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Zum Umgang mit der ehemaligen Lufthansa-Maschine „Landshut“ - Einblick in fachliche Argumente | Lernort Landshut. Der Demokratieraum in Friedrichshafen | bpb.de

Lernort Landshut. Der Demokratieraum in Friedrichshafen Zum Umgang mit der ehemaligen Lufthansa-Maschine „Landshut“ - Einblick in fachliche Argumente Die „Landshut“ am künftigen Ausstellungsort Ein Flugzeug mit Symbolcharakter Die Entführung der „Landshut“ und die Globalisierung Phänomen Flugzeugentführungen Die mediale Darstellung der „Landshut“-Entführung Redaktion Reinigung der „Landshut“

Zum Umgang mit der ehemaligen Lufthansa-Maschine „Landshut“ - Einblick in fachliche Argumente

/ 11 Minuten zu lesen

Alle 12 Mitglieder der beiden beratenden Gremien befürworten die Entscheidung der bpb gegen eine Rekonstruktion der ehemaligen Lufthansa-Maschine „Landshut“. Vier Statements geben Einblick in verschiedene Fachpositionen zum Umgang mit dem Objekt.

Das Wrack der ehemaligen "Landshut" beim Umzug in die zukünftige Ausstellungshalle im Oktober 2024.

Ende 2026 soll der „Lernort Landshut. Der Demokratieraum in Friedrichshafen“ (Arbeitstitel) eröffnen. Die ehemalige Lufthansa-Maschine „Landshut“ wird im Zentrum der künftigen Ausstellung stehen. Die Besuchenden sollen erfahren und selbst aushandeln können, welche Bezugspunkte sich aus den einschneidenden Ereignissen von 1977 und dem späteren Umgang mit dem historischen Objekt für die Demokratie von gestern, heute und morgen ergeben. Der Lernort wird unterschiedliche Perspektiven auf die ehemalige Lufthansa-Maschine „Landshut“ erfahrbar machen. Eine Rekonstruktion eines vermeintlichen „Originalzustandes“ des Jahres 1977 ist nicht beabsichtigt, da diese sowohl aus geschichtsdidaktischer als auch aus restauratorischer Sicht lediglich eine Simulation von Authentizität darstellen würde. Ohne die Ereignisse im Oktober 1977 hätte das Flugzeug jedoch nicht die heutige historische Bedeutung. Daher werden die zeitgeschichtlichen Hintergründe genauso erläutert wie die Entführung und die Befreiung selbst. Die Errichtung dieser vielschichtigen Ausstellung ist eine einmalige Chance in der deutschen Bildungs- und Museumslandschaft.

Alle 12 Mitglieder der beiden beratenden Gremien befürworten die Entscheidung der bpb gegen eine Rekonstruktion der ehemaligen Lufthansa-Maschine „Landshut“. Folgende Personen sind in den beiden beratenden Gremien vertreten:

  • Prof. Dr. Cord Arendes (Universität Heidelberg)

  • Prof. Dr. Anja Besand (Technische Universität Dresden)

  • Prof. Dr. Juliane Brauer (Bergische Universität Wuppertal)

  • Prof. Dr. Giesela Diewald-Kerkmann (Universität Bielefeld)

  • Prof. Lutz Engelke (NeoNext Berlin GmbH)

  • Dr. Claudia Emmert (Zeppelin-Museum Friedrichshafen)

  • Julia Hagenberg (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg)

  • Barbara Höffer (Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf)

  • Dr. Türkân Kanbıçak (im Ruhestand, ehemals Jüdisches Museum Frankfurt/M.)

  • Prof. Dr. Meron Mendel (Direktor, Bildungsstätte Anne Frank)

  • Dr. Rainer Rother (im Ruhestand, ehemals Deutsche Kinemathek)

  • Prof. Dr. Petra Terhoeven (Deutsches Historisches Institut Rom)

Folgende vier Statements geben Einblick in verschiedene Fachpositionen zum Umgang mit dem Objekt:

