Themen Mediathek Shop Lernen Veranstaltungen kurz&knapp Die bpb Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen Mehr Artikel im

Vorgezogene Parlamentswahl in den Niederlanden | Hintergrund aktuell | bpb.de

Vorgezogene Parlamentswahl in den Niederlanden

Redaktion

/ 5 Minuten zu lesen

Am 29. Oktober wird in den Niederlanden ein neues Parlament gewählt. Umfragen zufolge könnte Geert Wilders PVV erneut als stärkste Kraft hervorgehen. Die Koalitionsbildung dürfte grundsätzlich schwierig werden.

Wahlplakate auf dem Lange Vijverberg, ein Hofteich im Zentrum von Den Haag, im Vorfeld der bevorstehenden Parlamentswahl in den Niederlanden. (© picture-alliance, ANP | Remko de Waal)

Die vorgezogene Parlamentswahl am 29. Oktober war notwendig geworden, weil die bisherige Regierung Anfang Juni ihre Mehrheit verloren hat. Aus den Interner Link: Wahlen im November 2023 war die Interner Link: rechtspopulistische bis rechtsradikale „Partei für die Freiheit“ (Partij voor de Vrijheid, PVV) als stärkste Kraft hervorgegangen. Nach über einem halben Jahr andauernder Verhandlungen hatte sich die PVV mit drei anderen Parteien auf ein gemeinsames Regierungsbündnis geeinigt: Mit der liberal-konservativen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (Volkspartij voor Vrijheid en Democratie, VVD), der Mitte-Rechts-Partei NSC (Nieuw Sociaal Contract) und der neuen BauerBürgerBewegung BBB nahm die Koalition am 2. Juli 2024 ihre Arbeit auf.

Premierminister des Regierungsbündnisses wurde Dick Schoof. Der parteilose, ehemalige Chef des Geheimdienstes folgte auf den zuvor knapp13 Jahre als Regierungschef amtierenden Mark Rutte von der VVD. Sowohl VVD als auch NSC hatten darauf bestanden, dass keinesfalls der PVV-Vorsitzende Geert Wilders Regierungschef würde. Dieser ist u.a. wegen seiner fremdenfeindlichen Äußerungen äußerst umstritten. Nach einem für die Koalitionspartner nicht annehmbaren 10-Punkte-Plan zur Migrationspolitik von Wilders, verließ dieser im Juni dieses Jahres die Regierungskoalition. Ende August verließ dann auch die Partei NSC die Koalition, nachdem sie keine Unterstützung für schärfere Sanktionen gegen Israel erhalten hatte. Mit der übrig gebliebenen VVD und der BBB wäre die Fortführung einer Minderheitsregierung zwar grundsätzlich möglich, diese aber kaum handlungsfähig gewesen.

So wird in den Niederlanden gewählt

Die Interner Link: Niederlande sind eine konstitutionelle Monarchie mit parlamentarischem Regierungssystem. Das Parlament des Landes besteht aus zwei Kammern mit Sitz in Den Haag. Die erste Kammer ist eine Länderkammer, bedingt vergleichbar mit dem Bundesrat. Deren 75 Mitglieder werden nicht direkt vom Volk gewählt, sondern von den Parlamenten der zwölf niederländischen Provinzen bestimmt. Die Zweite Kammer mit 150 Sitzen wird alle vier Jahre vom Volk gewählt. Wahlberechtigt sind alle niederländischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die zum Wahltag mindestens 18 Jahre alt sind. Die Zweite Kammer verfügt über die Gesetzgebungsbefugnis. Die Erste Kammer muss die Gesetze bestätigen.

Gewählt wird die Zweite Kammer nach dem Interner Link: Verhältniswahlrecht. Jede und jeder Wahlberechtigte hat eine Stimme, die für einen Kandidaten oder eine Kandidatin abgegeben wird. Die Listen der 19 Wahlkreise können sich unterscheiden, sind aber oft deckungsgleich. Die Sitze werden nach dem Interner Link: Proporz der landesweit erzielten Stimmergebnisse verteilt. Formell gibt es eine Sperrklausel. Die Hürde für den Einzug ins Parlament liegt allerdings lediglich bei einem Sitz, also 0,67 Prozent der gültigen Stimmen. Diese niedrige Sperrklausel führte zuletzt mehrfach zu einer starken Zersplitterung des Parlaments.

