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Dokumentation: Ausgewählte Stellungnahmen zur drohenden Auflösung von Memorial International und des Menschenrechtszentrums Memorial und zur zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland | Russland-Analysen | bpb.de

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Dokumentation: Ausgewählte Stellungnahmen zur drohenden Auflösung von Memorial International und des Menschenrechtszentrums Memorial und zur zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland

/ 11 Minuten zu lesen

Für mehr Hintergrundinformationen hat die Redaktion der Russland-Analysen eine Sammlung von unterschiedlichen Artikeln, die sich mit dem Fall Memorial beschäftigen, zusammengestellt.

Ein Mann trägt eine Gesichtsmaske mit der Aufschrift "Sie können Memorial nicht verbieten". (© picture-alliance/dpa, TASS | Artyom Geodakyan)

Erklärung von MEMORIAL Deutschland zur drohenden Auflösung von Memorial International

Die Nachricht vom 11. November, dass die russische Generalstaatsanwaltschaft die Auflösung von Memorial International beantragt, ist ein Schock sowohl für die Zivilgesellschaft in Russland als auch für alle, die die jüngste Entwicklung in Russland aus dem Ausland verfolgen und umso mehr für die Memorial International angegliederten ausländischen Mitgliedsverbände.
Seit der Verabschiedung des "Agenten-Gesetzes" im Jahre 2012 und weiterer ergänzender Bestimmungen dazu leben fast alle NGOs in Russland unter dem Damoklesschwert einer erzwungenen Selbstauflösung oder eines Verbots. Nicht umsonst hat Memorial von Anfang an kategorisch darauf bestanden, dass dieses Gesetz nicht redigiert und korrigiert werden sollte, sondern aufgehoben werden muss.

Im Laufe der Jahre haben sich die schlimmsten Erwartungen bestätigt. Wie viele andere NGOs wurden auch Memorial International sowie einzelne Memorial-Verbände in Russland mit akribischen, zeitraubenden und schikanösen Überprüfungen überzogen, es häuften sich anonyme Anzeigen. Wegen fehlender Markierungen als "Agent" etwa auf Facebook-Posts oder auf Briefen musste Memorial in den letzten beiden Jahren immense Strafzahlungen leisten. Der Druck nahm aber auch in anderen Bereichen zu – beispielsweise in Form von orchestrierten Hetzkampagnen in den Medien oder von Überfällen auf Veranstaltungen insbesondere bei Filmvorführungen, um nur einige zu nennen. Memorial existiert seit Ende der 80er Jahre. Andrej Sacharov, dessen 100. Geburtstag in diesem Jahr auch in Russland begangen wurde, gehörte zu den Gründern. Das offenbar in den herrschenden Kreisen gewünschte und eingeleitete Verfahren, mit dem eine Auflösung erzwungen werden soll, ist politisch motiviert, eine Rechtsgrundlage gibt es dafür nicht einmal in der russischen Gesetzgebung. Ausschlaggebend sind die beiden wesentlichen Arbeitsbereiche, für die Memorial International steht – Aufklärung über die sowjetische Vergangenheit mit Schwerpunkt auf der Geschichte politischer Repressionen sowie aktuell der Einsatz für Menschenrechte und die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen.

Und diese Tätigkeit, für die Memorial weltweit hochgeachtet wird und die gerade für Russland von enormer Bedeutung ist, soll unterbunden werden. Noch ist es allerdings nicht zu spät – die Verhandlung (in erster Instanz) wurde für den 25. November anberaumt. Jetzt ist internationale, nicht nachlassende Solidarität gefordert – von Medien und Wissenschaft, insbesondere aber der Politik. Das Verbot von Memorial International wäre ein verhängnisvolles Signal, seine Auswirkung auf zivilgesellschaftliche Initiativen und generell die weitere Entwicklung in Russland ist kaum zu überschätzen und hätte auch gravierende internationale Folgen. Wir appellieren an Öffentlichkeit und Politik, Position zu beziehen und klarzustellen, dass ein Verbot von Memorial kein internes Problem ist, sondern auch für die internationalen Beziehungen einen irreparablen Schaden bedeuten würde.
Der Vorstand von MEMORIAL Deutschland e.V.
12. November 2021
Quelle: MEMORIAL Deutschland e.V., 12. November 2021, Externer Link: https://www.memorial.de/

Petersburger Dialog zur drohenden Auflösung von Memorial

Seit mehr als 30 Jahren leistet die von Andrej Sacharow gegründete und international vielfach ausgezeichnete Organisation eine beispielhafte Arbeit zur Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit und zum Schutz der Menschenrechte in Russland. Durch den kontinuierlichen Austausch im Rahmen einer intensiven und über Jahrzehnte gepflegten Zusammenarbeit mit deutschen zivilgesellschaftlichen Organisationen – auch im Rahmen des Petersburger Dialogs – hat sich Memorial nicht hoch genug einzuschätzende Verdienste um das Verständnis der Menschen in beiden Ländern füreinander erworben. Die Zusammenarbeit mit Memorial ist ein Herzstück deutsch-russischer zivilgesellschaftlicher Zusammenarbeit. Die Auflösung von Memorial wäre eine Zäsur auch in der deutsch-russischen Zusammenarbeit.
Deshalb beauftragt die Mitgliederversammlung den Vorstand des Petersburger Dialogs auf deutscher Seite, umgehend Gespräche mit der russischen Seite aufzunehmen, um das drohende Verbot von Memorial International und vom Menschenrechtszentrum Memorial zu verhindern.
Quelle: Petersburger Dialog, 18. November 2021 Externer Link: https://petersburger-dialog.de/kategorie/aktuelles/

Gemeinsame Erklärung zur drohenden Auflösung von Memorial von Mitgliedern des Deutschen Bundestages der Regierungsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP

Mit größter Besorgnis nehmen wir das politisch motivierte Vorgehen gegen Memorial International und das Menschenrechtszentrum Memorial zur Kenntnis und protestieren entschieden gegen die drohende Zwangsauflösung der bekanntesten und international renommiertesten Menschenrechtsorganisation der Russischen Föderation.
Memorial steht seit Jahrzehnten für eine lebendige, humanistische Erinnerungskultur und ein aktives, bürgerschaftliches Engagement für die Menschenrechte. Bis heute leistet Memorial einen unschätzbaren Beitrag zur historischen Aufarbeitung, Rehabilitierung politisch Verfolgter und zu Unrecht Verurteilter sowie zur Achtung der Menschenrechte. Im besten Sinne setzt sich Memorial für gesellschaftlichen Austausch und die Verwirklichung der auch von der russischen Verfassung ausdrücklich genannten europäischen Werte wie Demokratie, Rechte und Freiheiten des Menschen und damit für ein geeintes, friedliches Europa ein. Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter unserer Fraktionen im Deutschen Bundestag pflegen seit Jahrzehnten ein enges Verhältnis zu Memorial und wollen auch weiterhin die wichtige, zur Völkerverständigung beitragende Zusammenarbeit mit Memorial und mit allen demokratischen Vertreterinnen und Vertretern der russischen Zivilgesellschaft fortsetzen.

In Zeiten zunehmender Spannungen in Europa ist die Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaften ein wichtiger Garant für Frieden und Verständigung. Wir nehmen daher mit Sorge zur Kenntnis, dass die Gesetzgebung der Russischen Föderation in Bezug auf die sogenannten "Ausländischen Agenten" auf die Stigmatisierung und Delegitimierung eben jener grenzüberschreitenden, gesellschaftlichen Zusammenarbeit abzielt. Wir unterstützen die Forderungen Memorials und weiter Teile der Zivilgesellschaft, dass diese Gesetze aufgehoben werden müssen.

Das Vorgehen gegen Memorial steht im Widerspruch zu den Prinzipien und Werten der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie der Charta von Paris. Eine Auflösung von Memorial International wäre ein direkter Angriff auf das Vermächtnis des Friedensnobelpreisträgers Andrei Dmitrijewitsch Sacharow. Eine unabhängige, kritische und professionelle Aufarbeitung der Geschichte ist für die deutsch-russischen Beziehungen, gerade vor dem Hintergrund der von Deutschen gegen Menschen in der Sowjetunion begangenen Verbrechen, existenziell
Berlin, 19. November 2021
Gabriela Heinrich,
Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion
Nils Schmid,
Außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Agnieszka Brugger,
Stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
Omid Nouripour,
Außenpolitiker der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
Alexander Graf Lambsdorff,
Stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion
Bijan Djir-Sarai,
Außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion
Quelle: Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, 22. November 2021 Externer Link: https://www.gruene-bundestag.de/themen/

