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Editorial | Kulturrevolution | bpb.de

Kulturrevolution Editorial Kulturrevolution in China: Ursachen, Verlauf und Folgen Schwierige Erinnerung: 40 Jahre Ringen um gesellschaftlichen Konsens Zur Plakatpropaganda der Kulturrevolution Spuren der Kulturrevolution im heutigen China Die Kulturrevolution und die weltpolitische Dreiecksbeziehung Beijing, Moskau, Washington Die westeuropäische Neue Linke und die chinesische Kulturrevolution

Editorial

Johannes Piepenbrink

/ 2 Minuten zu lesen

Im Frühjahr 1966 entfesselte Mao Zedong die "Große Proletarische Kulturrevolution". Mit ihr stiftete der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) ein gesamtgesellschaftliches "großes Chaos", um zu einer neuen "großen Ordnung" zu gelangen. Tatsächlich bewirkte die Kampagne einen radikalen Bruch mit traditionellen Normen und Werten: Schüler erschlugen ihre Lehrer, Kinder denunzierten ihre Eltern, alte Kulturstätten wurden geschleift. Offiziell richtete sich die ungezügelte Gewalt gegen "Revisionisten" und "bourgeoise Elemente" – Kategorien, die sich beliebig auslegen ließen und mehrfach wandelten. Die einzige Konstante in allen Phasen der Kulturrevolution war die grenzenlose Verehrung des "Großen Steuermanns" Mao.

Mit seinem Tod 1976 endete die Kulturrevolution; rund 1,7 Millionen Menschen waren ihr zum Opfer gefallen. Die Zahl der politisch Verfolgten liegt im zweistelligen Millionenbereich. Eine umfassende Aufarbeitung der Verbrechen oder Klärung der politischen Verantwortung fand nie statt, nur eine kleine Gruppe um Maos Witwe, die "Viererbande", wurde verurteilt. 1981 räumte die KPCh zwar ein, dass die Kulturrevolution ein "Fehler" gewesen sei, das Bild Maos als vergötterter Staatsgründer aber blieb unangetastet – zu sehr ist es mit dem absoluten Machtanspruch der Partei verknüpft. Auch im Ausland wurde Maos Politik lange Zeit verklärt, schien die Volksrepublik unter seiner Herrschaft doch ein attraktives Gegenmodell sowohl zum westlichen Kapitalismus als auch zum Sowjetkommunismus zu bieten.

Viele der heute in China Verantwortlichen erlebten die "zehn Jahre des Chaos" als Jugendliche, so auch Staatschef Xi Jinping. Die Furcht der Parteispitze vor erneuter "Unordnung" führt mittlerweile zu einem Comeback mancher Methoden Maos: So gibt es um Xi Anwandlungen eines Personenkults, und auch das Disziplinierungsmittel der "öffentlichen Selbstkritik" wird wieder angewandt. Die damaligen Ereignisse und der eingeübte Mao-Kult prägen die chinesische Gesellschaft bis in die Gegenwart.