I. Einführung
Am 21. September 1995 verabschiedete der Deutsche Bundestag nach einer engagierten und spannenden Debatte ein aus drei verschiedenen Elementen bestehendes Reformpaket das nach umfangreichen, zum Teil schon gegen Ende der vorhergehenden Wahlperiode einsetzenden Diskussionen im Bundestagspräsidium, Ältestenrat, Geschäftsordnungsausschuß und in Kreisen von Abgeordneten erarbeitet worden war Diese Diskussionen basierten zum Teil auf jahrelangen Vorarbeiten, die bis zur Tätigkeit der Ad-hoc-Kommission Parlamentsreform 1987/88, der Enquetekommission Verfassungsreform in den siebziger Jahren, teils sogar noch weiter zurückreichten und auch die Ergebnisse verschiedener Beratungskommissionen unabhängiger Experten einbezogen. Hans Ulrich Klose, Vizepräsident des Deutschen Bundestages und Vorsitzender der Rechtsstellungskommission beim Ältestenrat die die Endfassung der Vorschläge erarbeitete und vorlegte, betonte vor allem den „Paketcharakter des Reformwerkes“ das nur insgesamt angenommen oder verworfen werden könne. Es besteht aus 1.der geplanten Verkleinerung des Bundestages;
2. einer Neuregelung des Abgeordnetenrechts und der Abgeordnetenbezüge und 3. einer Reform der Geschäftsordnung, die der parlamentarischen Arbeit vor allem größere Transparenz verleihen soll.
Reformen der inneren Struktur und Arbeitsweise eines Parlaments scheinen schwieriger umsetzbar zu sein und auf größere Beharrungskräfte zu stoßen als Neuerungen in anderen politischen Bereichen. Das ist der interessierten Öffentlichkeit und der Parlamentarismusforschung seit Jahrzehnten geläufig. Zwar gab es in der aus historischer Perspektive relativ kurzen Geschichte des Deutschen Bundestages seit 1949 neben punktuellen Veränderungen auch zusammenhängende Umgestaltungen von Parlamentsrecht und -praxis wie etwa 1969 die sog. „Kleine Parlamentsreform“ Sie führte u. a. einen stärker dialogisch orientierten Debattenstil im Bundestagsplenum ein und trug damit den Strukturbedingungen des parlamentarischen Regierungssystems Rechnung, in dem sich die Opposition einer weitgehenden Handlungseinheit von Regierung und der sie stützenden Parlamentsmehrheit gegenübersieht. Die Ausschüsse, die sich vorher nur mit an sie überwiesenen Sachverhalten beschäftigen durften, erhielten ein Selbstbefassungsrecht; die bereits hier eingeführte Möglichkeit, Ausschußsitzungen auch öffentlich abzuhalten, wurde allerdings kaum genutzt. Durch die Einsetzung von Enquetekommissionen konnte der Bundestag nunmehr verstärkt wissenschaftlichen Sachverstand für die Politikberatung heranziehen; auch der wissenschaftliche Dienst der Bundestagsverwaltung sowie die persönliche Assistenz durch wissenschaftliche Mitarbeiter für Abgeordnete wurden ausgebaut und damit den Tendenzen zur Professionalisierung von Politik im arbeitsteiligen Parlament Rechnung getragen.
Die Parlamentsreform von 1980, die auch eine Fülle von redaktionellen und sprachlichen Veränderungen brachte trug nicht zuletzt der Entwicklung des Bundestages zum Fraktionenparlament Rechnung und verstärkte sie zusätzlich: So wurden z. B. verschiedene Minderheitsrechte, die bisher im Plenum von einer kleineren Anzahl als fünf vom Hundert der Abgeordneten wahrgenommen werden konnten, den Fraktionen übertragen. Die förmlichen Initiativrechte der einzelnen Abgeordneten wurden dadurch weitestgehend zurückgeschraubt. Die damit einhergehende Stärkung der Fraktionshierarchien beschnitt die Handlungsmöglichkeiten der einzelnen Abgeordneten und begünstigte auch im Plenum Tendenzen zur ritualisierten Verlesung von Redebeiträgen; nur in Ausnahmesituationen wurde eine lebhaftere Diskussionskultur gepflegt. Der Bundestag nahm die von großen Teilen der jüngeren Generation als wichtig empfundenen Problemstellungen -z. B. Friedens-und Umweltpolitik -nicht in der Weise wahr, wie es seiner Artikulationsfunktion entsprochen hätte. Der Parteispendenskandal und seine Behandlung durch die wichtigsten Repräsentanten der Politik führte zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit, der zum Teil auch den Deutschen Bundestag und seine Akteure betraf, zumal sich hier mit der Affäre um den Bundestagspräsidenten Rainer Barzel ein weiteres Beispiel für die Selbstbedienungsmentalität führender Politiker zeigte. Mit dem Einzug der Grünen ins Parlament nach der Bundestagswahl 1983 erhöhte sich das parlamentsinterne Konfliktpotential. Die eingespielten Verfahrensregeln des Drei-Fraktionenparlaments aus CDU/CSU-. SPD-und FDP-Fraktion, die sich während eines Zeitraumes von mehr als zwanzig Jahren (1961-1983) herausgebildet hatten, wurden zunehmend in Frage gestellt.
Als Gegenbewegung gegen Erstarrungstendenzen im Deutschen Bundestag ist die in den achtziger Jahren aktive „Interfraktionelle Initiative Parlamentsreform“ einzustufen, die die ehemalige Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Frau Hildegard Hamm-Brücher, ins Leben gerufen hatte. Sie zielte vor allem darauf ab, die Stellung des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten gegenüber der Regierung zu stärken, wobei den Anstrengungen von Frau Hamm-Brücher ein nicht von allen Teilnehmern der Initiative mitgetragenes altliberales Parlamentsverständnis zugrunde lag, das mit der politischen Realität des parlamentarischen Regierungssystems der Bundesrepublik Deutschland wenig Gemeinsamkeiten aufwies. Ihre Anstrengungen zeitigten zwar einige punktuelle Erfolge wie etwa die Einführung einer wöchentlichen Kabinettsbefragung oder einer diskussionsfreundlicheren Behandlung von Zwischenfragen, die seit 1985 nicht mehr auf die Rede-zeit im Plenum angerechnet werden; der erhoffte „Durchbruch“ blieb allerdings aus Insgesamt gab es in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre auch in den Bundesländern und Gemeinden vielfältige Bestrebungen zur Reform von Verfassungen und Parlamenten
Auch der Deutsche Bundestag nahm wichtige Änderungen seiner Geschäftsordnung vor, ohne damit allerdings werbend vor die Öffentlichkeit zu treten: So beschloß er z. B. im Oktober 1990, die erste Lesung von Vorlagen und Gesetzentwürfen im Plenum, an deren Ende die Überweisung zur weiteren Bearbeitung an den zuständigen Bundes- tagsausschuß steht, im Regelfall ohne Aussprache zu halten, wenn nicht der Ältestenrat ausdrücklich anders beschließt (§ 79 GOBT). Die erste Beratung, gedacht als grundsätzliche Debatte über die politische Bedeutung eines Gesetzesvorhabens, seine Notwendigkeit und Ziele, wird auf gewichtige Probleme beschränkt, die von Regierungslager und Opposition als besonders kontrovers eingeschätzt werden. Damit konnte eine wesentliche Entlastung des Plenums erreicht werden.
Außerdem wurden 1990 nach einer Erprobungsphase Zwischenbemerkungen oder Kurzinterventionen (§ 27 Abs. 2 GOBT) von maximal zweiminütiger Dauer eingeführt; sie geben Abgeordneten außerhalb der vorgesehenen Rednerfolge die Möglichkeit zu einer kurzen Reaktion auf einen Debattenbeitrag, vor allem dann, wenn sie darin persönlich angesprochen wurden. Das bis heute übliche Ablesen fertiger Manuskripte im Plenum wird damit durch diskursive Elemente direkter und spontaner Kommunikation aufgelockert, die zur Vitalisierung von Debatten beitragen. Es weist allerdings auf Kommunikationsdefizite des Bundestages gegenüber der Öffentlichkeit hin, daß Neuerungen dieser Art publizistisch kaum ausgewertet wurden.
