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Der schwierige Weg nach Amerika | Danach – Der Holocaust als Erfahrungsgeschichte 1945 – 1949 | bpb.de

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Der schwierige Weg nach Amerika

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"There was no liberation without emigration" – das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Befreiung der Konzentrationslager waren nicht für alle eine Befreiung im umfassenden Sinne. Viele jüdische "Displaced Persons" (DP) verharrten teilweise mehrere Jahre wartend in DP-Lagern, um endlich eine Einreisegenehmigung für die Vereinigten Staaten von Amerika zu erhalten. Denn wirklich "befreit" werden konnten Holocaustüberlebende nur durch Auswanderung aus Europa – einem Ort, in dem gewalttätiger Antisemitismus nach dem Krieg immer noch allgegenwärtig war.

Françoise S. Ouzan bei ihrem Vortrag "Aus den DP-Lagern nach Amerika; Erfahrungen jüdischer Überlebender". (© Oliver Feist / buero fuer neues denken)

Mit ihrem Vortrag "Aus den DP-Lagern nach Amerika; Erfahrungen jüdischer Überlebender" knüpfte die Wissenschaftlerin Françoise S. Ouzan an den Themenkomplex des gestrigen Panels "Displaced Persons – Flüchtlinge – Zwangsmigration" an. Ouzan forscht am Goldstein-Goren Research Center an der Universität von Tel Aviv zu den Schwerpunkten Antisemitismus, Vertriebene und US-amerikanisches Judentum. Ihre aktuellen Forschungserkenntnisse basieren größtenteils auf schriftlichen Zeugenaussagen und Memoiren aus US-amerikanischen Archiven. Ergänzt wurden sie durch zahlreiche Interviews mit Holocaustüberlebenden.

"The American Experience"

Ouzan stellte gleich zu Beginn ihres Vortrages drei zentrale Aspekte der Emigration von jüdischen "Displaced Persons" nach Amerika vor. Als ersten Punkt führt sie an, dass die "amerikanische Erfahrung" der Überlebenden schon vor der legalen Auswanderung nach Amerika begonnen habe. Die ersten Erfahrungen wurden durch die Kontakte mit amerikanischen Soldaten in den Besatzungszonen gesammelt. Das Mitgefühl der Amerikaner, ganz gleich ob Soldaten, Rabbiner, Musiker oder Schauspieler, hatte einen sehr großen Einfluss auf die Überlebenden und verstärkte die Motivation, ihre Heimatländer zu verlassen. Die positive Konnotation von Amerikanern und den USA zeigte sich auch nach dem Pogrom von Kielce (Polen) 1946 – es kam zu einem Exodus in die amerikanischen Besatzungszonen, der mit der Hoffnung einer vereinfachten Emigration in die USA verbunden war.

Wohin Auswandern?

Den zweiten Punkt ihrer Ausführung bezieht Ouzan auf die Tatsache, dass gewalttätiger Antisemitismus in Europa weiterhin allgegenwärtig war. Die zentrale Frage der Auswanderungswilligen war folglich: Wohin auswandern? Eine Meinungsumfrage in den DP-Lagern bestätigte, dass 90 Prozent der jüdischen "Displaced Persons" Palästina als Auswanderungsziel präferierten. Die Realität war jedoch voller komplizierter bürokratischer Hürden und so war es manchmal schwieriger eine Bescheinigung für die Einreise in das britische Mandatsgebiet Palästina zu bekommen, als ein Visum für die Vereinigten Staaten von Amerika.

Truman und die restriktive Einwanderungspolitik der Vereinigten Staaten von Amerika

In ihrem dritten Punkt betonte Ouzan ihre kritische Haltung gegenüber Harry S. Truman. Bereits im September 1945 wurde der Harrison Report veröffentlicht, ein Report, der über die schwierige Lage der "Displaced Persons" in den DP-Lagern berichtet und sich insbesondere an Truman richtete. Laut Ouzan habe Truman trotz der Kenntnis über die Probleme der jüdischen "Displaced Persons" an den restriktiven Einwanderungsbestimmungen und Zuwanderungsquoten von 1924 festgehalten. Flüchtlinge aus Ost-Europa wurden vor allem als Kommunisten wahrgenommen und Juden wurden bei der Einwanderung nicht bevorzugt. Erst nach vier Jahren mühsamer Debatten wurden die Einreisebestimmungen gelockert. Die Immigration wurde fortan als "ideologische Waffe" konzipiert und zum Kampf gegen den Kommunismus eingesetzt. Die ursprünglich humanitären Faktoren wurden immer mehr von außenpolitischen Überlegungen überschattet.

Jüdische Kultur in der neuen Welt

Ouzan betonte, dass eine klare Definition der jüdischen "Displaced Persons" schwer ist. Dennoch haben durch die Liberalisierung der amerikanischen Einwanderungspolitik circa 140.000 jüdische Überlebende der Shoah die neue Welt erreicht. Die jüdische Kultur der neuen Einwanderer spiegelte sich vor allem in deren Sprache und Traditionen wieder. So entstand ein Mikrokosmos jüdischen Lebens nach dem Vorbild der alten Heimat. Trotz der emotionalen Bindung zu ihren Heimatländern wirkte sich die große Dankbarkeit gegenüber den Amerikanern identitätsstiftend aus. Sie wurde zum Ausdruck ihrer neuen amerikanisch-jüdischen Identität.

Der komplette Vortrag im Video: