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Pandemien und globale Gesundheitsrisiken | bpb.de

Informationen zur politischen Bildung Nr. 353/2022

Pandemien und globale Gesundheitsrisiken

Maike Voss Isabell Kump

/ 9 Minuten zu lesen

Neuinfektionen mit dem Coronavirus weltweit. (© Externer Link: ourworldindata.org, Johns Hopkins University CSSE COVID-19 Data)

Waren die Ausbrüche der Atemwegskrankheit SARS und des Ebolavirus gewissermaßen die Vorboten, hält die Coronavirus-Pandemie seit Anfang 2020 die gesamte Welt in Atem. Pandemien sind sich schnell und weltweit ausbreitende Infektionskrankheiten, die die menschliche Gesundheit bedrohen und daher schon per se internationale Sicherheitsgefahren darstellen. Die Coronavirus-Pandemie zeigt eindrücklich, wie sich ein hoch ansteckendes Virus auf die Stabilität von Gesellschaften und Staaten weltweit auswirken, globale Ungleichheiten verstärken sowie beträchtliche Risiken für Entwicklung, Frieden und Sicherheit verursachen kann. Gleichzeitig verdeutlichen die verschiedenen Ansätze zur Bewältigung der Pandemie, wie wichtig internationale Zusammenarbeit ist – und wie schwer es Staaten weltweit fällt, diese zu leisten.

Globale Gesundheit durch Covid-19 im Fokus der Öffentlichkeit

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit als einen Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und somit ausdrücklich nicht allein als Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen. Gesundheit bedingt gesellschaftliche Teilhabe und gilt als eine zentrale wirtschaftliche wie soziale Ressource. Die Gesundheit einer Bevölkerung hat einen entscheidenden Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg und die Stabilität einer Gesellschaft.

Die Coronavirus-Pandemie zeigt die einschneidenden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Folgen deutlich auf, die von gravierenden Gesundheitsgefahren ausgehen: Lockdowns, Grenzschließungen, Exportstopps und Lieferkettenprobleme verursachten weltweit massive ökonomische Verluste, führten zu Rückschritten bei der Bekämpfung von Armut, Hunger, Krankheiten und globaler Ungleichheit sowie in der Förderung von Bildung und Geschlechtergerechtigkeit.

Dem Sustainable Development Goals Report 2022 der Vereinten Nationen (VN) zufolge stieg die globale Rate extremer Armut (Leben von weniger als 1,90 US-Dollar am Tag) zum ersten Mal seit über 20 Jahren wieder an: Waren 2019 noch 8,3 Prozent der Weltbevölkerung extrem arm, stieg ihr Anteil 2020 auf 9,2 Prozent. Viele afrikanische Länder erfuhren die historisch stärksten Einbrüche ihrer Bruttoinlandsprodukte und die erste Rezession seit 25 Jahren. Sie werden Prognosen zufolge längerfristig unter wirtschaftlichen Beeinträchtigungen leiden. Die Coronavirus-Pandemie verschärfte so weltweit bereits existierende Krisen, Ungleichheiten und Fragilität. Denn Pandemien sind mehr als eine weltweite Virusausbreitung: Sämtliche Lebensbereiche sind von der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitssystems abhängig, das jedoch schnell an seine Grenzen geraten kann.

Gesundheitsrisiken als nicht traditionelle Sicherheitsbedrohungen

Bereits vor Ausbruch der Pandemie standen die sicherheitspolitischen Folgen, die beispielsweise durch Infektionskrankheiten oder Extremwetterereignisse verursacht wurden, wiederholt im Zentrum von wissenschaftlichen und politischen Debatten. Zudem warnen Fachleute aus Politik und Wissenschaft immer wieder vor bioterroristischen Anschlägen mit tödlichen Erregern oder biologischen Giften.

Bereits während des Kalten Krieges erweiterte sich das Verständnis von Sicherheit. Stand bis in die 1970er-Jahre der Schutz eines Landes vor externen militärischen Bedrohungen im Vordergrund, wuchs nach und nach das Bewusstsein für ökonomische und ökologische Risiken für Mensch und Umwelt. 1994 stellte das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) in seinem Human Development Reportdas Konzept der Menschlichen Sicherheit (Human Security) mit sieben zentralen Dimensionen vor, unter ihnen explizit auch Gesundheit und Nahrungsmittelsicherheit.

Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden gesundheitliche Notfälle schließlich auch auf die Agenda des VN-Sicherheitsrats gesetzt. Der Sicherheitsrat ist das höchste internationale Organ zur Wahrung von Frieden und Sicherheit. Mit der Resolution 1308 vom 17. Juli 2000 verabschiedete der Sicherheitsrat – auch auf Drängen von NGOs wie "Ärzte ohne Grenzen" – erstmals eine gesundheitsbezogene Resolution, die sich mit den Auswirkungen der HIV/AIDS-Epidemie auf Friedenssicherungseinsätze der VN insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent beschäftigte. 2014 bezeichnete der Sicherheitsrat in seiner Resolution 2177 mit dem Ebola-Ausbruch in West- und Zentralafrika erstmals eine Krankheit als Ursache einer Friedensbedrohung und wiederholte dies 2018 im Falle der Demokratischen Republik Kongo in Resolution 2439. Es folgten Resolutionen zu sexualisierter Gewalt und ihren Auswirkungen auf Gesundheit in Konflikten (Resolution 2467/2019) und zuletzt zur Coronavirus-Pandemie (Resolution 2532/2020 und Resolution 2565/2021).

Gesundheitssicherheit und Beteiligung von Sicherheitsakteuren

Jedoch konzentrieren sich Sicherheitsakteure und -organisatio­n­en, darunter Verteidigungs- und Innenministerien wie auch die Streitkräfte von Staaten, in ihren gesundheitsbezogenen Debatten mehrheitlich nur auf einen Teilbereich von Gesundheit: die sogenannte Gesundheitssicherheit (health security), also potenziell grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren durch Infektionen.

Bisher existiert keine einheitliche Definition von Gesundheitssicherheit. Im deutschen Sprachgebrauch verwenden Sicherheits- und Gesundheitsakteure wie das Robert Koch-Institut (RKI) den Begriff des Gesundheitsschutzes und beschreiben damit zumeist Infektionskontrolle und Infektionsschutz. Auf internationaler Ebene gelten die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) der WHO von 2005 als rechtsbindendes Instrument zwischen den 194 WHO-Mitgliedstaaten und als Ausgangsvereinbarung für den Gesundheitsschutz im Sinne der Infektionskontrolle.

Mit den IGV einigten sich die WHO-Mitgliedstaaten da­rauf, die Funktionsfähigkeit ihrer Gesundheitssysteme für die Infektionskontrolle zu stärken, und legten fest, welche Maßnahmen zur Vorbeugung, Meldung und Eindämmung ergriffen werden sollen. Ferner ermöglichen die IGV der WHO, im Fall eines schwerwiegenden, unerwarteten und ungewöhnlichen grenzüberschreitenden Ausbruchs eine "gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite" (public health emergency of international concern) auszurufen. Infolge dieses Alarms werden Staaten informiert und gewinnen Zeit, um ihre Gesundheitssysteme auf die Gefahren vorzubereiten. Zusätzlich kann die internationale Nothilfe ausgeweitet werden. Betroffene Länder sind verpflichtet, Krankheitsfälle der WHO unverzüglich zu melden. Außerdem spricht die WHO auf Grundlage der IGV Empfehlungen zum internationalen Reise- und Handelsverkehr aus, da dieser die Ausbreitung von Infektionskrankheiten begünstigen kann. Doch laut IGV sind Staaten gleichzeitig auch verpflichtet, ihre Grenzen offen zu halten, da Grenzschließungen weitreichende Gesundheitsfolgen mit sich bringen, beispielsweise durch Verzögerungen in den Lieferketten von Medikamenten. In der Vergangenheit – das konnte auch während der Coronavirus-Pandemie beobachtet werden – haben Staaten regelmäßig gegen die Vorgaben der IGV verstoßen: So wurden Krankheitsfälle verschwiegen, nationale Maßnahmen ohne internationale Absprache durchgesetzt und der Waren- und Reiseverkehr durch Grenzschließungen beschränkt.

