Die Bundeszentrale für politische Bildung hat Ende 2020 den Auftrag vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages erhalten, die Lufthansa-Maschine „Landshut“ in Bildungskontexte einzubinden. Die „Landshut“ war 1977 während des „Deutschen Herbstes“ von Terroristen entführt und nach mehrtägiger Odyssee im somalischen Mogadischu befreit worden. Die in der bpb für den geplanten „Lernort Landshut“ eingerichtete Projektgruppe „Interdisziplinäre Bildung und Vermittlung Landshut“ möchte auf dieser Projektseite Einblicke in ihre Arbeitsprozesse und die verschiedenen Stationen des Projektes geben. Zudem möchten wir mit diesem Online-Angebot die fachlichen Diskurse rund um das Projekt abbilden. Wir verstehen diese Seite dabei nicht als abgeschlossenes Dossier, sondern explizit als „work-in-progress“ – die Inhalte und Angebote wachsen mit dem Projekt „Lernort Landshut“ stetig mit.
Die ehemalige Lufthansa-Maschine „Landshut“ ist als ein zentrales historisches Objekt der jüngeren Zeitgeschichte auf vielfältige Art symbolisch aufgeladen. Die Entführung und anschließende Befreiung der „Landshut“ im Jahr 1977 ist mit ihren Medienbildern Teil des kollektiven Gedächtnis der alten Bundesrepublik Deutschland geworden und steht symbolisch für eine Wehrhaftigkeit der damals noch jungen Demokratie gegenüber extremistischen und terroristischen Bedrohungen von innen und außen.
Acht Jahre lang blieb das Flugzeug nach seiner Entführung noch im Betrieb der Lufthansa, danach wurde es mehrfach weiterverkauft, bis es 2008 auf einen brasilianischen Flugzeugfriedhof nahe Fortaleza (Bundesstaat Ceará) gebracht wurde. 2017 wurde das Flugzeug unter der Federführung des Bundesaußenministers Sigmar Gabriel gekauft und nach Friedrichshafen am Bodensee gebracht. Unter Leitung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien wurden unter der Trägerschaft des Dornier Museums Friedrichhafen Vorschläge zur musealen Präsentation des Flugzeugs erarbeitet und die Standortfrage diskutiert. Seit 2021 ist die bpb mit der Aufgabe betraut, einen Lernort rund um die „Landshut“ zu konzipieren und aufzubauen.
Was plant die bpb?
Aus Sicht der Bundeszentrale für politische Bildung birgt die „Landshut“ großes Potenzial für historisch-politische Bildung und angrenzende Bereiche. Entsprechend des Auftrages der bpb ist beabsichtigt, die „Landshut“ zum zentralen Objekt eines Lernortes der historisch-politischen Bildung zu machen.
Das Projektteam steht am Beginn eines offenen Konzeptionsprozesses. Die Bezeichnung „Lernort Landshut“ ist ein Arbeitstitel, der die Offenheit für unterschiedliche Formen der Auseinandersetzung mit der Geschichte der „Landshut“ und damit verbundener Fragestellungen und Themen der historisch-politischen Bildung unterstreichen soll. Gearbeitet wird dabei in einem interdisziplinären Setting, das Impulse aus verschiedenen Bezugsfeldern der politischen Bildung in die Konzeption des „Lernortes Landshut“ einbezieht, so etwa aus den Bereichen der historischen Bildung, der Public History, aus den Zugängen und Erfahrungen der kulturellen und ästhetischen Bildung, der Museumspädagogik sowie weiterer Bezugswissenschaften.
Ziel ist es, die sich am Objekt entfaltenden Themenbereiche zielgruppengerecht, partizipativ und anhand adäquater Vermittlungs- und Ausstellungsformate aufzubereiten. Zusätzlich soll ein vielfältiges digitales und analoges Bildungspaket erarbeitet werden, das bundesweit und ortsunabhängig zum Einsatz kommen kann. Die auf dieser Projektseite veröffentlichten fachwissenschaftlichen Beiträge sind Teil dieses Pakets – weitere Inhalte und Formate werden in den kommenden Monaten folgen.
Diese Maßnahmen und Angebote wollen das Themenfeld des „Landshut“-Projektes in seiner Mehrdimensionalität und Kontroversität erschließen. Die verdichteten Ereignisse des sogenannten „Deutschen Herbstes“, für die die Entführungsgeschichte im Oktober 1977 exemplarisch steht, bilden dabei den Ausgangspunkt zur Erschließung komplexer Bildungssettings an der Schnittstelle politischer, historischer, kultureller und ästhetischer Bildung.
Konservierung ja – Originalzustand nein
Der substanzielle Erhalt im Sinne konservatorischer und restauratorischer Maßnahmen der Maschine ist zentraler Teil des Vorhabens; dabei soll die komplexe Objektgeschichte der „Landshut" ernst genommen werden und die verschiedenen Zeit- und Materialschichten des Flugzeugs gewürdigt werden. Ausdrücklich nicht beabsichtigt ist die Rekonstruktion eines vermeintlichen „Originalzustandes" des Jahres 1977, da dies sowohl aus didaktischer als auch aus restauratorischer Sicht lediglich Authentizität simulieren würde und je nach Präsentation sogar in Konflikt mit dem Überwältigungsverbot politischer und historischer Bildung stünde. Gleichwohl gilt es eine Lösung zu finden, die allen Zeit- und Bedeutungsschichten der Objektgeschichte der „Landshut" gerecht wird – und damit auch der Zeit der Entführung von 1977 und ihrer Geschichte. Dies ist Teil eines komplexen wissenschaftlichen und didaktischen Konzeptionsprozesses.
Und jetzt?
Seit Februar 2022 verantwortet die Projektgruppe „Interdisziplinäre Bildung und Vermittlung Landshut“ die Umsetzung des Auftrags federführend. Sie koordiniert das Projekt, das in der bpb gleichwohl als fachbereichsübergreifende Querschnittsaufgabe verstanden wird. Einbezogen werden zudem eine Vielzahl externer Akteursgruppen: Von besonderer Relevanz sind dabei die Erfahrungen der ehemaligen Geiseln und der Mitglieder der GSG9. Eine der dringendsten Aufgaben ist es zunächst, einen Standort für den geplanten „Lernort Landshut“ zu finden.
Erste Workshops
(© bpb)
(© bpb)
Im Herbst 2022 fanden die beiden ersten Workshops mit potentiellen Zielgruppen des Lernorts statt. Im Oktober besichtigten Schülerinnen und Schülern gemeinsam mit Zeitzeug/-innen der Landshut-Entführung das Flugzeug und sprachen danach darüber,