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3. Juli 2000: Offizielle Eröffnung des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg | Hintergrund aktuell | bpb.de

3. Juli 2000: Offizielle Eröffnung des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg

Redaktion

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Vor 25 Jahren wurde in Hamburg der ständige Sitz des Internationalen Seegerichtshofs offiziell eingeweiht. Seit seiner Gründung befasste sich das Gericht mit 33 Fällen.

Der Gerichtssaal des Internationalen Seegerichtshofs im Mai 2024. Vertreterinnen und Vertreter mehrerer kleiner Inselstaaten hatten das Gericht angerufen, um klären zu lassen, ob der Ausstoß von Treibhausgasen eine Form der Meeresverschmutzung darstellt. (© picture-alliance/dpa, Christian Charisius)

Der Internationale Seegerichtshof (ISGH; engl. International Tribunal for the Law of the Sea, ITLOS) wurde 1982 als eine Organisation der Interner Link: Vereinten Nationen gegründet. Basis dafür war das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ), das am 10. Dezember 1982 beschlossen wurde und am 16. November 1994 in Kraft trat. Im Annex VI werden die Details zum Seegerichtshof geregelt. Artikel 1, Absatz 2 besagt: „Der Sitz des Gerichts ist die Freie und Hansestadt Hamburg in der Bundesrepublik Deutschland.“ Diese Vereinbarung wurde bereits auf der zweiten UN-Seerechtskonferenz am 21. August 1981 getroffen.

Aufgabe des ISGH ist es, gerichtlich über Konflikte und Unklarheiten in der Anwendung und Auslegung des Seerechts zu entscheiden. Zu seinen Zielen gehören:

  • die Sicherung des Friedens auf den Weltmeeren,

  • der Schutz der Weltmeere vor Umweltzerstörung,

  • die Überwachung der Ressourcenausbeutung sowie

  • die Schlichtung von Streitigkeiten, die das Seerecht betreffen.

Die Ausarbeitung des SRÜ hatte eine lange Vorgeschichte: Sie begann in den späten 1960er-Jahren, nachdem Forderungen laut geworden waren, den gesamten Meeresboden zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu erklären. In der Fassung von 1982 war das Übereinkommen mit 320 Artikeln einer der umfassendsten multilateralen Verträge der Vereinten Nationen. Es behandelte nicht mehr nur den Meeresboden, sondern sämtliche Aspekte des Seevölkerrechts wie die Ausdehnung der Küstenmeere oder die Interner Link: Seenotrettung. Daneben wurden in das SRÜ auch neue Aspekte aufgenommen, etwa der Schutz der Meeresumwelt.

Seerechtsübereinkommen (SRÜ)

Meereszonen nach dem Seerechtsübereinkommen (SRÜ) (historicair 16:23, Wikimedia Commons) Lizenz: cc by-sa/3.0/de

Auf hoher See gilt das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ), das 1982 ausgehandelt wurde und 1994 in Kraft trat. Dieses Abkommen soll alle Nutzungsarten der Meere regeln. Das SRÜ unterteilt die Meere in verschiedene Zonen mit unterschiedlichen Rechten.

  • Interner Link: Die 12-Seemeilen-Zone: So weit reicht ein Staat ins Meer. In diesem Hoheitsgebiet gilt das nationale Recht des jeweiligen Küstenstaates.

  • Die 200-Seemeilen-Zone: In dieser „ausschließlichen Wirtschaftszone" darf ein Staat allein fischen und Bodenschätze heben. So weit reicht rechtlich der sogenannte Festlandsockel.

  • Die 350-Seemeilen-Zone: Darin hat ein Küstenstaat das exklusive Recht auf Förderung von Öl und Erdgas. Er muss aber einen erweiterten Festlandsockel nachweisen.

Jenseits dieser Zonen beginnt „das Gebiet" – internationales Gewässer, das als gemeinsames Erbe der Menschheit gilt.

Infografiken zum Thema gibt es im Externer Link: fluter Nr. 84, Thema: Meer

Gericht bezog 1996 provisorischen Sitz

Bis zum Inkrafttreten des Übereinkommens vergingen weitere zwölf Jahre. Es gab Streit über die Regelungen für den Meeresboden und damit ausgerechnet über den Gegenstand, der dazu geführt hatte, dass das SRÜ überhaupt ausgehandelt wurde. Viele westliche Industrienationen lehnten dessen Vorgaben – zum Beispiel im Bereich Abgaben oder zu Beschränkungen beim Bergbau – zunächst ab. Es folgte ein mehrjähriges Konsultationsverfahren unter Vorsitz des UN-Generalsekretärs. Alle Regelungen zum Seegerichtshof waren deswegen ebenfalls einstweilen nicht umsetzbar. Das änderte sich erst nach dem Inkrafttreten des SRÜ im Jahr 1994.