Für eine nachhaltige Demokratieförderung in der Östlichen Nachbarschaft und der Russischen Föderation

Hintergrund

Die Östliche Nachbarschaft der EU ist gezeichnet von einer zunehmenden Polarisierung zwischen den Staaten, die auf der Basis von EU-Assoziierungsabkommen demokratische Reformen durchführen, und den Diktaturen in Belarus und Aserbaidschan, die immer repressiver gegen ihre Zivilgesellschaften vorgehen. Die Führung der Russischen Föderation (RF) hat sich unter der Präsidentschaft von Wladimir Putin zu einem strategischen Gegner der EU entwickelt, der Völkerrecht und internationale Vereinbarungen bricht und zugleich im Inneren jegliche unabhängigen Kräfte der Politik, Medien, Zivilgesellschaft und Bildung verfolgt. Wie Russlands anhaltende militärische Aggression im Osten der Ukraine und der Schulterschluss mit dem Lukaschenka-Regime zeigen, bedroht die russische Regierung systematisch die Unabhängigkeit und Souveränität der Länder der Östlichen Nachbarschaft und versucht, eine 1991 verlorene Dominanz wiederherzustellen. Immer offensichtlicher werden auch die Versuche der russischen Regierung, die offenen Gesellschaften in der EU und anderer europäischer Länder zu destabilisieren, das Vertrauen in demokratische Institutionen und Wahlen zu schwächen und Antagonisten der demokratischen Gesellschaftsordnung in EU-Mitgliedsstaaten zu stärken

Für die Zukunft Europas wird es daher von entscheidender Bedeutung sein, ob es gelingen wird, die 1991 begonnene Systemtransformation in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion mit neuen Impulsen zu stärken und die offene Gesellschaftsordnung der EU gegen externe und interne Bedrohungen zu verteidigen. Ob die direkte Nachbarschaft der EU von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit oder von illiberalen und korrupten Autokratien geprägt sein wird, wird entscheidend von der Stärke und den Handlungsmöglichkeiten der demokratischen Zivilgesellschaft in den Staaten der Östlichen Nachbarschaft und der Russischen Föderation abhängen. Gerade in autoritären Staaten, wo Regime den eigenen Machterhalt über die Entwicklung des Landes stellen, sind zivile Akteure die wichtigste Hoffnung für gesellschaftlichen Wandel und Reformen. Demokratieförderung muss daher als ein strategischer und unabdingbarer Teil der deutschen Außenpolitik verstanden werden. Gefördert werden sollten jene Kräfte und Personen, die bereit sind, sich trotz hoher Risiken für die international verbrieften Grundrechte und eine Annäherung an das Wertemodell des gemeinsamen, demokratischen Hauses Europa einzusetzen.

Die Bundesrepublik hat ein elementares Eigeninteresse daran, dass zivilgesellschaftliche Akteure vor Ort ebenso wie im erzwungenen Exil die Möglichkeiten und Instrumente erhalten, um langfristig eine demokratische politische Kultur aufzubauen, staatsbürgerliche Grundrechte und rechtsstaatliche Verfahren – auch und gerade unter den verschärften Bedingungen wachsender Repression – einzufordern. Für ihren Einsatz brauchen sie und ihre zahlreichen Kooperationspartner in der deutschen Zivilgesellschaft einen verlässlichen programmatischen und finanziellen Rahmen, der die nötige Flexibilität auch für die Arbeit im "shrinking space" bietet. Deutschland verfügt über ein dichtes Netz an bürgerschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontakten in der ÖP-Region und in Russland. Bei der dortigen demokratischen Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit bestehen hohe Erwartungen an die normative Glaubwürdigkeit deutscher und europäischer Politik. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden ist es dringend erforderlich, die bestehenden Förderprogramme und ihre haushälterischen Rahmenbedingungen zu aktualisieren und bestmögliche Lösungen für die neuen Herausforderungen im "shrinking space" zu finden.

