Mit Sachbeschädigung gegen das System? – Legitimationsfragen linker Militanz
Was genau versteht man eigentlich unter linker Militanz und was wollen linke Akteure mit gewalttätigen Aktionen bezwecken? Der Workshop kontextualisierte das Phänomen und fragte nach Legitimationsmustern, Wirkung und Alltagsrelevanz linker Gewalt.
Welche zentralen Akteure, Inhalte und Aktionen werden allgemeinhin mit der linken Szene assoziiert? Diese Einstiegsfrage stellten Nils Schuhmacher und Sebastian Haunss den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der ersten Workshop-Runde. In Form einer Stichwortsammlung ergab sich dabei als zentrales Element die öffentlich wahrnehmbar steigende Zahl destruktiver Gewalthandlungen, sowohl gegen ein nicht klar definiertes Gegenüber (in Form von Sachbeschädigung) also auch in Form direkter, physischer Konfliktgewalt, beispielsweise im Rahmen von Demonstrationen. Die Legitimation dieser Gewalthandlungen fußt dabei offensichtlich weniger auf einer dogmatischen Ideologie und vielmehr einer allgemeinen Wertevorstellung. Versteckte Gewalt in Form von Attentaten und Anschlägen spielt in der allgemeinen Wahrnehmung eine eher untergeordnete Rolle. Diesem subjektiven Verständnis linker Gewalt stellten Schuhmacher und Haunss die Definition aus offizieller Perspektive gegenüber: hier wird ein enger Gewaltbegriff angewandt, der die personale, physische und reguläre Gewalt im Sinne von Gewaltkriminalität meint. Zentrales Erfassungsinstrument für Fälle linker Gewalt ist die PMK-Statistik (politisch motivierte Kriminalität), die Vorwürfe linker Kriminalität erfasst und bewertet. Hierbei gilt zu beachten, dass es sich um eine Erfassung der Anschuldigungen handelt, nicht jedoch eine verlässliche Datenbank rechtskräftiger Urteile; entsprechend gibt es keine Nachweise für die Stichhaltigkeit der Tatvorwürfe.
Doch welche Strategien verwenden linke militante Gruppen zur Mobilisierung gegenwärtiger und neuer Mitglieder und wie werden diese Strategien mit Legitimationsansätzen linker Gewalt verknüpft? Exemplarisch wurden dazu vier Videos verschiedener linker Gruppen analysiert und im Kontext der Legitimierung eingeordnet.

Die Betrachtung der drei Beispielvideos zeigt die Komplexität der Debatte: die Legitimationsstrategien der linken Szene sind extrem unterschiedlich und vielfältig. Je nach Zielgruppe, Kontext und Inhalt rückt die unmittelbare körperliche Gewalt (als Reaktion auf rechte oder Polizeigewalt) oder die Sachbeschädigung als extremes Protestmittel in den Fokus. In vielen Fällen findet dabei eine Verharmlosung, Rechtfertigung oder Selbstironisierung der Militanz und auch der eigenen Gewalt statt. Bei etwaigen Präventionsansätzen sollten entsprechend die verschiedenen, inhaltlichen Ebenen nicht vernachlässigt werden, die häufig die Grundlage einer Legitimationsstrategie bilden. Dies erfordert eine vorsichtige Differenzierung mit Blick auf Kommunikationsstrategien, Wertekonzepte und Inhalte, die einer Verallgemeinerung des linken Gewaltbegriffs gegenüberstehen.
Das irreguläre Beispiel der "Schlacht um die Oberbaumbrücke", bei der sich ehemals militante Gruppen aus Friedrichshain und Kreuzberg friedlich mit Essen bewerfen, zeigt zudem einen Übergang von aggressiver Straßenmilitanz in Populärkultur, bei der die Militanz spielerisch fortgesetzt wird. Hier verschwimmen die Grenzen und auch die ideologischen Begründungen ausgeübter Militanz.
Referenten:
Dr. Nils Schuhmacher, Hochschule Esslingen
PD Dr. Sebastian Haunss, Universität Bremen
Moderation: Martin Langebach, Bundeszentrale für politische Bildung