- Interner Link: PDF-Version (154 KB)
Deutsche Uraufführung: 23.11.1962, DDR
Regie: Ion Popescu-Gopo
Drehbuch: Ion Popescu-Gopo
Kamera: Stefan Horvath
Musik: Dumitru Capoianu
Produktion: Filmstudio Bucuresti
Darsteller: Iurie Darie, Emil Botta, Haralambie Boroş, Ovid Teodorescu, Geo Saizescu u.a.
Laufzeit: 72 Min.
Format: 35 mm, s/w, ohne Dialoge
FSK: keine Angabe
Altersempfehlung: ab 15 J.
Klassenstufen: ab 10. Klasse
Themen: Ost-West-Konflikt, atomares Wettrüsten
Unterrichtsfächer: Geschichte, Politik/Sozialkunde, Kunst, Ethik/Religion, Deutsch
Rechtekontakte für (Schul-)Vorführungen: PROGRESS Film-Verleih.
Inhalt
Der Film beginnt in einer wüstenähnlichen Landschaft, die wie ein mysteriöses Niemandsland erscheint. Der Protagonist taucht hier zum ersten Mal auf. Er pflückt eine Blume, wird dabei aber von einem Militärflugzeug überrascht und von Spezialeinheiten in silbernen Anzügen vorübergehend in Gewahrsam genommen, da ein Atombombentest bevorsteht. Zurück in der Stadt, begibt sich der junge Mann auf Arbeitssuche und gerät dabei, wie es der Zufall dieser Komödie will, unwissentlich in den Besitz einer Atombombe. Ohne es zu ahnen, trägt er sie in einer Aktentasche durch die Stadt, die Gangsterbande, die die Bombe in ihren Besitz bringen wollte, und uniformierte Truppen der bestohlenen Firma XOX dicht auf den Fersen. Während die beiden konkurrierenden Gruppen im Wettlauf gegeneinander versuchen, die Bombe zurückzuerobern und sich schließlich einen finalen Kampf liefern, verliebt sich der junge Mann in eine Schaffnerin. Er erobert ihr Herz, und am Ende verwandeln die beiden kraft ihrer Liebe die zerstörerische Bombe in kleine, Energie spendende Stücke, die sie an die Einwohner der Stadt verteilen. In der letzten Szene kehren sie an den Ausgangspunkt des Films zurück: Aus einem verstreuten Funken der Bombe erwächst ein Blumenfeld in der Wüste.
Thema
Der Film thematisiert in Anspielung auf das atomare Wettrüsten während des Kalten Krieges den Konkurrenzkampf um den Besitz der Atombombe und die Angst vor ihrer Zerstörungsmacht. Zwei unterschiedliche Gruppierungen, die Reichtum und Macht symbolisieren, ringen um die alleinige Verfügungsgewalt über die Bombe. Im Wettlauf gegeneinander versuchen sie, die Bombe aus den Händen des unwissenden jungen Mannes zurückzuerobern. Die Mitglieder der Gangsterbande haben dabei jedoch so große Angst, dass sie im entscheidenden Moment der Mut verlässt und sie die Chance verpassen, sie an sich zu nehmen. Dem Tüftler zittern die Lippen, dem hartgesottenen Cowboy läuft der Schweiß über die Stirn und der größte und dickste Mann der Gruppe muss aus Furcht lauthals niesen. Trotz des überwiegenden Humors enthält der Film die ernsthafte Botschaft, dass die eigentliche Gefahr weniger in der Explosionskraft der Bombe liegt, als vielmehr im gegenseitigen Konkurrenzkampf der Reichen und Mächtigen. Eine Lösung für dieses Problem hält der Film am Ende bereit. Weder die Gangsterbande, noch die Firma XOX erhält die Bombe für ihre kriegerischen Absichten zurück. Statt dessen wird das Energiepotential der Atombombe umfunktioniert und allen Menschen, egal welcher Herkunft und Hautfarbe, zu friedlichen Zwecken zugänglich gemacht.
Figuren und Figurengruppen
Der Mann mit der Blume
Der namenlose Held des Films, der in der ersten Szene eine Blume pflückt, ist das realfilmische Alter Ego einer Comicfigur Ion Popescu-Gopos, die bereits in seinen Zeichentrickfilmen auftaucht und auch dort meist eine Blume bei sich trägt. In Die gestohlene Bombe ist der junge Mann im zerknitterten Anzug die harmloseste Figur des Films und zugleich die gefährlichste. Seine Friedfertigkeit wird zu Beginn des Films durch die Geste des Blumenpflückens verdeutlicht. Obwohl er keinerlei böse Absichten hegt und eigentlich nur auf der Suche nach Arbeit ist, avanciert er jedoch schon bald zur Bedrohung für die ganze Stadt. Die kleinste Erschütterung könnte die Bombe in seiner Aktentasche zum Explodieren bringen und so läuft der junge Mann, ohne es zu ahnen, als tickende Zeitbombe umher.