Die in der 24. Sitzung der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat im Juni 1993 beratenen Anträge zur Änderung des Grundgesetzes aus dem Bereich des Parlaments-rechts fanden nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Zum Ende der 12. Legislaturperiode 1994 forderten Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und andere Abgeordnete erneut Reformen ein um das gesunkene Ansehen des Bundestages zu verbessern; sie zielten z. B. auf eine Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre, eine Verkleinerung des Parlaments und sinnvollere Strukturierung der parlamentarischen Beratungen. Das in der Öffentlichkeit verbreitete „Unbehagen an der Gesetzgebung“ sollte aufgegriffen werden, um „den Bundestag in seiner Gesetzgeberfunktion besser erkennbar und begreifbar zu machen“
Da Verfahrensfragen immer auch zugleich Macht-fragen sind, lohnt zunächst ein Blick auf die Mehrheitskonstellationen im 13. Deutschen Bundestag: CDU/CSU sind mit 294 Abgeordneten vertreten und bilden zusammen mit den 47 Abgeordneten der FDP eine Koalition, die die Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl stützt. In der Opposition agieren 252 Abgeordnete der SPD. 49 Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen sowie 30 Abgeordnete der PDS. Letztere verfügen nicht über den Status einer Fraktion, da sie nicht die dafür erforderliche Mindestzahl von 34 Abgeordneten aufbringen, sind aber hinsichtlich ihrer parlamentarischen Rechte in wesentlichen, wenn auch nicht in allen Punkten, einer Fraktion gleichgestellt Im Gegensatz zur 12. Legislaturperiode basiert die Regierungskoalition nur auf der relativ knappen Mehrheit von zehn Stimmen gegenüber einer Opposition, die allerdings keineswegs einheitlich auftritt. Die Gruppe der PDS als Nachfolgepartei der demokratiefeindlichen SED agiert weitgehend in einer Außenseiterposition. Stärkere politisch-inhaltliche Berührungspunkte, aber auch Abgrenzungsbestrebungen kennzeichnen das Verhältnis zwischen den Abgeordneten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, deren Parteien in einigen Bundesländern in mehr oder weniger konflikt-trächtigen Koalitionen zusammenarbeiten. Die größte Oppositionsfraktion, die SPD, hatte sich zu Beginn der Legislaturperiode vorgenommen, die Regierung mit ihrer knappen Mehrheit zu „jagen“, konnte sie aber bis heute wegen der erfolgreichen Mehrheitssicherung in den Koalitionsfraktionen keineswegs gefährden.
Bisher war es traditionell üblich gewesen, Änderungen der für alle verbindlichen „parlamentarischen Spielregeln“ nur dann vorzunehmen, wenn alle Fraktionen ihnen zustimmten. Die FDP als kleinerer Koalitionspartner, zum Zeitpunkt der Parlamentsreform durch dramatische Wahlverluste besonders in den neuen Bundesländern geschwächt, nutzte vor allem die Diätenerhöhungspläne, um sich mit eigenen Vorschlägen zu profilieren. Auch mit den Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS konnte nicht in allen Punkten Einigkeit erzielt werden Die Parlamentsreform von 1995 begnügte sich dementsprechend teilweise mit einer Konsensplattform der beiden großen Fraktionen CDU/CSU und SPD.
II. Verkleinerung des Bundestages
Nach kontroversen Debatten empfahl die Rechtsstellungskommission des Ältestenrates dem Bundestag, die Zahl seiner Mitglieder bei regulärem Verlauf der jetzigen und folgenden Legislaturperioden ab dem Jahre 2002, d. h. ab der 15. Legislaturperiode, von derzeit 672 um maximal einhundert auf unter 600 Mitglieder zu reduzieren Die Präsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Rita Süssmuth, hatte sich bereits seit längerem für eine Verkleinerung eingesetzt auch die Vorsitzenden der großen Bundestagsfraktionen, Wolfgang Schäuble und Rudolf Scharping, befürworteten sie Einen zusätzlichen Schub erhielt die Debatte, als sich die Zahl der Abgeordneten im 13. Deutschen Bundestag durch sechzehn Überhangmandate auf 672 erhöhte. Im internationalen Vergleich ist der Deutsche Bundestag das größte Parlament aller westlichen Demokratien. Mit der Verringerung der Abgeordnetenzahl sollte ein wichtiger Beitrag zu der mit der Parlamentsreform angestrebten Verbesserung der Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Parlamentsarbeit geleistet werden. Auch die kleineren Parteien, CSU, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP, verweigerten sich dem Vorhaben nicht grundsätzlich, obwohl die Nachteile für sie besonders gravierend ausfallen können; lediglich die PDS blieb bei ihrer strikt ablehnenden Haltung
Vorüberlegungen zur praktischen Umsetzung einer Parlamentsverkleinerung bezogen auch Änderungen des Wahlrechts mit ein, wie etwa die, das derzeitige Verhältnis von Listenmandaten zu Wahlkreismandaten, das bei 1: 1 liegt, zugunsten der Wahlkreismandate zu verändern oder die Zweitstimme abzuschaffen Realisierungschancen haben Vorschläge dieser Art allerdings ohnehin nicht, da Änderungen am Wahlrecht die Existenz kleinerer Parteien, die als tatsächliche oder potentielle Koalitionspartner gebraucht werden, bedrohen und daher nicht gegen ihren Widerstand durchgesetzt werden können. Einwände wurden aber auch in den anderen Fraktionen laut. Probleme ergeben sich einleuchtenderweise ohnehin, wenn Abgeordnete über den Wegfall ihres eigenen Arbeitsplatzes befinden müssen Zudem wurde vorgebracht: 1. Größere Wahlkreise führten automatisch zu einem „Verlust an Bürgernähe“ der Betreuungsaufwand für die einzelnen Abgeordneten aller Fraktionen steige bei vergrößerten Wahlkreisen enorm. 2. Die Arbeitsfähigkeit der kleinen Fraktionen werde eingeschränkt; ihre Abgeordneten, die die Präsenz ihrer Fraktionen im Parlament durch Mitgliedschaft in mehreren Ausschüssen und anderen Gremien sicherstellen müssen, seien derzeit bereits in hohem Maße zeitlich belastet 3. Eine Verkleinerung könnte auch die flächenmäßige Repräsentanz kleinerer Fraktionen im Bundestag gefährden: Bei ihnen ist es schon heute oft nur ein einziger Abgeordneter, der ein ganzes Bundesland zu vertreten hat. 4. Im internationalen Vergleich sei der Deutsche Bundestag keinesfalls größer als etwa die Parlamente Italiens, Frankreichs und Großbritanniens, deutsche Abgeordnete hätten sogar aufgrund derhöheren Bevölkerungsdichte erheblich mehr Einwohner zu vertreten als diese.
Für eine Verkleinerung wurden folgende Argumente geltend gemacht:
1. Die mit der Vereinigung Deutschlands einhergehende Vergrößerung des Bundestages habe seine Arbeitsfähigkeit und Effizienz belastet. Eine Verkleinerung ermögliche die Zurückführung der Vielzahl parlamentarischer Gremien, wirke somit der Tendenz zur Zergliederung des Parlaments entgegen und helfe, die Außenwirkung des Bundestages zu stärken
2. Zwar gehörten die Wahlkreise in der Bundesrepublik Deutschland schon jetzt zu den größten in Europa. Dennoch sei ihre Vergrößerung tolerabel, weil sie aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik nicht nur von Bundestagabgeordneten, sondern auch von Abgeordneten des Europaparlaments, der Landes-, Kreis-und Gemeinde-parlamente betreut würden. 3. Die Verkleinerung sei „Symbol für die Fähigkeit der Politik, gegen die Verstaatlichung der Parteien und gegen Wucherung des Parteienstaates, also gegen sich selbst, noch einmal Handlungsfähigkeit zu beweisen“ Damit sei auf dem Weg von der Bonner zur Berliner Republik zusätzlicher Legitimitätsgewinn möglich 4. Nur wenige Abgeordneten unterstellten, die Erhöhung ihrer Diäten sei der Öffentlichkeit besser vermittelbar, wenn durch die Verkleinerung des Parlaments zugleich Kosten eingespart werden könnten
Bereits in der ersten Lesung der Vorlagen zur Parlamentsreform am 29. Juni 1995 hatte das Parlament eine verbindliche Selbstbindung in Sachen Verkleinerung beschlossen. In der Debatte am 21. September wurde nochmals deutlich, daß sich auch die kleineren Fraktionen trotz aller Vorbehalte nicht gegen eine Parlamentsverkleinerung, die in der Öffentlichkeit gut ankommt, sperren würden. Da die Mitarbeit von Ländern, Landkreisen und Gemeinden erforderlich ist, kann die Verkleinerung des Parlaments nicht in kurzer Zeit über die Bühne gebracht werden, sondern muß langfristig geplant und vorbereitet werden Diesem Zweck diente die „Einsetzung einer Reform-kommission zur Größe des Deutschen Bundestages“ die im Oktober unter dem Vorsitz Hans Ulrich Kloses ihre Arbeit begann. Verbindliche Arbeitsgrundlage der Kommission ist die „Beibehaltung des geltenden Wahlrechts, d. h. einer personalisierten Verhältniswahl mit Parität zwischen Direkt-und Listenmandaten“. Sie soll eine Stellungnahme zu den im Zusammenhang mit der Verkleinerung des Parlaments entscheidungsrelevanten Fragen, d. h. vor allem Vorschläge für den komplizierten Neuzuschnitt der 328 Wahlkreise, erarbeiten. Demographische Veränderungen machen einen solchen Neuzuschnitt ohnehin erforderlich, da einige Wahlkreise der alten Bundesrepublik erhebliche Abweichungen von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl (267 290 Personen) aufweisen. Nach dem Bundeswahlgesetz ist eine Neuabgrenzung der Wahlkreise zwingend erforderlich, wenn ihre Bevölkerungszahl zu mehr als einem Drittel vom Bundesdurchschnitt abweicht. Das sind nach derzeitigem Stand acht Wahlkreise; drei weitere, die die Drittelabweichung voraussichtlich 1998 erreichen, könnten hinzukommen. Liegen die Abweichungen zwischeneinem Drittel und einem Viertel der Durchschnittszahl, dann sollen Wahlkreise verändert werden; davon sind 35 Wahlkreise betroffen In den ostdeutschen Bundesländern macht es die Gebietsreform notwendig, die Wahlkreise neu zuzuschneiden . Der Auftrag an die Kommission, neben der Bevölkerungszahl auch die räumliche Ausdehnung in die Betrachtung miteinzubeziehen, dürfte aber nur schwer zu erfüllen sein. So weist z. B.der Wahlkreis 255 Berlin-Kreuzberg mit rund 313 100 Einwohnern eine Flächenausdehnung von 22, 7 Quadratkilometern auf, während der Wahlkreis Neuruppin mit 4 627 Quadratkilometern um ein vielfaches größer ist, jedoch nur ca. 210 000 Einwohner hat
Die konstituierende Sitzung der Reformkommission unter Vorsitz Hans Ulrich Kloses fand am 6. Oktober 1995 statt. Sie setzt sich zusammen aus 17 Abgeordneten (acht von CDU/CSU, sechs von der SPD und je einer von Bündnis 90/Die Grünen, FDP und PDS) sowie aus 13 Sachverständigen, die teilweise ebenfalls langjährige parlamentarische Erfahrungen aufweisen Die Reformkommission wird dem Parlament bis spätestens Frühjahr 1997 eine Entscheidungsgrundlage über die komplizierten Einzelheiten der Parlamentsverkleinerung vorlegen. Bei einer ganztägigen öffentlichen Anhörung am 28. Februar 1996, die sich mit Fragen um den Neuzuschnitt der Wahlkreise, die verfassungsrechtlich zulässigen Regelungen zur Vermeidung oder zur Kompensation von Überhangmandaten und mit der Grundmandatsklausel befaßte vertraten einige Rechtswissenschaftler die Auffassung, bereits zur 14. Bundestagswahl müßten in solchen Wahlkreisen, die die Ein-Drittel-Grenze überschritten, Änderungen vorgenommen werden. Der Bundestag könne nicht mit Verweis auf die im Rahmen der Parlamentsverkleinerung ohnehin anstehende Totalrevision zur 15. Wahlperiode darauf verzichten, da es fraglich sei, ob das Bundesverfassungsgericht einen solchen Rechtsverstoß tolerieren werde.
