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Schöffenwahl 2023: Im Namen des Volkes

Redaktion

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Aktuell werden Schöffinnen und Schöffen gesucht – sie entscheiden als Laien vor Gericht mit. Ein verantwortungsvolles Ehrenamt: Ihre Stimme gilt so viel wie die der Berufsrichterinnen und -richter.

Richterinnen und Schöffen betreten während eines Strafprozesses am Landgericht Bochum gemeinsam den Verhandlungssaal. (© picture-alliance/dpa, Volker Hartmann)

In Deutschland werden bundesweit neue Interner Link: Schöffinnen und Schöffen gesucht. Diese nehmen als Laien an Strafverfahren in Amts- und Landgerichten teil. Sie unterstützen Berufsrichterinnen und -richter ehrenamtlich bei der Urteilsfindung. Das Schöffenamt gehört zur Judikative, zur Interner Link: dritten Gewalt im Staat und ist damit essenzieller Bestandteil der Demokratie. Die Laienrichterinnen und -richter sind die Vertretung des Volkes bei den Gerichten. Ihr Schöffenamt dauert fünf Jahre.

Demokratisches SystemWarum gibt es Schöffen?

Der Einsatz von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern ist ein wichtiges Element des demokratischen Rechtsstaats. In Artikel 20, Absatz 2 des Interner Link: Grundgesetzes heißt es: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt". Diese Rolle übernehmen im Rechtssystem stellvertretend für das Volk die Schöffinnen und Schöffen. Sie sind das Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft. Schöffinnen und Schöffen sollen dafür sorgen, dass die Justiz lebensnah handelt. Mit ihrer Beteiligung an den Verfahren soll das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Justiz gestärkt werden.

Bewerbung im Frühjahr

Interessierte können sich direkt an ihre Gemeinde wenden, um sich zu bewerben. Die von den Kommunen selbst festgesetzten Bewerbungsfristen sind sehr unterschiedlich: In Chemnitz zum Beispiel dauert sie bis zum 24. März 2023, in München bis zum 31. März 2023. In manchen Gemeinden geht die Frist bis in den April hinein, in Dresden ist sie beispielsweise bereits abgelaufen. Für die gewählten Schöffinnen und Schöffen beginnt das fünfjährige Amt am 1. Januar 2024.

Bundesweit sind aktuell 60.000 Menschen im Schöffenamt tätig. Allein in Nordrhein-Westfalen müssen ab dem Januar 2024 rund 10.000 ehrenamtliche Richterstellen neu besetzt werden, in Baden-Württemberg sind es rund 7.000, in Sachsen knapp 4.000.

In mehreren Großstädten gab es bei der Schöffenwahl 2018 Probleme, ausreichend Laienrichter zu finden. Auch mangelt es an jungen Menschen für das Amt.

Gleiches Stimmrecht wie Berufsrichter

Schöffinnen und Schöffen sind ein zentraler Bestandteil des demokratischen Rechtsstaats. Das Schöffenamt ist ein Ehrenamt und die Annahme stellt eine Staatsbürgerpflicht dar. Die an Land- und Amtsgerichten eingesetzten Schöffinnen und Schöffen entscheiden in Strafverfahren darüber mit, ob Angeklagte verurteilt werden und wie hoch das Strafmaß ausfällt. Ihre Stimme und die der hauptamtlichen Richterinnen und Richter zählen bei der Urteilsfindung gleich viel. Bei vielen Verfahren an Amtsgerichten sitzen zwei Laien neben einem Berufsrichter und können diesen sogar überstimmen. Für Schuldfragen sowie das Strafmaß wird in den Kammern eine Zweidrittelmehrheit benötigt.

Die Laien sind in vielen Punkten mit ihren hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen gleichberechtigt. So haben sie in Verhandlungen das Recht, bei Angeklagten, Zeuginnen und Zeugen oder Sachverständigen nachzuhaken. Der vorsitzende Richter oder die Richterin darf allerdings als ungeeignet eingestufte Fragen zurückweisen. Schöffinnen und Schöffen haben in der Regel keine juristische Vorbildung.

Das Schöffenamt enthält aber ebenso eine Reihe von Pflichten: Wird eine Verhandlung zugeteilt, so können die Laien nur in bestimmten Fällen von der Anwesenheitspflicht entbunden werden – etwa bei krankheitsbedingtem Ausfall. Bei unentschuldigtem Fehlen kann ein Ordnungsgeld von bis zu 1.000 Euro verhängt werden. Schöffinnen und Schöffen sind zudem angehalten, sich ausführlich über den zu verhandelnden Fall zu informieren. Sie sind zur Unparteilichkeit verpflichtet und sollen sich nicht beeinflussen lassen, etwa durch persönliche Zu- oder Abneigung gegenüber dem Angeklagten oder durch Medienberichte. Darüber hinaus müssen sie über die Abstimmung zum Urteil auch nach dem Prozess schweigen.