Die Gangsterbande
Die Gangsterbande, die ursprünglich die Bombe stehlen wollte und im Laufe des Films hinter dem jungen Mann her ist, lässt vielerlei Anspielungen auf die US-amerikanische Kultur erkennen. Der Anführer erinnert mit seiner Körperfülle, seinen adretten Anzügen sowie Hut und Zigarette an den Gangsterboss Al Capone, Chef der Chicagoer Unterwelt in den 1920er- und 1930er-Jahren. Ähnlich wie Capone, der sich im zivilen Leben als Antiquitätenhändler ausgab, besitzt der Chef der Gangsterbande in Die gestohlene Bombe ein Geschäft für Brautmoden, in dessen Hinterzimmer geraucht und gezockt wird und in dem sich hinter einer Falltür sein Versteck befindet. Das Verhalten des Gangsterbosses und seiner Frau kann nicht zuletzt als Parodie auf das US-amerikanische Konsumverhalten gedeutet werden. Nachdem sie von einer Shoppingtour zurückkehren, führen sie sich (und dem Zuschauer) zu moderner Jazzmusik ihre neu erstandenen Kleidungsstücke vor, die im Falle der Frau sogar zur Wohnungsausstattung passen. Die Untergebenen des Anführers und ihr Verhalten wirken wie eine Ansammlung von Klischees aus amerikanischen Gangsterfilmen, Western und Slapstickkomödien, aus denen mit filmischen Mitteln kräftig zitiert wird. Ihre äußere Coolness hält den Erwartungen nicht stand. Obgleich sie mit Waffen und allerlei Einbrecherutensilien ausgestattet sind und sich diverse Gelegenheiten bieten, fehlt ihnen im entscheidenden Moment der Mut, die Bombe an sich zu nehmen.
Die uniformierten Truppen
An Ungeschicklichkeit unübertroffen sind jedoch die uniformierten Truppen, die zu Beginn des Films den Raub der Bombe aus der Firma XOX verhindern und sie anschließend wieder zurückerobern sollen. In blindem Gehorsam rennen sie auf Befehl los, aber direkt vorbei an den Verbrechern. Dabei bewegen sie sich in Formationen, vom Befehlsgeber per Trillerpfeife dirigiert. Ihr Aufmarsch im Gebäude der Firma XOX wirkt wie ein einstudiertes Ballettstück. Das Abzeichen an ihrer Uniform, zwei sich kreuzende Blitze, erinnert entfernt an das Abzeichen der deutschen SS – womöglich ein versteckter Hinweis auf die Kooperation Rumäniens mit den Nationalsozialisten unter dem rumänischen Diktator Ion Antonescu oder aber eine direkte Anspielung auf das NS-Regime und seine militärisch durchorganisierten Strukturen, bei denen das Individuum in den Hintergrund tritt. Die Uniformiertheit und Ununterscheidbarkeit dieser Figurengruppe kann im Kontrast zu den markanten und wiedererkennbaren Typen der Gangsterbande aber auch als Anspielung auf die untergeordnete Rolle des Individuums im Sozialismus gedeutet werden.
Die Schaffnerin und die Einwohner der Vorstadt
Die junge Schaffnerin mit den blonden Haaren lebt in bescheidenen Verhältnissen in der Vorstadt. Nach Dienstschluss kehrt sie am Abend dorthin zurück. In ihrer Nachbarschaft wohnt das Arbeitervolk, das einen Querschnitt aus den "sozialistischen Bruderstaaten" der ganzen Welt zu repräsentieren scheint. Der junge Mann verliebt sich auf den ersten Blick in die Schaffnerin. Ihre Engelsgleichheit verdeutlicht der Film durch das surreale Element zweier weißer Flügel, die von Zeit zu Zeit an ihrem Rücken erscheinen. Als eine Art Marienfigur des Films ist sie am Ende diejenige, die die friedliche Nutzung der Energie der Bombe initiiert.
Filmgestalterische Mittel
Genres
Die gestohlene Bombe ist eine der wenigen künstlerisch-komödiantischen Auseinandersetzungen mit dem Thema des atomaren Wettrüstens. Als dialogfreie Komödie in der Machart eines Stummfilms arbeitet der Film mit Slapstickelementen und parodiert Stilmittel des Agentenfilms und des US-amerikanischen Genrekinos. Der surreale Charakter der Story wird bereits in der ersten Szene des Films deutlich. Die undefinierbare Landschaft, die harmlose Geste des Blumenpflückens und die futuristisch anmutenden Anzüge der Militäreinheiten kreieren eine unwirkliche Atmosphäre, die sich durch den ganzen Film hindurchzieht. Der Humor des Films ergibt sich vor allem aus der Unwissenheit des Protagonisten über den Inhalt der Aktentasche und aus den Widersprüchen seiner Rolle.