Auch wenn das Presseecho zur Parlamentsverkleinerung deren Realisierungschancen eher skeptisch in Frage stellte dürfte die Selbstbindung des Parlaments sowie die Dynamik, die sich durch die angesichts der Rechtslage notwendigen Arbeit der Reformkommission entwickelt, stark genug sein, die nach wie vor latent vorhandenen Widerstände in den Fraktionen zu überwinden. Die im Reformprozeß ebenfalls andiskutierte mögliche Verlängerung der Wahlperiode von vier auf fünf Jahre wurde zunächst bis zur Entscheidung über die Modalitäten einer Bundestagsverkleinerung vertagt; sie kann daher ebenfalls frühestens zur 15. Legislaturperiode wirksam werden
III. Zur Neuregelung des Abgeordnetenrechts und der Abgeordnetenbezüge
Mit den finanziellen Ansprüchen seiner Abgeordneten hat sich der Deutsche Bundestag seit jeher schwergetan. Die Öffentlichkeit reagiert auf Diätenerhöhungen mit stereotypen Einwänden wie etwa, sie würden vom Parlament zu rasch, gar klammheimlich, still und leise verabschiedet und seien Zeugnis einer ungenierten Selbstbedienung der Volksvertreter. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht den Bundestag in seinem Diätenurteil von 1975 verpflichtet, Entscheidungen über eine Anhebung von Abgeordnetenbezügen selbst und nach einer vor der Öffentlichkeit zu führenden Diskussion zu treffen. Zugleich legte das Verfassungsgericht fest, die Entschädigung müsse die Unabhängigkeit der Abgeordneten sichern und darüber hinaus eine der Bedeutung des Amtes angemessene Lebensführung gestatten, die der Leistung, dem Arbeitseinsatz, der Verantwortung und dem Zeitaufwand entspreche. Obgleich verfassungsrechtlich legitimiert, beschädigte die Praxis der Diätenentscheidung in eigener Sache das Ansehen des Deutschen Bundestages. Dabei fielen die Erhöhungen -gemessen etwa an den im Abgeordnetengesetz 1977 gewählten Bezugsgrößen (Oberbürgermeister einer mittleren deutschen Großstadt, Richter an obersten Bundesgerichten und leitende Beamte) -ausgesprochen maßvoll aus. Die Einkommensentwicklung dieser Bezugs-gruppen driftete daher deutlich auseinander: Während die Einkünfte leitender Angestellter von 1977 bis 1995 um 143 Prozent, die von Angestellten in Indüstrie und Handel um 115 Prozent und die von Angehörigen des öffentlichen Dienstes noch um immerhin 89 Prozent stiegen, betrug die Aufwärtsentwicklung der Diäten im gleichen Zeitraum lediglich 38 Prozent Von 1977 bis 1983 und 1992 bis 1995 gab es insgesamt neun „Null-Runden“, bei denen die Abgeordneten mit Rücksicht auf die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland auf jegliche Erhöhung ihres Einkommens verzichteten. Auch die „Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Abgeordnetenrechts“ unter Vorsitz von Otto Kissel, dem Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts, die ihren Bericht 1993 vorlegte bestätigte die Zweifel an der Angemessenheit der Entschädigung nachdrücklich und empfahl deutliche Anhebungen. Dementsprechend erarbeitete die Rechtsstellungskommission des Deutschen Bundestages ein neues Verfahren zur Diätensteigerung das nicht mehr nach Selbsteinschätzung der Parlamentarier, sondern nach einem objektiveren Maßstab funktionieren sollte.
Eine solche neue Verfahrensweise konnte nur durch eine Grundgesetzänderung ermöglicht werden. Die beiden großen Fraktionen des Deutschen Bundestages, CDU/CSU und SPD, einigten sich auf einen Gesetzentwurf zur Ergänzung des Artikels Abs. 3 GG 48, um die verfassungsrechtliche Grundlage für die Ausfüllung des Begriffs der angemessenen Abgeordnetenentschädigung zu schaffen: Sie sollte sich künftig nach den Jahresbezügen eines Richters an einem obersten Bundesgericht (R 6) bemessen. Die nähere Ausgestaltung im Abgeordnetengesetz sah vor, die derzeitige Abgeordnetenentschädigung bis zum Jahre 2000 in sechs Stufen auf die Richterbezüge anzuheben. Die Richterbezüge wurden als Maßstab gewählt, weil sie ebenso wie die Abgeordnetendiäten darauf abzielen, ihren Beziehern eine die Amtsführung bzw. Mandatsausübung sichernde Unabhängigkeit zu gewährleisten. Eine solche Struktur und Konkretisierung werde, so hofften viele Abgeordnete, für die Bürger nachvollziehbar sein und endlich den Vorwurf der willkürlichen Selbstbedienung vermeiden helfen. Da sich die Anpassung des Besoldungsrechts der Bundesrichter vor den Augen der Öffentlichkeit vollzieht und die entsprechenden Zahlen darüber hinaus jährlich im jedermann zugänglichen Amtlichen Handbuch des Deutschen Bundestages veröffentlicht werden sollten versprach die angestrebte Regelung zudem ein erhöhtes Maß an Transparenz. Änderungsanträge von FDP und Bündnis 90/Die Grünen sahen demgegenüber Diätenerhöhungen ohne Verfassungsänderungen vor, wollten also das bisherige Verfahren der Entscheidung in eigener Sache beibehalten. Die Fraktionen von CDU/CSU und FDP vereinbarten, ihr unterschiedliches Abstimmungsverhalten berühre nicht die in Koalitionsvereinbarungen üblicherweise festgelegte „Ächtung“ wechselnder Mehrheiten
Die den Abgeordneten neben ihren Diäten zustehende Kostenpauschale die die Mehraufwendungen für Zweitwohnung, Fahrten im Wahlkreis, Wahlkreisbüro und Verwaltungsaufwand decken soll, wurde erstmals mit Wirkung von 1. Januar 1996 der Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten angepaßt Deutliche Einschnitte sollte es bei der zukünftigen Altersversorgung u. a.durch Absenkung der jährlichen Steigerungsrate auf drei Prozent und beim Übergangsgeld geben, dessen Bezugszeitraum von 36 auf 18 Monate halbiert wurde.
Die bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes am 29. Juni 1995 noch eher sachlich-zustimmenden Reaktionen in Medien und Öffentlichkeit schlugen vor der abschließenden Beratung nach der Sommerpause zum Teil in völlige Ablehnung um das parlamentsverachtende Medienecho überstieg noch das bisher gewohnte Maß. Vor allem gegen die Grundgesetzänderung erhob sich erbitterter Widerspruch, der den Zorn des Volkes schürte und zugleich instrumentalisierte. Beispielhaft seien hier nur zwei Entgleisungen erwähnt: „Der Spiegel“ sprach hinsichtlich der Grundgesetzänderung wörtlich von „Verfassungsbruch aus Geldgier“' der Speyerer Verfassungslehrer Hans Herbert von Arnim, der seit Jahren mit medienwirksamen Publikationen über tatsächliche und vermeintliche Mißwirtschaft von Parteien, Fraktionen und Abgeordneten hervortritt, weckte mit dem Wort von einer „Ermächtigungsvorschrift für den Bundestag“ Erinnerungen an das Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten von 1933, das der Weimarer Demokratie den endgültigen Todesstoß versetzt hatte.