Die Coronavirus-Pandemie und die internationale Sicherheit

Im Gegensatz zu früheren epidemischen und pandemischen Infektionskrankheiten wie HIV/AIDS, dem Zikavirus oder auch dem Ebolavirus wurde die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie zu einem Gegenstand der internationalen Außen- und Sicherheitspolitik. Dieser Umstand resultierte zum einen aus der globalen Ausbreitung des Virus, dem hohen Ansteckungsrisiko und der erheblichen Belastung für Gesundheitssysteme weltweit, die zusätzliche Ressourcen jenseits des Gesundheitssektors notwendig machten. Zum anderen löste die Coronavirus-Pandemie eine vielschichtige Krise aus: Über das Gesundheitssystem hinaus beeinträchtigte die Pandemie auch den Zusammenhalt von Gesellschaften und zwischen Staaten, indem Entwicklungsfortschritte unterminiert, staatliche Fragilität befördert und internationale Zusammenarbeit untergraben wurden. Der Zusammenhang zwischen Sicherheit und Gesundheit wurde bereits zu Beginn der Pandemie deutlich sichtbar: durch die nationale Abschottung einiger Staaten wie Australien, China oder Neuseeland und den unter anderem aus dieser Abschottungspolitik resultierenden Herausforderungen für die internationale Zusammenarbeit.

Nationale Abschottung

Lockdowns, Exportbeschränkungen medizinischer Güter – Staaten in Europa und auf der ganzen Welt waren zu Beginn der Krise vor allem damit beschäftigt, nationale Maßnahmen und Interessen zur Eindämmung des Coronavirus im eigenen Land durchzusetzen, anstatt eine europäische oder internationale Antwort auf die Pandemie zu finden. Vor allem die Einführung von Grenzkontrollen und -schließungen zwischen Staaten zeigten, wie sich nationale Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen sowie der Wunsch, die eigene Bevölkerung zu schützen, gegenüber internationaler Zusammenarbeit und den Bestimmungen der internationalen Gesundheitsvorschriften durchsetzten. So hatte Südafrika die Omikron-Variante entdeckt und dies gemäß der IGV gemeldet, wurde anschließend aber von einer Reihe von Staaten wie dem Vereinigten Königreich, den USA und den Mitgliedsländern der Europäischen Union mit Reisebeschränkungen belegt.

Solche Reaktionen können dazu führen, dass Krankheitsfälle aus Angst vor Sanktionen nicht gemeldet werden, da Begrenzungen des Waren- und Handelsverkehrs die betroffenen Staaten und deren Märkte schwächen können. Das Ausbleiben von Meldungen behindert wiederum die schnelle Vorberei­tung der Gesundheitssysteme auf Krankheitserreger und den Schutz vor Infektionskrankheiten sowie ihre Eindämmung. Vor diesem Hintergrund wird seit einiger Zeit die Einführung eines Anreizsystems diskutiert, das Staaten belohnt, die den Ausbruch von Infektionskrankheiten frühzeitig an die WHO melden. Das Sicherstellen einer frühzeitigen Informationsweitergabe würde dazu beitragen, dass die Gesundheitssysteme anderer Staaten wertvolle Zeit gewinnen, um sich auf die Bekämpfung der Infektionskrankheit vorzubereiten.

Der Trend zur nationalen Abschottung und die dadurch erfolgende Priorisierung des Schutzes der eigenen Bevölkerung wurde auch durch Exportbeschränkungen deutlich. Während Deutschland zu Beginn der Pandemie ein Exportverbot auf medizinische Schutzausrüstung – beispielsweise Atemmasken – erließ, blockierte Indien im Jahr 2021 für mehrere Monate die Ausfuhr von Impfstoffen, die im Serum Institute mit Sitz in Pune produziert wurden. Diese Schutzmaßnahmen führten dazu, dass Menschen im Ausland der Zugang zu medizinischen Gütern erschwert wurde. Der Ausfuhrstopp von Impfstoffen aus Indien beeinträchtigte die globale Verteilung und den Zugang zu Impfstoffen. Insbesondere Länder mit niedrigeren Pro-Kopf-Einkommen, die auf die Lieferungen des Serum Institutes angewiesen waren, litten unter dem Ausfuhrstopp.