Am 1. August 1996 fand in New York die erstmalige Wahl der 21 Richter statt. Ihre Amtszeit teilte sich in drei, sechs und neun Jahre für jeweils sieben Richter auf, um anschließend gestaffelte Wahlen zu ermöglichen. Seitdem beträgt die Amtszeit jeweils neun Jahre, eine Wiederwahl ist möglich. Am 1. Oktober 1996 traten die Richter erstmals in Hamburg zusammen. Kurze Zeit darauf, am 18. Oktober 1996, wurde schließlich der Grundstein für den ständigen Sitz des ISGH in Hamburg gelegt – und die Richter wurden unter Anwesenheit des damaligen UN-Generalsekretärs Boutros Boutros-Ghali offiziell vereidigt. Seit dem 17. Dezember 1996 hat der Seegerichtshof einen Beobachterstatus in der Interner Link: Generalversammlung der Vereinten Nationen.

Erstes Urteil im Dezember 1997

Das erste Urteil sprach der ISGH im Dezember 1997. Der Fall betraf die Festsetzung des unter der Flagge von St. Vincent und den Grenadinen fahrenden Tanklastschiffs „MS SAIGA“ durch Guinea vor der Küste Westafrikas. Guinea behauptete, dass die „SAIGA“ vor seiner Küste in Schmuggelaktivitäten involviert gewesen sei. St. Vincent klagte im November 1997 gegen die Festsetzung und warf Guinea Interner Link: Piraterie vor. Guinea machte wiederum geltend, dass das Gericht in dieser Angelegenheit nicht zuständig und die Klage unzulässig sei. Die Anhörungen fanden seinerzeit noch im Hamburger Rathaus statt. Die Richter ordneten die Freigabe der „SAIGA“ und deren Crew durch die Behörden Guineas an.

Der 3. Juli 2000 war ein weiterer Meilenstein in der Geschichte des Seegerichtshofs: An diesem Tag konnte nach fast vierjähriger Bauzeit der ständige Sitz an der Elbschloßstraße in Hamburg-Nienstedten eröffnet werden. Seither hat das Gericht auch einen ständigen Sitzungssaal.

Die Kosten des ISGH werden von den 168 Vertragsstaaten des Seerechtsübereinkommens (167 Staaten und Gebiete sowie die EU) und der Internationalen Meeresbodenbehörde getragen. Der Haushalt beträgt aktuell 26,7 Millionen Euro für den Zeitraum 2025-2026. Die Beiträge werden nach dem Interner Link: UN-Beitragsschlüssel berechnet. Für finanziell schwächere Staaten existiert seit 2000 ein UN-Treuhandfonds, der Verfahrenskosten erstatten kann.

33 Fälle in 28 Jahren

Die bisher verhandelten Themenbereiche sind vielfältig: So ging es neben der Freigabe von Schiffen und Besatzungen beispielsweise auch um die Gerichtsbarkeit der Küstenstaaten in ihren Seegebieten, die Freiheit der Schifffahrt oder die Erhaltung der Fischbestände.

Insgesamt sind seit dem Urteil im Fall „SAIGA“ 33 Fälle am ISGH verhandelt worden. In einigen Bereichen hat der Internationale Seegerichtshof eine automatische (auch obligatorisch genannte) Zuständigkeit. Das betrifft beispielsweise Streitigkeiten im Meeresbodenbergbau. In anderen Bereichen können sich Streitparteien gezielt an das Gericht wenden (die sogenannte fakultative Zuständigkeit). Das gilt sowohl für Staaten als auch für Unternehmen und natürliche Personen.

Basis für die Verfahren sind die Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens. Außerdem ist erforderlich, dass alle beteiligten Verfahrensparteien oder ihr Staat den ISGH als solchen anerkennen. Prinzipiell trifft das auf alle Staaten zu, die das SRÜ unterzeichnet und ratifiziert haben.

Urteile sind international bindend

Die Anhörungen des ISGH sind grundsätzlich öffentlich. Die Richterinnen und Richter können im Verfahren Personen zur Begutachtung bestellen, die das Gericht in technischen oder wissenschaftlichen Fragen beraten dürfen. Außerdem können die Streitparteien auch Zeuginnen und Zeugen vor Gericht laden. Die offiziellen Sprachen des Gerichts sind Englisch und Französisch. Urteile des ISGH sind international bindend. Es gibt keine Möglichkeit, dagegen Revision einzulegen.