Vor allem der Vorwurf des Verfassungsbruchs, gerichtet an das Verfassungsorgan Deutscher Bundestag, verlieh der Debatte am 21. September 1995 Brisanz. Der Vorsitzende des Geschäftsordnungsausschusses, Dieter Wiefelspütz, SPD, begegnete den verfassungsrechtlichen Bedenken mit der von den führenden Juristen der großen Bundestagsfraktionen CDU/CSU und SPD geteilten Argumentation, der Deutsche Bundestag als Verfassungsgesetzgeber könne die bisher geltende Rechtslage, nach der Abgeordnete über ihre Bezüge und ihre Versorgung in eigener Sache zu entscheiden haben, in eine andere Form der Regelung ändern Wenn der Bundestag dabei versuche, dem Vorwurf der Selbstbedienung durch die
Einführung eines objektiven Maßstabes zu begegnen, der noch dazu vor der Öffentlichkeit transparent gemacht werde, sei dies im Interesse der politischen Kultur, des Ansehens von Parlament und Abgeordneten, das durch die bisherige Prozedur über Jahrzehnte hinweg immer wieder gravierenden Schaden genommen habe. Auch Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, Bündnis 90/Die Grünen, stellte fest: „Der Gesetzgeber, auch der verfassungsändernde Gesetzgeber, sitzt hier in Bonn und nicht in Karlsruhe.“ Für wesentlich hielt auch sie die „Vergleichsgröße, die uns aus den unwürdigen Debatten herausnimmt“ Andere Abgeordnete wie Gerald Häfner von Bündnis 90/Die Grünen machten allerdings weiterhin verfassungsrechtliche Bedenken geltend und lehnten jegliche Grundgesetzänderung ab.
Tatsächlich praktizieren zahlreiche Demokratien westlichen Zuschnitts eine vergleichbare Koppelung der Abgeordnetenentschädigungen an die Gehaltsentwicklung im öffentlichen Dienst ’. Auch im Thüringischen Landtag wurde das Modell einer Indexierung der Abgeordnetendiäten entwickelt, das es erlaubt, in rechtlich zulässiger Weise auf Entscheidungen in eigener Sache zu verzichten und damit der Tendenz zu Null-Runden entgegenzuwirken. Eine Indexierung der Diäten würde wenigstens bewirken, „daß Abgeordnete bei der Anpassung ihrer Bezüge mit den sonstigen Einkommensbeziehern gleichgestellt würden“
Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung erreichte mit 507 Ja-Stimmen deutlich mehr als die für eine Grundgesetzänderung erforderliche Zweidrittelmehrheit der Bundestagsabgeordneten, hatte damit aber nur die erste Hürde genommen. Grundgesetzänderungen erfordern nämlich nach Artikel 79 Abs 2 GG eine Zweidrittelmehrheit nicht nur im Bundestag, sondern auch im Bundesrat, dessen Entscheidung für den 14. Oktober 1995 angesetzt wurde Am 27. September 1995 appellierten deutsche Staatsrechtslehrer an die Länderkammer, der vom Bundestag verabschiedeten Regelung über die Diätenerhöhung nicht zuzu- stimmen Diesem Appell, der ein vages Gemisch von verfassungsrechtlichen und -politischen Argumenten bot, schlossen sich später weitere Staatsrechtler an. Sie übten Kritik an der angeblichen Mißachtung einer nicht näher definierten demokratischen Kultur und gutem demokratischem Brauch, verzichteten aber darauf, ihrerseits ein konstruktives Lösungskonzept vorzulegen. Sie gaben dem widersprüchlichen Grundtenor der populistisch aufgebauschten Diskussion nach, die Parlamentarier für Diätenentscheidungen in eigener Sache als Selbstbediener zu verdammen „und sie mit derselben Rigorosität dafür zu kritisieren, wenn sie Entscheidungen verlagern, um nicht mehr in eigener Sache entscheiden zu müssen“
Im Bundesrat wurde die für eine Grundgesetzänderung notwendige Zweidrittelmehrheit deutlich verfehlt Nur die von der Union mit absoluter Mehrheit regierten Bundesländer Bayern und Sachsen stimmten für die Grundgesetzänderung, alle anderen lehnten sie ab oder enthielten sich, auch wenn sie die vom Bundestag beabsichtigte Regelung verfassungsrechtlich nicht beanstandeten, sondern im wesentlichen mit den von Staatsrechtlern geäußerten verfassungspolitischen Bedenken begründeten. Da der Bundestag bei Verfassungsänderungen das Votum des Bundesrates nicht überstimmen kann, war die Grundgesetzänderung zur Diätenanpassung damit gescheitert.
Die Änderung des Abgeordnetengesetzes, in der die Höhe der Diäten geregelt wurde, ließ der Bundesrat allerdings passieren; dennoch vereinbarten die Fraktionen des Bundestages, das Gesetz wegen des Scheiterns der Grundgesetzänderung nicht in Kraft treten zu lassen, sondern nunmehr nach einer neuen Gesamtlösung zu suchen. Da die Zustimmung des Bundesrates vornehmlich wegen Uneinigkeiten zwischen der SPD-Bundestagsfraktion und SPD-geführten Landesregierungen gescheitert war, wurden weitere Beratungen bis nach dem im November 1995 stattfindenden Mannheimer Parteitag der SPD vertagt. Die Rechtsstellungskommission des Ältestenrates erarbeitete schließlich einen Gesetzesvorschlag ohne Verfassungsänderung der eine Steigerung der Abgeordnetendiäten bis zum Jahr 1998 in vier Stufen von 10 366 DM monatlich auf 12 875 Mark monatlich vorsieht.
Darüber hinaus sollen ab der nächsten Legislaturperiode die Bezüge zu Beginn einer jeden Wahlperiode für jeweils vier Jahre festgelegt werden, um wenigstens jährliche Diätendebatten zu vermeiden. Der Gesetzentwurf weist ausdrücklich auf die Besoldungsgruppe R 6 als Orientierungsgröße hin, ohne eine Indexierung vorzusehen. Auch fällt die geplante Steigerung etwas geringer aus: das R-6-Gehalt liegt derzeit bei etwa 13 000 DM, 1998 je nach Tarifabschlüssen und Besoldungsgesetzen bei ca. 14 000 DM. Altersentschädigung, Übergangsgelder und Kostenpauschale wurden analog zum bereits skizzierten Entwurf von September 1995 geregelt. Die erste Diätenerhöhung sollte rückwirkend zum 1. Oktober 1995 ausgezahlt werden.
Bei den kleineren Fraktionen stieß auch dieses Vorhaben auf Kritik; die FDP unterstützte die erneute Einsetzung einer unabhängigen Kommission, Bündnis 90/Die Grünen wollten sich mit maßvolleren Erhöhungen begnügen, die sich an der Steigerung der Durchschnittseinkommen orientierten. Die SPD-Bundestagsfraktion machte sich nunmehr den Vorschlag der SPD-Abgeordneten Conradi und Gansel zu eigen, daß Abgeordnete ihre Nebentätigkeiten und Einkünfte, die sie damit erzielen, offenlegen sollten; ein Vorschlag, der auch bei Bündnis 90/Die Grünen und PDS auf Sympathie stieß Doch die CDU/CSU-Fraktion lehnte bei der entscheidenden Diskussion im Geschäftsordnungsausschuß sogar einen Kompromißvorschlag ab, der die Pflicht zur Offenlegung auf solche Nebeneinkünfte beschränkt hätte, die mit dem Mandat zu tun haben Auch die FDP war weiterhin gegen eine Offenlegungspflicht. Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn als einzige Berufsgruppe diejenige der Abgeordneten davon betroffen sei; zudem befürchtete sie Wettbewerbsnachteile für nebenberuflich oder als künftige Existenzgrundlage betriebene Anwalts-kanzleien und/oder Unternehmen. Allerdings beauftragten CDU/CSU und FDP den Geschäftsordnungsausschuß mit einer Prüfung, ob die Verhaltensregeln durch weitere Anzeigepflichten von Tätigkeiten und daraus bezogenen Einkünften „im Hinblick auf die Einschätzung potentieller Interessenkonflikte“ zu ergänzen seien. Entsprechende Vorschläge sollen so rechtzeitig unterbreitet werden, daß der Deutsche Bundestag bis zur Sommer-pause 1996 entscheiden kann. Der Ausgang des Verfahrens bleibt abzuwarten. Es wäre erfreulich,wenn sich die Bundestagsmehrheit zu mehr Transparenz durchringen könnte. Dabei geht es weniger um den Abgeordneten als Teilzeit-Rechtsanwalt oder -Unternehmer mit Rückkehroption. Die Öffentlichkeit hat vielmehr ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob und inwieweit ihre Volksvertreter durch Beraterverträge oder lukrative Nebenjobs bei Interessenverbänden ihre Unabhängigkeit gefährden.
Eine „Große Koalition“ im Bundestag verabschiedete den Gesetzentwurf schließlich im Dezember 1995 mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD Unter Verzicht auf seine sonst übliche Beratungsfrist von sechs Wochen ließ der Bundesrat das Einspruchsgesetz in seiner Sitzung am 15. Dezember 1995 passieren, das somit die lange erwartete Diätenerhöhung der Abgeordneten in Kraft treten ließ.