I Allgemeine Empfehlungen

  • Die zunehmenden politischen und gesetzlichen Einschränkungen der unabhängigen Zivilgesellschaft in einigen Staaten der Östlichen Partnerschaft und der Russischen Föderation erfordern eine Anpassung der deutschen Demokratieförderung für die Region. Förderinstrumente, Haushaltsrichtlinien und bestehende Programme müssen entbürokratisiert und auf ihre Effizienz und Umsetzbarkeit unter den erschwerten politischen Rahmenbedingungen geprüft werden.

  • Wir empfehlen die Entwicklung einer interministeriell koordinierten und mit hinreichenden Ressourcen ausgestatteten Demokratie-Förderpolitik für die Staaten der Östlichen Partnerschaft und die Russische Föderation. Expertise aus der Zivilgesellschaft in Deutschland und der Zielregion sowie aus zur Emigration gezwungenen Initiativen sollte in die Weiterentwicklung der Demokratieförderungs-Programme der Bundesregierung einfließen und bei ihrer Ausgestaltung berücksichtigt werden (etwa in Form von Konsultationen über Schwerpunkte und Methodenauswahl).

  • Die Demokratieförderung der Bundesregierung sollte in engem Austausch mit vergleichbaren Strukturen in anderen EU-Mitgliedsländern sowie auf EU- und US-Ebene erfolgen, um bestmögliche Synergien zu erzielen und unkoordiniertes Nebeneinander zu vermeiden. Best practice-Erfahrungen können übernommen werden.

  • Zielgerichtete Demokratieförderung ist auf einen guten Abstimmungsprozess zwischen Zivilgesellschaft und Politik/Diplomatie angewiesen. Das erfordert einen kontinuierlichen Austausch zwischen Ministerien und zivilgesellschaftlichen Akteuren im eigenen Land wie mit den entsprechenden Partner/innen in den Zielländern. Die Botschaften der Bundesrepublik spielen eine wichtige Rolle, um solche Abstimmungsprozesse zu befördern.

  • Wo sich zentrale Themen, Anliegen und Formate der Demokratieförderung nicht oder nicht hinreichend mit dem weiterentwickelten Förderprogramm ÖPR realisieren lassen, sollten zusätzliche, spezifische Förderprogramme entwickelt werden.

  • Die Position des/der Beauftragten für die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft der ÖP und RF kann eine Schlüsselrolle in der konfliktbeladenen politischen Auseinandersetzung mit der russischen Regierung spielen. Die Personalie sollte vom neuen Bundestag mit einer außen- und russlandpolitisch erfahrenen Politiker/in besetzt werden, der oder die eine klare Haltung in menschenrechtlichen Fragen vertritt.

  • Der Petersburger Dialog kann nur fortgeführt werden, solange von der russischen Seite keine Mitglieder und deren Organisationen als "unerwünscht" gebrandmarkt oder anderweitig in der freien Ausübung ihrer zivilgesellschaftlichen Aktivitäten und Rechte eingeschränkt werden. Es muss kritisch geprüft werden, inwieweit der Petersburger Dialog noch den Interessen der zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit dient oder nur noch eine Alibifunktion wahrnimmt. Die Geschäftsstelle des PD sollte von der Geschäftsstelle des Deutsch-Russischen Forums gelöst werden, um Interessenkonflikte zu vermeiden.

II Konkrete Empfehlungen an bestehende und zukünftig einzurichtende Demokratieförderprogramme

  • Institutionelle Förderung von Trägern vor Ort ist ein zentrales Instrument, um nachhaltige und wirksame Akteursstrukturen in den Zielregionen zu entwickeln. Da in der Zielregion in der Regel weder staatliche Förderung noch ausreichend lokale Philanthropie bereitstehen, sollte die nachhaltige Förderung von strategischen Partnern Teil der deutschen Demokratieförderung werden. Sie erspart den geförderten Akteuren aufwändiges Fundraising, stärkt die institutionelle und strukturelle Entwicklung vor Ort und trägt damit zu effizientem Mitteleinsatz und stabilen internationalen Partnerschaften bei.

  • Die Antragstellung bei Demokratieförderprogrammen sollte laufend oder zumindest mehrmals im Jahr möglich sein, um dynamischen gesellschaftlichen Entwicklungen folgen zu können. Jährliche Ausschreibungszyklen wie sie derzeit im Förderprogramm ÖPR praktiziert werden sind zu unflexibel, um angemessen auf gesellschaftliche Chancen oder auch Gefahren zu reagieren.

