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Der Kampf um das Frauenwahlrecht – auch eine internationale Angelegenheit

Dr. Anja Schüler

/ 7 Minuten zu lesen

Der Kampf um das Frauenwahlrecht musste von den Frauenbewegungen im eigenen Land geführt werden. Aber die frühe internationale Vernetzung der Aktivistinnen war schon früh wichtig für den Erfolg.

Die ausländischen Delegierten in Berlin auf dem Weg zum siebten internationalen Frauen-Stimmrecht-Kongress 1912 in Budapest. Der Kampf um das Frauenwahlrecht war immer auch international. Die Aktivistinnen der Frauenorganisationen trafen sich auf internationalen Kongressen und pflegten eine weitverzweigte Korrespondenz. (© AddF)

Mit den Verordnungen des Rats der Volksbeauftragen unter Leitung des SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert führte Deutschland am 12. 11. 1918 als eine der ersten Industrienationen das Frauenwahlrecht ein. Damit erfüllte sich eine alte Forderung der Sozialdemokratie, die sie bereits 1891, als erste deutsche Partei, in ihr Parteiprogramm aufgenommen hatte. Das Wahlrecht war indessen kein 'Geschenk' der neuen Republik an ihre Bürgerinnen und auch nur bedingt die 'Belohnung' dafür, dass Frauen während des Weltkrieges 'ihren Mann gestanden' hatten. Vielmehr verkündete der Rat der Volksbeauftragten eine generelle Erweiterung politischer Teilhabe, neben dem Frauenwahlrecht die Einführung des Verhältniswahlrechts, die Senkung des Wahlalters und die Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts in Preußen. 1918 blickten deutsche Frauenrechtlerinnen auf die Arbeit zweier Generationen zurück: Das Frauenwahlrecht war seit Mitte des 19. Jahrhunderts aber nur eine von vielen emanzipatorischen Forderungen der Interner Link: Frauenvereine, die sich in der politischen und gesellschaftlichen Aufbruchsstimmung des Vormärz gegründet hatten und neben politischer Partizipation vor allem das Recht auf Bildung und Ausbildung forderten.

Washington 1888: Der Internationale Frauenbund

Der Kampf um das Frauenwahlrecht war allerdings nicht nur eine nationale Angelegenheit – er war auch immer international. Nationale Frauenorganisationen hielten sich gegenseitig über ihre Aktivitäten auf dem Laufenden: Ihre Aktivistinnen trafen sich auf internationalen Kongressen und pflegten eine weitverzweigte Korrespondenz; darüber hinaus berichteten Frauenzeitschriften über die emanzipatorischen Fortschritte in anderen Ländern. Vor allem basierte die internationale Vernetzung der Frauenbewegungen auf den persönlichen Kontakten, die Frauen in internationalen Organisationen knüpften. Die älteste und größte dieser Organisationen war der International Council of Women (ICW), der Internationale Frauenbund, dessen Gründung auf die U.S. Frauenrechtlerinnen Elizabeth Cady Stanton und Susan B. Anthony zurückgeht. Sie reisten bereits 1882 nach England und Frankreich, um eine internationale Vereinigung für das Frauenwahlrecht zu gründen; erst 1888 aber konnten sie diese Idee umsetzen. Der ICW gründete sich auf einer Tagung des amerikanischen Stimmrechtsverbandes in Washington, D.C., hatte aber noch keine Mitglieder, da nur nationale Verbände beitreten konnten, die aber in keinem Land außer den USA existierten. Die Gründung des deutschen Dachverbandes, der Interner Link: Bund Deutscher Frauenvereine (BDF), erfolgte 1896 explizit, um als dritter Verband überhaupt (nach den USA und Kanada) dem ICW beitreten zu können. Der internationale Verband wuchs schnell und hatte am Vorabend des Ersten Weltkrieges 23 Mitgliedsorganisationen, denen zusammen weit über fünf Millionen Frauen angehörten, zumeist in Europa und Nordamerika, aber auch in Argentinien, Australien und Neuseeland.

Der ICW war von Anfang an darauf bedacht, Frauen jenseits der Stimmrechtsbewegung anzusprechen. Sein Gründungsaufruf richtete sich an "alle Frauenverbände der Angestellten und höheren Berufe, an Frauenreformvereine und solche, die politische Rechte fordern." Obwohl die Gründerinnen des ICW aus der US-amerikanischen Stimmrechtsbewegung kamen, standen auf dem zweiten internationalen Kongress des Verbandes 1899 in London andere Themen im Vordergrund: Die ersten beiden ständigen Kommissionen des ICW beschäftigten sich mit der rechtlichen Lage verheirateter Frauen sowie der Rolle internationaler Schiedsgerichte für die Friedenssicherung, ein Thema, das etliche Delegierte bereits als 'zu politisch' ablehnten. Hier zeigte sich schon früh das Dilemma des ICW – der Verband konnte sein Ziel, möglichst viele nationale Verbände unter sein Dach zu bringen, nur verwirklichen, wenn er kontroverse Fragen nationaler Politik, also auch das Stimmrecht, ausklammerte. Dennoch schuf der Verband bereits auf seinem nächsten Kongress 1904 in Berlin zwei weitere ständige Kommissionen, eine zum Thema Prostitution und Doppelmoral und eine zum Thema Frauenstimmrecht und Bürgerrechte – letzteres schien Alice Salomon, einer der Organisatorinnen des Kongresses, als "revolutionär", denn das "Frauenwahlrecht … war eine höchst kontroverse Angelegenheit".

