Väterpolitik wird in Deutschland seit der Einführung der neuen Interner Link: Elterngeldregelung 2007 ("Vätermonate") als Teil gleichstellungsorientierter Familienpolitik diskutiert und es werden erste Erfolge sichtbar: Mehr Väter übernehmen Verantwortung für die Kindererziehung bzw. familiäre Fürsorge- und Care-Arbeit. Traditionelle Muster geschlechtlicher Arbeitsteilung in Familien, wo mehrheitlich Frauen für Haushalt und Kinderbetreuung zuständig sind und Männer sich größtenteils auf Beruf und Sicherung des Familieneinkommens konzentrieren, ändern sich schrittweise in Richtung partnerschaftlicher Verteilung. Dies gilt insbesondere im Vergleich zur vorhergehenden Generation.
Im Mainstream aktueller Väterdiskurse herrscht ein begrenztes, homogenes Bild fürsorglicher Väter vor: Sie werden zumeist als jung oder im mittleren Alter, weiß und der Mittelschicht zugehörig, ohne Migrationshintergrund und ohne Behinderung sowie heterosexuell vorgestellt. In dominanten Diskursen werden migrantische Männlichkeiten – nach den Vorfällen sexueller Übergriffe bzw. sexueller Gewalt an Silvester 2015/2016 in Köln, Hamburg und anderen Städten speziell Geflüchtete und (Neu-)Zugewanderte – Interner Link: oft als "gefährliche Fremde" gezeigt.
Positive Veränderungen bei Vätern mit Migrationshintergrund sehen
Es gibt aber erste Erkenntnisse, die den genannten stereotypen Mediendiskursen widersprechen: Eine Wirkungsforschung aus Nordrhein-Westfalen ermittelte etwa positive Entwicklungen und Erfolge von Sozial- und Bildungsangeboten im Bereich migrationssensibler Väterarbeit für Väter mit Migrationshintergrund. Sie offenbart Potenziale fürsorglicher Väterlichkeit bei Männern mit Migrationshintergrund in bestimmten Milieus, d.h. eine aktive Beteiligung im Erziehungsalltag mit dem Ziel einer guten Entwicklung bzw. Bildung der Kinder. Die Studie zeigt, dass diese Männer gerne an Vater-Kind-Angeboten der Spiel-, Sport- und Freizeitpädagogik (Vater-Kind-Spieltreff, Vater-Kind-Wochenenden usw.) teilnehmen oder sich über längere Zeit in Vätergesprächsgruppen treffen.
Dennoch halten gleichzeitig viele Männer herkunftsübergreifend daran fest, sich neben ihren Care-Tätigkeiten vor allem an Erwerbsarbeit zu orientieren, die sie auch als Interner Link: zentral identitätsstiftend für ihre Männlichkeit sehen. Es hängt dann vom Verhalten als Vater ("doing papa") und von der Qualität der gemeinsamen Zeit ab, die sich Väter neben der mehrheitlich praktizierten Vollzeit-Erwerbsarbeit abends und am Wochenende für ihre Kinder nehmen, ob man ihre Väterlichkeit als nicht, kaum oder sehr engagiert bewerten kann. Aus geschlechtertheoretischer Sicht auf Väterlichkeit stellt sich die Frage, inwiefern sich eine enge Einbindung von Männern im privaten Raum durch Care-Aufgaben als Vater ("Familienmann") und Erwartungen gesellschaftlich anerkannter Männlichkeitsnormen der Außenorientierung ("Erwerbsarbeitsmann") miteinander verbinden lassen oder wann bzw. wie sie in Konflikt zueinander geraten. Diese Frage verdeutlicht, dass in Selbstkonzepten von Männern Väterlichkeit und Männlichkeit miteinander harmonieren oder in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen können. Dies wird auch als Ko-Konstruktion von Männlichkeiten und Väterlichkeiten bezeichnet. Es kann also ambivalente Dynamiken geben: Beharrung auf und Wandel von traditionellen Männlichkeitsvorstellungen können gleichzeitig erfolgen. Der Professor für Sozialpädagogik, Lothar Böhnisch, hat dies (2018) als "Modularisierung von Männlichkeit" bezeichnet:
Migration, Väterlichkeit, Diversität
Migration führt oft zu Veränderungen, die sich auf eigene Konzepte bzw. Selbstverständnisse von Männlichkeit und Väterlichkeit auswirken können.