Seit Gründung des ISGH wurden einige Fälle verhandelt, die auch abseits der Fachöffentlichkeit große Aufmerksamkeit erregten. Im März 2012 urteilten die Richter beispielsweise über die Seegrenzen zwischen Myanmar und Bangladesch. Zwei Jahre später, im September 2013, protestierte die Umweltschutzorganisation Greenpeace in der Arktis gegen Ölbohrungen. Russland setzte das Greenpeace-Schiff „Arctic Sunrise“ und dessen Crew fest. Auch dieser Fall landete am Seegerichtshof. Im November 2013 urteilten die Richter sowie erstmalig auch die erste weibliche Richterin am ISGH, Elsa Kelly, dass Russland die Crew sofort freilassen müsse und das Schiff freizugeben sei.

Da Russland Urteile des ISGH nicht anerkennt, war zunächst unklar, welche Folgen das Urteil haben würde. Die Crew wurde schließlich gegen Zahlung einer Kaution freigelassen. Auch die „Arctic Sunrise“ konnte den Hafen von Murmansk, wo das Schiff festgesetzt worden war, wieder verlassen – allerdings erst im August 2014.

Urteil zur „Provokation von Kertsch“

Im November 2018 eskalierten Interner Link: die russisch-ukrainischen Spannungen im Asowschen Meer bei einem Vorfall, der später als „Russische Provokation bei Kertsch“ bekannt werden sollte. Im Asowschen Meer beschoss die russische Küstenwache zwei Patrouillenboote und einen Schlepper der ukrainischen Marine. Anschließend enterten russische Sicherheitskräfte die ukrainischen Schiffe. Der Vorfall geschah in der Nähe der Straße von Kertsch, an die völkerrechtlich sowohl die Ukraine als auch Russland grenzen. Seit der international nicht anerkannten Interner Link: Annexion der Krim im Jahr 2014 kontrolliert Russland jedoch faktisch die Meerenge, über die bis zur russischen Vollinvasion im Jahr 2022 der Export von Gütern abgewickelt wurde, die in den ukrainischen Häfen am Asowschen Meer umgeschlagen wurden.

Der ISGH ordnete im Mai 2019 an, dass die gefangengenommenen Seeleute sofort freizulassen und die Schiffe an die Ukraine zurückzugeben seien. Auch in diesem Fall folgte Russland dem Urteil, wenn auch wieder mit Verzögerung: Die Seeleute kamen im September 2019 im Rahmen eines Gefangenenaustauschs frei, die Schiffe wurden im November 2019 wieder an die Ukraine überstellt.

Kritik an Wirksamkeit des ISGH

Ein häufig geäußerter Kritikpunkt am ISGH ist die geringe Zahl an Fällen, die bisher in Hamburg verhandelt wurden. In den ersten Jahren führten die zuständigen Richter dies auf dessen fehlende internationale Bekanntheit zurück. Die globale Akzeptanz des Gerichts wurde als zentraler Bestandteil der Aufbauarbeit begriffen. Allerdings verhandeln auch andere internationale Gerichte selten mehr als ein bis drei Fälle pro Jahr. Und der ISGH befasst sich zumeist mit sehr komplexen Fällen von internationaler Tragweite. Hinzu kommt, dass auch andere internationale Gerichte bei Seerechtsfällen angerufen werden können.

Da der ISGH als internationales Gericht nicht darauf vertrauen kann, dass die eigenen Urteile von den staatlichen Instanzen durchgesetzt werden, gibt es immer wieder Zweifel an seiner Wirksamkeit. Das wurde zum Beispiel im Jahr 2024 klar, als eine Reihe kleinerer Inselstaaten das Gericht um ein Gutachten bat, das klären sollte, ob die Emission von Treibhausgasen im rechtlichen Sinne als eine Form von Meeresverschmutzung gesehen werden kann. Das Gericht stellte fest, dass alle Staaten nach den Vorgaben des SRÜ verpflichtet seien, strenge Maßstäbe beim Ausstoß von Klimagasen einzuhalten. Wie das Urteil in der Praxis durchgesetzt werden soll, bleibt allerdings unklar

Für Schlagzeilen sorgte zuletzt auch die neue US-Regierung unter Präsident Donald Trump, der per Dekret die US-Behörden angewiesen hat, den Abbau von Rohstoffen am Meeresboden schneller zu genehmigen. Umweltschützerinnen und Umweltschützer protestierten scharf gegen die Pläne. Auf eine Unterstützung durch den ISGH können sie allerdings nicht zählen: Dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen sind die USA nie beigetreten.

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