Von den herkömmlichen Agentenfilmen seiner Zeit unterscheidet sich Die gestohlene Bombe vor allem dadurch, dass er Figuren und Stilmittel des Genres zwar adaptiert, sie jedoch bricht und damit Bedeutungsverschiebungen und Humor erzeugt. Wie in jedem Agentenfilm ist beispielsweise auch hier der Protagonist in gefährlicher Mission unterwegs, nur weiß er selbst nichts davon. Die raffiniertesten Einbruchswerkzeuge werden zwar sorgfältig ausgebreitet, sind am Ende jedoch unbrauchbar. Und die beiden konkurrierenden Gruppen im Film stehen nicht symbolisch für das Gute und das Böse, das Eigene und das Fremde im Kontext der Systemkonkurrenz des Kalten Krieges, sondern hegen gleichermaßen verwerfliche Absichten.
Dialogfreie Darstellung von Kommunikation und Emotionen
Ganz in der Tradition des Stummfilms verwendet Die gestohlene Bombe eine bildsprachliche Symbolik, um Kommunikation und Emotionen ohne Dialoge auszudrücken. Das Gespräch zwischen den beiden Anführern, dem Chef der Gangsterbande und dem Chef der Firma XOX, findet mit Hilfe eines zwischengeschalteten Mediums, einer mit einem Gehirn ausgestatteten Schreibmaschine, statt. Vom Verliebtsein des Protagonisten erfährt der Zuschauer nicht nur durch den verklärten Blick des jungen Mannes, sondern auch durch die Engelsflügel, die der Schaffnerin in seiner Phantasie aus dem Rücken erwachsen.
Filmhistorische Referenzen
Von der Machart erinnert Die gestohlene Bombe an die Slapstickfilme des französischen Filmemachers und Schauspielers Jacques Tati. Dialogfreie Situationskomik unterlegt mit jazziger Musik zeichnet vor allem Tatis Film Les Vacances de M. Hulot / Die Ferien des M. Hulot (F 1953) aus. Da die Verbindungen zwischen rumänischen und französischen Filmschaffenden aufgrund der Sprachverwandschaft von Beginn an eng waren und einige französische Regisseure in den 1950er- und 1960er-Jahren im rumänischen Buftea-Studio Filme drehten, ist es wahrscheinlich, dass Popescu-Gopo sich von den Filmen Tatis inspirieren ließ.
Darüber hinaus enthält Die gestohlene Bombe mehrere Filmzitate. Eine deutliche Referenz an den Meister des Slapstickhumors, Charlie Chaplin, ist die Traumsequenz. Der Traum des jungen Mannes von den eigenen vier Wänden und einem gemeinsamen Essen mit seiner Angebeteten ist nahezu identisch mit der Traumsequenz aus Chaplins Modern Times / Moderne Zeiten (USA 1935) – ebenfalls ein Tonfilm, der wie ein Stummfilm inszeniert ist. Die Szene zu Beginn des Films, in der der junge Mann in der Wüste von einem Militärhubschrauber überrascht wird, erinnert stark an die bekannte Szene aus Alfred Hitchcocks Thriller North by Northwest / Der unsichtbare Dritte (USA 1959), in der der Protagonist auf einem freien Feld vor einem Flugzeug flüchtet, das ihn verfolgt. Hitchcocks Film entstand zwei Jahre vor Die gestohlene Bombe.
Hintergrund und weiterführende Themen
Das atomare Wettrüsten zwischen USA und UdSSR
Die gestohlene Bombe entstand in einer Hochphase des Kalten Krieges, als das Wettrüsten zwischen den beiden Supermächten USA und UdSSR in vollem Gange war. Das Arsenal an Atomwaffen wuchs auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs beständig an, ihr Einsatz war zu diesem Zeitpunkt für den Kriegsfall definitiv vorgesehen. 1961, als der Film produziert wurde, war es vier Jahre her, dass das westliche Militärbündnis NATO seine Abschreckungsstrategie der "Massiven Vergeltung" verkündet hatte. Auf einen Erstschlag der UdSSR, ob konventionell oder atomar, sollte im Gegenzug mit allen Mitteln, darunter auch Atomwaffen, reagiert werden. Das Wettrüsten nahm zu Beginn der 1960er-Jahre immer größere Ausmaße an. Am 30. Oktober 1961 – wenige Tage, nachdem sich sowjetische und amerikanische Panzer am Checkpoint Charlie gefechtsbereit gegenüberstanden – ließen die Sowjets auf einem Testgelände im Nordpolarmeer die größte und stärkste Wasserstoffbombe explodieren, die jemals gebaut wurde. Ihre Sprengkraft war 3.500-mal höher als die der Hiroshima-Bombe, bei deren Abwurf im August 1945 bereits am ersten Tag 45.000 Menschen gestorben waren und sich die Zahl der Todesopfer in den nächsten Monaten auf 136.000 erhöht hatte.
