Wenn von den gesellschaftlichen Umbrüchen 1989/90 und der Deutschen Einheit die Rede ist, finden die Sichtweisen von Migrantinnen und Migranten selten Eingang in die Gedenkfeierlichkeiten und Geschichtsbücher. Dabei änderten sich mit der Friedlichen Revolution und dem Fall der Mauer auch die Lebensbedingungen der Menschen, die als Arbeitskräfte, Studierende oder Schutzsuchende in die Bundesrepublik und in die DDR gekommen waren.
Das Dossier nimmt die Deutsche Einheit aus der Perspektive unterschiedlicher migrantischer Gruppen in den Blick. Dabei liefern die eingebundenen Beiträge und Dokumentarfilme einen Ausschnitt der Situation migrantischer Gruppen Anfang der 1990er-Jahre: Während etwa der Dokumentarfilm "Duvarlar – Mauern – Walls" türkischstämmigen Migrantinnen und Migranten in West-Berlin eine Stimme gibt, skizzieren die Filme "Bruderland ist abgebrannt" und "Wir bleiben hier" die Situation aus Vietnam stammender ehemaliger Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter in Ostberlin kurz nach dem Mauerfall.
Das Dossier wird in Kürze um didaktische Materialien und weitere Beiträge ergänzt.
Filme

Ömer Alkin
"Nobody seemed to care"
Der Dokumentarfilm "Duvarlar – Mauern – Walls" betrachtet, welche Folgen der Fall der Mauer auf den Alltag der türkischen Community in Berlin hatte. Für den Medienwissenschaftler Ömer Alkin ist der Film eine Pionierleistung, da er ein umfassendes Bild über die Auswirkungen von rassistischer Gewalt und Bedrohung in Deutschland zeichnet.

Duc Ngo Ngoc
"Wir würden gerne mitfeiern, aber wurden aufgefordert zu gehen"
Die Dokumentarfilme "Wir bleiben hier" und "Bruderland ist abgebrannt" bilden vietnamesische Perspektiven auf die deutsche Wiedervereinigung Anfang der 1990er Jahre ab. Der Regisseur Duc Ngo Ngoc nähert sich beiden Filmen biografisch.
Videointerview
Can Candan über "Duvarlar – Mauern – Walls"
Im Videointerview erläutert der türkische Regisseur Can Candan die Hintergründe und den politisch-historischen Kontext seines Films.
Aus der Mediathek
Duvarlar – Mauern – Walls
Ein Dokumentarfilm von Can Candan
Ein einmaliges Zeitdokument, das anhand von Gesprächen die Folgen des Mauerfalls für den Alltag türkischstämmiger Berlinerinnen und Berliner in den Jahren nach der Deutschen Einheit beleuchtet.
Ein Dokumentarfilm von Angelika Nguyen
Eine Dokumentation von Dirk Otto
Hintergründe
Patrice G. Poutrus
Vor der Deutschen Einheit. Migrantisches Leben im geteilten Deutschland
Fragen der Einwanderungs-, Asyl- und Flüchtlingspolitik wurden im Lauf der 1980er Jahre in beiden deutschen Staaten einer Neubestimmung unterzogen. Dabei war die DDR-Migrationspolitik geprägt von Homogenitätsvorstellungen der kommunistischen Staatspartei, aber auch von einer Zuspitzung der Versorgungskrise. In der Bundesrepublik wandelte sich die Debatte um das Asylrecht zu einer zentralen innenpolitischen Auseinandersetzung.

Ann-Judith Rabenschlag
Arbeiten im Bruderland. Arbeitsmigranten in der DDR und ihr Zusammenleben mit der deutschen Bevölkerung
Offiziell waren die "ausländischen Werktätigen", die ab den 1960er Jahren in die DDR kamen, "Freunde", die eine Ausbildung erhielten, um anschließend beim Aufbau ihrer Heimat, den sozialistischen Bruderländern, zu helfen. Die Wirklichkeit sah jedoch oft anders aus. Ann-Judith Rabenschlag über Anspruch und Wirklichkeit im Leben der "Gastarbeiter" in der DDR.

Christiane Mende / Paulino Miguel
Mauerfall und Deutsche Einheit aus Perspektive mosambikanischer Migrantinnen und Migranten
Mit der Erosion der DDR befanden sich die in Ostdeutschland lebenden mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter in großer Rechtsunsicherheit. Während viele aufgrund der chaotischen Situation nach dem Mauerfall überstürzt ausreisen mussten, gelang es einem Teil nach langwierigen Auseinandersetzungen dauerhafte Aufenthaltstitel zu erhalten.

Karin Weiss
Zwischen Rückkehr in die Heimatländer und Existenzsicherung vor Ort
Mit der Wiedervereinigung wurde das bundesdeutsche Ausländerrecht ohne Anpassungen auf die Länder der ehemaligen DDR übertragen. Dabei verblieben vor allem ehemalige Vertragsarbeiter in einer ungeklärten und zunächst perspektivlosen Situation.

Marie Mualem Sultan
Migrantenorganisationen in Zeiten der Wiedervereinigung
Die Deutsche Einheit veränderte die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Zugewanderten und ihren Familien grundlegend. Welche Auswirkungen hatten die Transformationsprozesse auf Migrantenorganisationen in Ost und West?
Dossier Migration
Geschichte der Migration in Deutschland
Migration ist ein wesentlicher Teil der deutschen Geschichte. Der Beitrag zeichnet die Entwicklung der Wanderungsbewegungen seit der Gründung des Deutschen Reiches im späten 19. Jahrhundert bis zur Reformation des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 nach.
Spezial
In deutscher Gesellschaft
Was sind Passagen-Werke? Das Online-Spezial In deutscher Gesellschaft gibt Gelegenheit, sich ein vielfältiges Bild davon zu machen, wie in der jüngeren Vergangenheit Filmemacher die Perspektive des Gastes eingenommen und ihre Erfahrungen mit Deutschland, Ost und West, filmisch umgesetzt haben.
Dossier
Lange Wege der Deutschen Einheit
Schockartige Umwälzungen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und persönlichen Lebensumständen: Welche Folgen hatte der Systemumbruch? Und wie verläuft seitdem der Einigungsprozess in Ost und West?
Themenseite
30 Jahre Deutsche Einheit
Über vier Jahrzehnte waren Berlin, Deutschland und Europa geteilt. 30 Jahre nach der Deutschen Einheit wachsen Ost und West weiter zusammen. Gleichzeitig bleiben die Spuren der Teilung bis heute sichtbar – in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Die Themenseite gibt einen Überblick über Angebote zur Deutschen Teilung und Einheit.
Dossier
1961: Anwerbeabkommen mit der Türkei
Am 30. Oktober 1961 schloss die Bundesrepublik ein Anwerbeabkommen mit der Türkei. Heute gehört deutsch-türkisches Zusammenleben zur Alltagsrealität in Deutschland - von Hamburg bis München, von Köln bis Berlin.
Mediathek
Former East / Former West
Berlin Anfang der 1990er Jahre. Kurz nach dem Mauerfall teilen Deutsche aus Ost und West ihre Meinungen zu den Leitworten der Zeit: Heimat, Sozialismus, Kapitalismus, Begrüßungsgeld.