Im Sommer 2018 rückte die Bewegung "Seebrücke. Schafft sichere Häfen" mit ihrem Protest gegen eine Kriminalisierung der Seenotrettung im Mittelmeer und ihrer Forderung nach sicheren Fluchtwegen in den Fokus der Öffentlichkeit. In mehr als 150 deutschen Städten organisierte sie politische Aktionen gegen die restriktive nationale und europäische Migrationspolitik. Zu den zahlreichen lokalen Seebrücke-Gruppen in Deutschland sind mittlerweile weitere in Österreich, Belgien und den Niederlanden hinzugekommen.
Neben der Seebrücke gibt es weitere zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich dafür einsetzen, dass Interner Link: Menschen auf der Flucht über sichere Wege nach Deutschland kommen können. Ausgangspunkt ihres Engagements ist das sogenannte Asylparadox. Es besagt, dass Flüchtenden Schutzrechte zustehen, sie diese aber in der Regel nur in Anspruch nehmen können, wenn es ihnen gelingt, auf das Territorium eines sicheren Staates zu gelangen, um dort Asyl zu beantragen. Aufgrund weitreichender Grenzkontrollen und mangels legaler Einreisemöglichkeiten sind Flüchtende in den meisten Fällen gezwungen, auf gefährlichen Wegen illegal Grenzen zu überqueren. Damit müssen sie Recht brechen, um zu ihrem Recht zu gelangen. Das Asylparadox verweist dabei auf das Spannungsverhältnis zwischen internationalen Flüchtlings- und Menschenrechten auf der einen und nationalen Grenzen auf der anderen Seite.
Vor 2015: Save-Me-Kampagne für Resettlement
Bereits die 2008 in München gestartete Kampagne "Save-Me – Eine Stadt sagt Ja!" hatte den Mangel an sicheren Fluchtwegen in den Mittelpunkt gerückt. Sie wollte ein Zeichen der Aufnahmebereitschaft setzen und zugleich Deutschlands Verantwortung im Flüchtlingsschutz betonen.
Die Kampagne forderte insbesondere, dass Deutschland sich dauerhaft am Interner Link: Resettlement-Programm des UN-Flüchtlingswerks (UNHCR) beteiligt. Dabei werden vom Interner Link: UNHCR in Erstzufluchtstaaten besonders schutzbedürftige Flüchtlinge ausgewählt, die daraufhin in aufnahmebereite Länder ausgeflogen werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, verfolgte Save-Me die Strategie, eine "Bewegung von unten zu initiieren, aus den Städten und Gemeinden heraus".
Im Jahr 2012 erklärte die Bundesrepublik Deutschland schließlich, sich dauerhaft am Resettlement beteiligen zu wollen. Die Kontingente zur Aufnahme von Flüchtlingen wurden seitdem ausgeweitet. Der weltweite Bedarf liegt aber um ein Vielfaches höher.
Nach 2015: Fluchthilfe und Initiativen für legale Wege zum Flüchtlingsschutz
2015 reisten tausende Flüchtende von Griechenland über die sogenannte Balkanroute in nord- und westeuropäische Länder. In dieser Situation entstanden Freiwilligeninitiativen, die spontan eine Versorgung für die Flüchtenden organisierten, da aufgrund der "organisierten Nicht-Verantwortung"
Als im Jahr 2016 die Grenzen der Staaten entlang der sogenannten Balkanroute zunehmend versperrt wurden und Interner Link: neue Grenzanlagen innerhalb Europas entstanden, gründeten sich weitere Initiativen, die sich für sichere Fluchtwege einsetzten. Ein Beispiel ist die in Osnabrück ins Leben gerufene Initiative "50 aus Idomeni". Ihre Kernforderung bestand darin, 50 Geflüchtete aus Idomeni aufzunehmen – einem Dorf an der griechisch-mazedonischen Grenze, das zum Symbol der humanitären Krise an den Rändern der EU geworden war. Da Kommunen wie Osnabrück kaum rechtliche Möglichkeiten haben, eigenständig Geflüchtete aufzunehmen, verknüpfte die Initiative ihr Ziel mit dem sogenannten Relocation-Programm der EU. Im Rahmen dieses Programms sollten 160.000 Flüchtlinge aus Interner Link: Griechenland und Italien auf andere europäische Mitgliedstaaten umverteilt werden. Zwar gelang es der Initiative, in Osnabrück einen Ratsbeschluss für ihr Anliegen zu erwirken und gemeinsam mit ähnlichen Initiativen wie "Hamburg hat Platz!" dem Bundesinnenministerium eine Petition mit knapp 50.000 Unterschriften vorzulegen. Das Vorhaben stockte jedoch ab 2017 auf Bundesebene: Bislang hat das Innenministerium keine Erlaubnis erteilt, dass die Geflüchteten aus Idomeni nach Deutschland einreisen dürfen.
