazu, daß auch die UNO-und die KSZE-Politik Finnlands als grundlegende Elemente finnischer Außenpolitik bezeichnet werden. Im folgenden werden die im gegenwärtigen Prozeß der Neu-Orientierung zentralen Teilbereiche der finnischen Außen-und Sicherheitspolitik behandelt.
1. Die Beziehungen zu UdSSR/Rußland
Eine Veränderung der Beziehungen zur Sowjetunion deutete sich im Oktober 1989 beim Staatsbesuch Gorbatschows in Finnland an. Erstmals seit 20 Jahren wurde die „nordische Neutralität“ Finnlands von der UdSSR unter Verzicht auf umschreibende Formulierungen klar und deutlich anerkannt Mitte Oktober 1991 begannen in Moskau Verhandlungen über einen neuen Freundschaftsvertrag zwischen Finnland und der UdSSR, der nach den Worten von Ministerpräsident Esko Aho dem Vorbild des deutsch-französischen Vertrages folgen sollte. Zwar wurde ein Vertrag ausgearbeitet, der Zusammenbruch der UdSSR Ende 1991 machte ihn jedoch gegenstandslos.
Am 20. Januar 1992 Unterzeichneten schließlich Ministerpräsident Aho und der russische Vizepremier einen Nachbarschaftsvertrag zwischen beiden Ländern. Gleichzeitig wurde in einem Notenwechsel die Auflösung des FZB-Vertrages von 1948 formell bestätigt, womit auch für Finnland die Nachkriegszeit vorbei war. Der neue Vertrag sieht keine militärische Zusammenarbeit oder militärischen Konsultationen vor. Beide Seiten verpflichten sich, einander weder zu bedrohen, noch ihr Territorium als Aufmarschgebiet für Angriffe gegen den Nachbarn zur Verfügung zu stellen. Im Vertrag werden beide Seiten als gleichberechtigt bezeichnet, die sich nicht in die inneren Angelegenheiten des anderen einmischen. Letzteres ist für Finnland aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte mehr als eine diplomatische Floskel, und so war es besonders wichtig, daß dieses Prinzip von Jelzin anläßlich seines Staatsbesuches in Finnland im Juli 1992 unterstrichen wurde; gleichzeitig entschuldigte er sich bei Finnland für sowjetische Interventionen in der Vergangenheit Weiterhin wurde Anfang 1992 eine bilaterale Zusammenarbeit, vor allem auf den Gebieten Wirtschaft, Umweltschutz und Kultur, vereinbart; regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Kooperation gesellschaftlicher Gruppen sollen die staatliche Ebene ergänzen.
Nachdem die eigentlichen politischen und Sicherheitsprobleme zwischen der UdSSR und Finnland gelöst waren, hatte sich der Schwerpunkt der finnisch-sowjetischen Beziehungen im Verlaufe der letzten Jahrzehnte zunehmend auf die wirtschaftliche Ebene verlagert. Dies hat sich nun wesentlich verändert: Das gegenwärtige finnisch-russische Verhältnis wird wieder geprägt von den Problemen militärischer Sicherheitspolitik, der Gestaltung des bilateralen Handels sowie von Umweltfragen.
Die Entwicklung der Außenwirtschaftsbeziehungen ist für Finnland unerläßlich. Waren sie in der Vergangenheit Grundlage des finnischen Wirtschaftswunders und ausgeglichen sowie langfristig angelegt, hat es das Ende der Planwirtschaft in Rußland unmöglich gemacht, die finnische Wohlfahrt auf der Grundlage des Osthandels weiter zu entwickeln. Normale Wirtschaftsbeziehungen sind zur Ausnahme geworden; Finnland tritt gegenwärtig in der Doppelrolle als Entwicklungshelfer und als Gläubiger auf. Hervorgehoben wird von finnischen Analytikern, daß Finnland als Kenner der lokalen Bedingungen besser als andere westliche Länder Hilfe zum Aufbau in Rußland leisten und gegebenenfalls als Mittler zur Verfügung stehen kann.
