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Bundestagswahl 2013 im Netz | Bundestagswahl 2013 | bpb.de

Bundestagswahl 2013 Editorial Regierungsbilanz: Politikwechsel und Krisenentscheidungen Angela Merkels Sieg in der Mitte Strategie zählt Wie Grüne und Piraten den Zeitgeist verloren Bundestagswahl im Netz Wahlbeteiligung und Nichtwähler "Koalitionspolitik" vor und nach der Bundestagswahl

Bundestagswahl 2013 im Netz

Kathrin Voss

/ 13 Minuten zu lesen

Während der Online-Wahlkampf zur Bundestagswahl 2009 geprägt war von der Euphorie, die durch den Obama-Wahlkampf nach Deutschland herüber geschwappt war, ist der Online-Wahlkampf 2013 in mancherlei Hinsicht in der Normalität angekommen. Inzwischen sind 77,2 Prozent der Erwachsenen in Deutschland online, 2009 waren es noch 67,1 Prozent. Gleichzeitig stieg die Zeit, die die Deutschen online verbringen, an. 2013 lag sie bei 169 Minuten täglich, 2009 waren es noch 136 Minuten. Entsprechend wurde dem Online-Wahlkampf 2013 von den Parteien eine große, allerdings keine wahlentscheidende Bedeutung zugemessen. Diese realistischere Betrachtung der Möglichkeiten im Netz basierte vor allem auf den Erfahrungen von 2009. Damals konnten die Parteien längst nicht so viel Zugriffe auf ihre Webangebote verzeichnen wie erwartet, und nur ein Drittel der Wählerinnen und Wähler informierte sich überhaupt online über den Bundestagswahlkampf. Insofern war das Internet 2013 für die Parteien ein Kanal für Wahlkampfaktivitäten neben anderen. Von der eigenen Webseite über Angebote in sozialen Netzwerken, YouTube-Kanälen und Tumblr-Blogs bis hin zu eigenen Community-Seiten war auf den ersten Blick alles vertreten, was im Internet heute möglich ist. Während jedoch 2009 auf den Webseiten fast aller Parteien direkt und deutlich auf die vielen anderen Online-Kanäle hingewiesen wurde, waren 2013 Verlinkungen auf externe Seiten nahezu versteckt. Gleich geblieben ist die starke Personalisierung, die wie schon 2009 fast alle Webaktivitäten der beiden großen Parteien prägte. Allen voran setzte die CDU voll und ganz auf Angela Merkel, so sehr, dass man auf ihrer Webseite den Hinweis auf die Partei leicht übersehen konnte.

Wahlkampf im Social Web – Dialog mit den Wählern?

Unter den Online-Aktivitäten der Parteien gab es eine ganze Reihe von Formaten, die die Chance für einen Dialog mit den Wählern boten. Wer aber etwas genauer hinschaute, musste feststellen, dass die Parteien wie schon 2009 die Online-Kommunikation in erster Linie nutzten, um eigene Botschaften zu verbreiten. Ein Dialog mit den Wählern kam nur selten zustande – trotz gegenteiliger Ankündigungen im Vorfeld. Parteivertreter machten in einer Studie deutlich, dass sie das Internet vor allem als Distributionskanal für Informationen ansehen. Sie stimmten zwar zu, dass die Partizipationsmöglichkeiten ein wesentlicher Mehrwert der sozialen Medien sind, trotzdem werden Twitter und Facebook vor allem genutzt, um auf Pressemitteilungen und Veranstaltungen hinzuweisen und gelegentlich Themen zu kommentieren. Nur ein Teil der Befragten thematisierte, "dass Feedback und Kritik in den sozialen Medien in einem nennenswerten Umfang intern diskutiert werden und gegebenenfalls zu Ausschlusshandlungen führen."

Soziale Netzwerke

Diese Tendenz spiegelt sich auch in den eigentlich dialogorientierten Online-Auftritten wieder. So waren alle Parteien auf den verschiedenen sozialen Netzwerken vertreten, allen voran auf Facebook, das mit gut 26 Millionen Nutzern in Deutschland inzwischen die unangefochtene Nummer eins bei den sozialen Netzwerken ist. Dort war die Piratenpartei mit über 88.000 Fans die erfolgreichste Partei, gefolgt von der erst im Februar 2013 gegründeten Alternative für Deutschland (AfD) mit über 86.000 Fans. Erst dann folgten die anderen Parteien. Bei den Spitzenkandidaten konnte Bundeskanzlerin Angela Merkel siebenmal mehr Fans auf Facebook verzeichnen als der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Als zweites soziales Netzwerk hat sich Google+ im Repertoire der Wahlkämpfer etabliert.