Dabei ist aber insgesamt zu bedenken, dass die Gruppe der Väter mit Migrationshintergrund in sich heterogen und sehr ausdifferenziert ist: Es gibt Männer/Väter, die erst vor Kurzem nach Deutschland geflüchtet sind und vielleicht besondere Unterstützungsbedarfe etwa mit Blick auf den Spracherwerb haben. Einige von ihnen verfügen nur über einen unsicheren Aufenthaltsstatus. Andere Männer/Väter sind hingegen zum Zwecke der Eheschließung, Bildung oder der Erwerbsarbeit eingewandert, leben vielleicht schon in zweiter oder dritter Generation in Deutschland. Sie haben teilweise die deutsche Staatsangehörigkeit und verteilen sich über ein breites Spektrum sozialer Milieus. Einige Migranten sind bereits als Kinder nach Deutschland gekommen, andere erst im Erwachsenenalter. Migrantische Männer unterscheiden sich also – genauso wie Männer ohne Migrationshintergrund – in Bezug auf ihre Sozialisation, Hintergründe, Erfahrungen und (Lebens-)Vorstellungen stark voneinander.
Für das Verstehen von Väterlichkeiten bei Menschen mit Migrationshintergrund sollte man sich daher Wechselverhältnisse subjektiver Konstruktionsprozesse von Väterlichkeit, Männlichkeit und Ethnizität ansehen, denn das Doing Fathering, Doing Masculinity und Doing Ethnicity
Das starre Festhalten an der männlichen Ernährerrolle in traditionellen partnerschaftlichen Arbeitsteilungsmustern kann die Ressourcen aktiver Väterlichkeit einschränken, weil es solchen Männern u.a. an Zeit für ihre Kinder mangelt. Die Frage der für eine aktive Väterlichkeit zur Verfügung stehenden Ressourcen hängt wiederum stark mit dem sozialen und Bildungshintergrund von Männern zusammen: Sozial gut gestellte Väter bzw. solche mit hohem (Bildungs-)Status und Familieneinkommen haben herkunftsübergreifend eher mehr Ressourcen, um aktive Väter sein zu können. Bildungsbenachteiligung oder ein geringes Einkommen können dem hingegen im Weg stehen. Männer mit Migrationshintergrund sind davon vergleichsweise häufiger betroffen als Männer ohne Migrationshintergrund.
Fazit und Ausblick
Vor dem Hintergrund des Interner Link: Wandels von Männlichkeiten und Väterlichkeiten wird mit Hilfe der intersektionalen Sicht deutlich, dass sich interethnische Vergleiche bzw. die Frage, ob und wie sich Väter ohne und mit Migrationshintergrund eventuell unterscheiden, schwer ohne die Reflexion sozialer Ungleichheiten klären lassen. Dies gilt zumindest dann, wenn man Ethnisierungen vermeiden möchte. Ein Ansatzpunkt ist ein von Erziehungswissenschaftler Michael Matzner entwickeltes sozialisationstheoretisches Modell von Väterlichkeit, das die Entwicklung subjektiver Konzepte als Zusammenwirken folgender Einflussfaktoren beschreibt: Persönlichkeit des Mannes und Sozialisation zum Vater, soziale Lage und Milieu, Partnerin und Mutter der Kinder, Kinder
Abschließend bleibt festzuhalten: Aus konsequent intersektionaler Perspektive unterscheiden sich migrantisch markierte Väterlichkeiten und Väterlichkeiten der dominanten Gruppe (Väter ohne Migrationshintergrund) weitaus weniger als es der Mainstream öffentlicher Diskurse nahelegt. Zukünftige Forschungen in diesem Feld sollten Geschlechterarrangements in der Migrationsgesellschaft nicht mehr im Kontext von Integration bearbeiten, sondern sie mit einer gesamtgesellschaftlichen Sicht angehen, um die Reproduktion von Stereotypen zu vermeiden.