Prof. Dr. Juliane Brauer, Bergische Universität Wuppertal, Arbeitsbereich Geschichte und ihre Didaktik:
“Der geplante Lernort ‘Landshut’ als ‘Demokratieraum’ wird an einem historischem Objekt exemplarisch erstens die Geschichte der Herausforderung der deutschen Demokratie im sogenannten Deutschen Herbst darstellen; zweitens thematisieren, wie sehr Erinnerungen Gegenstand von Geschichtspolitik und damit nationaler Selbstverständigungsdiskurse im Verlaufe der Zeit sind und drittens daran verdeutlichen, dass Demokratie nicht selbstverständlich gegeben ist, sondern immer einer aktiven Teilhabe bedarf. Für diese Ziele zeitgemäßer historisch-politischen Bildungsarbeit braucht es nicht nur eine evidenzbasierte und zielgruppengerechte kuratorische und museumspädagogische Präsentation der “Landshut”, sondern auch im Sinne des “Demokratieraumes” die Einladung, demokratische Werte als lebendig und partizipativ zu verstehen. Die Entscheidung, die Lufthansamaschine als Objekt in ihrem Gewordensein von 2017 zu konservieren und nicht in den Zustand von 1977 zurückzuversetzen ist folgerichtig und angemessen. Keine wie auch immer scheinbar authentisch hergerichtete Maschine das Leid der Entführten, deren Panik und Todesängste wiederaufleben lassen. Denn dabei handelt es sich um das ganz subjektive Erleben und die Emotionen der unmittelbar Beteiligten, die heutige Besucher*innen weder nachfühlen können (denn der heutige Erfahrungsraum und Erwartungshorizont ist ein anderer als vor 50 Jahren) noch ist es geschichtsdidaktisch sinnvoll, ein solches Hineinfühlen erzwingen zu wollen. Da ein*e Jede*r mit seinen*ihren eigenen mentalen und emotionalen Dispositionen, Wissensbeständen und Erwartungen in eine solche Ausstellung kommt. Die Ängste und das Leid der Überlebenden werden statt dessen deutlich eindrücklicher vermittelt in den gezeigten Zeitzeug*innenberichten, in der medialen Berichterstattung und anderen präsentierten zeitgenössischen Quellen. Die Bilder aus dem Jahr 1977 sind den Zeitgenossen sicherlich bis heute präsent, dennoch sind sie nicht Teil eines gesamtdeutschen kollektiven Gedächtnisses, dafür gehört heute der Deutsche Herbst für einen großen Bevölkerungsanteil, generations- oder migrationsbedingt, nicht zum Kernbestand biographischer Erfahrung. Um so wichtiger ist es, 1977 mit der entsprechenden Vor- und Nachgeschichte nach zeitgemäßen museumspädagogischen Maßstäben zu dokumentieren, zu präsentieren und zu vermitteln: multiperspektisch, multimedial und im Zentrum stehen die Erinnerungen der Betroffenen, so wie es im Ausstellungskonzept der Verantwortlichen vorgesehen ist. Einen historisch-politischen Lernort als möglichst authentische (im Sinne konservierter Emotionen) quasi Zeitkapsel aus der Vergangenheit zu gestalten ist unethisch den Überlebenden und Besucher*innen gegenüber, museumspädagogisch längst überholt und geschichtsdidaktisch eine Sackgasse, da es das historische Verstehen und übersetzen in gegenwärtige demokratische Aushandlungsprozesse eher behindert, als ermöglicht. ....”