Berlin 1904: Der Weltbund für Frauenstimmrecht

Auf dem Berliner Kongress war das Frauenwahlrecht ein Thema unter vielen, wenn auch eines, dessen "weiteste Verbreitung in extenso wünschenswert" war, wie die Organisatorin Marie Stritt im Vorwort des umfangreichen, mehrsprachigen Konferenzberichts betonte. In der Hauptstadt Preußens, wo es noch vier Jahre dauern sollte, bis Frauen sich überhaupt politisch engagieren durften, konnten sich die Kongressteilnehmerinnen über den Stand der Stimmrechtsbewegungen in Holland, den USA, Neuseeland, Schweden und England informieren. Auch in der letzten öffentlichen Abendversammlung unter dem Vorsitz der BDF-Präsidentin Marie Stritt ging es um das Frauenstimmrecht; mit Carrie Chapman Catt, Anna Howard Shaw, und Susan B. Anthony waren drei der prominentesten US-amerikanischen Aktivistinnen vertreten, und schließlich sprach eine Delegierte aus Neuseeland, wo Frauen 1893 das aktive Wahlrecht erhalten hatten. Damit hatte der ICW die Forderung nach dem Frauenwahlrecht zu einem seiner Kernprogrammpunkte gemacht. Er stellte aber den einzelnen Mitgliedsverbänden frei, das Frauenwahlrecht in ihrem eigenen Land zu fordern oder eben nicht. Auch mischte sich der Verband nicht in die Frage ein, welches Frauenstimmrecht die Mitgliedsverbände forderten – ein allgemeines und gleiches, oder eines, das analog zum jeweiligen Männerwahlrecht ausgeübt werden sollte und somit Beschränkungen nach Besitz oder Bildung unterliegen konnte.

Vorstand des IFB beim Internationalen Frauenkongress 1904. (© Library of Congress, gemeinfrei)

Die Unterstützung des ICW für das Frauenstimmrecht war nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass sich am Rande des Berliner Kongresses 1904 ein weiterer internationaler Verband explizit zur Durchsetzung des Frauenstimmrechts gründete, die International Women’s Suffrage Alliance (IWSA), der Weltbund für Frauenstimmrecht. Anders als der ICW verfolgte die IWSA von Anfang an nur ein Ziel – die Durchsetzung des Frauenwahlrechts in den Mitgliedsländern. Die Zahl der angeschlossenen nationalen Verbände wuchs bis zum Ersten Weltkrieg von den sechs Gründungsmitgliedern auf 26 an. Die Mitglieder des Weltbundes wollten ausschließlich für die Durchsetzung des Frauenwahlrechts arbeiten und gelobten auf dem Kongress 1911, dass auch Verbände aus Ländern, die bereits das Frauenwahlrecht eingeführt hatten, bis zu seiner vollständigen internationalen Durchsetzung weiterkämpfen würden. Aber auch die IWSA wandte sich bald anderen Frauenfragen zu, darunter Themen wie Zwangsprostitution und ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen.