Eine Besonderheit des politischen Systems der Niederlande ist die Unvereinbarkeit von Abgeordnetenmandat und Regierungsamt, das heißt Parlamentsabgeordnete, die ein Regierungsamt bekleiden wollen, müssen vor ihrer Ernennung ihr Mandat niederlegen. Es soll die Unabhängigkeit des Parlaments stärken.

Das waren die zentralen Themen im Wahlkampf

Der Wahlkampf in den Interner Link: Niederlanden drehte sich im Wesentlichen um eine Handvoll Themen. Angesichts der zuletzt massiv angestiegenen Immobilienpreise und Mieten – von denen insbesondere junge Menschen und Menschen mit niedrigem Einkommen betroffen sind –, gehört der schwierige Wohnungsmarkt zu einem zentralen Wahlkampfthema. Das Bündnis aus „GroenLinks“ (GrünLinks) und der sozialdemokratischen „Partei der Arbeit“ (Partij van de Arbeid, PvdA) etwa will den staatlichen Wohnungsbau ankurbeln und den Anstieg der Mieten bremsen. Auch der „Christlich-Demokratischer Aufruf“ (Christen-Democratisch Appèl, CDA) setzt auf Staatsgelder beim Wohnungsbau. Die seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine stark gestiegenen Lebenshaltungskosten sind ein weiteres Wahlkampfthema, ebenso die Zukunft des Sozialstaats, für den mehr Geld für den Ausbau der Öffentlichen Daseinsvorsorge sowie der Infrastruktur gefordert wird.

Ein zentrales und zugleich polarisierendes Thema bleibt die Migrations- und Asylpolitik. Schon die (nun gescheiterte) Vorgängerregierung wollte die Asyl- und Zuwanderungszahlen stärker reduzieren. „Wegen der Emotionalität ist hier der Mobilisierungsfaktor wohl am größten“, schätzt Daniel Mügge, Professor mit dem Schwerpunkt Politische Ökonomie an der Universität von Amsterdam. Im Wahlkampf der liberal-konservativen, rechtskonservativen und rechten Parteien spielt das Thema die entscheidende Rolle. Die PVV wirbt damit, die Migration massiv zu begrenzen, Flüchtlinge sollen an der Grenze zurückgewiesen werden. Im Vergleich zu den Vorjahren ging die Zahl der Asylsuchenden in den Niederlanden 2025 bislang zwar insgesamt zurück, die Parteien streiten im Wahlkampf aber auch über die richtigen Konzepte bei der Integration der bereits im Land lebenden Geflüchteten. Vor allem die Unterbringung und Verteilung von Asylsuchenden gilt hier als Problem. Parteien im rechten Spektrum setzen in diesem Zusammenhang auch auf das Thema der Sicherheitslage in den Niederlanden. Auch wenn die Kriminalitätsrate weit geringer ist als noch in den 2000er- oder 2010er-Jahren, könnte Mügge zufolge das Thema Wähler mobilisieren.

Wie in anderen europäischen Staaten spielt auch der russische Angriff auf die Ukraine 2022 und die damit zusammenhängende Finanzierung der NATO-Verteidigungsausgaben eine Rolle. Ein Interner Link: NATO-Austritt ist bei den großen Parteien kein Thema, der Großteil will auch an den Militärhilfen für die Ukraine festhalten. Ein weiteres Thema in der öffentlichen Debatte ist der Nahost-Konflikt. Zuletzt gingen viele Menschen für einen dauerhaften Frieden in Palästina und einen härteren Kurs gegenüber Israel auf die Straße. Das Thema sei nicht wahlentscheidend, helfe der politischen Linken aber bei der Mobilisierung ihrer Anhängerschaft, so die Einschätzung Mügges.

So sind die Wahlaussichten der Parteien

Externer Link: Jüngsten Umfragen (Stand: 20. Oktober 2025) zufolge könnte die PVV mit knapp über 20 Prozent erneut als stärkste Kraft hervorgehen. Damit würde die Partei zwar unter ihrem Ergebnis von 2023 mit damals fast 24 Prozent liegen, müsste aber mit geringeren Verluste rechnen als die anderen an der Regierung beteiligten Parteien.