Internationale Zusammenarbeit: globale Gesundheit als Arena geopolitischen Wettbewerbs

Die geopolitischen Spannungen, die die internationale Ordnung und multilaterale Zusammenarbeit seit längerem bestimmen und insbesondere zwischen den USA, Russland und China bestehen, wirkten sich in erheblichem Maße auf die nationalen wie internationalen Anstrengungen zur Bewältigung der Coronavirus-Pandemie aus. Sowohl innen- als auch außenpolitisch instrumentalisierten die damalige US-Administration unter Präsident Donald Trump und die chinesische Staatsführung unter Xi Jinping die Coronavirus-Pandemie. Bereits zu Beginn der Pandemie bezichtigte Donald Trump die WHO, gravierende Fehler im Management der Pandemie begangen zu haben und eine zu große diplomatische Nähe zu China einzunehmen.

Als Konsequenz kündigte er den Austritt der USA aus der WHO an – sein Nachfolger Joe Biden revidierte diese Entscheidung direkt nach seinem Regierungsantritt. Zur gleichen Zeit unterstützte China andere Staaten in Europa, Afrika und Südamerika durch Lieferungen medizinischer Güter und mit in China produzierten Impfstoffen, um seinen internationalen Einfluss und Status zu stärken. Zudem vermarktete Russland seinen Impfstoff Sputnik V und behauptete, bereits 1,2 Milliarden Bestellungen aus 50 Staaten, unter anderem von Mosambik, Nigeria und Südafrika, entgegengenommen zu haben. Russland und China strebten danach, das Vakuum zu füllen, das Europa und die USA durch ihren "Impfstoffnationalismus" hinterließen und festigten ihre internationalen Beziehungen mithilfe der Lieferung von Impfstoffen, deren Wirksamkeit jedoch nicht eindeutig belegt war. Durch Vorkaufsrechte und Abnahmegarantien sicherten sich die USA sowie viele europäische Staaten einen Großteil der Impfstoffe, die zur Bewältigung der Coronavirus-Pandemie produziert wurden. Priorisiert wurde der Schutz der eigenen Bevölkerung zulasten der Menschen in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen, denen der Zugang zu Impfstoffen erschwert wurde oder sogar ganz verwehrt blieb, auch wurden die Patente nicht für sie freigegeben.

Ausblick: Vorbereitung auf zukünftige Pandemien

Die Coronavirus-Pandemie hob Gesundheitsthemen auf die politische Agenda und leitete eine entscheidende, politikfeldübergreifende Zusammenarbeit im Gesundheitsschutz ein. Die zahlreichen Akteure dieses Gebietes konnten sich formell sowie informell eng miteinander vernetzen und abstimmen. Zudem wurde deutlich, wie eng Sicherheits- und Gesundheitspolitik zusammenhängen. Dennoch müssen die unterschiedlichen Logiken der globalen Themenfelder Gesundheit und Sicherheit im Blick behalten werden: Während etwa die WHO die Gesundheit von Menschen staatenübergreifend und umfassend zu verbessern versucht, fokussieren sich nationale Gesundheitsbehörden zumeist auf den Schutz der eigenen Bevölkerung.

QuellentextBeteiligung von deutschen Sicherheitsakteuren an der Bewältigung von Gesundheitsnotfällen

Die Aufgaben, die deutsche Sicherheitsakteure in der Bewäl­tigung von Gesundheitsnotfällen übernehmen können, sind vielfältig. Während des Ebolavirus-Ausbruchs in Westafrika im Jahr 2014 unterstützte der Sanitätsdienst der deutschen Bundeswehr die Bewältigung des Virusausbruchs mithilfe einer Luftbrücke sowie der Bereitstellung medizinischen Equipments und Feldlazaretten. Während der Coronavirus-Pandemie übernahm die Bundeswehr weitere Unterstützungsleistungen sowohl im Inland als auch im Ausland. Im Inland leistete sie Amtshilfe für die Behörden des Bundes und der Länder und stellte Material, Transport, Personal, Infrastruktur und sanitätsdienstliche Unterstützung zur Verfügung. Außerdem half die Bundeswehr beim Aufbau von Notkrankenhäusern für Patienten, die an Corona erkrankten, sowie bei der Verfolgung von Infektionsketten. Auf internationaler und europäischer Ebene beteiligte sich die Bundeswehr an Evakuierungen im Rahmen des Europäischen Lufttransportkommandos (EATC), führte Transporte schwerkranker Patienten aus Ita­lien und Frankreich in deutsche Kliniken durch und brachte medizinisches Material in bedürftige Staaten wie beispielsweise Armenien.