Hilfe leistet Finnland vor allem im Umweltbereich. Mit diversen Projekten wird versucht, Bedrohungen durch Umweltkatastrophen vor allem in der unmittelbaren Nachbarschaft in Karelien und auf der Halbinsel Kola mit Hilfe finnischer Technologie und Finanzierung in den Griff zu bekommen. So wird die Unsicherheit der Atomkraftwerke in Rußland und in den baltischen Staaten als Haupt-bedrohung finnischer Sicherheit gesehen, der naturgemäß nur mit technologischer und finanzieller Hilfe begegnet werden kann.
Den Beziehungen zu den baltischen Staaten mißt Finnland besondere Bedeutung bei. Schon Ende August 1991 wurden sie diplomatisch anerkannt; seither haben sich besonders zu Estland intensive bilaterale Beziehungen entwickelt.
2. Der nordische Kontext und die KSZE
Die Bedeutung der nordischen Kooperation hat in den vergangenen Jahren abgenommen, sie wird zunehmend im weiteren Kontext der Zusammenarbeit der Ostsee-Anrainerländer und der europäischen Integration und Regionalisierung gesehen Eine aktive Beteiligung an neuen Bereichen institutionalisierter Zusammenarbeit wie dem im März 1992 ins Leben gerufenen Ostsee-Rat geben der zunehmenden Westorientierung der finnischen Außenpolitik neue Möglichkeiten, Strategien gegen die drohende Peripherisierung des Landes zu entwickeln. Die Aufgabenstellung des Ostsee-Rates zielt einerseits auf eine Koordinierung der Hilfestellung im wirtschaftlichen, politischen, sozialen und humanitären Bereich für die früher zum realen Sozialismus gehörenden Länder und andererseits auf Probleme, die alle Ostseeanlieger zu lösen haben, wie die fortschreitende Verschmutzung der Ostsee, Entwicklung neuer Strukturen des Kommunikations-und Verkehrswesens, des Kulturaustausches und des Bildungswesens
Politik im Rahmen der KSZE hat weiterhin hohen Stellenwert als Teil der finnischen Außenpolitik. Die Durchführung des vierten KSZE-Folgetreffens im Frühjahr 1992 in Helsinki hat jedoch auch in Finnland eine Diskussion über die zukünftigen Möglichkeiten und Grenzen dieser Einrichtung aus den Zeiten des Kalten Krieges ausgelöst, wobei insbesondere auf den Bedeutungswandel traditioneller Außenpolitik im Europa der Integration abgehoben wurde Die UNO-Politik Finnlands unterliegt nicht derartiger Kritik; der Einsatz finnischer Blauhelme in Jugoslawien findet umfassende Zustimmung.
3. Europäische Integration
Die wichtigste innen-wie außenpolitische Entscheidung der letzten Jahre galt der Mitgliedschaft Finnlands in der Europäischen Gemeinschaft, die im März 1992 beantragt wurde. Die Debatte bezog sich vor allem auf die Auswirkungen, die eine Mitgliedschaft in der EG auf die finnische Landwirtschaft, den Sozialstaat und die Neutralität haben würde. Die zukünftige Entwicklung der EG, insbesondere die nach den Beschlüssen von Maastricht vorgesehene Vertiefung der Integration, war kaum ein Thema.
Zunächst war gefordert worden, daß das finnische Beitrittsgesuch mit einer Anzahl von „Randbedingungen“ gekoppelt werden müsse. So betonte die Regierung noch im Februar in ihrem Beschluß, in Brüssel einen Antrag auf EG-Mitgliedschaft einzureichen, daß die Stellung der finnischen Bauern gesichert werden müsse, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Rußland nicht unter einer EG-Mitgliedschaft leiden dürfe und die Neutralität des Landes beibehalten werden müsse. Der Beitrittsantrag allerdings, der am 18. März in Brüssel übergeben wurde, enthält keinerlei Bedingungen mehr, obwohl die genannten Themenbereiche bei den Beitrittsverhandlungen eine Rolle spielen dürften.
