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EU-Urheberrechtsreform: Mehr Gerechtigkeit oder Zensur? | Hintergrund aktuell | bpb.de

EU-Urheberrechtsreform: Mehr Gerechtigkeit oder Zensur?

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Das EU-Parlament hat der umstrittenen Reform des Urheberrechts zugestimmt. Kreative und Verleger sehen darin eine Chance für faire Vergütung, während Kritiker/-innen insbesondere vor den Folgen möglicher Uploadfilter warnen.

Mit der neuen Regelung sollen Plattformen wie YouTube stärker in die Pflicht genommen werden: Geschützte Werke müssten demnach lizenziert werden, bevor sie auf den Plattformen landen – oder dürften nicht hochgeladen werden. (© picture-alliance/dpa)

Am Dienstag haben die Abgeordneten des EU-Parlaments die „Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ mit 348 Ja-Stimmen bei 274 Gegenstimmen und 36 Enthaltungen angenommen. Ein Antrag über einzelne Artikel der Reform gesondert abzustimmen, scheiterte nur knapp mit fünf Stimmen. Damit endet das 2016 begonnene Gesetzgebungsverfahren.

Die Richtlinie muss noch im Rat der EU von den zuständigen Minister/-innen der Mitgliedstaaten angenommen werden, was allerdings als Formsache gilt. Im Anschluss haben die EU-Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, die Bestimmungen in nationale Gesetzgebung umzusetzen.

Seit Jahren wird in der Europäischen Union über eine Reform des Urheberrechts diskutiert. Ziel ist, das Urheberrecht an die Erfordernisse des digitalen Zeitalters anzupassen und die Nutzung geschützter Werke wie Texte, Bilder, Videos und Musik im Internet klarer zu regeln. Das aktuelle EU-Urheberrecht stammt aus dem Jahr 2001 – einer Zeit als es Facebook, Twitter und YouTube noch nicht gab.

Mitte Februar dieses Jahres hatten sich Vertreter/-innen der EU-Institutionen Rat, Kommission und Parlament im Trilog-Verfahren auf einen Kompromiss geeinigt. Sie sehen in der Reform eine Chance für Journalist/-innen und Kulturschaffende, eine faire Vergütung für ihre Arbeit zu erhalten. Doch gegen Teile des Entwurfs wurde in vielen europäischen Ländern demonstriert: Die Kritiker/-innen halten die Pläne der EU – insbesondere die befürchteten Folgen so genannter Uploadfilter - für eine Gefahr für das freie Internet. Zeitungs- und Zeitschriftenverlage sowie Musik- und Filmunternehmen sehen dringend Handlungsbedarf, da von ihnen produzierte Inhalte auf Plattformen wie Google oder Facebook genutzt werden, ohne dass die Urheber/-innen bzw. Produzenten dafür vergütet werden.

Zwei zentrale Änderungen stehen in der Kritik

Widerstand gab es insbesondere gegen Artikel 11 und 13 der geplanten Urheberrechtsreform. Artikel 11, in der aktuell angenommenen Fassung der Richtlinie Artikel 15, regelt das Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Ihm zufolge sollen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage sowie Autorinnen und Autoren künftig mehr Geld für die Nutzung ihrer Inhalte durch Dritte bekommen. Nach der jetzt angenommenen Fassung dürfen Suchmaschinen wie Google dann nicht mehr ohne Weiteres kleine Artikel-Ausschnitte, sogenannte Snippets, in ihren Suchergebnissen oder bei Google News anzeigen. Sie müssen dafür künftig erst die Zustimmung der Verlage einholen und gegebenenfalls dafür zahlen.

Gegen diese Pläne machte vor allem Google mobil. Viele Verlage hingegen begrüßen die Regelung. Der Verband Deutscher Zeitungsverleger und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger bezeichnen die Reform als "große Chance für unabhängigen Journalismus in der digitalen Ära". Dabei sehen Kritiker/-innen wie die Piraten-Europapolitikerin Julia Reda auch Nachteile insbesondere für kleine Verlage: Diese seien darauf angewiesen, von Google, Yahoo und Co. gelistet zu werden, da diese zentrale Verbreitungskanäle ihrer Inhalte seien. Zudem habe das seit 2013 in Deutschland gültige und ähnlich geregelte nationale Leistungsschutzrecht nicht zu nennenswerten Zusatzeinnahmen bei den Verlagen geführt.