Das Ziel vor Augen: Deutsche und internationale Entwicklungen nach 1908

Die Gründung des Weltbundes für Frauenstimmrecht und der Fall des Preußischen Vereinsgesetzes 1908 führten dazu, dass die deutschen Frauenstimmrechtsvereine kräftig wuchsen und sich effektiver organisierten. In ihrem Protestformen orientierten sich deutsche Aktivistinnen punktuell an den englischen und US-amerikanischen Suffragetten. Insbesondere die Mitglieder des "Bayrischen Vereins für Frauenstimmrecht" unter der Führung der Juristin Interner Link: Anita Augspurg und ihrer Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann verliehen ihren Forderungen nach den Bürgerrechten immer wieder mit für die Zeitgenossen ungewöhnlichen Aktionen Nachdruck. So veranstaltete der Verein in München Demonstrationsfahrten in blumengeschmückten und mit Transparenten bestückten Wagen. An Wahltagen forderten die Mitglieder das Frauenwahlrecht auf den Straßen und vor den Wahllokalen, wo sie die Stimmabgabe und dann die Registrierung ihres Protests im Wahlprotokoll verlangten. Die deutsche Stimmrechtsbewegung beließ es aber weitgehend bei solch gemäßigten Formen zivilen Ungehorsams, anders als die englischen Aktivistinnen, deren militanter Flügel, die Suffragetten der Women Social and Political Union, sich seit 1903 unter dem Motto "Taten statt Worte" zunehmend radikalisiert hatte. Seine Mitglieder schreckten nicht davor zurück, sich an Zäunen fest zu ketten, Schaufenster einzuwerfen, Briefkästen in die Luft zu sprengen oder leerstehende Gebäude anzuzünden. Ihre Verhaftung, die anschließenden Gefängnisaufenthalte, die Hungerstreiks und die darauffolgende Zwangsernährung sorgte in Großbritannien und darüber hinaus für ungeheures Aufsehen, genauso wie die Massendemonstrationen für das Stimmrecht, die tausende Frauen aus der Mittel- und Unterschicht zusammenbrachten. Die Protestaktionen der britischen Suffragetten radikalisierten auch die amerikanische Bewegung. Nach einem Studienaufenthalt in Birmingham ging die Quäkerin Alice Paul in die USA zurück und gründete dort zusammen mit der ebenfalls aus England zurückgekehrten Lucy Burns die National Woman’s Party. Deren Mitglieder wollten sich nicht mehr auf die Lobby- und Verhandlungsstrategien der großen National American Woman’s Suffrage Organization beschränken und forderten 1917 ihre Bürgerrechte mit Protestaktionen wie Mahnwachen vor dem Weißen Haus, die ebenfalls in Verhaftungen und Hungerstreiks endeten. Die deutsche Frauenbewegung allerdings distanzierte sich deutlich von dieser "Kampfesweise der Suffragetten".

Am Vorabend des Ersten Weltkrieges schien den Mitgliedern des Weltbundes der Sieg greifbar. Die Amerikanerin Carrie Chapman Catt gab sich in ihrer Ansprache als Präsidentin auf dem Kongress des Weltbundes in Budapest 1913 optimistisch: "Unsere Bewegung hat das letzte Stadium erreicht … Die Parlamente lachen nicht mehr über das Frauenwahlrecht, und Politiker beginnen, der Frage auszuweichen. Dies ist ein untrügliches Zeichen für den nahenden Sieg!" Tatsächlich hatte Neuseeland als erstes Land der Welt bereits 1893 das aktive Frauenwahlrecht eingeführt. In den USA konnten Frauen in den Staaten Wyoming, Utah, Washington, Kalifornien, Oregon, Kansas, Arizona und Illinois das volle Stimmrecht ausüben; nahezu überall konnten weiße Frauen auf Gemeindeebene wählen. Auch in Großbritannien war seit 1870 vielerorts das lokale oder regionale Frauenstimmrecht sukzessive eingeführt worden. In Europa hatten das damals noch russische Großherzogtum Interner Link: Finnland 1906 und Norwegen 1913 das allgemeine Frauenwahlrecht eingeführt. 1914 besaßen Wählerinnen in den meisten Ländern zwar noch nicht das allgemeine und gleiche Wahlrecht, aber sie waren auch keine Ausnahme mehr. Die Aktivistinnen der deutschen Stimmrechtsbewegung schöpften daraus Zuversicht, auch wenn deutsche Frauen nach wie vor vom Wahlrecht ausgeschlossen waren. Durch Publikationen und Kongresse, Reisen und persönliche Freundschaften waren sie stets gut über internationale Entwicklungen informiert, die sie in ihrem Kampf für das Wahlrecht und die bürgerliche Gleichberechtigung bestärkten.

Ein Jahr nach Kriegsende konnten Frauen in rund einem Dutzend europäischer Länder wählen, und bis 1931 kamen noch einmal zehn Länder in Europa dazu. Der Interner Link: Erste Weltkrieg war in vielen Ländern zweifelsohne ein Katalysator für diese Entwicklung, vor allem, weil er einen grundsätzlichen politischen Wandel anstieß. Der Kampf um größere gesellschaftliche Partizipation von Frauen jedoch reichte weit ins 19. Jahrhundert zurück und er beschränkte sich nicht auf das Wahlrecht. Seine Protagonistinnen führten ihn in dem Bewusstsein, dass ihre Forderung nach den Bürgerrechten sie über nationale Grenzen hinweg vereinte.

Weitere Inhalte

Studium der Geschichte, Amerikanistik und Publizistik, Promotion 2000. Seit 2009 Mitarbeiterin am Heidelberg Center for American Studies an der Universität Heidelberg. Forschungsschwerpunkte sind die deutsche und amerikanische Sozialgeschichte, Frauengeschichte und transatlantische Geschichte.