Dr. Rainer Rother, bis Mai 2025 Direktor Deutsche Kinemathek:
„Das, was von der „Landshut“ überliefert ist und wie es überliefert ist stellt einen „Überrest“ im Sinne von J.G. Droysen dar. Ein materielles Objekt, das Spuren seiner Geschichte enthält, in unterschiedlicher Form und Verfassung. Es ist ein durch Menschenhand und Naturbedingungen geprägtes Objekt – Träger einer Geschichte, die vielfältige Wendungen kennt. Aber dieser Überrest kann nicht quasi zeitlos den Zustand von 1977 und damit die damaligen Ereignisse repräsentieren. Wohl aber kann das Objekt dazu dienen, vom Überrest ausgehend die mit ihm verbundene Geschichte zu erschließen. Der Überrest fordert daher zum Verstehen auf, nicht zum Erleben. Der „Lernort ‚Landshut‘“ hat die Aufgabe, die Geschichte, in der das Flugzeug entführt, der Kapitän Schumann ermordet, die Passagiere terrorisiert und schließlich vom Einsatzkommando der GSG 9 befreit wurden, den Besuchern verständlich zu machen und in den historischen Kontext zu stellen. Dies beinhaltet nicht zuletzt, die Geschichte des deutschen Linksterrorismus, seine Verflechtung mit antisemitischen palästinensischen Kommandos zu präsentieren. Eine Rückversetzung des Überrestes in einen Zustand, der wie jener von 1977 erscheint – mit der Folge von Neuanstrich, Neubestuhlung, Ersatz späterer Technik durch Elemente aus der Einsatzzeit der Lufthansa-Maschine – zielt offenkundig auf die Umwandlung des überlieferten Artefakts in ein „Denkmal“. Als solches ist es eine Rekonstruktion und zugleich eine Inszenierung, also weder Restaurierung (die nur sichtbar machen bzw. hervorheben kann, was noch erhalten ist) noch ein authentisches Objekt. Gegenüber diesem „Denkmal“ soll das Publikum weniger die historischen Ereignisse verstehen als sich an einem Erlebnisort in der artifiziell geschaffenen Inszenierung in die Situation der von den Terroristen bedrohten hilflosen Opfer einzufühlen. „Spannend wäre für die potenziellen Besucher der Zustand während der gut hundert Stunden, in denen hier deutsche Geschichte geschrieben wurde – die Enge der bestuhlten Kabine, die (meistens) herunter gezogenen Sonnenblenden, die Hitze und Stickigkeit.“ (Felix Kellerhoff) Diese Einfühlung kann aber nur geschehen, wenn aus dem „Überrest Landshut“ etwas anderes würde, nämlich die Imitation einer Boeing 737-200, im optischen Zustand, der “1977“ signalisiert. Dieser Effekt aber könnte mit jeder beliebigen Boeing 737-200 der damaligen Baureihe erzielt werden – tatsächlich sogar einfacher als mittels der Überformung des vorhandenen Objektes. Ob vom Überrest ausgegangen wird oder ob ein Denkmal konstruiert wird macht einen großen Unterschied aus. Denn das, was von der „Landshut“ realiter überliefert ist, das Überbleibsel, ist Ausgangspunkt für Fragen und verschieden Annäherungen – was auch die Reflexion auf die Historisierung des Objektes, der Zuschreibung von Bedeutung einschließen kann. Eine inszenierte „Landshut“ intendiert dagegen eine spezifische Erinnerung und inszeniert das Objekt als einen vermeintlichen Erinnerungsort. Aufgabe der Lernortes sollte es dagegen sein, alle Besucher, nicht zuletzt die Jüngeren, in die Lage zu versetzen, in der „Landshut“ die Geschichte lesen zu lernen, nicht aber etwas zu „erleben“.“