Besonders umstritten ist Artikel 13, in der aktuell angenommenen Fassung Artikel 17. Demnach sollen Plattformen, auf denen Nutzer/-innen etwa Videos oder Audiodateien hochladen können, künftig beim Kampf gegen Urheberrechtsverstöße stärker in die Pflicht genommen werden. Geschützte Werke müssten dann lizenziert sein, bevor sie auf den Plattformen abrufbar sind – oder sie dürfen nicht hochgeladen werden. Die Betreiber wären haftbar, wenn Nutzer/-innen dennoch urheberrechtlich geschützte Werke hochladen; bislang mussten sie solche Inhalte nur auf eine entsprechende Mitteilung hin entfernen. Eine solche umfassende und zeitnahe Kontrolle ließe sich nur mit sogenannten Uploadfiltern umsetzen.

Kritiker befürchten Zensur durch Uploadfilter

"Auch wenn Uploadfilter nicht explizit im Gesetzentwurf gefordert werden, wird es in der praktischen Anwendung auf sie hinauslaufen", warnt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Ulrich Kelber. Nach seiner Einschätzung kann die Reform zu "erheblichen datenschutzrechtlichen Problemen führen". Beim Einsatz von Uploadfiltern bestehe die Gefahr, dass wenige große IT-Anbieter solcher Filter-Software verstärkt Daten über Nutzer vieler Plattformen und Dienste im Internet bekommen. Kleinere Anbieter könnten nicht den Programmieraufwand leisten, eigene Filter zu entwickeln.

Viele Foren, Blogs und Diskussionsplattformen haben zudem angekündigt, eher auf Upload-Möglichkeiten verzichten zu wollen, als intransparente Filter-Techniken und -Software einzusetzen. Zudem kritisieren viele Betreiber, dass Nutzer/-innen damit unter Generalverdacht gestellt würden und da Uploadfilter im Zweifel auch legale Inhalte wie Parodien oder Zitate filtern würden, käme das einer Zensur und Einschränkung der Meinungsfreiheit im Netz gleich.

Ausnahmeregelung gilt nur für wenige Firmen

Von den neuen Regeln ausgenommen werden sollen nur Unternehmen, die jünger als drei Jahre sind, einen Jahresumsatz von maximal zehn Millionen Euro erreichen und zudem weniger als fünf Millionen Nutzer/-innen im Monat haben. De facto wäre damit der Großteil der Anbieter - nicht nur die großen US-Konzerne - von der Novellierung betroffen. Das Parlament hatte in den Verhandlungen mit den EU-Staaten eigentlich gefordert, dass Firmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 20 Millionen Euro ausgenommen bleiben.

Zustimmung der Bundesregierung – Europaweite Proteste

Vor allem die Parteien Die Linke, Teile von SPD und Grünen sowie die Piraten-Partei hatten sich im Vorfeld kritisch zu den Plänen geäußert. Die Einigung berge die Gefahr, "das Internet, wie wir es kennen, ausschließlich in die Hände der Technologie- und Medienriesen zu legen", sagte die Piraten-Europapolitikerin Julia Reda. Auch manche Unions-Politiker/-innen hatten sich gegen Uploadfilter ausgesprochen, etwa die deutsche Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU). Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung wird die Verpflichtung zu Filtern als "unverhältnismäßig" abgelehnt. Dennoch hatte die Bundesregierung dem Entwurf im EU-Ministerrat im Februar zugestimmt. Nach der Abstimmung am 26. März kündigte unter anderem CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak an, die Reform in Deutschland ohne die umstrittenen Uploadfilter umzusetzen. In vielen deutschen Städten hatte es bis zuletzt Demonstrationen gegen die Reform gegeben. Auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten wurde protestiert: Die Online-Petition "Save the Internet", die sich gegen den Artikel 13 (17) richtet, haben europaweit fast fünf Millionen Menschen unterschrieben.

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