Alle sozialen Netzwerke wurden allerdings von den Parteien und den Spitzenkandidaten vornehmlich genutzt, um auf Wahlkampfveranstaltungen hinzuweisen und – oft parallel zur Nachrichtenlage – Beiträge zu verschiedenen Themen zu publizieren. Ein Dialog fand jedoch kaum statt. So diskutierten die Nutzer zwar zum Teil miteinander, aber überwiegend ohne Reaktionen der Parteienvertreter zu bekommen. Auch blieben die Facebook-Auftritte von Angela Merkel und Peer Steinbrück, aber auch die der Parteizentralen von CDU und SPD, weitestgehend unmoderiert. So fanden sich dort neben den wahlkampforientierten Kommentaren von Anhängern und Gegnern auch viele unsachliche Kommentare, Werbeaussagen für andere Parteien und Beleidigungen. Noch bei der letzten Bundestagswahl wurden Kritik und themenfremde Posts schnell gelöscht. 2013 blieben sie sehr oft unmoderiert online. Bei den parteieigenen Blogs sah es nicht viel besser aus. Hier hielt sich die Zahl der Beiträge in überschaubaren Grenzen, und die Zahl der Kommentare tendierte gegen Null.

Eigene Communities ohne Leben

Neben den sozialen Netzwerken gab es auch einige der zum Wahlkampf 2009 nach US-Vorbild gelaunchten Partei-Communities, die auch wieder für Nicht-Mitglieder zugänglich waren. Aber sowohl die Möglichkeiten als auch die Resonanz ließen auf den meisten Plattformen zu wünschen übrig. Die SPD hatte ihre Community-Plattform meineSPD.net aus dem Bundestagswahlkampf 2009 kurz danach beendet und startete im April 2013 unter mitmachen.spd.de eine neue Plattform. Auf der sollte die Wahlkreisarbeit koordiniert und der Wahlkampf vor Ort organisiert werden. Außerdem sollten darüber interessierte Nicht-Mitglieder eingebunden werden – ganz nach dem Vorbild der Community-Webseite des US-Präsidenten Barack Obama, wie einer der Wahlkampfmanager erklärte. Doch diese und ähnliche Plattformen anderer Parteien waren zwar wie die Obama-Community für jeden offen, aber die Resonanz und Aktivitäten waren keinesfalls vergleichbar. Die Wahlkampfmanager selbst waren offenbar zufrieden, sie fanden, dass ihnen "eine ‚solide‘ Bespielung der unterschiedlichen Social-Media-Kanäle durch die Parteien (…) gelungen" sei.

Die Zahl der angemeldeten Unterstützer in den Nicht-Mitglieder-Bereichen war eher gering und die Interaktionen blieben meist überschaubar. Selbst eine Woche vor der Wahl gab es beispielsweise bei der SPD für viele Wahlkreise noch keine Teamer, also Ansprechpartner für die Nicht-Mitglieder. Auch fehlte es an organisierten Aktionen, die Nicht-Mitglieder hätte unterstützen können. Selbst auf Wahlkampfveranstaltungen des Kanzlerkandidaten Steinbrücks im Wahlkreis wurde nicht hingewiesen. Nicht viel anders sah es auf den Seiten der CDU aus, die ihre Community "TeamDeutschland" aus dem Wahlkampf 2009 fortgeführt hatte. Auch FDP, die Linke und die Grünen boten Communities beziehungsweise Mitmach-Bereiche auf ihren Webseiten an, auf denen man sich für Wahlkampfaktionen online melden oder per Newsletter über Wahlkampfveranstaltungen informieren lassen konnte.

Dialog-Ansätze

Einige Dialoge mit den Wählern im Netz gab es dann aber doch. Die SPD versuchte es beispielsweise mit einer Twitter-Townhall, bei der jeder unter dem Hashtag #fragpeer über Twitter Fragen stellen konnte. Peer Steinbrück antwortete dann eine Stunde lang im Livestream und über seinen Twitter-Account beziehungsweise ließ seine Mitarbeiter die Antworten dort tippen. Die wenigen Antworttweets ließen bei den Nutzern jedoch Unmut aufkommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel nutzte Hangout, den Video-Chat von Google, der ebenfalls im Livestream übertragen wurde. Sie sprach aber nur mit wenigen ausgewählten Bürgern. Die Grünen setzten wie schon 2009 im Schlussspurt des Wahlkampfes auf ihre Aktion "3 Tage wach". Die letzten 72 Stunden vor dem Wahltermin konnten interessierte Bürger über eine Webseite Fragen zu allen Themen stellen. Über 7.000 Fragen kamen zusammen. Neben grünen Kernthemen wie Energie und Tierschutz ging es vor allem um das umstrittene Steuerkonzept und den Skandal um pädophile Strömungen in der Frühphase der Partei.