Angesichts der prekären Haushaltslage des Bundes, die in vielen Bereichen zu harten Sparbeschlüssen zwingt, ist zwischenzeitlich allerdings die für den 1. Juli 1996 vorgesehene nächste Stufe der Diätenerhöhung auf 1997 verschoben worden
IV. Neue Struktur und Darstellung der parlamentarischen Arbeit
Die heftigen Reaktionen auf die Diätendiskussion im Deutschen Bundestag ließen die zeitgleich verabschiedeten Neuregelungen der Geschäftsordnung zur funktionellen Parlamentsreform, die vor allem eine Straffung der gesetzgeberischen Arbeit und Erhöhung ihrer Transparenz bewirken sollen, im öffentlichen Interesse fast völlig untergehen Das gefährdet eine Zielorientierung der Reform, Ansehensverluste des Bundestages und seiner Abgeordneten aufzufangen und eine positive Entwicklung einzuleiten. Allerdings kann ein solches Ziel ohnehin nur langfristig erreicht werden; die Parlamentswirklichkeit im Zeitalter des Technologiewandels und der Medienkultur trifft auf weitgehend resistente Vorurteilsstrukturen im öffentlichen Bewußtsein -viele Journalisten eingeschlossen -, deren Maßstäbe nicht aus der Moderne, sondern im wesentlichen aus konstitutionellen Zeiten stammen und daher eine adäquate Beurteilung erschweren.
Anders als bei den Parlamentsreformen von 1969 und 1980 erfaßten die Änderungen der Geschäftsordnung rein zahlenmäßig nur wenige Bestimmungen: vier Paragraphen wurden geändert, ein Paragraph komplett neu und bei zwei weiteren neue Unterabsätze eingefügt Bestand behielt das Instrumentarium der Geschäftsordnung insgesamt, das sich in den letzten Legislaturperioden auch vor allem hinsichtlich der Minderheitsrechte von Fraktionen und parlamentarischen Gruppen als durchaus flexibel erwiesen hat. 1. Die Opposition kann stärker auf die Tagesordnung einwirken Geändert wurde § 20 Abs. 4 GOBT der Mitgliedern des Bundestages das Recht einräumt, eine Plenardebatte über ihre Anträge zu erzwingen, wenn seit der Verteilung der Drucksache mindestens drei Zeitwochen vergangen sind; in der alten Fassung der Geschäftsordnung war von sechs Sitzungswochen die Rede. Im wesentlichen handelt es sich bei diesem Minderheitsrecht der Fraktionen -das gleicherweise von der Gruppe der PDS beansprucht werden kann -um einen Ausgleichder Opposition für die Möglichkeit der Regierung, durch Abgabe von Regierungserklärungen Debatten über ihr genehme Themen zu dem von ihr bevorzugten Zeitpunkt zu erzwingen. Den verfassungsrechtlich garantierten (Art. 43 Abs. 2 GG; § 43 GOBT) Zugriff auf die Tagesordnung des Bundestages nutzte die Regierung in der derzeitigen Legislaturperiode mit steigender Tendenz, auch gelegentlich, um mit Verweis auf Regierungserklärungen zum gleichen Thema Anträge der Opposition auf Aktuelle Stunden abzufangen. Die Drei-Wochen-Frist ermöglicht es nun, selbständige Initiativen aus der Mitte des Hauses zu ergreifen, wenn ein wichtiges Thema hochkommt, um es dann noch relativ zeitnah im Plenum diskutieren zu können.
Der Stellenwert dieses Rechts in seiner alten Fassung war nicht groß, es wurde nur selten in Anspruch genommen. Abzuwarten bleibt, ob die Möglichkeit einer zeitnäheren Debatte nach Einbringung des Antrages nunmehr häufiger genutzt wird. Insgesamt ist die Stellung der Opposition dadurch gestärkt, denn sie erhält größeren Einfluß auf die Mischung der Tagesordnungspunkte. Gefragt ist hier allerdings eine kluge, nicht lediglich an taktischen Interessen und kurzfristigen Show-Effekten orientierte Oppositionsstrategie. Das Instrument, die Regierungsmehrheit mit Themen „vorzuführen“, kann wenig bringen, wenn es überstrapaziert wird. Denn die Regierungsmehrheit hat geschäftsordnungsrechtliche Möglichkeiten (§ 6 Abs. 2 Satz 2 GOBT), von der Opposition aufgezwungene Tagesordnungspunkte auf unattraktive Debattenzeiten wie etwa Donnerstag abends spät abzudrängen, wenn kaum noch mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit und Medien-echo zu rechnen ist. Dazu wird es vor allem dann kommen, wenn den Koalitionsfraktionen kein ausreichender zeitlicher Spielraum bleibt, ihrerseits interne Meinungsbildungsprozesse zu organisieren. Auch die Mißbrauchsgrenze des neuen § 20 Abs. 4 GOBT ist relativ weit gefaßt: Oppositionsfraktionen ebenso wie die Gruppe der PDS könnten nunmehr die Tagesordnung z. B. im Anschluß an eine Osterpause, die zumeist drei Zeitwochen umfaßt, mit einer Fülle von Anträgen überschwemmen, die keine vernünftige Abwicklung mehr erlauben; die Mehrheit würde sich natürlich gezwungen sehen, dagegen anzukämpfen. Ohnehin würde ein hundertprozentiges Ausnutzen der Geschäftsordnung langfristig dazu führen, daß Mehrheiten Minderheitsrechte abzuschaffen versuchen; der stark auf Minderheitenschutz orientierte Charakter der Geschäftsordnung, den sie im Laufe der Jahre erhielt, wäre gefährdet. 2. Lebhaftere Plenardebatten ermöglicht Im Deutschen Bundestag ist eine relativ starre Redeordnung üblich: Im wesentlichen legen Arbeitsgruppen und -kreise der Fraktionen unter maßgeblicher Mitarbeit der Parlamentarischen Geschäftsführer und des geschäftsführenden Fraktionsvorstandes fest, welche Redner im Plenum zu einzelnen Tagesordnungspunkten sprechen. Dabei haben die prominenteren Abgeordneten der Fraktionshierarchie erheblich bessere Chancen, bei öffentlichkeitswirksamen Debatten aufzutreten als Hinterbänkler oder Parlamentsneulinge. Die Redezeit wird proportional zwischen den Fraktionen je nach ihrer Stärke im Bundestag verteilt Der Ablauf von Parlamentsdebatten wird im Ältestenrat vorgeklärt und schließlich im einzelnen zwischen den Parlamentarischen Fraktionsgeschäftsführern abgesprochen. Von Wissenschaft und Öffentlichkeit wurde zur Genüge das erstarrte Debattenritual kritisiert, das keinen Raum für echte Auseinandersetzung lasse. Dieser Kritik liegen zwar oft Mißverständnisse über Rolle und Funktion des Plenums zugrunde, das bis heute immer noch als Forum der argumentativen Auseinandersetzung begriffen wird, an deren Ende ein Abgeordneter, das Für und Wider abwägend, schließlich seine Entscheidung treffe. Tatsächlich sind parlamentarische Entscheidungen nach einem langwierigen Diskussions-und Abwägungsprozeß in den Fraktionen und ihren Untergliederungen sowie in den Ausschüssen, bei öffentlichen Anhörungen und Expertengesprächen, längst getroffen worden. Im Plenum geht es vor allem darum, die während des Entscheidungsprozesses aufgetretenen Konflikte und ausgetauschten Argumente für die Öffentlichkeit nachvollziehbar darzustellen und die bereits andernorts getroffene Entscheidung notariell zu beglaubigen. Dennoch kommen den Plenardebatten wichtige Willensbildungs-und Artikulationsfunktionen zu: Sie sollen meinungsbildend in die Bevölkerung hineinwirken und sich zugleich mit deren Einstellungen, Anliegen und Forderungen argumentativ auseinandersetzen.
Bereits durch einen Beschluß des Bundestages vom 31. Oktober 1990 wurde das vorher erfolgreich erprobte Instrument der Zwischenbemerkung, auch Kurzintervention genannt, in § 27 Abs. 2 GOBT aufgenommen. Die Zwischenbemerkung soll es Abgeordneten außerhalb der Tagesordnung ermöglichen, mit einer kurzen Reaktionauf Debattenbeiträge einzugehen, vor allem dann, wenn sie persönlich angesprochen wurden. Kurzinterventionen werden vom Saalmikrophon aus gehalten und waren bisher auf zwei Minuten begrenzt; in der ersten Debattenrunde waren sie ausgeschlossen, um zunächst eine ungestörte Darstellung der verschiedenen Standpunkte zuzulassen. Die Neufassung der Geschäftsordnung sieht Zwischenbemerkungen von nunmehr dreiminütiger Dauer vor Außerdem können sie bereits in der ersten Debattenrunde vorgebracht werden, in der meistens die Vertreter von Regierung und Fraktionsführungen auftreten; so werden auch sie der kritischen Stoßrichtung von Kurzinterventionen ausgesetzt.