Die Debatte wurde allerdings auf sehr finnische Art geführt: Nachdem der Präsident den Startschuß gegeben hatte, wurde für einige Wochen diskutiert, und nachdem der Reichstag seine Entscheidung gefällt hatte, war das Thema weitgehend „out“. Eine öffentliche Diskussion, wie gegenwärtig in Schweden, findet nicht statt. Eher passiv wird verfolgt, wie Politiker aus EG-Ländem und aus Brüssel sich zu einem möglichen Zeitplan für einen finnischen Beitritt verhalten. Gleichzeitig spielt es eine große Rolle, wie der schwedische Antrag auf EG-Mitgliedschaft vom Juli 1991 in Brüssel behandelt wird, da Finnland hofft, gemeinsam mit Schweden den EG-Zug besteigen zu können.
4. Sicherheitspolitik und Neutralität
Der Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) und die Auflösung des Warschauer Paktes haben Mitteleuropa den Abzug sowjetischer Truppen und Waffen gebracht. Diese sind aber teilweise in den Leningrader Militärdistrikt verlegt worden, der auch Karelien und die Halbinsel Kola umfaßt. Damit hat das Ende des Kalten Krieges eine Zunahme von Truppenkonzentrationen in der unmittelbaren Nachbarschaft Finnlands bewirkt. In Verbindung mit der unsicheren politischen und sozialen Situation in der GUS und in Rußland stellt dies in den Augen finnischer Analytiker und Politiker eine potentielle Bedrohung dar Insbesondere die Möglichkeit militärischer Konflikte zwischen GUS-Ländern oder zwischen verschiedenen politischen Gruppen innerhalb der GUS sowie die Anwesenheit der ehedem sowjetischen Truppen in den baltischen Staaten sind ein Problem für die finnische Sicherheitspolitik.
Die Souveränität Finnlands und insbesondere der Spielraum der militärischen Sicherheitspolitik war während des Kalten Krieges eingeschränkt durch Regelungen im Pariser Friedensvertrag von 1947 und im FZB-Vertrag Mit einer Neuinterpretation des Pariser Vertrages durch die Regierung löste Finnland sich im September 1990 von diesen Begrenzungen, indem sie erklärte, daß die Einschränkungen der finnischen Verteidigung (darunter das Verbot, Kriegsmaterial und zivile Flugzeuge aus Deutschland oder Japan zu erwerben, das Verbot von U-Booten, die Beschränkung des Heeres auf 34 000 Mann und der Luftwaffe auf 60 Flugzeuge) „ihre Bedeutung verloren“ hätten. Weiterhin erklärte Präsident Koivisto, daß die Entwicklung der letzten Jahre, insbesondere die deutsche Vereinigung und der deutsch-sowjetische Vertrag vom September 1990, auch die Bestimmung des FZB-Vertrages habe veralten lassen, nach der Finnland einen möglichen Angriff namentlich Deutschlands oder seiner Verbündeten auf die Sowjetunion über finnisches Territorium nicht zulassen dürfe
Die zunehmende Westorientierung Finnlands ist in den letzten anderthalb Jahren wirtSchafts-und außenpolitisch bereits wirksam geworden, sicherheits-und militärpolitisch trifft dies bisher aber erst ansatzweise zu. Einige Faktoren sprechen jedoch dafür, daß diese Ansätze pro-westeuropäischer bzw. pro-atlantischer Orientierungen sich zukünftig weiter verstärken werden: 1. Eine Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft , zielt im Zuge der Weiterentwicklung der EG auf eine gemeinsame Verteidigungspolitik und würde u. U. über kurz oder lang zu einer Mitgliedschaft Finnlands in der Westeuropäischen Union (WEU) führen. Teile der außenpolitischen Elite Finnlands zweifeln allerdings daran, daß es im Interesse von WEUoder Nato-Ländern läge, die Verantwortung zur Verteidigung der 1300 km langen finnisch-russischen Grenze zu teilen 2. Finnland ist -als einziges neutrales