Twitter oder die Angst vor dem Shitstorm

Der Online-Wahlkampf war aber nicht nur geprägt von den Aktivitäten der Parteien selbst. Twitter beispielsweise bestimmte mehr als einmal die – vor allem auch mediale – Wahrnehmung von Ereignissen. Zu Beginn des Wahljahres sorgten Steinbrücks sogenannte Wohnzimmergespräche für Gesprächsstoff. Geplant waren Besuche bei "normalen" Bürgern zu Hause, doch diese entpuppten sich beim ersten Wohnzimmergespräch als die Eltern einer ehemaligen SPD-Mitarbeiterin. Diese Panne sorgte erst unter dem Hashtag #Eierlikörgate für Hohn und Spott auf Twitter und anschließend in den Medien. Ebenfalls im Januar 2013 entfachte Rainer Brüderle von der FDP durch eine Bemerkung zur "Oberweite" einer "Stern"-Journalistin unter dem Hashtag #aufschrei eine Debatte zum Thema Sexismus auf Twitter und in den klassischen Medien. Mit einer ganz anderen Art von Twitter-Problematik kämpfte Steinbrück dann im Juni 2013, als der sprunghafte Anstieg der Follower-Zahlen erst den Verdacht aufkommen ließ, die SPD hätte Follower gekauft, bevor die Partei klarstellte, sie selbst habe die vielen Fake-Accounts bei Twitter gemeldet. Ebenfalls im Juni 2013 zeigte eine Aussage der Bundeskanzlerin, wie schnell Twitter einen einzelnen Satz zu einer Nachricht machen kann. Beim Besuch des US-Präsidenten Obama in Berlin antwortete die Kanzlerin auf der gemeinsamen Pressekonferenz auf eine Frage zum NSA-Abhörskandal mit dem Satz: "Das Internet ist für uns alle Neuland." Dies verbreitete sich über Twitter rasend schnell. Was folgte, war ein Sturm von Spott und Häme im Netz, der schnell auch Eingang in die Berichterstattung der Massenmedien fand und nahezu alle weiteren auf der Pressekonferenz angesprochenen Themen verdrängte.

Second-Screen – TV-Duell online

Twitter war während des ganzen Wahlkampfes immer mal wieder Thema in den klassischen Massenmedien. Der Höhepunkt war allerdings das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück. Das wurde nicht nur auf vier Sendern gleichzeitig übertragen, sondern auch online auf den verschiedensten Kanälen begleitet und analysiert. Vor allem die großen Medien boten spezielle Online-Angebote parallel zum TV-Duell an und griffen vielfach auf Twitter-Meldungen zur Kommentierung zurück. Auf Tagesschau.de konnten die Nutzer den Live-Stream direkt kommentieren. Der "Spiegel" bot schon vor dem TV-Duell einen Vergleich der Anzahl der Tweets, kommentierte während des TV-Duells das Geschehen und überprüfte die von Kanzlerin und Kandidaten verwendeten Zahlen mit schnell recherchierten Zahlen und Grafiken. Die Wochenzeitung "Die Zeit" wiederum forderte ihre Leser auf, mit entsprechenden Hashtags die Kandidaten direkt auf Twitter zu bewerten. Die "Bild"-Zeitung stellte eine Art Barometer zum gleichen Thema auf die Startseite. Auch die Parteien selbst kommentierten online das TV-Duell – auf Twitter und Facebook. Dort verwies die CDU beispielsweise zu den jeweils angesprochenen Themen im Duell immer wieder auf die eigene Fakten-Webseite.

