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75 Jahre Grundgesetz | Hintergrund aktuell | bpb.de

75 Jahre Grundgesetz

Redaktion

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Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz verkündet. Bis heute ist die Verfassung Garant für die Achtung der Grund- und Menschenrechte sowie von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland.

Der Präsident des Parlamentarischen Rates, Dr. Konrad Adenauer, bei der Unterzeichnung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949. (© picture-alliance/AP)

Am 23. Mai 1949 wurde das Interner Link: Grundgesetz auf der letzten Sitzung des Interner Link: Parlamentarischen Rates in Bonn feierlich verkündet. Den Entwurf hatten das Plenum dieser verfassungsgebenden Versammlung am 8. Mai 1949 angenommen und die drei Besatzungsmächte der Westzone am 12. Mai 1949 genehmigt. Der 23. Mai 1949 ist als Tag der Verkündung des Grundgesetzes zugleich das Gründungsdatum der Bundesrepublik Deutschland. Ursprünglich als Provisorium gedacht, ist das Grundgesetz bis heute gültig und genießt hohe Zustimmungswerte.

Sechsmächte-Konferenz ebnet Weg zum westdeutschen Staat

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschlossen die vier Siegermächte USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich, Deutschland in vier Besatzungszonen aufzuteilen. In den folgenden Jahren verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Ost und West zusehends. Durch den Externer Link: Kalten Krieg wurde eine langfristige Teilung Deutschlands immer wahrscheinlicher. Im Frühjahr 1948 stellten die westlichen Alliierten auf der Interner Link: Sechsmächte-Konferenz in London die Weichen für einen westdeutschen Teilstaat. Am 1. Juli desselben Jahres übergaben die Militärgouverneure der drei Westzonen den westdeutschen Ministerpräsidenten in Frankfurt am Main die sogenannten Interner Link: Frankfurter Dokumente. Diese sahen unter anderem die Verabschiedung eines Besatzungsstatuts durch die Westalliierten sowie die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung vor.

Ab dem 10. August 1948 trafen sich im Schloss Herrenchiemsee im bayerischen Chiemsee Politiker und juristische Experten, um über einen Verfassungsentwurf zu beraten. Der dadurch verfasste Externer Link: „Bericht über den Verfassungskonvent“ diente als Grundlage für den späteren Parlamentarischen Rat in Bonn.

Parlamentarischer Rat zunächst uneinig über föderale Strukturen

Der Parlamentarische Rat nahm am 1. September 1948 in Bonn seine Arbeit auf. 54 der 65 Mitglieder stellten allein die Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU), die Christlich-Soziale Union in Bayern (CSU) und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Die übrigen elf Abgeordneten gehörten der Freien Demokratischen Partei (FDP), dem katholischen Zentrum, der nationalkonservativen Deutschen Partei (DP) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) an. Über eine Reihe von zentralen Punkten, wie der generellen Form der demokratischen Grundordnung und dem Schutzcharakter der Grundrechte, gab es unter den 65 Mitgliedern des Parlamentarischen Rats (von denen lediglich vier Frauen waren) rasch weitgehende Einigkeit.

Interner Link: Streit gab es in der verfassungsgebenden Versammlung insbesondere um die Frage, wie groß der Einfluss der Länder sein sollte. Besonders bayerische Vertreter drängten auf möglichst viel Eigenständigkeit der Länder und eine Länderkammer mit möglichst vielen Kompetenzen. Uneins war man sich zunächst auch bei der Frage der Interner Link: Gleichberechtigung von Mann und Frau. Erst nach öffentlichem Protest entschied man sich für die von Elisabeth Selbert eingebrachte Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“.

In der Schlussabstimmung stimmte der Parlamentarische Rat schließlich mit großer Mehrheit (53 Ja- gegen 12 Nein-Stimmen) für das Grundgesetz. Die Gegenstimmen kamen von sechs der acht CSU-Vertreter, sowie von DP, Zentrum und KPD. Von den damals 11 Bundesländern der westlichen Besatzungszonen stimmte nur Bayern gegen den Entwurf – doch auch im Freistaat trat das Grundgesetz schließlich in Kraft, da eine Zweidrittelmehrheit der Bundesländer ausreichte, damit das Grundgesetz gültig werden konnte.

Lehren aus der Weimarer Republik

Den Interner Link: Müttern und Vätern des Grundgesetzes war es wichtig, aus der Interner Link: Erfahrung der Weimarer Republik zu lernen. Für deren Scheitern machte man auch Schwächen ihrer Verfassung verantwortlich. Der Parlamentarische Rat wich deshalb bei der Ausgestaltung des Grundgesetzes in einigen Bereichen von der Weimarer Verfassung ab, beispielsweise hat der Bundespräsident im Gegensatz zum Reichspräsidenten eine vor allem repräsentative Funktion. Außerdem stärkte der Rat den Einfluss und den Schutz der politischen Parteien, indem er sie fest im politischen System verankerte. Die Vertreterinnen und Vertreter im Parlamentarischen Rat wollten ein Einparteiensystem wie in NS-Deutschland oder den kommunistischen Staaten verhindern.