Das Wettrüsten hatte bereits mit Kriegsende begonnen. 1949 testeten die UdSSR erstmals erfolgreich eine eigene Atombombe; damit verloren die USA ihr Atombomben-Monopol. Zunächst wurden auf beiden Seiten Wasserstoffbomben mit einer noch höheren, ebenfalls radioaktiven Zerstörungskraft entwickelt. In den 1950er- und 1960er-Jahren lieferten sich die beiden Supermächte ein Wettrüsten im Bereich strategische Waffen, die mit atomaren Sprengköpfen bestückt wurden. Als die UdSSR 1957 den Satelliten "Sputnik" ins Weltall schossen, schien ein atomarer Angriff auf die USA mit Interkontinentalraketen für die UdSSR durchführbar geworden zu sein. Das Ereignis ist als "Sputnik-Schock" in die Geschichtsbücher eingegangen. Das Wettrüsten erweiterte sich in der Folge zum Wettlauf der beiden Supermächte im Bereich der Raumfahrt. Die silbernen Anzüge der Spezialeinheiten im Film Die gestohlene Bombe können als Anspielung auf diesen "Wettlauf zum Mond" gedeutet werden.
1961 war auch das Jahr, in dem die USA damit begannen, ihre mit atomaren Sprengköpfen ausgestatteten B-52 Bomber im 24-Stunden-Einsatz über Europa, dem Mittelmeer und dem Pazifik fliegen zu lassen. Im Kriegsfall sollten sie möglichst schnell Atombomben auf vorbestimmte Ziele in der Sowjetunion abwerfen. Ein Jahr nach der Produktion von Die gestohlene Bombe stand die Welt während der Kuba-Krise (16.-28. Oktober 1962) tatsächlich am Rande eines Atomkrieges. Die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen mit atomaren Sprengköpfen auf Kuba stellte eine hochgradige Provokation gegen die Amerikaner dar, auf die diese mit einer Seeblockade der sowjetischen Militärboote reagierten. Nach tagelangen gegenseitigen Drohgebärden und Verhandlungen lenkte der sowjetische Partei- und Regierungschef Nikita S. Chruschtschow schließlich ein und zog die Raketen zurück. Der Mechanismus des atomaren Wettrüstens bestand darin, dass einerseits zwar immer größere und gefährlichere Waffen gebaut wurden, ihre Zerstörungskraft andererseits allerdings so verheerend gewesen wäre, dass ein Einsatz undenkbar erschien. Das atomare Patt zwischen den beiden Supermächten garantierte die gegenseitige völlige Zerstörung im Kriegsfall und hatte letztlich eine den Frieden sichernde Funktion, zumindest verhinderte es einen direkten Krieg zwischen den USA und der UdSSR.
Rumäniens Rolle im Militärbündnis "Warschauer Pakt"
Nachdem Rumänien während des Zweiten Weltkrieges zunächst mit dem nationalsozialistischen Deutschland kooperiert und gegen die Sowjetunion gekämpft hatte, marschierte im August 1944 die Rote Armee in Bukarest ein. Damit war der Weg Rumäniens zum Kommunismus und zu einem Bündnis mit der UdSSR geebnet. 1947 wurde die "Volksrepublik Rumänien" ausgerufen, alleinige Regierungspartei war die Kommunistische Partei unter Ministerpräsident Gheorge Gheorghiu-Dej. Dieser instruierte die Stalinisierung Rumäniens mittels Zwangskollektivierungen und der Ausschaltung politisch Andersdenkender. Am 14. Mai 1955 wurde auf sowjetische Initiative hin der Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand zwischen der UdSSR und sieben sozialistischen Staaten aus Osteuropa, darunter Rumänien, geschlossen. Dieser Vertrag ist auch unter dem Namen Warschauer Vertragsorganisation oder "Warschauer Pakt" bekannt. Das politische und militärische Bündnis sollte ein Gegengewicht zum 1949 gegründeten westlichen Militärbündnis NATO bilden und die osteuropäischen Volksrepubliken an die Sowjetunion binden. Die Mitgliedsstaaten unterstanden damit dem verstärkten Einfluss Moskaus und büßten nationale Autonomie ein, konnten sich dafür aber im Kriegsfall der Unterstützung der Atommacht UdSSR sicher sein. Mit der NATO im Westen und dem Warschauer Pakt im Osten standen sich nun zwei Militärbündnisse gegenüber, die beide mit Atomwaffen ausgestattet waren. Die USA, die UdSSR und Großbritannien waren zu diesem Zeitpunkt die einzigen Länder im Besitz von Atomwaffen.
