Intersektionale bzw. mehrdimensionale Diskriminierungen finden statt, wenn Menschen aufgrund mehrerer zugeschriebener oder selbstdefinierter Persönlichkeitsmerkmale – z.B. Geschlecht, sexuelle Orientierung, Herkunft – (unterschiedlich) ausgegrenzt, ausgeschlossen, benachteiligt und/oder herabgewürdigt werden. Das Konzept der
Die soziale Konstruktion von "Anderen" begünstigt Diskriminierungen. Ihnen sind Menschen im Alltag, in Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Medien und in anderen Lebensbereichen (innerhalb der bestehenden Machtverhältnisse) ausgesetzt. Angelehnt an die Dissertation "Homophobie und Islamophobie: Intersektionale Diskriminierungen am Beispiel binationaler schwuler Paare in Berlin (2012)"
Um diese Fragen zu beantworten, wurden schwule Männer interviewt, die sich als muslimisch definieren oder denen eine muslimische Zugehörigkeit zugeschrieben wird. Es konnte herausgearbeitet werden, dass die sexuelle Orientierung und die zugeschriebene Herkunft bzw. religiöse Zugehörigkeit meist als Gründe für alltägliche und institutionelle Diskriminierungen fungieren. Die Interviewten erfahren sowohl rassistische als auch
Homophobie und Migrant*innen in der deutschen Gesellschaft
Homophobie ist eine Praxis des
Auch wenn die interviewten schwulen und als muslimisch markierten Männer auch durch Angehörige ihrer Herkunftsgruppe homophobe Diskriminierung erfahren, ist es problematisch,
Diese wenigen Hinweise sollen genügen, um noch einmal zu untermauern, dass Homophobie
Intersektionale Diskriminierungen
Im Rahmen der o.g. Studie konnten auf Grundlage der biographisch-narrativen Interviews folgende Diskriminierungsformen herausgearbeitet werden, die hier zwar aus analytischen Gründen getrennt voneinander behandelt werden, sich in der Praxis aber überschneiden (können):
Biologistische rassistische Diskriminierungen: Nicht nur die Interviewten mit eigener Migrationserfahrung stoßen auf Rassismus. Auch diejenigen, die in Deutschland geboren und sozialisiert sind, dennoch aufgrund der Hautfarbe oder zugeschriebener genetischer (Un)Fähigkeiten als "nicht deutsch genug" angesehen werden, machen die Erfahrung, als "Ausländer" oder "Migranten" bezeichnet und mit rassistischen Be-Handlungen konfrontiert zu werden.
Interner Link: Rassismus hat für die Betroffenen meist soziale Konsequenzen: Sie werden oft von sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Ressourcen ausgeschlossen, etwa aus sozialen Beziehungen oder vom Arbeitsmarkt und der Ausübung einer ihren Qualifikationen entsprechenden Tätigkeit. Die Erfahrungen der Interviewten verweisen damit vorwiegend auf die ökonomischen Seiten des Rassismus. Darüber hinaus zeigen die Fallanalysen jedoch, dass rassistische Handlungen Teil eines Geflechtes von Machtverhältnissen sind. So ist Rassismus auch mit Klassismus (d.h. der sozialen Herkunft und Position in der Gesellschaft), kultureller Hegemonie und Heteronormativität verwoben. Wer "ausländisch" und schwul ist und in sozial schwachen Verhältnissen lebt und möglicherweise über einen muslimischen Hintergrund verfügt, ist verstärkt dem Risiko ausgesetzt, mehrdimensionale Diskriminierungen zu erfahren.Kulturalistischer (antimuslimischer) Rassismus: Obwohl einige der Interviewten mit dem Islam nichts zu tun haben, werden sie von Teilen der Gesellschaft als praktizierende Muslime betrachtet und ihnen werden negative Merkmale zugeschrieben. Angesichts zunehmender antimuslimischer Einstellungen in der deutschen Gesellschaft befinden sich diese Interviewten in einer Situation sozialer Verunsicherung. Wie der biologistische Rassismus
bildet auch der Interner Link: antimuslimische Rassismus eine Barriere, die die Interviewten daran hindert, in der Gesellschaft soziale, kulturelle und wirtschaftliche Netzwerke aufzubauen. So sind sie häufig von Bildungs-, Arbeits- und politischen Ressourcen ausgeschlossen. Im antimuslimischen Rassismus zeigt sich, wie Kultur und Religion die Funktion des einst biologistisch argumentierenden Rassismus übernehmen: Menschen, die als "Nicht-Deutsche" angesehen werden, werden besonders dann diskriminiert, wenn sie als "Türken" oder "Araber" gelten und wegen dieser (angeblichen) Herkunft fortwährend als fremd wahrgenommen werden. So assoziiert die Mehrheitsgesellschaft z.B. eine türkische Herkunft oft automatisch mit Islamzugehörigkeit, die wiederum zunehmend als fremd markiert wird.Institutioneller Rassismus mittels (Nicht-)Staatsangehörigkeit: Laut Birgit Rommelspacher spricht man "von strukturellem Rassismus […], wenn das gesellschaftliche System mit seinen Rechtsvorstellungen und seinen politischen und ökonomischen Strukturen Ausgrenzungen bewirkt, während der institutionelle Rassismus sich auf Strukturen von Organisationen, eingeschliffene Gewohnheiten, etablierte Wertvorstellungen und bewährte Handlungsmaximen bezieht".