Starkes Parlament statt eines Präsidenten als „Ersatzkaiser“

Der Bundespräsident hat laut Grundgesetz im Wesentlichen repräsentative Aufgaben. In der Interner Link: Weimarer Republik war der Präsident laut Verfassung dagegen mit einer großen Machtfülle ausgestattet. Er war nicht nur Oberbefehlshaber der Reichswehr, sondern konnte den Ausnahmezustand ausrufen und das Parlament auflösen. Das Staatsoberhaupt ernannte und entließ den Kanzler. Im Gegensatz zum Bundespräsidenten wurde der Reichspräsident direkt gewählt. Der auch als „Ersatzkaiser“ bezeichnete Präsident war in der Lage, Interner Link: Grundrechte zu beschneiden und mithilfe sogenannter Notverordnungen zu regieren, wie es vor allem Reichspräsident Paul von Hindenburg in der Schlussphase der Weimarer Republik tat.

Als Lehre aus Weimar ist die Bundesrepublik eine repräsentative Demokratie mit parlamentarischem Regierungssystem, in der Volksentscheide auf Bundesebene de facto nicht vorgesehen sind. Gestärkt wurde auch die Rolle des Bundestags, wobei eine vorzeitige Auflösung des Parlaments durch das Grundgesetz deutlich erschwert wurde: im Grundgesetz gibt es weder eine automatische Auflösung noch ein Selbstauflösungsrecht des Parlaments. Außerdem hat der Bundestag mehr Kompetenzen: er wählt die Kanzlerin oder den Kanzler und kontrolliert die Bundesregierung. Der Bundestag hat überdies weitgehende Informationsrechte gegenüber der Regierung, etwa durch Große Anfragen.

Stärkung des Föderalismus

Im Vergleich zur Weimarer Verfassung spielt der Föderalismus im Grundgesetz eine weit größere Rolle. In zahlreichen Bereichen liegt die Entscheidungsgewalt bei den Ländern und nicht beim Bund. Zudem ist der Bundesrat als Ländervertretung weit mächtiger als der Reichsrat der Weimarer Republik. Letzterer konnte, anders als der heutige Bundesrat, keine Gesetze verhindern – selbst, wenn diese Länderinteressen stark betrafen. Überdies gewährt das Grundgesetz auch den Kommunen ein Selbstverwaltungsrecht. In der Bundesrepublik gilt das sogenannte Subsidiaritätsprinzip: Der Bund ist erst für eine Aufgabe zuständig, wenn die Länder nicht zu deren Erfüllung in der Lage sind. So liegt etwa die Kompetenz für die Verteidigung weitgehend beim Bund, die für Bildung im Wesentlichen bei den Ländern.

"Das Bundesverfassungsgericht als „Hüter der Verfassung“

Das Interner Link: Bundesverfassungsgericht als höchstes deutsche Gericht wacht über die Einhaltung sämtlicher in der Verfassung enthaltenen Normen – insbesondere auch der Grundrechte. Gegenüber den anderen Verfassungsorganen ist das Gericht unabhängig. An seine Rechtsprechung sind alle übrigen Staatsorgane gebunden. Als Verfassungsorgan untersteht das Bundesverfassungsgericht, im Unterschied zu den Fachgerichten, nicht der Dienstaufsicht eines Ministeriums.

Das Grundgesetz und die Wiedervereinigung

Für eine Wiedervereinigung waren im Grundgesetz zwei Möglichkeiten vorgesehen. Nach Artikel 23 war ein Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes möglich, die westdeutsche Verfassung würde in diesem Fall also für ganz Deutschland gelten. Eine Alternative war die in Artikel 146 genannte Regelung, welche die Ausarbeitung einer neuen Verfassung vorsah. Als 1990 in der DDR die erste freie Volkskammer gewählt wurde, wurde kontrovers über die verschiedenen Wege zur deutschen Einheit diskutiert. Befürworterinnen und Befürworter eines Beitritts verwiesen auf den Erfolg des Grundgesetzes und die einfachere und schnellere Umsetzung durch einen Beitritt. Diejenigen, die sich für eine neue Verfassung einsetzen, argumentierten hingegen, dass mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung ein gemeinsamer Neubeginn mit den Ostdeutschen als gleichberechtige Akteure möglich sei. Letztlich wurde die Option des Beitritts zum Grundgesetz gewählt – wohl auch, weil zu diesem Zeitpunkt bereits viele DDR-Bürgerinnen und -Bürger ihr Land in Richtung Bundesrepublik verließen und dadurch enorme negative wirtschaftliche Folgen für das Gebiet der damaligen DDR befürchtet wurden.