Deutliche Verluste drohen der liberal-konservativen VVD. Sie könnte laut Meinungserhebungen von etwa 15 auf rund 10 Prozent abrutschen. BBB könnte nach rund 5 Prozent bei der Wahl 2023 auf nur noch 2 Prozent kommen. Die erst 2023 gegründete Partei NSC, die sich selbst als Anti-Establishment-Partei versteht, lag laut Prognosen zuletzt nur noch bei gut 1 Prozent – Ende 2023 kam sie noch auf knapp 13 Prozent. Die bislang stärkste Oppositionskraft ist das Bündnis PvdA/GL – bestehend aus der sozialdemokratischen „Partei der Arbeit“ und der „GrünLinks“-Partei. Wie bereits 2023 treten sie mit einer gemeinsamen Liste an. In Umfragen lag das Bündnis zuletzt mit knapp über 16 Prozent leicht über ihrem Ergebnis von 2023 (15,5 Prozent).

Auf einen deutlichen Stimmenzuwachs im Vergleich zu 2023 kann der christdemokratische CDA laut Umfragen hoffen – von 3,3 Prozent auf knapp 16 Prozent. Die sozial-liberalen „Democraten 66“ (Demokraten 66, D66) würden laut Meinungsforschern aktuell auf 11 Prozent der Stimmen kommen (2023: 6,2 Prozent), die weit links stehende „Sozialistische Partei“ (Socialistische Partij, SP) auf 3 Prozent (2023: 3,1 Prozent); und die rechtskonservative Partei „JA21“, die bei der letzten Wahl 1 Prozent der Stimmen erhielt, stand in Umfragen zuletzt bei 8 Prozent.

Zersplittertes Parteiensystem

Daneben haben noch eine Vielzahl an Klein- und Kleinstparteien Chancen ins Parlament einzuziehen. Bei der Wahl 2023 schafften 15 Parteien den Einzug ins Parlament, 2021 waren es 17. Die Zersplitterung des Parteiensystems ist in der äußerst niedrigen Zugangshürde begründet. Auch dieses Mal dürften Mehrheitsbildungen schwierig werden, ein erneutes Vierer-Bündnis könnte die Wahrscheinlichkeit für politisch instabile Verhältnisse erhöhen. Das Mitte-Links-Lager versucht daher zu punkten, indem es den Wählern mehr Stabilität verspricht.

Wie geht es nach der Wahl weiter?

Die Parteien des Mitte-Rechts- und Rechts-Spektrums kommen in Umfragen auf 40 bis 45 Prozent. Eine Koalition aus PVV und VVD ist derzeit kaum vorstellbar, da VVD eine erneute Zusammenarbeit im Vorfeld ausschloss. Auch diverse andere Parteien wollen kein Bündnis mit Wilders eingehen. Möglich wäre eine Koalition von Mitte-Rechts- bis Mitte-Links-Parteien. Rechnerisch hätte aktuell laut Umfragen eine Koalition aus PvdA/GL, der D66, der PVV sowie der CDA eine Mehrheit.

Weitere Inhalte

Weitere Inhalte

Artikel

Rechtspopulismus in den Niederlanden

Die Niederlande sind seit über 20 Jahren mit rechtspopulistischen Parteien konfrontiert. Bei den Wahlen 2023 wurde schließlich mit Geert Wilders' "Partij voor de Vrijheid" erstmals eine…

Das Politiklexikon

Niederlande (NLD)

Das Königreich der NLD (Verenigd Koninkrijk der Nederlanden) ist nordwestlicher Nachbar DEUs; es gehört zu den sechs Gründerstaaten der EG/EU. Hauptstadt: Amsterdam; Sitz der Regierung und des…

Hintergrund aktuell

Parlamentswahl in den Niederlanden

Die Niederländerinnen und Niederländer wählten am 15. März 2017 ein neues Parlament. Nach Auszählung aller Stimmen ging die konservativliberale VVD als stärkste Kraft aus der Wahl hervor. Die…

Podium / Vortrag
veranstaltet von der bpb

Trump hinter den Spiegeln

  • Donnerstag, 06. November 2025
  • 18:30 – 21:00 Uhr
  • Taz Kantine Berlin
Hintergrund aktuell

Parlamentswahl in Rumänien

Am 1. Dezember wird in Rumänien ein neues Parlament gewählt. Umfragen deuten auf ein Erstarken rechter Parteien hin. Auch das Staatsoberhaupt wird eine Woche zuvor neu gewählt.

„Hintergrund Aktuell“ ist ein Angebot der Onlineredaktion der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. Es wird von den Redakteur/-innen und Volontär/-innen der Onlineredaktion der bpb redaktionell verantwortet und seit 2017 zusammen mit dem Südpol-Redaktionsbüro Köster & Vierecke erstellt.

Interner Link: Mehr Informationen zur Redaktion von "Hintergrund aktuell"