Am Beispiel Deutschlands wird deutlich, dass Sicherheitsakteure bei der Bewältigung gesundheitlicher Notlagen weit mehr als reine Unterstützungsleistungen übernehmen können. So wurde im Februar 2020 zu Beginn der Coronavirus-Pandemie der Bundeswehrgeneral und Arzt Dr. Hans-Ulrich Holtherm als Leiter der Abteilung Gesundheitssicherheit, Gesundheitsschutz und Nachhaltigkeit ins Bundesgesundheitsministerium (BMG) berufen, mit dem Ziel, die Reaktionsfähigkeit des BMG im Gesundheitsschutz zu erhöhen. Um den Ausbruch des Coronavirus in Deutschland zu bewältigen, richteten das BMG und das für die innere Sicherheit im Bund zuständige Bundesministerium des In­nern und für Heimat (BMI) einen gemeinsamen Krisenstab ein. Auch im Bundeskanzleramt wurde Ende Dezember 2021 ein Krisenstab durch die neu gewählte Bundesregierung geschaffen, der von Generalmajor Carsten Breuer geführt wurde und mit der Pandemiebewältigung, insbesondere der Koordination der Impfkampagne, befasst war. Die Bewältigung der Pandemie in Deutschland war damit keine alleinige Aufgabe des Gesundheitswesens mit dem BMG an der Spitze, sondern eine gemeinsame Kraftanstrengung mehrerer Ressorts mit geteilter Federführung von BMG, BMI und Bundeskanzleramt.

Maike Voss und Isabell Kump

Doch ist die Welt im dritten Jahr der Coronavirus-Pandemie und in der internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Pandemieprävention und -bewältigung besser aufgestellt als vor der Pandemie? Mit dem Ausbruch der Affenpocken als neue gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite wurde 2022 deutlich, wie akut diese Frage weiterhin ist. Zahlreiche Expertengremien haben Empfehlungen für eine bessere internationale Handhabe von Pandemien ausgesprochen. Wichtig ist, dass die WHO ihre Koordinierungsrolle bestmöglich ausführen kann. Gleichzeitig ist eindeutig belegt, dass mit dem Klimawandel und dem Verlust der Artenvielfalt das Risiko für Infektionsausbrüche insbesondere durch Zoonosen [Viren-Übertragung zwischen Tier und Mensch – Anm. d. Red.], die sich zu Pandemien entwickeln können, steigen wird. Neue internationale Initiativen und Instrumente werden debattiert, wie etwa ein neuer internationaler Pandemievertrag und die Einrichtung eines Financial Intermediary Fund (FIF) for Pandemic Prevention, Preparedness and Response (PPR) als neues Finanzierungsinstrument. Jedoch brauchen Verhandlung, Abschluss und Umsetzung neuer internationaler Verträge und Institutionen neben politischer Unterstützung vor allem auch viel Zeit.

Zweieinhalb Jahre nach dem Beginn der Coronavirus-Pandemie liegen auf internationaler Ebene noch keine neuen, effizienten Instrumente zur Pandemieprävention und -bewältigung vor. In Zeiten multipler internationaler Krisen – darunter der Krieg in der Ukraine, der eine enorme Mobilisierung von finanziellen Ressourcen erfordert – scheint sich daher das Fenster für die dringende Stärkung der internationalen Pandemieprävention und -bewältigung ohne Verbesserung wieder zu schließen.

Maike Voss ist geschäftsführende Direktorin des Centre for Planetary Health Policy (CPHP) in Berlin. In ihrer Forschung konzentriert sie sich auf die Steuerung der globalen und planetaren Gesundheit und be­schäftigt sich mit Wechselwirkungen zwischen Gesundheit, Klimawan­del und Sicherheit.

Isabell Kump ist Policy Advisor bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) mit den Schwerpunkten Globale Gesundheit sowie Verteidigung und Sicherheit.