Die spannende Debatte zur Parlamentsreform am 21. September 1995 lieferte ein gutes Beispiel für die belebende Wirkung von Kurzinterventionen, die bei insgesamt 13 Rednern nach der Redner-liste immerhin fünfzehn Mal zugelassen wurden; hinzu kamen sieben Zwischenfragen. Teilweise antworteten Abgeordnete mit ihrer Zwischenbemerkung auf die Kurzintervention von Kollegen. Hans Ulrich Klose, der zu diesem Zeitpunkt amtierende Bundestagsvizepräsident, ließ das lebhafte Wechselspiel zu, obwohl eigentlich keine Debatte außerhalb der ordentlichen Rednerabfolge ermöglicht werden soll. Dadurch ergibt sich ein Zielkonflikt: Wenn eine Debatte gerade bestimmte Punkte fokussiert, über die sich die Gemüter erhitzen, kann es sinnvoll sein, weiterdiskutieren zu lassen, bevor der am Rednerpult stehende Abgeordnete die Aussprache wieder auf andere Aspekte lenkt. Andererseits haben alle Abgeordneten schon aufgrund ihres vollen Terminkalenders ein Interesse daran, mit ihren Beiträgen zeitgerecht „dranzukommen“. Nachfolgende Tagesordnungspunkte können sich aber durch häufige Kurzinterventionen und Zwischenfragen um geraume Zeit verschieben. Es ist der Steuerungskompetenz des jeweils amtierenden Präsidenten überlassen, kontroversen Debatten genügend Freiraum zu gewähren, ohne sie ausufern zu lassen. Zudem müssen Journalisten und andere Medienvertreter erhebliche Flexibilität aufbringen, denn die oft herbeigewünschte Lebhaftigkeit einer parlamentarischen Debattenkultur ist mit der strikten Einhaltung von Terminen für Medienübertragungen nicht unbedingt zu vereinbaren. 3. Kernzeit strukturiert Plenardebatten neu Der Deutsche Bundestag erscheint in der Öffentlichkeit vor allem durch Bilder, die das Fernsehen überträgt. Dessen Berichterstattung konzentriert sich normalerweise und notgedrungen auf Plenarversammlungen, da das Parlament den wichtigsten Teil seiner Arbeit hinter verschlossenen Türen, d. h.
in nichtöffentlichen Fraktions-und Ausschußberatungen leistet. Oft stützen Journalisten durch entsprechende Berichterstattung -wider besseres Wissen? -die ebenso populäre wie falsche Vorstellung, im Plenum spiele sich der gesetzgeberische Entscheidungsprozeß ab. Die Öffentlichkeit registriert ein meist eher leeres Plenum, das sich nur bei Feier-stunden und bei namentlichen Abstimmungen füllt;
daher entsteht der Eindruck, die Abgeordneten selbst nähmen den wichtigsten Teil ihrer Arbeit nicht besonders ernst. Die Parlamentarismusforschung wie auch zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher über den Bundestag weisen seit Jahren auf die Artikulationsfunktion des Plenums hin, ohne daß sich das parlamentarische Grundverständnis der Bevölkerung wesentlich geändert hätte. Die Glaubwürdigkeit des Bundestages als Institution und in seiner gesetzgeberischen Funktion steht auf dem Spiel, wenn der Eindruck vorherrscht, daß die Abgeordneten selbst ihre diesbezügliche Tätigkeit gering einschätzen, andere Arbeiten oder gar Vergnügungen vorziehen. Meist wissen nur die „Eingeweihten“, daß während der Plenarversammlungen oft andere Bundestagsgremien tagen, wichtige Termine mit Fachvertretern oder Besuchern aus dem Wahlkreis oder dringend notwendige Büroarbeiten abgewickelt werden müssen. Nach den bisherigen Erfahrungen läßt sich das Parlamentsverständnis der Bevölkerung aber kaum wesentlich beeinflussen, geschweige denn substantiell verändern. Um dem zunehmenden Verfall seines Ansehens entgegenkommen, muß sich der Bundestag diesem populären Verständnis zumindest soweit entgegenbewegen, als es sich mit seiner Aufgabenstellung im parlamentarischen Regierungssystem vereinbaren läßt.
Das Reformpaket des Bundestages sieht dementsprechend die Einführung einer sog. „KernzeitDebatte“ vor, die in den Sitzungswochen jeweils am Donnerstagvormittag zwischen 9. 00 und 13. 00 Uhr stattfindet In der Kernzeit, die von anderen Terminen freizuhalten ist, sollen bei möglichst voll besetztem Haus zwei bis drei politisch wichtige, aktuelle Themen behandelt werden, die nicht nur für engere Fachkreise von Bedeutung sind, sondern auf ein allgemeineres öffentliches Interesse stoßen: Bei der Kernzeit-Debatte am 9. Mai 1996 ging es beispielsweise um das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ (Holocaust-Debatte). Ein weiteres Thema war die Feststellung des Bedarfs von Magnetschwebebahnen (TransrapidDebatte).
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen überträgt die Kernzeit-Debatten direkt, wobei sich ARD und ZDF abwechseln. Sie erreichten z. B. bei der Debatte über den Kanzleretat im Durchschnitt eine Million Zuschauer In der Grundidee war auch daran gedacht, für die Themen der Kernzeit-Debatte eine längerfristige Planung vorzusehen; sie sollten nicht, wie bisher üblich, jeweils erst in der Vorwoche, sondern so frühzeitig festgelegt werden, daß sie z. B. in die Programmvorschau von Fernsehzeitschriften aufgenommen werden können. Abzuwarten bleibt, ob dies künftig gelingt. Um eine bessere Präsenz der Abgeordneten während der Kernzeit sicherzustellen, kann die Beschlußfähigkeit des Bundestages vor einer Abstimmung nicht mehr nur durch Hammel-sprung, sondern durch namentliche Abstimmung festgestellt werden (§ 45 Abs. 2 GOBT). Als zusätzliches Verfahren können nunmehr die jeweils amtierenden Bundestagspräsidenten gemeinsam mit den schriftführenden Abgeordneten initiativ werden und eine Überprüfung der Beratungsfähigkeit des Bundestages, ebenfalls durch Namensaufruf (§ 45 Abs. 4 GOBT), durchführen, wenn sie die Anwesenheit von 25 Prozent der Abgeordneten bezweifeln. Sie müssen dazu allerdings Einvernehmen mit den Parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen herstellen.
Ein solches Einvernehmen wird nur schwer herbeizuführen sein; eine Überprüfung nach § 45 GOBT ist denn auch in den bisherigen Kernzeit-Debatten noch nicht vorgekommen. Die Parlamentarischen Geschäftsführer der jeweiligen Fraktionen berücksichtigen notwendigerweise in erster Linie Gesichtspunkte der Parteienkonkurrenz. Es liegt nicht in ihrem Interesse, vor laufenden Kameras offiziell feststellen zu lassen, daß ihre eigenen Fraktionsmitglieder während der Kernzeit durch Abwesenheit glänzen, zumal sie selbst für deren Präsenz im Plenum mitverantwortlich sind. Wenn die Sitzung für eine Überprüfung der Beratungsfähigkeit unterbrochen werden muß, stört das die eingespielte Routine; Terminverschiebungen sind nicht auszuschließen. Die Fraktionsgeschäftsführer können allerdings nunmehr mit Verweis auf die neuen Geschäftsordnungsmöglichkeiten bei ihren Fraktionskollegen leichter für mehr Präsenz im Plenum werben. Wahrscheinlich wäre eine effektivere Handhabung des Überprüfungsinstruments zu sichern, wenn allein die amtierenden Bundestagspräsidenten über seinen Einsatz entscheiden könnten, da sie trotz ihrer Zugehörigkeit zu Fraktionen in erster Linie die Belange des ganzen Hauses im Auge haben.
Nach den bisherigen Erfahrungen hat sich die Präsenz im Plenum während der Kernzeit-Debatten allerdings deutlich verbessert; nach 13. 00 Uhr geht sie meist zurück, weil die Abgeordneten für diese Zeit andere Terminvereinbarungen getroffen haben. Ohnehin passen Kernzeit-Debatten bis in den Nachmittag hinein keineswegs in das ursprüngliche Konzept. Bisher konnten sich die Fraktionen aber nur selten auf maximal zwei Themen einigen, die während eines Vormittags zeitlich angemessen bewältigt werden können. Es kam bisher anscheinend kaum zu den geplanten Koppel-geschäften, daß Regierungsmehrheit und Opposition die Donnerstage abwechselnd für ihre jeweiligen Lieblingsthemen nutzen. Fokussiert wird statt dessen die jeweils bevorstehende Kern-zeit-Debatte, die der eigenen Fraktion Profilierungsmöglichkeiten bieten soll. Ein Extremfall war die letzte Sitzungswoche vor der Osterpause am 14. März 1996, als fünf Themen auf die Tagesordnung der Kernzeit-Debatte gesetzt wurden. Die Tendenz, unstrukturierte Tagesordnungen verschiedenster Themen in die Kernzeit zu verlagern, entwertet ihre Grundidee und sollte eine Ausnahme bleiben.
Sinn ergibt die Einführung der Kernzeit-Debatte ohnehin nur, wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg kontinuierlich durchgehalten wird. Nur so kann sich die für Mitarbeiter von Fernsehen, Radio und Printmedien hilfreiche Strukturierung der Parlamentsarbeit verfestigen, die eine allgemeine Orientierung darüber erlaubt, wann im Bundestag wichtige Plenardebatten stattfinden. Mit einem sinnvollen Einsatz der Kernzeit-Debatten kann der Bundestag seiner Arbeit größere Transparenz verleihen und auf diese Weise auch zur Qualität der Berichterstattung beitragen. 4. Mehr Transparenz in der Ausschußarbeit Die derzeit 22 ständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages stellen insofern das Kernstück des Parlamentes dar, als bei ihren Beratungen die politische, juristische und textliche Durcharbeitung von Vorlagen und Gesetzentwürfen geleistet wird. Diese Arbeit geht bis in spezialisierte Details, hier sind Qualifikationen und Kompetenzen der Abgeordneten gefragt. Der Deutsche Bundestag stimmt im Normalfall nicht -wie etwa der amerikanische Kongreß -über Regierungsvorlagen in ihrer ursprünglichen Form ab, sondern überweist sie in seine Ausschüsse, die dann eine parlamentseigene Fassung erarbeiten. Fast zwei Drittel aller Entwürfe werden mehr oder weniger tiefgreifend verändert. Erst über die Ausschußfassung stimmt das Plenum ab. um sie als Gesetzentwurf zu verabschieden oder zu verwerfen, normalerweise übrigens ohne weitere Veränderungen vorzunehmen.