Nach anfänglich harmonischen Beziehungen zur UdSSR ging Rumänien zu Beginn der 1960er-Jahre auf Distanz und verfolgte stärker nationale Interessen. Auslöser dieses Ablösungsprozesses war einerseits das rigide Verhalten der UdSSR während des Ungarn-Aufstandes 1956 und einige Jahre später während der zweiten Berlin-Krise, die zum Bau der Mauer am 13. August 1961 führte, sowie der Kubakrise (16.-28. Oktober 1962). Rumänien fürchtete in einen Nuklearkrieg hineingezogen zu werden, was die eigenen Sicherheitsinteressen gefährdet hätte. Andererseits war Rumänien nicht mit der Machtverteilung innerhalb der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Paktes einverstanden. Die UdSSR bestand darauf, im Kriegsfall die alleinige Befehlsgewalt über die Vereinigten Streitkräfte innezuhaben und auch über den Einsatz von Nuklearwaffen alleinig zu entscheiden.
Erste militärische Übungen von Streitkräften des Warschauer Paktes zum Einsatz von Atomwaffen bei einer Offensive waren bereits 1955 auf rumänischem Gebiet durchgeführt worden. Zu dieser Zeit war noch sowjetisches Militär in Rumänien stationiert, das erst 1958 abzog. Nach dem Abzug traten erste Meinungsunterschiede zwischen der rumänischen Staatsführung und Moskau auf. Diese verschärften sich 1964, noch unter Gheorge Gheorghiu-Dej, und begleiteten auch die Amtszeit Nicolae Ceauşescus, der ab 1965 regierte. Rumänien blieb jedoch Mitglied des Warschauer Paktes bis zu dessen Auflösung am 1. Juli 1991. Gleichzeitig war es eines der ersten Länder des Warschauer Paktes, dass sich zum Westen hin öffnete. Als erstes Ostblockland nahm Rumänien diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland auf.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht allzu sehr, wie ein Film, der indirekt die Atomwaffenpolitik der Sowjets verurteilte, die rumänische Zensur passieren konnte. Interpretiert man den Film als Parabel auf die damalige Gegenwart und entsprechend die uniformierten Truppen als Repräsentanten der Sowjets und die Gangsterbande als Repräsentanten der Amerikaner, spiegelt Die gestohlene Bombe in gewisser Weise die rumänische Haltung gegenüber den beiden Supermächten im Kalten Krieg wider. Indem er die Gangsterbande und ihre Kontrahenten am Ende leer ausgehen lässt, verurteilt der Film indirekt ihre kriegerischen Absichten und damit die der beiden atomaren Supermächte.
Utopie von der friedlichen Nutzung der Atomenergie
Die gestohlene Bombe endet mit der Utopie, die Atomenergie friedlich zu nutzen und sie zum segensreichen Allgemeingut zu machen. Eine solche Vision von der zivilen Nutzung der Atomenergie formulierte bereits der dänische Atomphysiker Niels Bohr im Jahr 1950 in einem offenen Brief an die Vereinten Nationen. Bohr warnte in dem Brief vor dem zerstörerischen Potential der Atomwaffen und plädierte für blockübergreifende Kooperationen im Bereich der Wissenschaft, um die Atomenergie weltweit friedlich für zivile Zwecke einzusetzen. Damit wurde er ein Vorbild für die Anti-Atomwaffen-Bewegung in den 1950er-Jahren.
Filmtipp
Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb / Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu Lieben
GB 1964, Regie: Stanley Kubrick
Wie Die gestohlene Bombe ist auch Stanley Kubricks Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu Lieben eine Komödie über das atomare Wettrüsten. Anders als der rumänische Film endet Kubricks Film jedoch nicht mit einer friedlichen Utopie, sondern mit dem Ernstfall – dem Abwurf einer amerikanischen Atombombe über sowjetischem Gebiet. Diese Kriegserklärung hat der eigenmächtig handelnde General Jack D. Ripper zu verantworten. Während der US-amerikanische Präsident höchstpersönlich aus dem War Room heraus den sowjetischen Präsidenten davon zu überzeugen versucht, dass es sich um ein Versehen handelt, hat der amerikanische B-52 Bomber schon längst jegliche Verbindung zur Air Base gekappt und steuert auf sein Ziel zu. Kubricks Film steckt voller Referenzen auf die Filmgeschichte und auf reale Personen. Wie in Popescu-Gopos Komödie gibt es auch hier mit Major Kong, der das Flugzeug befehligt, eine Westernfigur, die alle Klischees bedient. Dr. Strangelove, ein aus Deutschland stammender Wissenschaftler mit Veranlagung zum Hitlergruß, trägt Züge des Raketeningenieurs Wernher von Braun, der zunächst im Dienst der Nationalsozialisten stand und nach dem Zweiten Weltkrieg das US-amerikanische Programm zur Erforschung des Weltraums leitete. Mit seinem schwarzen Handschuh erinnert Dr. Strangelove zudem an den verrückten Wissenschaftler Dr. Rotwang aus Fritz Langs Metropolis von 1926.