Land -seit Juni 1992 auf Einladung des Nordatlantikrates Beobachter im Nordatlantischen Kooperationsrat (NAKR) Die Entscheidungsfindung bei diesem für die zukünftige Orientierung der Außen-und Sicherheitspolitik Finnlands emi-nent wichtigen strategischen Beschluß, der zur Annahme der ursprünglich einmaligen Einladung geführt hat -angeblich hat der Außenminister nach einigen Telefongesprächen zugesagt-, und die Prozesse, die dazu geführt haben, daß Finnland nunmehr einen permanenten Beobachterstatus erhalten hat, haben in Finnland Kritik ausgelöst Auch ein Interview des finnischen Fernsehens mit Nato-Generalsekretär Manfred Wömer und ein weiteres mit Präsident Koivisto im Juli 1992, in denen beide eine zukünftige Mitgliedschaft in der Nato nicht ausschließen mochten, haben gewisse Irritationen ausgelöst ohne daß es jedoch zu einer öffentlichen Debatte um die sicherheitspolitische Zukunft des Landes gekommen wäre. 3. Der Sparpolitik der Regierung zum Trotz werden die militärischen Kapazitäten gegenwärtig ungewöhnlich stark modernisiert und ausgebaut. Nur zwei Wochen nach der Entscheidung über ein drastisches Sparpaket mit Kürzungen primär im Sozialbereich wurde entschieden, die Luftwaffe für 13 Mrd. Finnmark mit 64 amerikanischen Jagdflugzeugen vom Typ F/A 18 Hörnet aufzurüsten Verstimmt war vor allem Schweden, das mit dem „JAS 39 Gripen“ ein billigeres Flugzeug angeboten hatte und die finnische Entscheidung für das amerikanische Flugzeug auch als Affront im Hinblick auf die angestrebte militärpolitische Kooperation wertete. Auch der Direktor des Außenpolitischen Institutes, Tapani Vaahtoranta, maß der Entscheidung sicherheitspolitische SignalWirkung zu. Das zweite Aufrüstungsprojekt betrifft die Armee, die aufgrund umfassender deutscher Waffenlieferungen aus Beständen der NVA ihre gepanzerten Kapazitäten mehr als verdoppeln kann *A*u*ch dieses Aufrüstungsprojekt hat eine politische Dimension: Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg besuchte im Juni 1992 ein deutscher Verteidigungsminister Finnland; es handelte sich gleichzeitig um den zweiten offiziellen Auslandsbesuch Rühes. Neben den Waffenlieferungen — Finnland ist bisher neben Indonesien das einzige Nicht-Nato-Land, an das Waffen und Material aus NVA-Beständen in größerem Ausmaß geliefert werden -wurden Elemente einer militärischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Finnland verabredet. Zukünftig werden Offiziere an den Führungsakademien ausgetauscht und breite Kontakte auf der Arbeitsebene der Verteidigungsministerien entwickelt. Finnland hat angeboten, zukünftig deutsche UN-Soldaten in Finnland auszubilden, was von Rühe „dankbar ... aufgegriffen“ worden ist. 4. Im Gegensatz zu Schweden, das offiziell seine Neutralität aufgegeben hat, versteht sich Finnland laut offizieller Verlautbarungen jüngeren Datums weiterhin als ein neutrales Land. Allerdings ist das Neutralitätskonzept neu definiert worden. Gesprochen wird von militärischer Ungebundenheit und unabhängiger Verteidigungspolitik, wobei unterstrichen wird, daß die Neutralität lediglich für das direkte geographische Umfeld Finnlands gelte. Entsprechende Äußerungen von Außenminister Paavo Väyrynen sind noch nicht korrigiert worden, auch Präsident Koivisto äußerte sich noch im Sommer 1992 ähnlich Folgt man allerdings WEU-Quellen, muß man zu dem Ergebnis kommen, daß Finnland seine Neutralität schon ad acta gelegt hat 5. Im Juli schlug der Befehlshaber der schwedischen Streitkräfte, Bengt Gustafsson, vor, daß Schweden und Finnland