Schon die Enquete-Kommission Verfassungsreform hatte sich intensiv mit der Frage der Öffentlichkeit von Ausschußsitzungen befaßt und geraten, deren Zahl zu erhöhen. Parlamentarismusforscher setzten sich über Jahre hinweg dafür ein, daß das Parlament dem Geschehen im Ausschuß mehr Transparenz verleiht Dennoch blieben die öffentlichen und nichtöffentlichen Sitzungen bei dem aus dieser Sicht ungünstigen Verhältnis von 1: 8 Hauptargument gegen eine Öffnung ist, daß die Verhandlungsfähigkeit von Fraktionen und Abgeordneten, d. h. auch die
Chancen zur Kompromißbildung, nur in nichtöffentlicher Sitzung gesichert werden könne. Bei öffentlichen Beratungen träten Motive der Parteienkonkurrenz in den Vordergrund, taktische Maßnahmen überlagerten konstruktives Problemlösungsverhalten. Allerdings bleiben die Verhandlungen nicht wirklich vertraulich, sondern sind im Normalfall interessierten Abgeordneten, Abgesandten der Länder und Verwaltungsangehörigen durchaus zugänglich. Auch wissen diejenigen Verbändevertreter, die interessiert und betroffen sind, normalerweise Bescheid, was in den Ausschüssen geschieht; angesichts dieser begrenzten Fachöffentlichkeit kann dennoch kaum von „etwa dreiviertelöffentlich“ ’ gesprochen werden, da weder Normalbürger Zugang erhalten noch eine wirklich breite, ungehinderte Presseberichterstattung möglich ist.
Neu in die Geschäftsordnung eingefügt wurde die Bestimmung, daß „die Ausschüsse im Benehmen mit dem Ältestenrat und im Einvernehmen mit den mitberatenden Ausschüssen als Schlußberatung der überwiesenen Vorlage öffentliche Aussprachen durchführen (sollen), in denen die Beschlußempfehlung und der Bericht des federführenden Ausschusses beschlossen wird“ (§ 69 a Abs. 1 GOBT). Die nunmehr gefundene Regelung kommt beiden Standpunkten entgegen: In der ersten Beratungsphase bleibt die für eine Kompromißfindung für wichtig gehaltene Nichtöffentlichkeit gewahrt. Sind die Ausschußberatungen bis zum Reifestadium einer Beschlußfassung gediehen, sollen sie einer erweiterten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und bis zur Verabschiedungsreife beraten werden. Als geeigneter Saal steht das sogenannte „Wasserwerk“ auf dem Bundestagsgelände zur Verfügung, das von 1986 bis 1992 als Ersatzplenarsaal fungierte und die technischen Möglichkeiten für Fernseh-und Rundfunkübertragungen sowie Besuchertribünen bietet.
Genutzt wurde das Instrument der erweiterten öffentlichen Ausschußsitzung bisher dreimal: So tagten öffentlich:
-der Ausschuß für Post-und Telekommunikation am 17. Januar 1996 zum neuen Tarifkonzept der Deutschen Telekom AG -der Technologie-Ausschuß am 28. Februar 1996 zur Energieforschung und -der Sportausschuß am 6. März 1996 zum 8.
Sportbericht der Bundesregierung
Eine weitere erweiterte öffentliche Ausschußsitzung hat der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung in Aussicht genommen. Häufiger konnte das neue Instrument bisher nicht genutzt werden, da seit Einführung der Reform noch nicht viele überwiesene Vorlagen das Stadium einer bevorstehenden Schlußberatung erreicht haben. Obleute und Sprecher der Fraktionen, die in jeder Sitzungswoche im Obleutegespräch parlamentarische Abläufe absprechen und koordinieren, prüfen regelmäßig, ob sich bestimmte Vorlagen für eine erweiterte öffentliche Ausschußsitzung eignen, ob das betreffende Thema besser in eine Kernzeit-Debatte paßt oder in der normalen Plenardebatte am Donnerstag-nachmittag bzw. am Freitag diskutiert werden soll.
Jenseits des in Geschäftsordnungsparagraphen Regelbaren muß auch bei den politisch verantwortlichen Abgeordneten, hier vor allem den Ausschußvorsitzenden, die Bereitschaft zur Umsetzung der Neuregelung gefördert werden. Gerade auf die Ausschußvorsitzenden kommt erhöhter Vorbereitungsaufwand zu, wenn sie Sitzungen mit vergrößertem Teilnehmerkreis vor kritischem Publikum abzuwickeln haben. Die angespannte Terminsituation der Abgeordneten, die normalerweise alle einer Vielzahl von parlamentarischen Gremien angehören, wird durch erweiterte öffentliche Ausschußsitzungen eher verschärft; das gilt besonders für die Abgeordneten kleinerer Fraktionen, die in mehreren Ausschüssen als ordentliches Mitglied arbeiten. Zusätzlich ist das Starrheitspotential zu berücksichtigen, das in den Fraktionsapparaten, bei den Abgeordneten selbst und schließlich auch in den Ausschußsekretariaten neuerungsfeindlich und routinisierend wirken und eine Durchführung von erweiterten öffentlichen Ausschußsitzungen verhindern könnte. Hier kommt es auf die Mitarbeiterstäbe an, wie sie hinsichtlich der neuen Möglichkeiten beraten.
Außerdem enthält der neue 69 a GOBT einige bürokratisch anmutende Bestimmungen, die seine Umsetzung erschweren könnten: 1. Der federführende Ausschuß soll eine erweiterte öffentliche Ausschußsitzung im Benehmen mit dem Ältestenrat durchführen; dabei handelt es sich um eine mehr formelle Informationspflicht (§ 69 a Abs. 1); 2. Er soll Einvernehmen mit den mitberatenden Ausschüssen herstellen (§ 69 a Abs. 1), die ihr Veto dagegen einlegen und die Durchführung verhindern können. Unter Umständen muß es daher künftig Ziel der federführenden Ausschüsse sein, die Zahl der mitberatenden möglichst gering zu halten, um eventuelle Einsprüche und Komplikationen zu minimieren -eine sicher nicht beabsichtigte Folge des neuen Paragraphen. 3. Hinsichtlich Gestaltung und Dauer der Aussprache sind die federführenden Ausschüsse ebenfalls darauf angewiesen, Einvernehmen mit den mitberatenden Ausschüssen zu erzielen (§ 69 a Abs. 2); auch das kann zu langwierigen und umständlichen Koordinationsverhandlungen führen. Schon die Festsetzung von Termin und Dauer ist angesichts der allgemeinen Überlastung und Hektik im politischen Geschäft äußerst schwierig und zeitraubend. 4. Ist die Abhaltung einer erweiterten öffentlichen Ausschußsitzung beschlossen, kann ein Viertel der Ausschußmitglieder verlangen, daß statt dessen eine allgemeine Aussprache des Bundestages im Plenum abgehalten wird (§ 69 a Abs. 5). So bleiben die Darstellungschancen der Opposition gewahrt, falls sie es für nötig hält, Themen vor einem breiteren Forum zu erörtern; damit ist allerdings auch ein weiteres mögliches Hemmnis eingebaut.
Insgesamt soll die neue Form einer erweiterten Öffentlichkeit das Plenum entlasten, da eine Plenardebatte zum gleichen Thema nur im Ausnahmefall vorgesehen ist (§ 69 a Abs. 5 GOBT). So ersetzte z. B. die öffentliche Beratung des Postausschusses zum neuen Tarifkonzept der Deutschen Telekom AG im Januar 1996 eine andernfalls wahrscheinlich beantragte Aktuelle Stunde im Plenum Die 1969 im Zuge der „Kleinen Parlamentsreform“ eingeführte Möglichkeit der Ausschüsse, bei grundsätzlich nicht öffentlichen Beratungen „für einen bestimmten Verhandlungsgegenstand oder Teile desselben die Öffentlichkeit zuzulassen“ (§ 69 Abs. 1 GOBT), funktioniert erheblich einfacher: Der Ausschuß hat dafür lediglich zu Beginn der Sitzung einen formellen Beschluß über die Öffentlichkeit der Sitzung zu fassen, ohne den erheblichen Koordinationsaufwand der Neuregelung. Da diese Bestimmung weiter in Kraft ist, kann sie auch künftig genutzt werden. Ein Anreiz könnte dadurch geschaffen werden, daß erweiterte öffentliche Ausschußsitzungen künftig über den bisher erst geplanten Parlamentskanal direkt übertragen werden. Gute Publicity-Möglichkeiten ergeben sich z. B. für Aus- schußvorsitzende, wenn sie im Fernsehen übertragene Sitzungen etwa vom herausgehobenen Präsidentenplatz im Wasserwerk aus leiten können. Auch die anderen Akteure profitieren von gut vorbereiteten, spannenden Sitzungen mit interessanten Fachdebatten, die ein größeres Presseecho hervorrufen.