Grundgesetz betont Bedeutung der Grundrechte

Das Grundgesetz legt einen besonderen Fokus auf den Schutz der Interner Link: Grundrechte. Aufgrund ihrer Bedeutung stehen diese im ersten Abschnitt der Verfassung (Interner Link: Artikel 1 bis 19). Darin sind etwa das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und die Glaubensfreiheit verankert. Auch die Meinungs- und Pressefreiheit, der besondere Schutz der Familie und die Versammlungsfreiheit sind verbindliche Vorgaben für den Gesetzgeber. Die Vereinigungsfreiheit, das Briefgeheimnis, Berufsfreiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung sind darin ebenso aufgeführt wie das Recht auf Asyl. Zudem betont das Grundgesetz den Schutz des Eigentums, aber auch die daraus entstehende soziale Verantwortung.

Die Verfassung hat Vorrang vor allen anderen Gesetzen und alle anderen Regelungen müssen mit ihm in Übereinstimmung stehen. Das Grundgesetz kann generell - mit Ausnahme der unten beschriebenen Ewigkeitsklausel - nur durch ein Bundesgesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. Als Lehre aus dem Scheitern der Weimarer Republik haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes jedoch hohe Hürden für Änderungsversuche festgelegt. In Artikel 79 Absatz 2 ist geregelt, dass Verfassungsänderungen nicht mit einfacher Mehrheit, sondern nur mit einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden können.

Demokratie-, Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip bindend

Zudem enthält Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes eine sogenannte Interner Link: Ewigkeitsklausel. Demnach ist eine Grundgesetzänderung unzulässig, wenn durch diese „die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden“. Die in Artikel 1 festgelegte Würde des Menschen und die Interner Link: Menschenrechte sind damit unantastbar. Auch kann der Gesetzgeber selbst mit Zwei-Drittel-Mehrheit die in Artikel 20 verankerten Staatsstrukturprinzipien nicht kippen. Unter den Strukturprinzipen versteht man jene Prinzipien, nach denen der deutsche Staat aufgebaut ist. Demnach ist die Bundesrepublik eine Demokratie, eine Republik, ein Rechtsstaat, ein Bundesstaat und ein Sozialstaat. Die Bürgerinnen und Bürger sind laut Artikel 20 der alleinige Souverän. Die Staatsgewalt wird „vom Volk in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“, heißt es in Artikel 20 Absatz 2.

„Wehrhafte Demokratie“

Um es Verfassungsfeinden zu erschweren, Demokratie und Rechtsstaat zu beseitigen, haben die Mütter und Väter der Verfassung einige Schutzmechanismen im Grundgesetz verankert: Neben den hohen Hürden für Grundgesetzänderungen und der Ewigkeitsklausel gibt es etwa die Möglichkeit, Verfassungsfeinden Grundrechte zu entziehen. Gemäß Artikel 18 kann das Bundesverfassungsgericht als Wächter des Grundgesetzes jemandem, der bestimmte Grundrechte wie beispielsweise Presse-, Vereinigungs- oder Versammlungsfreiheit „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht“, diese auf Antrag des Bundestages, der Bundes- oder einer Landesregierung ganz oder teilweise entziehen. Zudem kann Interner Link: das Gericht – allerdings ebenfalls nur auf einen entsprechenden Antrag – verfassungsfeindliche Parteien oder einzelne ihrer Landesverbände verbieten. Einen solchen Verbotsantrag zu stellen, ist ausschließlich dem Bundestag, dem Bundesrat oder der Bundesregierung vorbehalten. Lediglich in Fällen, in denen eine Partei nur in einem Bundesland organisiert ist, kann ein solcher Antrag von der jeweiligen Landesregierung gestellt werden.

Änderungen des Grundgesetzes

Immer wieder wurde das Grundgesetz in den vergangenen Jahrzehnten geändert. Bis März 2024 gab es nach einer Auflistung des Bundestags 67 Änderungsgesetze, mit denen insgesamt 122 Grundgesetzartikel geändert wurden. Dabei sind insgesamt 237 Einzeländerungen zu verzeichnen, 16 davon betrafen Grundrechte. Eine Grundrechtsänderung war beispielsweise die Einschränkung des Asylrechts im Jahr 1993. Seitdem haben Geflüchtete aus „sicheren Herkunftsstaaten“ kein Recht auf Asyl. Ausgeschlossen sind auch Menschen, die über einen sicheren Drittstaat nach Deutschland einreisen.

Die „Notstandsgesetze“ haben 1968 die meisten Grundgesetzartikel geändert (28). Damit wurden Sonderregelungen für Krisensituationen wie den Verteidigungsfall eingeführt. So wurde beispielsweise die Gesetzgebungskompetenz des Bundes in solchen Notlagen erweitert und die Möglichkeit geschaffen, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis in Krisensituationen einzuschränken.

25 Artikel wurden 2006 durch die Föderalismusreform I geändert. Die Reform hatte das Ziel, die Zahl der Gesetze zu reduzieren, die eine Zustimmung des Bundesrats benötigen. Im Zuge dessen wurden die Zuständigkeiten von Bund und Ländern neu geregelt. Mit der Reform wurden Strafvollzug und Ladenschluss Ländersache. Gleichzeitig wurde die Kooperation von Bund und Ländern im Hochschulbereich vereinfacht. Eine weitere Föderalismusreform folgte 2009. Mit ihr wurde eine Schuldenbremse auf Bundes- und Landesebene eingeführt.

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