Das Bewerbungsverfahren

Die Kommunen stellen Informationen zum Bewerbungszeitraum und -verfahren bereit. In dem Externer Link: Internetportal "Schöffenwahl 2023" können Interessierte die Bewerbungsunterlagen herunterladen, die sie dann an bei ihren Kommunen einreichen. Alternativ können Kandidatinnen und Kandidaten auch von Gemeinde- oder Stadtverwaltung vorgeschlagen werden. Dazu müssen die Freiwilligen auf die jeweilige Behörde zugehen. Vor der Schöffenwahl ermitteln die Gerichte den Bedarf an Schöffinnen und Schöffen – und teilen diesen den Kommunen mit.

Aus den Bewerbungen wird eine Vorschlagsliste erstellt, über die der Gemeinderat entscheidet. Die Vorschlagsliste soll eine ausgewogene Verteilung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung enthalten und kann nur mit zwei Drittel der Gemeindevertretung angenommen werden.

Die Liste muss doppelt so viele Vorschläge wie tatsächlich benötigte Schöffinnen und Schöffen enthalten. Werden weniger Personen vorgeschlagen, wählt die zuständige Verwaltungsbehörde in der Regel Einwohnerinnen und Einwohner aus dem Melderegister aus. Diese Auswahl soll von der Behörde dann so getroffen werden, dass möglichst alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung auf der Vorschlagsliste repräsentiert werden. Für alle Bewerberinnen und Bewerber sowie auch die weiteren Vorgeschlagenen ist ihre Aufstellung auf der Vorschlagsliste verpflichtend – sofern keine Ausschlusskriterien vorliegen.

Jeder kann Einspruch erheben

Die Vorschlagslisten werden nach der Aufstellung öffentlich ausgelegt. Innerhalb einer Woche können Bürgerinnen und Bürger ihren Einspruch erheben, sollten sie eine Kandidatur als ungeeignet empfinden. Die Vorschlagslisten und eventuelle Einsprüche werden dann an das Amtsgericht übersandt.

Bei dem Amtsgericht tritt ein Schöffenwahlausschuss zusammen – dieser besteht aus einer vorsitzenden Amtsrichterin oder einem Amtsrichter, einer Verwaltungsbeamtin oder einem Verwaltungsbeamten sowie sieben kommunalen Vertrauenspersonen. Der Ausschuss entscheidet über etwaige Einsprüche und wählt anschließend die Schöffinnen und Schöffen aus. Vor ihrem ersten Einsatz bei Gericht werden diese vereidigt.

MedienberichteDroht eine Unterwanderung der Schöffengerichte durch Rechtsextremisten?

In den vergangenen Monaten gab es vermehrte Berichte, denen zufolge rechtsextreme Parteien und Gruppierungen dazu aufrufen würden, sich als Schöffinnen und Schöffen zu bewerben. So solle Einfluss auf das Rechtssystem genommen werden. Für Schlagzeilen sorgte etwa ein entsprechender Aufruf der rechtsextremen Partei "Freie Sachsen".

Der Leipziger Soziologe Johannes Kiess sagte dem "Deutschlandfunk" Anfang März, dies sei Teil einer Gesamtstrategie. Es gehe um "Verankerung in der Gesellschaft". Er weist aber ebenfalls darauf hin, die Aufrufe nicht zu hoch zu bewerten, da es rechtsextremen Akteuren dabei auch um Aufmerksamkeit gehe.

Vereinzelt wurden in der Vergangenheit rechtsextreme Schöffinnen und Schöffen aus dem Amt entfernt. In einem thüringischen Landgericht war zuletzt eine Schöffin, die laut Medienberichten auch an NPD-Treffen teilgenommen hatte und im radikalen Querdenker-Milieu aktiv gewesen sein soll, aufgefallen. Als sie einem Verfahren gegen Schleuser zugeteilt worden war und ihre politische Aktivität öffentlich wurde, wurde der Prozess ausgesetzt.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will ein Bekenntnis der angehenden Schöffinnen und Schöffen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung gesetzlich verankern. Zudem soll abgefragt werden, ob die Kandidatinnen und Kandidaten bei Bedarf mit einer Überprüfung durch die Verfassungsschutzbehörden einverstanden wären. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt bereits vor.

Voraussetzungen für das Schöffenamt

Voraussetzung für das Schöffenamt ist die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Anwärterinnen und Anwärter müssen beim Amtsantritt mindestens 25 und höchstens 70 Jahre alt sein sowie gesundheitlich dazu in der Lage sein, das Amt auszufüllen. Auch müssen sie die deutsche Sprache beherrschen. Für das Amt werden diverse Berufsgruppen ausgeschlossen, so etwa aus Bereichen der Justiz, Regierungsmitglieder oder Geistliche.

Ausgeschlossen sind auch Personen, die wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wurden, sowie jene, die infolge eines Richterspruchs keine öffentlichen Ämter bekleiden dürfen oder gegen die ein entsprechendes Ermittlungsverfahren läuft.

Für die Wahl der Schöffinnen und Schöffen an Jugendschöffengerichten und Jugendstrafkammern gelten höhere Hürden.

Aufwandsentschädigung

Schöffinnen und Schöffen werden für ihre Tätigkeit nicht vergütet, erhalten jedoch eine steuerfreie Aufwandsentschädigung sowie eine Fahrtkostenpauschale. Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, die Freiwilligen für die Gerichtsverhandlungen freizustellen.

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