zwar der EG beitreten, aber der zukünftigen Verteidigungspolitik der EG fembleiben sollten, um statt dessen gemeinsam mit den anderen nordischen Ländern eine Verteidigungsgemeinschaft zu bilden, die außerhalb der Beziehungen der drei Macht-Zentren USA, EG (insbesondere Deutschland und Frankreich) und Rußland stehen solle. In Finnland waren die Reaktionen auf diesen Vorschlag eher zurückhaltend. Sowohl Verteidigungsministerin Elisabeth Rehn als auch Außenminister Paavo Väyrynen kommentierten den Vorschlag mit der Einschätzung, daß es gegenwärtig unmöglich sei, zu sagen, wie sich die sicherheitspolitische Zusammenarbeit in Europa in der näheren Zukunft entwickeln werde. Elisabeth Rehn fügte hinzu, daß der Ausgangspunkt für die finnischen Verhandlungen über einen EG-Beitritt weiterhin sei, daß Finnland eine unabhängige glaubwürdige Verteidigung besitze 6. Auch hinsichtlich der offiziellen Bewertung der sicherheitspolitischen Rolle der Nato in Nordeuropa ist in Finnland eine Wende eingetreten. Wurde während des Kalten Krieges die Politik der Nordatlantischen Allianz eher kritisch kommentiert, hat Ministerpräsident Aho im Mai 1992 erklärt, daß die Sicherheitsgarantien der Nato für Island, Dänemark und Norwegen die Sicherheit Nordeuropas insgesamt garantiert hätten In der Vergangenheit wurde von der finnischen Politik kein direkter positiver Zusammenhang zwischen der finnischen Sicherheit und der Politik der Nato gesehen. 7. Die Ausbildung estnischer Soldaten in Finnland, die im Sommer 1992 begonnen worden ist zeigt, daß die Entscheidungsträger der finnischen Sicherheitspolitik nicht mehr den alten Grundsatz aufrechterhalten, daß jede Wahrnehmung finnischer Sicherheitsinteressen die sowjetischen (russischen) Sicherheitsinteressen berücksichtigen müsse.
V. Aktuelle Herausforderungen und Trends
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Finnland gegenwärtig eine grundsätzliche Umorientierung seiner Außen-und Militärpolitik vomimmt. Das Primat der Ostbeziehungen, das dem Land über Jahrzehnte eine Neutralitätspolitik zwischen den Blöcken ermöglichte, ist Geschichte geworden. Die ersten Weichenstellungen für eine wirtschaftliche, politische und militärische Westintegration des Landes sind erfolgt. Mit Ausnahme der beiden Entscheidungen, die EG-Mitgliedschaft zu beantragen und die Einladung zu einem Beobachterstatus bei der NAKR anzunehmen, ist aber die substantielle Füllung der neuen Westorientierung noch nicht geleistet worden. Dies liegt daran, daß aufgrund der Offenheit der europäischen Entwicklung noch keine klaren Entscheidungen getroffen werden konnten. Im Streit liegen verschiedene Optionen, die sich unter Umständen gegenseitig ergänzen: proatlantisch, proeuropäisch oder nordisch; es gibt in der außenpolitischen Elite kaum noch Verfechter der neutralistischen Variante, sie scheint zum Sterben verurteilt.
Deutlich ist jedoch schon geworden, daß das Primat der politischen Komponente gegenüber der militärischen in der Sicherheitspolitik nicht mehr so wie in der Vergangenheit gilt. Das finnische Modell defensiver Territorialverteidigung und Niedrigrüstung, das von der Friedensforschung als alternative Strategie gelobt worden ist dürfte damit der Vergangenheit angehören. Dies dient wohl vor allem dazu, dem Westen (vor allem der EG) zu signalisieren, daß Finnland sich um eine glaubwürdige militärische Verteidigung auf höherem Niveau als in der Vergangenheit bemüht. Die Finnen haben eben in mehreren Jahrzehnten die Antizipation der Wünsche großer Partner gelernt.