Prof. Dr. Cord Arendes, Professur für Angewandte Geschichtswissenschaft – Public History, Universität Heidelberg:
„Der im Zustand des Jahres 2025 konservierten Boeing 737-200, die zwischen 1970 und 1985 unter dem Namen „Landshut“ für die deutsche Lufthansa im Linien-, das heißt in ihrem Fall sowohl im Passagier- als auch im Frachtbetrieb, im Einsatz war, kommt als technischem (Groß-)Objekt in der Ausstellung im Zusammenhang mit dem „Lernort Landshut“ eine entscheidende Rolle zu: Sie dient unter anderem als ein Filter für die bzw. als ein Transformator der bekannten zeitgenössischen Bilder und Bilderwelten in den Bereich der individuellen Reflexionen der Besucherinnen und Besucher. Um dieser Rolle für ein heutiges Publikum, das größtenteils nicht über eine direkte (Zeit-)Zeugenschaft der Ereignisse im Herbst 1977 verfügt, gerecht zu werden, ist eine bestmögliche Annäherung an den Zustand der Maschine zum Zeitpunkt ihrer Entführung – und mehr kann eine Rekonstruktion/Wiederherstellung nicht leisten – weder in technischer noch aus inhaltlicher Hinsicht notwendig. Motive für eine Rekonstruktion/Wiederherstellung lassen sich nostalgisch, kunst- oder kulturhistorisch, national, ästhetisch, emotional, kommerziell etc. begründen. Der tatsächlich ‚authentische‘ Zustand der Maschine ist allein die heutige Objektüberlieferung als ‚gealtertes Original‘ – alle anderen Präsentationsformen wären zum Scheitern verurteilte Inszenierungen bzw. Nachahmungen einer nicht mehr herstellbaren Vergangenheit. Identität und in gewisser Weise auch Symbolcharakter der ehemaligen „Landshut“ ergeben sich nämlich neben ihrer Entführung im Oktober 1977 auch aus den vielerlei Brüchen die ihre (Objekt-)Geschichte vor und nach 1977, nach 2008 (Stilllegung) und nach 2017 (Rücktransport) bestimmt haben. Prägnant schon in der Formulierung von Carmen Stephan im Magazin der Süddeutschen Zeitung im Mai 2010 auf den Punkt gebracht, wenn die Autorin argumentiert, dass die „Landshut“ nicht, wie Flugzeuge üblicherweise, hauptsächlich aus Stahl, sondern vor allem aus Geschichte bestehe. Abgesehen von den Passagierinnen und Passagieren, den beiden Piloten und den Flugbegleiterinnen sowie den Angehörigen der GSG-9 kennen alle zukünftigen Besucherinnen und Besucher des Lernorts die „Landshut“ der dramatischen Tage zwischen dem 13. und dem 18. Oktober 1977 nicht als ein reales Objekt, sondern nur in ihrer visuell-medialen Darstellung im Bild bzw. als Bild – zeitgenössisch in den Printmedien und Fernsehnachrichten, später zudem aus Doku-Dramen und Spielfilmen. Auch für letztere wurde der Innenraum der Kabine nachgebaut und für Außenaufnahmen auf eine andere Boeing gleichen Typs zurückgegriffen, eine umgestaltete Maschine der Royal Air Maroc, zum Zeitpunkt des Drehs knapp 40 Jahre alt. Nicht nur deshalb ist zu fragen, ob und inwieweit sich das Bild der „Landshut“ nicht schon lange von seinem historischen Hintergrund entkoppelt hat und für die Besucherinnen und Besucher, eines der wenigen bekannten Bilder und damit vor allem eine Chiffre darstellt, in der sich der Herbst 1977 verdichtet. Eine direkte Wiederankoppelung von Gedächtnis und Erfahrung kann es nur für den Kreis der direkt von der Entführung Betroffenen geben. Aber auch hier kann das Re-Konstruierte, schon aus systematischen Gründen, niemals deckungsgleich mit einem in der Vergangenheit abgeschlossenen Artefakt sein. 1977 ein Kind und mit den Bildern der „Landshut“ konfrontiert gewesen zu sein, das heißt zuerst einmal, die Ereignisse wahrgenommen zu haben – nicht unbedingt aber eine Haltung zu ihnen entwickelt haben zu können. Somit ist die „Landshut“ für viele zukünftige Besucherinnen und Besucher vor allem das, was bereits veröffentlicht wurde und damit öffentliches Wissen ist. Und diesen unter Umständen sehr engen Blick gilt es im Rahmen des Lernortes zu weiten und zu vertiefen, indem unter anderem auch der Linksterrorismus, die konkreten innen- wie außenpolitischen Kontexte und vor allem die Lebensbiografien der entführten Geiseln in den Mittelpunkt gestellt werden. Dabei hilft neben einer größeren zeitlichen Distanz auch ein (Groß-)Objekt, das in der Lage ist, Reflexion(en) zu ermöglichen: das heißt, Voraussetzungen für eine umfassende Einordnung, in jedem Fall aber einen Freiraum für eine eigene Beurteilung zu schaffen. Die von verschiedenen Stimmen vermutete „Strahlkraft“ eines vermeintlichen Originals steht diesen Anforderungen aus didaktischer und gestalterischer Sicht eher entgegen. Schon vor beinahe 25 Jahren (Mai 2001) hatte Jost Kaiser im Magazin der Süddeutschen Zeitung von der „Landshut“ als einem Gegenstand gesprochen, der zu einem Symbol wurde und dann wieder zu einem Gegenstand. Und dieser Gegenstand – in seiner heute materialisierten Form – lässt so etwas wie einen reinen ‚Schauwert‘ in den Hintergrund rücken: Zugunsten einer plastisch greifbaren, die verschiedenen Vor- und Nachgeschichten der Entführung und damit auch die zweite, geschichtskulturelle Geschichte der „Landshut“ sowie eine breite historische Kontextualisierung, umfassenden Darstellung. Das ‚Überleben‘ der „Landshut“ als musealem Objekt basiert nicht zuletzt auf einer gewissen Ent-Kontextualisierung. Vergangenheit wird vor allem in der Erinnerung rekonstruiert – die Herstellung einer Illusion des Originals hilft der Erinnerung aber wenig weiter: Objekte/Artefakte werden zu Emblemen, das heißt ihre Präsenz und ihre Repräsentanz decken sich nicht (mehr). Eine Re-Konstruktion als Übersetzung und Interpretation verweist am Ende aber nicht auf technische Fragen, sondern auf die genuine Tätigkeit von Historikerinnen und Historikern.“