  • Um staatlichem Druck zu entgehen, verzichten mehr und mehr Initiativen in der Region auf eine formale Registrierung und agieren als strukturierte Netzwerke. Gleichzeitig werden z. B. durch die repressive aktuelle russische NGO Gesetzgebung zunehmend auch bereits registrierte Organisationen gezwungen, ihre Tätigkeit in diesem Format einzustellen und ohne formale juristische Registrierung weiterzuarbeiten. Daher sollten auch nicht registrierte Organisationen und Einzelpersonen von Förderprogrammen berücksichtigt werden können.

  • Die Mehrjährigkeit sollte bei vom AA geförderten Projekten die Norm sein, um Nachhaltigkeit und Effizienz zu schaffen. Demokratieförderung braucht einen langen Atem und Vertrauen, das in langsam sich entwickelnden Partnerschaften entsteht. Langfristige Förderung sollte nicht ein zu vermeidendes, sondern ein angestrebtes Kooperationsmodell sein. Sie sollte in regelmäßigen Abständen auf ihre Wirkung hin überprüft werden.

  • Eine bestehende Partnerschaft mit Trägern in Deutschland darf keine zwingende Voraussetzung für Förderung mit Bundesmitteln sein. Gerade junge Initiativen in den Zielländern, die auf aktuelle Entwicklungen reagieren, haben in der Regel noch keine internationalen Partnerschaften. Auch für sie müssen Angebote bereitgestellt werden.

  • Intermediäre Strukturen mit Fördererfahrung in der Zielregion können mit der Programmdurchführung beauftragt werden, um Zielgruppen vor Ort besser zu erreichen – sie kennen die Bedingungen vor Ort am besten und können die Vernetzung vor Ort und das begleitende Management flexibler und vertrauensvoller abwickeln als Ministerien oder Bundesverwaltungen. Über intermediäre Strukturen können auch Kleinförderungen verwaltet werden, die mit geringen finanziellen Mitteln oft eine erhebliche Wirkung entfalten. Die EU hat unlängst mit den "Framework Partnership Agreements" ein vergleichbares Instrument eingeführt, um kleinteilige und regionale Förderung zu ermöglichen.

  • Ergänzend zur Förderung in der Zielregion müssen auch cross-border-Aktivitäten und Diaspora Initiativen, die in die Zielregionen zurückwirken, gefördert werden, insbesondere von demokratischen Akteuren, die aufgrund ihrer Tätigkeit ins Exil gezwungen wurden. Derzeit arbeiten die maßgeblichen belarusischen Menschenrechtsorganisationen und unabhängigen Medien weitgehend aus dem Ausland – eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bereits für die Russische Föderation infolge der massenweisen Verdrängung kritischer NGOs und investigativer Redaktionen durch die Führung des Landes seit August 2021. Zentrale Herausforderungen sind eine liberale und unbürokratische Visavergabe ebenso wie die niedrigschwellige Bereitstellung von Stipendien für verfolgte Akteure.

  • Die haushälterischen Richtlinien sollten weit größere Flexibilität ermöglichen, um auch in repressiven Systemen effektive Arbeit zu ermöglichen – hierzu verweisen wir auf die jüngste Initiative "Positionspapier Zuwendungsrecht" Externer Link: https://openletter.earth/positionspapier-zuwendungsrecht-d3b61a6f/de. Förderrichtlinien und Abrechnungsverfahren müssen stärker an die veränderten Bedingungen der Arbeit in autoritären Regimes angepasst werden.

Berlin, Oktober 2021
Dr. Gabriele Freitag, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde e.V.
Ralf Fücks, Zentrum Liberale Moderne gGmbH
Hanno Gundert, n-ost
Stefan Melle, Deutsch-Russischer Austausch e.V.
Cornelius Ochmann, Stiftung Deutsch-Polnische Zusammenarbeit e.V.
Stefanie Schiffer, Europäischer Austausch gGmbH
Quelle: Europäischer Austausch, 26.10.2021 Externer Link: https://www.european-exchange.org/

Fussnoten

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