Institutionelle Interner Link: Diskriminierung äußert sich in diesem Sinne in der ungleichen Vergabe von sozial begehrten Gütern durch vor allem staatliche und nicht-staatliche Institutionen. Diese können diskriminierende Annahmen inkorporieren und diskriminierende Konsequenzen haben. Das bedeutet, dass die Regeln und Praktiken einer staatlichen und/oder nicht-staatlichen Institution die systematische Ungleichbehandlung und Benachteiligung einer Person oder Personengruppe verursachen können. Die Staatsangehörigkeit als Instrument der institutionellen rassistischen Diskriminierung wurde in der Studie von Çetin (2012) am Beispiel der Lebenspartnerschaftsschließung binationaler Paare behandelt, da gerade in diesem Punkt viele schwule binationale Paare gegen strukturelle und institutionelle rassistische Diskriminierungen und die damit verbundenen bürokratischen Hindernisse kämpfen müssen.
So zeigen die Interviews mit als muslimisch markierten schwulen Männern, dass Diskriminierung nicht nur von einzelnen Personen im Alltag ausgeht, sondern auch vom Gesetzgeber sowie Amtsträger*innen, die die Gesetze umsetzen. Besonders die Interviewten mit eigener Migrationserfahrung, die mit einem deutschen Mann eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingingen und daher ein Aufenthaltsrecht in Deutschland erhielten, erfahren institutionellen Rassismus aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit: Als Drittstaatsangehörige sind sie beispielsweise bezüglich der Freizügigkeit rechtlich schlechter gestellt als EU-Bürger*innen, die für einen Aufenthalt in Deutschland keine Aufenthaltserlaubnis benötigen. Diese Hierarchisierung ist gesellschaftlich wirkmächtig: EU-Bürger*innen werden oft als die präferierten ("guten") Migrant*innen angenommen, während Drittstaatsangehörige weniger erwünscht sind. Das bekommen die Interviewten z.B. auch in Verwaltungen zu spüren, etwa in der Ausländerbehörde während des Visumverfahrens. Zudem begünstigt die Hierarchisierung eine soziale Ungleichheit innerhalb der gesamten Gesellschaft. Binationale schwule Paare, die eine Lebenspartnerschaft schließen wollten, berichten von den damit verbundenen bürokratischen Hürden: so wird der migrantische Partner, der nicht aus der EU kommt, oft verdächtigt, eine Schein-Lebenspartnerschaft einzugehen, was die Beobachtung und im schlimmsten Fall das Zwangsouting durch die Ausländerbehörde zur Folge hat. Obwohl die Behörden darüber informiert sind, dass homosexuelle Lebenspartnerschaften nicht in allen Ländern anerkannt sind, werden Schwule mit eigener Migrationserfahrung häufig gezwungen, ein Ehefähigkeitszeugnis aus dem Herkunftsland vorzulegen. Das kann dazu führen, dass sie sich zwangsweise outen und/oder geoutet werden und sich der Gefahr homophober Diskriminierungen durch Behörden im Herkunftsland aussetzen müssen.Homophobie: Von Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung sind sowohl deutsche als auch nicht-weiß-deutsche Interviewte, in unterschiedlichem Maße, betroffen. Da die Interviewten sich als Schwule definieren, sind sie sowohl in der Gesellschaft insgesamt als auch in ihren Herkunftsgruppen sowie in allen gesellschaftlichen Bereichen und in jeder Phase ihrer Biographie mit Heteronormativität konfrontiert. Während die als muslimisch markierten Schwulen Erfahrungen mit Homophobie sowohl in ihren Communities als auch in der weißen deutschen Gesellschaft machen, berichten auch die weißen deutschen Interviewten von Konflikten, die sie aufgrund ihrer Homosexualität in ihren Familien und in ihrem Umfeld austragen müssen.
Klassenbedingte Diskriminierung: Muslimisch markierte schwule Männer haben oft Probleme, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. So fehlt ihnen der Zugang zu finanziellen und sozialen Ressourcen. Das führt dazu, dass sie sich häufig in einer wirtschaftlichen, sozialen, aber auch rechtlichen Abhängigkeit von ihren weiß-deutschen Partnern befinden. Innerhalb der Partnerschaft ruft dies Ungleichheit und ein Machtgefälle hervor, das in der Beziehung ein ernsthaftes Konfliktpotential darstellt. Davon sind besonders die Interviewten betroffen, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, durch Lebenspartnerschaftsschließungen nach Deutschland einreisen und deren Aufenthaltstitel vom Fortbestand der eingetragenen Lebenspartnerschaft abhängt.
Fazit: Mehrdimensionale bzw. intersektionale Diskriminierungen
Die Analyse der Interviews zeigt, dass mehrdimensionale (intersektionale) Diskriminierungen soziale Tatsachen sind, die in unterschiedlichen Ausformungen viele Lebenssituationen der Interviewten durchdringen. Soziale und ethnisierte Herkunft, tatsächliche oder vermeintliche Religionszugehörigkeit, Staatsangehörigkeit, "nicht-deutsches Erscheinungsbild" und sexuelle Orientierung sind dabei zentrale Achsen der Diskriminierungen. Sie schließen die Betroffenen vom Zugang zu zentralen gesellschaftlichen Ressourcen aus. Diese (u.a. wirtschaftliche) Chancenungleichheit bestimmt wiederum die soziale Lage der Betroffenen. Nicht nur ökonomische Aspekte, sondern auch Heteronormativität, Klassenverhältnisse und kulturelle Hegemonie sind soziopolitische Strukturen, die eng mit Rassismus verwoben sind. Kulturalistischer Rassismus und biologistischer Rassismus greifen ineinander.
Auch wenn die klassenbedingten, rassistischen, kulturalistischen und heteronormativen Machtverhältnisse eng miteinander verflochten sind, wirken alle diese Machtverhältnisse nicht in jeder Situation zusammen, mitunter wechseln sie sich ab. Die verschiedenen Diskriminierungsformen produzieren gesellschaftliche Ausschlüsse, die wiederum