Prof. Dr. Petra Terhoeven, Direktorin Deutsches Historisches Institut Rom:
„“Restaurieren” kann man nur etwas, was noch erhalten ist und sich wieder zum Vorschein bringen lässt. Von der ursprünglichen ‚Landshut’ aber ist so gut wie nichts übrig. Den Nutzern des Flugzeugs war dessen besondere Geschichte nach 1977 eben keine besondere Behandlung wert. Das ist ganz typisch für den damaligen Mangel an Sensibilität dafür, welch tiefgreifenden Folgen die Entführung für die Betroffenen, aber auch für unser Gemeinwesen insgesamt gehabt hat. Das kann man heute schlechterdings nicht mehr korrigieren, jedenfalls nicht, indem man durch umfassende nachträgliche Eingriffe – Umlackieren, Neubestuhlen, Auskleiden – eine vermeintlich authentische ‘Landshut’ herstellt, die de facto einen reinen Inszenierungscharakter hätte. Ein solches Unternehmen würde dem historischen Objekt mit seinen vielfachen Gebrauchsspuren gerade nicht gerecht. Wenn es nur darum ginge, einen Eindruck davon zu vermitteln, wie ein Passagierflugzeug der Lufthansa im Jahre 1977 aussah oder wie eng damals wie heute die Sitzreihen waren, könnte man das anhand jeder xbeliebigen Boeing 737 der entsprechenden Baureihe demonstrieren. Von einer ‘gefakten’ Landshut würden sich Besucher zu Recht getäuscht fühlen – eine solche Inszenierung wäre ihrerseits geschichtsvergessen. Aus diesem Grund soll am künftigen Lernort die gesamte ‚Biographie’ des Flugzeugs erzählt werden – bis zu seiner Musealisierung in der Gegenwart. Was 1977 mit und in der ‚Landshut‘ geschehen ist, wird in der Ausstellung selbstverständlich nicht ausgespart, sondern den Besuchern mit Hilfe zahlreicher Originalquellen und Erinnerungsberichte nahegebracht. Auch wenn während der Entführung der ‚Landshut‘ glücklicherweise nur ein Zivilist getötet wurde – Flugkapitän Jürgen Schumann –, haben die Insassen des Flugzeugs dennoch über Tage hinweg ein Ausmaß an Angst und Leid erlebt, das für Außenstehende unvorstellbar bleiben muss. Diese Grenze der Nachvollziehbarkeit müssen erst einmal wir selbst uns bewusst machen, und genau diese gilt es auch in der Ausstellung zu vermitteln. Umso abwegiger sind Überlegungen, man könnte in einer Art Hitzekammer bei 40 Grad und künstlichem Gestank die Erfahrung der ehemaligen Geiseln für heutige Besucher nacherlebbar machen. Ganz abgesehen davon, dass solche Überwältigungsstrategien schon seit vielen Jahren in der Museumspädagogik geächtet sind, kämen sie auch einer Trivialisierung der damaligen Schreckenserfahrung gleich. Genauso wenig auch soll eine unkritische Erfolgsgeschichte der damaligen Terrorismusbekämpfung erzählt werden. Gerade der Blick auf das Schicksal der Betroffenen, die nach der Entführung mit ihren vielfältigen Problemen völlig allein gelassen wurden und einen erschreckenden Mangel an staatlicher Verantwortungsübernahme erlebten, verbietet eine ungebrochen positive Sicht auf die Ereignisse, auch wenn glücklicherweise alle Geiseln schließlich befreit werden konnten. Deshalb sollen die Geschichten und Erinnerungen dieser Menschen selbst zum Kern der zukünftigen Ausstellung werden. Das bpb-Team arbeitet eng mit allen Betroffenen zusammen, die dies wünschen. Es handelt sich naturgemäß um eine sehr heterogene Gruppe, die auch in der Rekonstruktionsfrage nicht nur eine Auffassung vertritt. Diese unterschiedlichen Stimmen müssen selbstverständlich gehört werden. Dass es um ein Projekt von einer solch hohen Bedeutung für die bundesdeutsche Erinnerungskultur Debatten und Konflikte gibt, ist völlig normal und gehört in einer Demokratie schlicht dazu. Auch der Streit, den wir jetzt erleben, sollte deshalb im späteren ‚Lernort' dokumentiert werden. Schließlich begleiten auch die Mitglieder der beiden beratenden Gremien das Werden der Ausstellung kritisch, verwerfen bestimmte Vorstellungen und machen Vorschläge, wie man es anders und besser machen könnte. Das ist ein manchmal kontroverser, aber immer konstruktiver Prozess. Die Ausstellung wird am Ende immer ein Kompromiss zwischen verschiedenen Interessen und Sichtweisen sein. Am Ende steht dann hoffentlich ein ‘Lernort’, der dem Geschehen angemessen ist und mit dem sich möglichst viele Betroffene identifizieren können. Sie warten schon viel zu lange darauf.“

Fussnoten

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