Der Regisseur Ion Popescu-Gopo
* 01.05.1923 in Bukarest, 28.11.1989 in Bukarest
Nachdem ihm bereits sein Vater Zeichenunterricht gegeben hatte, studierte Popescu-Gopo an der Bukarester Akademie für Bildende Künste. Ab 1939 arbeitete er als Cartoonist und Buchillustrator und ab 1950 für das Bukarester Filmstudio in der Abteilung für Animationsfilm. Hier entstanden in Zusammenarbeit mit seinem Vater seine ersten Zeichentrickfilme, wie etwa Das ungehorsame Entchen (1950) und Die Biene und die Taube (1951). In seinen Zeichentrickarbeiten wird Popescu-Gopos Bewunderung für Walt Disney spürbar. 1956 kreierte er den ersten von mehreren Filmen mit der Figur des kleinen Mannes, die Kurze Weltgeschichte. Der zehnminütige Film gewann 1957 die Goldene Palme für den besten Kurzfilm bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes. Neben vielen weiteren Zeichentrickfilmen drehte Popescu-Gopo insgesamt drei abendfüllende Realspielfilme, von denen Die gestohlene Bombe 1961 der erste war. In dem 1964 gegründeten Studio "Animafilm" arbeitete Popescu-Gopo als Filmemacher, später auch als Dozent.
Literaturtipps
Kalter Krieg. 60 Filme aus Ost und West. Katalog der Retrospektive der 41. Internationalen Filmfestspiele Berlin, hrsg. von der Stiftung Deutsche Kinemathek. Berlin 1991.
Torsten Diedrich, Winfried Heinemann, Christian F. Ostermann (Hrsg.): Der Warschauer Pakt. Von der Gründung bis zum Zusammenbruch 1955 bis 1991. Schriftenreihe der bpb (Band 782). Bonn 2009.
Hilke Gerdes: Rumänien. Mehr als Dracula und Walachei. Schriftenreihe der bpb (Band 707). Bonn 2007.
Michael Salewski (Hrsg.): Das Zeitalter der Bombe. Die Geschichte der atomaren Bedrohung von Hiroshima bis heute. Verlag C. H. Beck, München 1995.
Frank Schumacher: Leben mit der Bombe. Kernwaffen und Kalter Krieg, 1945-1962. In: Der Kalte Krieg, hrsg. in Zusammenarbeit mit DAMALS – Das Magazin für Geschichte. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2010, S. 25-32.
Bernd Stöver: Der Kalte Krieg 1947-1991. Geschichte eines radikalen Zeitalters. Verlag C. H. Beck, München 2007. Darin insbesondere das Kapitel 5: "Eine Welt in Waffen".
Weiterführende Links
Website zur Filmreihe "The Celluloid Curtain – Europe's Cold War in Film"
Externer Link: http://www.celluloid-curtain.eu
Website mit Informationen über die Geschichte der Atomwaffen, wissenschaftlichen Erklärungen zum Thema Atomphysik, einem Glossar und einem Überblick über verschiedene Initiativen, die sich für eine atomwaffenfreie Zukunft einsetzen.