Die sogenannte Karelienfrage (Finnland mußte Karelien nach dem Zweiten Weltkrieg wieder an die Sowjetunion abtreten, der Karelienverband fordert nunmehr dessen Rückgabe wird weiter die Gemüter bewegen. Die vom Karelienverband geforderte Ostverschiebung der Grenze wird für den Fall, daß die finnische und russische Diplomatie nicht weiterhin sehr vorsichtig und zurückhaltend agieren, die finnisch-russischen Beziehungen massiv belasten, da Rußland eine Rückgabe Kareliens ausschließt. Diese Frage hat vor dem Hintergrund einer möglichen EG-, WEU-oder Nato-Mitgliedschaft Finnlands auch weitergehende Bedeutung und muß einer grundsätzlichen Klärung zugeführt werden. Wenig hilfreich war in dieser Hinsicht die Äußerung von Bundesaußenminister Klaus Kinkel in einem Interview des finnischen Fernsehens im Juli 1992, der sich auf die Frage, was er zum finnischen Bestreben meine, Karelien zurückzuerhalten, lediglich vermeintlich zurückhaltend äußerte, indem er antwortete: „Ich wünsche dem finnischen Volk alles Gute. Daraus können Sie ersehen, was ich meine.“
Die Unterstützung des Wunsches nach einer EG-Mitgliedschaft Finnlands in der Bevölkerung ist nach dem Votum der Dänen gegen Maastricht deutlich zurückgegangen. Hatten sich im Mai 1992 noch 61 Prozent der Bevölkerung für eine volle Mitgliedschaft des Landes in der Europäischen Gemeinschaft ausgesprochen, waren es im Juni nur noch 50 Prozent. Am stärksten ist der Widerstand unter Anhängern der Zentrumspartei, die sich lediglich zu 34 Prozent für eine Mitgliedschaft in der Gemeinschaft aussprechen Die Regierung hatte im März dieses Jahres versprochen, die endgültige Entscheidung über die EG-Mitgliedschaft im Anschluß an die Beitrittsverhandlungen einer Volksabstimmung zu übergeben; deren Ergebnis ist aber unsicher, da die Skepsis über die Vorteile der EG eher anwachsen dürfte.
Die gegenwärtige Wirtschaftslage und die weiter zunehmende Arbeitslosigkeit sowie die Probleme des fundamentalen gesellschaftlichen Wandels führen zu Diskussionen über die Zukunft der bürgerlichen Regierung. Die Kommunalwahlen im Herbst 1992 und die zu erwartenden Stimmenverluste der Regierungsparteien werden die Lage vermutlich zuspitzen. Im Herbst 1992 steht ferner die nach dem Unfall von Tschernobyl verschobene Parlamentsentscheidung über ein fünftes Atomkraftwerk an; die hierüber ausbrechende innenpolitische Debatte kann durchaus die Stellung der Regierung weiter schwächen.
Burkhard Auffermann, Dipl. -Politologe, geb. 1956; 1987-1989 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Politische Wissenschaft der Freien Universität Berlin; 1990-1992 Hochschulassistent und seit 1992 Assistenzprofessor für internationale Politik an der Universität Tampere, Finnland. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit U. Albrecht und P. Joenniemi) Neutrality: The Need for Conceptual Revision, Berlin-Tampere 1988; (Hrsg. zus. mit W. Karl) Alternative Sicherheitskonzepte für Europa, Berlin 1990; (Hrsg.) NOD or Disarmament in the Changing Europe?, Tampere 1990; New Thinking in Soviel Foreign Policy and Nordic Security, in: Giro Elliott Zoppo (Hrsg.), Nordic Security at the Tum of the Twenty-first Century, New York u. a. 1992.
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