Auch im Anschluss an das TV-Duell spielte Twitter eine Rolle in der Berichterstattung. Einen erstaunlich hohen Stellenwert bekamen dabei Tweets über die schwarz-rot-goldene Kette der Bundeskanzlerin. Das lag sicherlich auch daran, dass jemand einen Twitter-Account unter @schlandkette dafür einrichtete und damit auf Anhieb 6.000 Follower generieren konnte. Daneben wurde in den Massenmedien vor allem die Zahl der Tweets zu den beiden Politikern miteinander verglichen und als Bewertungsmaßstab herangezogen. Dabei ist Twitter aufgrund der insgesamt in Deutschland eher geringen aktiven Nutzerschaft alles andere als repräsentativ, selbst wenn in den 90 Minuten mehr als 173.000 Tweets mit dem Hashtag #TVDuell verschickt wurden. "Spiegel"-Journalist Ole Reißmann errechnete, dass nur 36.000 Twitter-Nutzer über das TV-Duell diskutierte, was gerade mal 0,058 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung entspricht. Zudem twitterten viele Politiker Lobeshymnen auf ihren Kandidaten, was von anderen Nutzern abfällig als "Pflichttweets" kommentiert wurde. Die Tweets der Politiker fanden aber kaum Eingang in die mediale Berichterstattung. Das schafften in erster Linie die satirischen Kommentare.

Beobachtung des Wahlkampfes online

Nicht nur beim TV-Duell wurden die Online-Aktivitäten beobachtet, auf einer Vielzahl von Webseiten wurde der Wahlkampf der Parteien im Netz analysiert und verglichen. Teils von Firmen bereitgestellt, die sonst Webbeobachtung für Unternehmen anbieten, teils von Privatpersonen, verschafften diese Webseiten jedem User einen Überblick über die Webaktivitäten der Parteien. Geprägt waren alle Angebote von einen quantitativ vergleichenden Charakter, das heißt die Aktivitäten der Parteien im Netz wurden wie ein horse race fast ausschließlich auf die rein statistischen Werte reduziert. Beispielsweise wurden auf FanpageRadar die Facebook-Aktivitäten der Parteien miteinander verglichen, mit minütlichen Updates zur Menge der Fans, der Posts und der Interaktionen. Auf Bundestwitter.de wurde das Twitterverhalten deutscher Politiker dargestellt, samt Anzahl der Follower, der aktuell wichtigsten Hashtags und aktivsten Accounts. Ähnliches bot das Twitterbarometer, das positive und negative Bewertungen auf Twitter auswertete. Weitere Webseiten berechneten Rankings, erstellten Themenübersichten und packten sie in übersichtliche Grafiken. Auch Google bot in Zusammenarbeit mit politik-digital.de eine eigene Wahlseite an. Dort wurden ebenfalls Informationen zu Parteien, Kandidaten und Wahlkampfthemen dargestellt. Aber auch spezielle Tools wie Google Trends, eine Analyse auf Basis häufig verwendeter Suchbegriffe, kamen zum Einsatz. Das Besondere an diesem Angebot war aber der Anspruch, über das soziale Netzwerk Google+ einen Dialog zwischen Bürgern und Kandidaten herstellen zu wollen. So konnten sich Nutzer in der Rubrik #Debatte in einer virtuellen Stadt bewegen, in der Sprechblasen den Einstieg in verschiedene Themen boten, die dann bei Google+ diskutiert werden konnten. Wie schon bei den anderen sozialen Netzwerken diskutierten hier die Nutzer aber eher miteinander denn mit den Kandidaten oder Parteivertretern. Am Wahltag selbst bot Google die Ergebnisse der einzelnen Wahlkreise über eine Karte an.

Wahlentscheidungs-Tools im Netz

Wer sich vor der Wahl nicht entscheiden konnte, dem standen 2013 eine Reihe von Online-Tools als Informations- und Entscheidungshilfe zur Verfügung. Die bekannteste und sicherlich erfolgreichste Orientierungshilfe war der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung. Seit 2002 soll dieses Online-Tool Bürgerinnen und Bürger helfen, sich über die zur Wahl stehenden Parteien zu informieren, und es erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Wurde der Wahl-O-Mat 2009 über 6,7 Millionen Mal genutzt, so waren es zur Bundestagswahl 2013 über 13,2 Millionen Mal. Nutzer konnten anhand von 38 Thesen aus verschiedenen Politikfeldern herausfinden, welches Parteiprogramm den eigenen Positionen am nächsten kommt.

Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert der Bundeswahlkompass. Auch hier standen Aussagen zu verschiedenen Themen im Mittelpunkt. Zusätzliche Fragen drehten sich um Sympathie und Kompetenzzuschreibung für die Spitzenkandidaten. Außerdem wurde die grundsätzliche Bereitschaft, eine bestimmte Partei zu wählen, abgefragt. Der Bundeswahlkompass erfasste allerdings nur die sieben Parteien, die nach Meinungsumfragen eine Chance auf Einzug in den Bundestag hatten beziehungsweise die in der öffentlichen Debatte besonders vertreten waren. Das Ergebnis wurde den Nutzer am Ende als Grafik präsentiert, die eine Einordnung in die politische Landschaft verdeutlichen sollte.

Ähnliches bietet der ParteieNavi der Universität Konstanz. Auch dort zeigte eine Grafik die Einordnung in die politische Landschaft, aber wie beim Wahl-O-Mat bekam der Nutzer auch gezeigt, mit welchen Parteiprogramm am meisten Übereinstimmungen vorlagen.

Speziell für die Entscheidung über die Direktkandidaten in den 299 Wahlkreisen konzipiert war der Kandidatencheck von Abgeordnetenwatch. Hier konnten Wähler anhand von 24 Thesen herausfinden, welche Einstellung die Kandidaten in ihrem Wahlkreis haben. Die Nutzer kamen über die Eingabe der eigenen Postleitzahl direkt zu den in ihrem Wahlkreis antretenden Kandidaten. Ein Link führte zum Profil der Kandidaten auf abgeordnetenwatch.de, auf dem weitere Information zu finden waren sowie die Möglichkeit bestand, eigene Fragen zu stellen. Bis zum Wahlabend wurde Kandidatencheck fast 600.000 Mal genutzt.

Zusätzlich gab es noch einige themenspezifische Entscheidungshilfen im Netz. So betrachtete der Wahlcheck des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen nur verbraucherpolitische Fragen. Das Netzradar vom Verein Internet & Gesellschaft Collaboratory widmete sich nur netzpolitischen Themen, basierend auf Aussagen aus den Wahlprogrammen, allerdings nur der im Bundestag bereits vertretenen Parteien.

Viel Raum für Satire

Neben den ernsthaften Online-Aktivitäten von Parteien, Medien und anderen Akteuren fand sich im Netz aber auch viel Satire. Fast alle Parteien boten Anlässe für satirische Kommentierungen. Das übergroße Wahlplakat der CDU am Berliner Washingtonplatz, auf dem nur die Hände der Bundeskanzlerin in ihrer typischen Haltung zu sehen war, bekam einen eigenen Tumblr-Blog, in dem jeder satirische Bildmontagen einstellen konnte. Ähnlich erging es auch Christian Ude, Spitzenkandidat der SPD bei den Landtagswahlen in Bayern. Sein Wahlplakat, in dem er im wahrsten Sinne des Wortes ein Wort hält, wurde im Netz ebenso parodiert wie die Plakatmotive der FDP. Ernst gemeint hingegen war der Tumblr der Piratenpartei, die ihre politische Programmatik aber in witzigen Motiven verpackte.

Einen maßgeblichen Anteil am satirischen Charakter des Wahlkampfes im Netz hatte nicht zuletzt die Partei des ehemaligen "Titanic"-Chefredakteurs Martin Sonneborn – "Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative", kurz "Die PARTEI". Sie erregte mit satirischen Antworten im Wahl-O-Mat, mit einem Wahlwerbespot zur Familienpolitik, der aufgrund pornografischer Inhalte von YouTube gelöscht, im Fernsehen aber gezeigt wurde, sowie mit einer "iDemo" Aufmerksamkeit. Bei dieser Art von Demo konnten nach Aussage von Sonneborn die Bürger selbst entscheiden, wofür oder wogegen sie demonstrieren wollen. Auf einer Webseite konnte jeder Forderungen und Wahlslogans eintragen, die dann auf diversen Tablets bei einer Demonstration in Berlin vor dem Brandenburger Tor gezeigt wurden. Am Ende waren es nach Angaben der PARTEI über 25.000 Botschaften.

Bis auf solche amüsanten Randerscheinungen war der Online-Wahlkampf 2013 insgesamt aber wenig innovativ und geprägt vor allem von nicht ergriffenen Chancen, das Internet als Kommunikationskanal für einen echten Dialog mit den Wählern zu nutzen.

Dr. phil., geb. 1974; selbstständige Beraterin, spezialisiert auf den Non-Profit-Bereich, berät vor allem NGOs, Verbände und Behörden bei ihren Online- und Kommunikationsaktivitäten E-Mail Link: kv@kathrinvoss.de