Externer Link: http://www.atomwaffena-z.info
bpb.de: Informationen zur politischen Bildung (Heft 245): Internationale Beziehungen I Aufsätze und Quellenmaterial zu Entstehung und Entwicklung des Ost-West-Konfliktes
Externer Link: http://www.bpb.de/publikationen/90DR2J,0,0,Internationale_
Beziehungen_I.html
bpb.de: Essay von Annette Kilzer über Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu Lieben
Externer Link: http://www.bpb.de/themen/RGTCB5,0,Dr_Seltsam.html
Website des Filmverleihs Progress-Film mit Informationen zum Film Die gestohlene Bombe
Externer Link: http://www.progress-film.de/de/filmarchiv/film.php?id=6621
Blog einer rumänischen Schüler-AG mit Informationen zu Ion Popescu-Gopo und Ausschnitten aus seinen Trickfilmen Externer Link: http://www.surprising-romania.blogspot.com/2009/07/ion-popescu-gopo.html
Radiofeature von Deutschlandradio Kultur zum Thema "Der Kalte Krieg im Spionagefilm" Externer Link: http://wissen.dradio.de/kino-der-kalte-krieg-im-spionagefilm.38.de.html?dram:article_id=10449&sid=
Mehr zu diesem Thema auf Kinofenster
The Fog of War (Filmbesprechung vom 01.09.2004)
Externer Link: http://www.kinofenster.de/filmeundthemen/neuimkino/archiv_
neuimkino/the_fog_of_war_film/
Thirteen Days (Filmbesprechung vom 01.03.2001)
Externer Link: http://www.kinofenster.de/filmeundthemen/neuimkino/archiv_
neuimkino/thirteen_days_film/
Unter Kontrolle (Film des Monats Mai 2011)
Externer Link: http://www.kinofenster.de/download/monatsausgabe-unter-kontrolle.pdf
Anregungen für den Unterricht
Fach Thema Sozialformen und Methoden Deutsch / Kunst Figuren-beschreibung Gruppenarbeit (GA): den Figuren und Figurengruppen einen Namen oder eine Bezeichnung geben. Diese/n jeweils auf ein Plakat notieren, dazu ein typisches Symbol zeichnen und in einem Satz die Absicht der Figur oder Figurengruppe im Film beschreiben. Genre GA: Genremerkmale von Slapstickfilmen, Western und Agentenfilmen definieren. Davon ausgehend entsprechende Genrebezüge bzw. deren Brechungen in Die gestohlene Bombe erarbeiten und im Tafelbild darstellen. Film-
vergleichPlenum (PL): Die Traumsequenz aus Die gestohlene Bombe mit der Traumsequenz aus Charlie Chaplins Modern Times (USA 1936) vergleichen und die Ähnlichkeiten und Unterschiede im Hinblick auf Inhalt, Gestaltung und Humor herausarbeiten. Geschichte / Politik Atomares Wettrüsten und Atom-
spionageEinzelarbeit (EA): Ein Kurzreferat zum atomaren Wettrüsten erarbeiten. NATO-Strategie der "Massiven Vergeltung" EA: Den Auszug aus dem NATO-Dokument MC 14/2 lesen und notieren, welche Strategie das Militärbündnis im Hinblick auf den Einsatz von Atomwaffen verfolgte.
PL: Das Ende des Films vor dem Hintergrund der damaligen politischen Situation diskutieren.Filmvergleich Eine weitere Komödie zum Thema des atomaren Wettrüstens sichten, zum Beispiel Stanley Kubricks Dr. Seltsam, oder wie ich lernte die Bombe zu lieben (GB 1964), und den Humor vergleichen. Ethik / Sozialkunde Zivile Nutzung der Atomenergie EA: Auszug aus dem offenen Brief des Atomphysikers Niels Bohr an die Vereinten Nationen vom 9.6.1950 lesen und in Stichworten seine Forderungen notieren.
PL: Erörtern, wie sich die Forderungen Niels Bohrs und das Ende von Die gestohlene Bombe ähneln.
Fishbowl: Vor- und Nachteile der friedlichen/zivilen Nutzung der Atomenergie diskutieren.Kunst / Musik Filmische Gestaltungs-
mittelPL: Die Funktion der Musik und Geräusche beschreiben (zum Beispiel anhand der Szene vor dem Kino); an einzelnen Szenen beschreiben, wie Kommunikation und Gefühle ohne Dialoge dargestellt werden. Vertonung von Standbildern GA: Nach dem Vorbild der Szene vor dem Kino Standbilder aus Filmen verschiedener Genres mit Geräuschen und Musik vertonen.
Arbeitsblatt
Ein junger Mann gerät, ohne es zu merken, durch Zufall in den Besitz einer Atombombe. Ahnungslos trägt er sie in einer Aktentasche durch die Stadt, die Gangsterbande, die die Bombe in ihren Besitz bringen wollte, und uniformierte Truppen der bestohlenen Firma XOX dicht auf den Fersen.
S-a furat o bombă / Die gestohlene Bombe ist eine der wenigen künstlerisch-komödiantischen Auseinandersetzungen mit dem Thema des atomaren Wettrüstens. Als ein dialogfreier Tonfilm in der Machart eines Stummfilms erinnert er an die französischen Slapstickfilme Jacques Tatis. Hinsichtlich der Figurencharakterisierung und szenenbildnerischen Mittel lassen sich weitere filmhistorische Referenzen ausmachen. Das Ende des Films greift Forderungen der damals entstehenden Antiatomwaffenbewegung auf.
Die Aufgaben richten sich an Schüler/innen ab 15 Jahren und regen zu einer Analyse und Reflexion der Figurencharakterisierung, der filmgestalterischen Mittel und der politischen Botschaft des Films an. Sie eignen sich für den Einsatz in den Schulfächern Deutsch, Geschichte, Politik/ Sozialkunde, Ethik, Kunst und Musik.
Aufgabe 1: Vorbereitung auf die Filmsichtung
Fächer: Deutsch, Kunst, MusikRecherchieren Sie, in welchem Jahr der Tonfilm eingeführt wurde.
Überlegen Sie, aus welchen Gründen sich ein Regisseur 1961 dazu entschieden haben könnte, einen Film ohne Dialoge in der Machart eines Stummfilms zu drehen.
Beobachtungsaufgaben:
Welche unterschiedlichen Figuren und Figurengruppen kommen im Film vor?
Wie werden Kommunikation und Gefühle ohne Sprache im Film verdeutlicht?
Welche Rolle spielen Musik und Geräusche?
Aufgabe 2: Analyse der Figuren und Figurengruppen
Fächer: Deutsch, KunstGeben Sie in Kleingruppen den unterschiedlichen Figuren und Figurengruppen eine Bezeichnung oder einen Namen. Schreiben Sie diese/n jeweils auf eine Karte und notieren dazu, welche Absicht die Figur oder die Figurengruppe im Film verfolgt.
Schreiben Sie in Einzelarbeit einen Steckbrief über die Gruppe, die die Bombe stehlen will (Erscheinungsbild, Auftreten, Verhalten).
Welche Unterschiede bestehen zwischen dieser und der anderen Figurengruppe?
Stellen Sie sich vor, Sie wären der Regisseur des Films und müssten einem Journalisten erklären, weshalb Sie die Hauptfigur des Films, den jungen Mann, derart gestaltet haben. Gehen Sie dabei auf Alter, Erscheinungsbild und Verhalten ein und beachten Sie, inwiefern er sich von den anderen Figurengruppen im Film unterscheidet.
Aufgabe 3: Das Filmende reflektieren
Fächer: Deutsch, Geschichte, Politik/Sozialkunde, EthikInterpretieren Sie im Plenum das Ende des Films: Was ist die Botschaft?
Entwickeln Sie in Kleingruppen ein alternatives Ende zu dem Film und schreiben es auf einer halben DIN-A4-Seite auf. Gehen Sie dabei auf folgende Frage ein: Was wäre passiert, wenn es der Gangsterbande gelungen wäre, die Bombe in ihren Besitz zu bringen?
Lesen Sie in Einzelarbeit den Auszug aus dem NATO-Dokument MC 14/2 von 1956 und notieren Sie, welche Strategie das Militärbündnis im Hinblick auf den Einsatz von Atomwaffen verfolgte. Besprechen Sie anschließend im Plenum, wie das Ende des Films Die gestohlene Bombe vor dem Hintergrund der damaligen politischen Situation zu verstehen ist.
Aufgabe 4: Filmgestalterische Mittel
Fächer: Kunst, MusikBetrachten Sie die beiden Screenshots aus Die gestohlene Bombe. Beschreiben Sie, wie im Film Kommunikation und Gefühle ohne Dialoge dargestellt werden. Entwickeln Sie Alternativen zu den hier gezeigten Möglichkeiten.
Betrachten Sie die Screenshots aus Die gestohlene Bombe und North by Northwest / Der unsichtbare Dritte (USA 1959, R: Alfred Hitchcock). Inwiefern hat sich Ion Popescu-Gopo von Alfred Hitchcocks Film beeinflussen lassen? Beschreiben Sie die Atmosphäre der Bilder unter Berücksichtigung der Bildgestaltung (Bildausschnitt, Einstellungsgröße, Kameraperspektive, Positionierung der Objekte im Raum etc.).
Schreiben Sie in Einzelarbeit eine kurze Filmkritik, in der Sie auf den Einsatz von Musik und Geräuschen im Film eingehen. Beschreiben Sie den Musikstil und die Art und Weise der Verwendung von Musik und Geräuschen im Film und schließen Sie mit einem Urteil.
Handout: "Die gestohlene Bombe" Rumänien 1961, Agentenkomödie
/ 19 Minuten zu lesen
Handout mit umfangreichen Informationen zum Film, Anregungen zur Unterrichtsvertiefung sowie einem Arbeitsblatt für die Gruppenarbeit von Schülerinnen und Schülern.
Ihre Meinung zählt: Wie nutzen und beurteilen Sie die Angebote der bpb? Das Marktforschungsinstitut Info GmbH führt im Auftrag der bpb eine Umfrage zur Qualität unserer Produkte durch – natürlich vollkommen anonym (Befragungsdauer ca. 20-25 Minuten).
Vielen Dank für Ihre Unterstützung!