Weltordnung vor dem Zerfall?
Zwei Perspektiven
Fazit
Die Erosion der Nachkriegsordnung setzt sich fort, ohne dass sich eine klare Alternative abzeichnet. Der Reflex, Vergleiche anzustellen, wenn wir mit Ungewissheit konfrontiert werden, ist fest in uns verankert. Die gegenwärtige Un-Ordnung aber durch die Brille des Kalten Krieges betrachten zu wollen, ist unangebracht: Eine Strategie, die darauf ausgelegt war, einem einzelnen Widersacher entgegenzuwirken, dürfte von nur geringem Wert sein, wenn es darum geht, ein Spektrum geografisch und thematisch diffuser Herausforderungen anzugehen, vor allem angesichts der bedeutenden Rolle nichtstaatlicher Akteure und von Informationstechnologien bei der Festlegung politischer Prioritäten. Kein Geringerer als George Kennan, Architekt der Eindämmungspolitik, warnte 1994 in der "New York Times", die US-Außenpolitik nach dem Kalten Krieg gerate auf Abwege, wenn sie darauf ziele, eine "in hohem Maße unstete und instabile Welt" mithilfe eines Nachfolgemodells ihrer "Fixierung auf die Sowjetunion" zu erfassen.
Die unbequeme Wahrheit ist, dass es wenig Rat für das Navigieren durch das derzeit unsichere Fahrwasser gibt. In der Geschichte hat es häufig umwälzender Ereignisse bedurft, um neue Epochen geopolitischer Ordnung einzuleiten – der Dreißigjährige Krieg, die Französischen Revolutions- und Napoleonischen Kriege sowie die beiden Weltkriege. Bleibt zu hoffen, dass die Nachkriegsordnung stattdessen durch weitblickende Staatskunst mit neuem Leben erfüllt wird.
Übersetzung aus dem Amerikanischen: Peter Beyer, Bonn.