Im Hinblick auf die direkte Aufnahme von Flüchtenden waren andere Initiativen erfolgreicher, die auf die Möglichkeit der Familienzusammenführung als eine der wenigen legalen Einreisemöglichkeiten für Menschen auf der Flucht setzten. Über Verpflichtungserklärungen – bei denen Privatpersonen die finanzielle Verantwortung für Flüchtende übernehmen – haben Vereine wie "Flüchtlingspaten Syrien" oder "Herberge für Menschen auf der Flucht" einigen hundert Personen die Einreise nach Deutschland ermöglicht. Darüber hinaus sind es nach wie vor meist migrantische Familien und Netzwerke, die Geflüchtete unterstützen oder ihre Flucht überhaupt erst (finanziell) ermöglichen.
Seebrücke: Massenmobilisierung ab 2018
Nachdem die italienische Militär- und Seenotrettungsmission Mare Nostrum Ende 2014 eingestellt worden war, konzentrierten sich europäische Operationen auf dem Mittelmeer vornehmlich auf Grenzkontrollen und die Bekämpfung von Schleppern.
Nach Angaben der Organisatoren gingen seit Anfang Juli 2018 in zahlreichen Städten Deutschlands insgesamt mehr als 150.000 Menschen auf die Straße.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Initiativen für sichere Fluchtwege sind – ähnlich wie die Interner Link: Bewegung für solidarische Städte – hauptsächlich lokal organisiert: Eine Stadt "sagt Ja!" (save-me), "hat Platz" (Relocation-Initiativen) oder soll zum "sicheren Hafen" (Seebrücke) werden. Sie mobilisieren Bürger_innen, um als lokale Gemeinschaft den Willen zu bekräftigen, Geflüchtete aufnehmen zu wollen und eine pro-migrantische Politik zu unterstützen. Damit stellen sie sich gegen Abschottungsversuche auf europäischer und nationaler Ebene sowie gegen die von vielen Politiker_innen geäußerte Behauptung, die Bevölkerung sei grundsätzlich gegen Migration.
Trotz des gemeinsamen Bezugs auf Städte und Gemeinden unterscheiden sich die Initiativen in ihrer Zielsetzung. Dies hängt eng mit dem Wandel der Migrationspolitik sowie des gesamtgesellschaftlichen Diskurses zusammen. So platzierte die Save-Me-Kampagne ihre Forderung in einer Phase, in der nur sehr wenige Geflüchtete in Deutschland ankamen und der Flüchtlingsschutz in öffentlichen Debatten kaum thematisiert wurde. Als die Initiativen für Relocation 2016 gegründet wurden, war dies anders, da im Jahr zuvor mehr als eine Million Geflüchtete nach Europa gekommen waren. Die Seebrücke ist mittlerweile in einem politischen Klima tätig, in dem öffentlich darüber nachgedacht wird, ob man Geflüchtete ertrinken lassen soll.