Toxic Gaming. Rassismus, Sexismus und Hate Speech in der Spieleszene
Videospiele sind eines der beliebtesten Hobbys unserer Zeit. Weltweit spielen etwa 2,3 Milliarden Menschen Spiele auf dem PC, der Konsole oder mobilen Geräten.[1] Allein in Deutschland "zocken" über 34 Millionen Menschen, knapp die Hälfte davon Frauen.[2] Sowohl die dabei genutzten Endgeräte als auch die gespielten Genres sind dabei so vielfältig wie die spielenden Personen selbst. Die Deutschen spielen am häufigsten auf Smartphones, dicht gefolgt von Computern und Konsolen wie der Nintendo Switch, Playstation 4 oder Xbox One. Viele Spiele verfügen mittlerweile über die Möglichkeit, sowohl alleine (Singleplayer) als auch online mit anderen (Multiplayer) zu spielen. Gaming ist also kein so einsames Hobby, wie es lange dargestellt wurde. Gemeinsam mit Gleichgesinnten Zeit in einem Spiel verbringen zu können, ist zu einer wichtigen Option vieler Spiele geworden. Neben Shootern, also Spielen, in denen man primär Feinde abschießen muss, sind Titel mit offenen Spielwelten und der Möglichkeit, diese zu erkunden, sehr beliebt. Simulationen in verschiedenen Varianten, von Sport bis Landwirtschaft, gehören ebenfalls zu den erfolgreichen Gaming-Genres.[3]Obwohl Gaming auch längst ein Phänomen ist, das sich durch alle Altersgruppen zieht,[4] findet es medial vor allem dann Beachtung, wenn es um negative Geschehnisse geht. So zog Anfang 2019 das Spiel "Rape Day" Aufmerksamkeit auf sich, das Vergewaltigungen von Frauen als spielbaren Inhalt vermarktete. Nach einer breiten internationalen Welle der Empörung über die Ankündigung des Spiels auf der Online-Spieleplattform Steam indizierte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien das Spiel im März 2019.[5] Eine tiefere Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden Strukturen, die solchen Sexismus, aber auch andere Erscheinungen wie Rassismus und Hate Speech in Spieleinhalten und Fangemeinschaften begünstigen, findet in der medialen Öffentlichkeit jedoch kaum statt. Entsprechende investigative Reportagen aus dem englischsprachigen Raum sind häufig allein auf Special-Interest-Seiten zu finden und schaffen nur selten den Sprung in die breitere deutsche Berichterstattung. Dabei ermöglichte beispielsweise die US-amerikanische Redaktion der Gaming-Seite "Kotaku" in den vergangenen Monaten mehrere tiefe Einblicke in Arbeitsbedingungen, systematische und teils sexualisierte Grenzüberschreitungen in Spieleunternehmen und legte damit Vorgänge offen, die für ein Verständnis struktureller Diskriminierung wichtig sind.[6] Während vergleichbare Enthüllungen aus der internationalen Automobil- oder Filmbranche in Deutschland wohl für Schlagzeilen sorgen dürften, bleibt die internationale Gaming-Branche vorerst unter dem Radar.
Vor diesem Hintergrund möchte ich mit diesem Artikel einen Beitrag zur Bestandsaufnahme und Differenzierung "toxischer" und diskriminierender Inhalte und Umgangsformen im Gaming-Umfeld leisten. In diesem Kontext werde ich mich nicht nur mit Videospielen an sich beschäftigen, sondern ebenso mit der Spieleindustrie, die diese Inhalte produziert und vertreibt, sowie den vielen Konsumierenden weltweit. Eine strikte Trennung dieser drei Bereiche ist aufgrund der besonderen Nähe von Gaming-Fans und Industrie nicht immer möglich oder sinnvoll. Auch ist eine strikte Unterscheidung zwischen Deutschland und dem Rest der Welt nicht angebracht: Die Welt des Gamings ist international vernetzt, sowohl innerhalb der Spiele selbst als auch auf Plattformen wie Youtube oder Twitch.[7] Die im Folgenden vorgestellten Problemfelder sind dabei notwendigerweise nur exemplarische Ausschnitte.