Insgesamt vollzieht die Neuregelung einen Schritt in die richtige Richtung, indem sie das Instrument der öffentlichen Ausschußsitzung nunmehr stärker ins Bewußtsein hebt und seine Einsetzung nahe-legt. Sie fördert das wichtige Ziel, den Sachverhandlungen in den Ausschüssen und damit einem zentralen Abschnitt des Parlamentsgeschehens mehr Transparenz zu verleihen. 5. Stärkung der Rechte einzelner Abgeordneter Mit der Neueinführung des § 71 Abs. 2 GOBT erhalten Mitglieder des Bundestages die Möglichkeit, auch in Ausschüssen, denen sie nicht als ordentliche Mitglieder angehören, Änderungsanträge zu überwiesenen Vorlagen zu stellen und insoweit mit beratender Stimme an Ausschußsitzungen teilzunehmen. Dadurch können sie Probleme, auf die sie bei ihrer politischen Arbeit z. B. in den Wahlkreisen stoßen, selbst aufgreifen und zu einem Zeitpunkt in den Beratungsprozeß einbringen, wenn noch Möglichkeiten der Berücksichtigung bestehen Bisher mußten bei Anliegen dieser Art befreundete Parlamentarier aus den betreffenden Ausschüssen um Hilfestellung gebeten werden. Die Neuregelung wurde vor allem von Abgeordneten der FDP-Fraktion gefordert.
Auch wenn Abgeordnete im arbeitsteiligen Parlament schon aus Zeitgründen von diesem neuen Recht keinen allzu großen Gebrauch machen werden -bisher ist es anscheinend noch nicht genutzt worden -, handelt es sich doch um eine Stärkung von Einzelrechten, die den Abgeordneten bessere Partizipationschancen eröffnet. 6. Neu gefaßte Verfahrensregeln Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 1992 zum Parteienrecht machte die Neufassung der „Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages“ erforderlich. 1 die als Bestandteil der Geschäftsordnung sind. Spenden und geldwerte Zuwendungen an Abgeordnete, deren Wert im Kalenderjahr 10 000 DM übersteigt, sind danach künftig unter Angabe von Namen und Anschrift des Spenders sowie der Gesamthöhe der Spende anzuzeigen (§ 4 Abs. 2 Anlage 1 GOBT). Im Amtlichen Handbuch des Bundestages veröffentlicht werden müssen darüber hinaus Spenden von mehr als 20 000 DM pro Kalenderjahr (§ 4 Abs. 3 Anlage 1 GOBT). Wichtig ist auch, daß Einzelzuwendungen desselben Spenders im Kalenderjahr addiert werden, so daß Manipulationsmöglichkeiten mit geringeren Mehrfachspenden unterbunden sind. Die Umsetzung dieser Bestimmungen, die erstmals in der 2. Ergänzungslieferung des Amtlichen Handbuches (Teil 2) vorgenommen werden soll, verspricht erhöhte Transparenz im Spendenbereich für Abgeordnete.
Regelungen über die Behandlung von Gastgeschenken für Parlamentarier enthielten die Verhaltensregeln bisher nicht. Nunmehr müssen geldwerte Zuwendungen, die sie mit Bezug auf ihr Mandat etwa im Ausland erhalten, dem Präsidenten angezeigt und ausgehändigt werden (§ 4 Abs. 5 und 6 Anlage 1 GOBT), soweit ihr materieller Wert 300, -DM übersteigt Das Gastgeschenk kann gegen Bezahlung seines Wertes an die Bundeskasse behalten werden. Ansonsten entscheidet die Bundestagspräsidentin im Benehmen mit ihren Stellvertretern über die Verwendung
Vorläufig vertagt wurden weitere Reformvorhaben hinsichtlich Fragestunde und Regierungsbefragung. Ablauf und Handhabung dieser Kontrollinstrumente des Parlaments gegenüber der Regierung werden derzeit von vielen Abgeordneten als unbefriedigend empfunden Da der Deutsche Bundestag zu diesem Themenkomplex ohnehin Verhandlungen mit der Bundesregierung führt, soll zunächst deren Ergebnis abgewartet werden.
V. Zusammenfassende Würdigung des Reformpakets
Die breite Mehrheit für die Parlamentsreform vom September 1995 wurde nicht zuletzt dadurch erreicht, daß das aus verschiedenen Komponenten bestehende Reformpaket neben der geplanten Verkleinerung und den funktionellen Parlaments-reformen auch eine von vielen Abgeordneten für überfällig gehaltene Regelung der Diätenerhöhungen enthielt.
Die Verkleinerung des Deutschen Bundestages soll zur Effektivierung seiner Arbeit beitragen. Tatsächlich könnte sich die Arbeitsfähigkeit z. B.der Ausschüsse verbessern, wenn sie von derzeit teilweise 39 oder 41 Personen auf eine gruppen-dynamisch eher zuträgliche Mitgliederzahl zurückgeführt werden. Bisher ungelöst bleiben aber die Probleme kleinerer Fraktionen um regionale Repräsentanz und Präsenz ihrer Abgeordneten in den wichtigsten Bundestagsgremien. Fraglich ist auch, ob sich die von einigen Akteuren angestrebte Reduzierung der Zahl interner Bundestagsgremien angesichts der Tatsache verwirklichen läßt, daß der Deutsche Bundestag politisch relevante Themenfelder zur Wahrnehmung seiner Artikulationsfunktion wenigstens annähernd vollständig aufgreifen und bearbeiten muß.
Beim Thema Diätenerhöhung ist der Bundestag mit seinem Vorhaben gescheitert, durch Verfassungsänderung eine plausible Bezugsgröße für Abgeordnetendiäten und damit eine dauerhafte Lösung zu finden, die die bisherige öffentliche Mißbilligung der „Selbstbedienung“ beendet hätte. Er hat schließlich einen Kompromiß erarbeitet, der ohne Grundgesetzänderung auskommt und eine Diskussion über die Diätenhöhe nur noch jeweils zu Beginn einer jeden Legislaturperiode vorsieht.
Die funktionellen Parlamentsreformen setzen vor allem einen Schwerpunkt bei mehr Transparenz im Medienzeitalter: Kernzeit-Debatten über wichtige Themen am Donnerstagvormittag sorgen für eine übersichtlichere Strukturierung parlamentarischer Abläufe und ermöglichen Journalisten eine regelmäßige Berichterstattung. Erweiterte öffentliche Ausschußsitzungen sollen deren Schlußberatungen der Öffentlichkeit zugänglich und nachvollziehbar machen, darüber hinaus das Plenum von spezialisierten Fachdebatten entlasten. Der Bundestag vertieft die kommunikativen Stärken seiner Plenardebatten durch Ausweitung von Kurzinterventionen. Den einzelnen Abgeordneten wird die Möglichkeit eingeräumt, politische Anliegen außerhalb ihres engeren Fachgebiets während der Ausschußberatungen, d. h. zu einem Zeitpunkt in den Politikprozeß einzubringen, wenn noch Einfluß auf Vorlagen und Gesetzentwürfe genommen werden kann. Außerdem hat die Opposition größeren Einfluß auf die Gestaltung der Tagesordnungen von Plenardebatten erhalten. Die Änderungen der Verhaltensregeln für Abgeordnete schließlich bringen mehr Transparenz hinsichtlich Spenden und Gastgeschenken für Parlamentarier.
Die Außenwirkung der funktionellen Parlamentsreform war bisher wenig befriedigend. Das liegt zum Teil an Kommunikationsdefiziten des Bundestags gegenüber der Öffentlichkeit; andererseits sind bei Journalisten und im öffentlichen Bewußtsein anscheinend derart resistente Vorurteilsstrukturen vorhanden, daß sie deren Wahrnehmungsmöglichkeiten beschränken. Die Bereitschaft, über die zugegeben komplizierte und spröde Materie des Parlamentsrechts sachlich zu informieren, ist im journalistischen Tagesgeschäft bis auf Ausnahmen offenbar kaum vorhanden.
Parlamentsreformen haben größere Umsetzungschancen, wenn sie stärker mit Anreizen als mit Geboten arbeiten. Dazu könnte z. B. die Einführung eines Parlamentskanals gehören, der regelmäßig aus erweiterten öffentlichen Ausschußsitzungen, von Hearings oder Anhörungen der Enquete-Kommissionen berichtet und den Abgeordneten die nicht nur im Wahlkampf unabdingbaren Möglichkeiten der Selbst-und Politikdarstellung einräumt. Bürgerinnen und Bürger können von der parlamentarischen Transparenz profitieren, wenn sie sich über ihre Fernseh-bzw. Radio-geräte direkt einschalten und aus erster Hand informieren.
Von einer Überprüfung der Reformwirkungen in der Praxis sollten sich die Abgeordneten nicht zuviel versprechen, wenn sie wie vorgesehen bereits nach einem Jahr stattfindet. Gerade hinsichtlich der zentralen Reformschritte: erweiterte öffentliche Ausschußsitzungen und Kernzeit-Debatten werden sicher längere Zeiträume notwendig sein, um zum Teil über viele Jahren hinweg eingespielte Parlamentsbräuche und Verhaltensmuster wie auch die Wahrnehmungsgewohnheiten der Öffentlichkeit zu verändern.