Jugendmedienschutz und digitale Spiele
Perspektiven
Ohne Frage: In den vergangenen Jahren haben sich nicht nur neue Herausforderungen für den Jugendmedienschutz ergeben, sondern es wurden auch Fortschritte erzielt. Hinsichtlich einer zukunftsfähigen Lösung hat die USK mit dem IARC gezeigt, wie ein internationales System mit Ratings gemäß gängiger Spruchpraxis und ergänzenden Deskriptoren effizient und flexibel funktionieren kann. Was noch fehlt, ist ein anerkanntes Jugendschutzprogramm, das diese Ratings plattformübergreifend auslesen kann.Angesichts der zunehmenden Zahl an zu überprüfenden Spielen und des Erfolges des ohne Gremienentscheid auskommenden IARC-Systems ließe sich die Frage stellen, ob wir künftig überhaupt noch den leicht manipulierbaren und tagesformabhängigen Menschen bei der Entscheidungsfindung zur Alterseinstufung brauchen – oder ob sein Beitrag nicht durch künstliche Intelligenz zu ersetzen ist. Denn während eine Entscheidungsmatrix täglich unzählige Produkte kennzeichnen kann, sind Gremien kaum in der Lage, die Masse an Neuerscheinungen zu prüfen, jedenfalls nicht ohne erheblichen finanziellen Aufwand. Doch insbesondere bei neuartigen Entwicklungen, digitalen Spielen mit einer hohen Jugendschutzrelevanz oder Inhalten, die neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder Gesetzesänderungen tangieren, müssen auch weiterhin zwingend Menschen das digitale Spiel im Diskurs beurteilen. Es wird also nur gemeinsam gehen: Gremium und Selbstklassifizierung, Mensch und Algorithmus mit den jeweiligen Vorzügen.
Die Grundlagen gilt es dabei von Zeit zu Zeit neu anzupassen, damit der Jugendmedienschutz der Lebenswirklichkeit Heranwachsender nicht zu weit hinterherhinkt. So könnte etwa überlegt werden, inwieweit die bestehenden Altersspannen noch anschlussfähig sind. Gerade die Jüngeren sind besonders schutzbedürftig, und die Entwicklungsspanne zwischen 6 und 12 Jahren ist enorm. Eine ergänzende Kennzeichnung "freigegeben ab 9 Jahren" könnte hier beispielsweise für bessere Differenzierung sorgen.
Eine funktionierende Alterskennzeichnung allein wird aber auch künftig nicht ausreichen, um Jugendmedienschutz wirksam zu gewährleisten. Während Heranwachsende viel mehr Lern- und Erfahrungsräume zu digitalen Spielen in Schule, Kinder- und Jugendhilfe vorfinden müssen, benötigen auch Eltern mehr und bessere Informationen, was Medienerziehung in der digital geprägten Gesellschaft angeht. Es gibt zwar bereits zahlreiche Initiativen und Projekte wie Eltern-Talks und Eltern-LAN-Partys, aber es werden längst nicht alle Erziehungsverantwortlichen erreicht. Hier wäre ein Ausbau wünschenswert, um Eltern und Jugendlichen weitere Räume zu eröffnen, von Medienpädagoginnen und Medienpädagogen begleitet in den Austausch zu gehen, das Medium Game gemeinsam besser zu verstehen und so letztlich zum Jugendmedienschutz beizutragen.[20]
Gemeinsam mit politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern sollten zudem alle beteiligten Akteurinnen und Akteure Anstrengungen dahingehend investieren, dass der teils aus dem vergangenen Jahrhundert stammende Jugendmedienschutz zeitgemäß novelliert wird, damit er zur heutigen Lebens- und Medienrealität von Heranwachsenden passt. Für Eltern und Jugendliche ist es kaum nachvollziehbar, dass es keine einheitlichen Regeln für verschiedene Verbreitungswege gibt und infolgedessen für populäre Games wie "Fortnite" mitunter unterschiedliche Alterskennzeichen kursieren. Ebenso unverständlich ist, dass sämtliche Spiele als kommentierte Let’s-play-Videos oder Streams ohne Altersverifikation angeschaut werden können, selbst wenn es sich dabei um Videos von Spielen handelt, die in Deutschland nicht verkauft werden dürfen.


Zeitgemäßer Jugendmedienschutz kann nicht ausschließlich durch gesetzliche Regelungen gewährleistet werden, er funktioniert nur im Zusammenspiel von Regulierung und Befähigung und ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Förderung von Medienkompetenz ist ein wirkungsvolles Mittel, um Heranwachsende für die Zukunft zu stärken und sie dabei zu unterstützen, mit Erlebnissen in digitalen Welten verantwortlich, reflektiert und selbstbewusst umzugehen. Hier sind alle gefordert: Politik, Eltern, Schule, Kinder- und Jugendhilfe sowie das gesamte Umfeld junger Menschen.